Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Angenommen wurde auch der gemeinsame Antrag von SPD, CDU und FDP sowie der Antrag aller vier Fraktionen zum Bau einer Gedenkstätte im ehemaligen KZ Hinzert. Keine Mehrheit fanden – mit einer Ausnahme – die Anträge der beiden Oppositionsfraktionen. Die CDUFraktion zielte mit ihren 30 Einzelvorschlägen darauf ab, die Neuverschuldung insgesamt um 102 Millionen Euro zu senken. Sie beantragte insbesondere, insgesamt 450 Stellen zu streichen und die Ausgaben und Kredite der Landesbetriebe zu verringern. Die Umweltpolitik sowie die Förderung des Wohnungsbaus, des Arbeitsmarkts und der Wirtschaft sollten sich nach den Vorschlägen der CDU auf die wesentlichen Maßnahmen konzentrieren.

Weitere Anträge betrafen zusätzliche 100 Polizeianwärter, die Verbesserung von Forschung und Lehre an den Hochschulen sowie im Gemeindefinanzausgleich die Verlagerung von Mitteln aus dem Bereich Wasser und Abwasser in den Schulbau.

Die 75 Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren hauptsächlich darauf gerichtet, die Ausgaben für die Hochschulen, für die Berufsschule und die berufliche Ausbildung sowie für erneuerbare Energien zu erhöhen. Durch die Kürzung insbesondere von Subventionen sollten diese Mehrausgaben nicht nur

gegenfinanziert, sondern die Gesamtausgaben um etwa 35 Millionen Euro reduziert werden.

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Regionalisierungsmitteln im Nahverkehr, der inhaltsgleich mit einem Antrag der Koalitionsfraktionen war, wurde mit diesem zusammen angenommen. Die Änderungen der Haushaltsansätze ergeben sich im Einzelnen aus der Beschlussempfehlung, die Ihnen vorliegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich mich – ich denke, dies sage ich im Namen aller Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses – ganz herzlich bei all denen bedanken, die im Hintergrund auch dieses Jahr wieder zum reibungslosen Ablauf der Beratungen beigetragen haben. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien, der Fraktionen und der Landtagsverwaltung, vor allen Dingen aber auch ausdrücklich beim Stenographischen Dienst. Ich denke, es war insbesondere dieses Mal keine Selbstverständlichkeit, dass wir das Protokoll der Haushaltsberatungen einschließlich des Wortprotokolls schon am vergangenen Freitag in unseren Fächern finden konnten, obschon die Beratung erst am Dienstag zuvor stattfand. Ich bedanke mich ganz ausdrücklich dafür. (Beifall im Hause)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haushaltsund Finanzausschuss empfiehlt dem Landtag die Annahme des Entwurfs des Haushaltsgesetzes der Landesregierung sowie der Einzelpläne unter Berücksichtigung der Änderungen, die sich aus der Beschlussempfehlung ergeben.

(Beifall im Hause)

Ich danke der Berichterstatterin und eröffne die Aussprache.

Ich rufe dazu auf:

Einzelplan 02 – Ministerpräsident und Staatskanzlei, Landesvertretung –

Ich erteile dem Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Abgeordneten Christoph Böhr, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte heute Morgen mit einigen nüchternen und schnörkellosen Feststellungen, die diesen Landeshaushalt 2004 betreffen, beginnen. Die erste Feststellung, die ich machen möchte und von der sich eigentlich alles andere, was zu diesem Landeshaushalt 2004 zu sagen ist, ableitet, lautet: Wir haben inzwischen in uns erem Land Rheinland-Pfalz eine Verschuldung erreicht, die ein beängstigendes Ausmaß umfasst.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das betrifft die Geschwindigkeit, in der sich diese Verschuldung über viele Jahre aufgebaut hat; denn es ist nicht wahr, dass diese Verschuldung erst in den letzten zwei oder drei Jahren entstanden ist. In dieser Zeit hat sich die Geschwindigkeit beschleunigt, aber die Wurzeln dieser Verschuldung reichen weit in die 90er-Jahre zurück.

Das betrifft weiterhin den Stand unserer Verschuldung im Verhältnis zu anderen westlichen Flächenstaaten, zu denen man unsere Schuldenlast in ein Verhältnis setzen muss, um zu einigermaßen zutreffenden Beurteilungen zu kommen, und es betrifft des Weiteren natürlich den absoluten Stand uns erer Verschuldung.

Das Jahr 2003, also das gerade zu Ende gegangene Haushaltsjahr, war zumindest ein bisher einmaliges Jahr in der Geschichte unseres Landes, was zumindest die finanzpolitischen Angelegenheiten anbelangt. In diesem Jahr 2003 wächst die Verschuldung in Rheinland-Pfalz um einen Betrag, der über zwei Milliarden Euro liegt.

(Ministerpräsident Beck: Das ist unglaublich, so etwas zu behaupten! Und falsch!)

Das ist eine stolze Zahl, Herr Ministerpräsident.

(Ministerpräsident Beck: Das ist total falsch!)

Es ist unglaublich, ich kann Ihren Zwischenruf nur unterstreichen. Natürlich ist es falsch, wenn ich mich auf Ihre Betrachtungsweise zurückziehe

(Ministerpräsident Beck: Nein! Nein!)

und sozusagen nur den Kernhaushalt für sich nehme und alle anderen Nebentöpfe ausblende.

(Ministerpräsident Beck: Nein!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist genau der Punkt, an dem diese streitige Auseinandersetzung geführt werden muss. Wenn ich von allen Haushaltstricks und Haushaltskniffen absehe und das nehme, was dieses Land insgesamt an Schuldenlast zu tragen hat, dann ist diese Schuldenlast im vergangenen Jahr um einen Betrag erhöht worden, der über zwei Milliarden Euro liegt. Das ist unglaublich, Herr Ministerpräs ident. Das ist in der Tat unglaublich.

(Beifall der CDU)

Dieser Betrag liegt um 500 Millionen Euro höher als das bisherige Negativrekordergebnis des Jahres 2002. Selbst wenn Sie Recht hätten und es ein wenig weniger wäre

(Heiterkeit bei der SPD – Lewentz, SPD: Ja, ja! – Ministerpräsident Beck: Eine halbe Milliarde weniger, als Sie sagen!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben nicht Recht –, angesichts dieser Zahl, die man in Verbindung zur Steuerkraft und zur Wirtschaftskraft dieses Landes setzen muss, und angesichts der Gesamtverschuldung unseres Lan

des muss einem mit Blick auf die finanzpolitische Zukunft unseres Landes Rheinland-Pfalz Angst und Bange werden.

(Beifall der CDU)

Deswegen ist die erste Frage, der ich heute nachgehen möchte – inzwischen kennen wir auch die Repliken, die im Laufe des Tages kommen werden –, wie es denn dazu gekommen ist. Waren es die widrigen Umstände? Wir werden zwei bis drei Stunden lang Ihre Rede hören, also die Rede des Regierungschefs, der die ganze Klaviatur dieser Erklärungen noch einmal zu Gehör bringen wird. Waren es die widrigen Umstände? Waren es besondere Aufgaben, die dieses Land in den letzten Jahren zu tragen hatte, unvorhergesehene Belastungen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Antwort auf diese Fragen ist klar. Da kann hier gesagt werden, was will. Die Wahrheit ist ganz eindeutig. Es gab in Rheinland-Pfalz nichts, was nicht auch andere Länder in den letzten zehn Jahren zu verkraften gehabt hätten. Nichts!

(Lewentz, SPD: Ach ja!)

Das betrifft die Einbrüche bei den Steuereinnahmen, die es auch in anderen Bundesländern gab. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das betrifft die Konversion. Rheinland-Pfalz ist nicht das einzige Land, das Konversionslasten zu tragen hatte. Das betrifft die Vereinigungslasten. Sie können nehmen, was Sie wollen. Alles, was uns Beschwer in der Haushaltspolitik unseres Landes gemacht hat, hat auch anderen Bundesländern genau die gleiche Beschwer gemacht. Es gab in Rheinland-Pfalz keine Ausreißer.

Jetzt kommt aber der Punkt, auf den man immer wieder die Aufmerksamkeit lenken muss. Gleichwohl hat sich unser Land Rheinland-Pfalz, obwohl es im Vergleich zu anderen Bundesländern keine Ausreißer gab, stärker als andere Bundesländer verschuldet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses „gleichwohl“ findet seinen tieferen Sinn darin, dass wir parallel zu dieser Entwicklung eines stärkeren Aufgalopps in die Verschuldung bei den Einnahmen über viele Jahre hinweg durchaus günstiger als viele andere Bundesländer dastanden.

Wenn ich einmal die letzten zehn Jahre nehme, haben wir in Rheinland-Pfalz die Situation, dass wir im Vergleich zu allen anderen westlichen Flächenländern bei den Einnahmen eine sehr günstige Position haben, andererseits bei den Ausgaben einen sehr viel stärkeren Aufgalopp in die Verschuldung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies hat nichts mit irgendeinem blinden Schicksal zu tun, sondern das ist die originäre Verantwortung dieser Landesregierung für den Schuldenstand, den wir inzwischen insgesamt zu schleppen haben.

(Beifall der CDU)

Dieser Aufgalopp in die Verschuldung begann Mitte der 90er-Jahre. Wenn ich mir die Zunahme der Pro-KopfVerschuldung des Landes Rheinland-Pfalz im Ländervergleich zunächst einmal in der Zeitspanne von 1991

bis 2002 ansehe, dann liegen wir bei der Zunahme der Pro-Kopf-Verschuldung unseres Landes im Vergleich der westlichen Flächenländer mit 59 % über dem Durchschnitt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Ministerpräsident Beck: Das stimmt auch nicht!)

Das stimmt nicht, Herr Ministerpräsident? Soll ich jetzt hier noch die absoluten Zahlen vortragen und bitte dann irgendeinen, einen Taschenrechner hereinzubringen, damit jeder nachrechnen kann, ob die Prozentzahl stimmt oder nicht?

(Staatsminister Mittler: Das wird auch nötig sein!)

Wenn ich die Zeitspanne von 1995 – jeder weiß, dass das in der Geschichte unseres Landes eine Zäsur war – bis 2002 nehme, dann liegt unser Land Rheinland-Pfalz im Vergleich zu den übrigen westlichen Flächenländern mit 71 % über dem Durchschnitt der Zunahme der ProKopf-Verschuldung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit 1991 hat das Land Rheinland-Pfalz die mit Abstand höchste Zunahme der Pro-Kopf-Verschuldung aller westlichen Flächenländer. Das zeigt eines: Es hat sich über die Jahre hinweg nicht irgendein Einnahmenproblem aufgestaut, sondern das, was uns in den letzten Jahren immer mehr Beschwer macht und zu dieser Negativrekordverschuldung geführt hat – das war auch ständig Thema der Haushaltsberatungen in diesem Landtag –, ist eine ungezügelte Ausgabenpolitik, die im Land RheinlandPfalz über Jahre hinweg betrieben wurde. Dafür ist die Regierung verantwortlich.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt sich bei der Zunahme der bereinigten Gesamtausgaben im Vergleich der westlichen Flächenländer. Wenn ich mir diese Zunahme der bereinigten Gesamtausgaben je Einwohner ansehe, dann liegen wir im Zeitschnitt von 1991 bis 2002 mit 11 % über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer.

Im Zeitschnitt von 1995 bis 2002 liegen wir mit 30 % über dem Durchschnitt des Zuwachses der bereinigten Gesamtausgaben aller westlichen Flächenländer. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage deshalb noch einmal und werde nicht müde, es immer wieder zu sagen: Dieser Aufgalopp in die Verschuldung, den wir spätestens seit Mitte der 90er-Jahre im Land Rheinland-Pfalz erleben, war eben nicht die Antwort auf eine besonders schlechte Entwicklung bei den Einnahmen, was uns gelegentlich weisgemacht werden soll, dass wir nämlich als wirtschaftsschwaches und finanzschwaches Bundesland bei den Einnahmen besondere Einbrüche zu verkraften gehabt hätten und dies deswegen in besonderer Weise über Kredite hätten auffangen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Aufgalopp in die Verschuldung im Land Rheinland-Pfalz war nicht die Antwort auf eine besonders schlechte Entwicklung bei den Einnahmen – im Gegenteil. Die Einnahmens i

tuation unseres Landes – nur dank Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen – war in all den Jahren überdurchschnittlich gut. Sie war nur im Vergleich zu den Ausgabenwünschen der Landesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen überdurchschnittlich schlecht. Da liegt der Hase begraben. Das ist der Punkt.

(Beifall der CDU)