Sollen wir den geschundenen baltischen Staaten sagen, dass sie nicht kommen dürfen? Sollen wir den Polen sagen, dass die leidvolle deutsch-polnische Geschichte nicht den Neuanfang im Rahmen der Europäischen Union finden kann? Sollen wir uns nicht darüber freuen, dass die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie jetzt fast geschlossen Mitglied der EU ist? Das ist also eine positive Sache.
Zweite Bemerkung: Es gibt natürlich Probleme. Ein Problem, auf das ich aus Zeitgründen im Einzelnen nicht eingehen kann, ist der Zielkonflikt zwischen Erweiterung und Integration. Er wird immer wieder diskutiert, beispielsweise auch diese Woche im Pressedienst des Landtags ein Beitrag der „Frankfurter Rundschau“ des lange in Trier tätigen Politologen Werner Link, der dann nach Köln gegangen ist, einer der Experten in Deutschland, der sagt, dass die 25 nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Integration und der Verdichtung vorrangig gesehen werden können. Sein Problem – ich will darauf hinweisen –: „Ich bin wie die Mehrheit derjenigen, die sich dazu geäußert haben, nach wie vor der Auffassung, dass wir nicht so leichtfertig und nicht so schnell bei jeder Schwierigkeit mit der unterschiedlichen Geschwindigkeiten drohen sollen.“ – Das ist keine Antwort, es war keine Antwort, und es wird auch in Zukunft keine Antwort sein. Ich kann mir gerade vor dem Hintergrund auch dieser Regierungserklärung beispielsweise nicht vorstellen, wie Themen wie „Wettbewerb“, „Binnenmarkt“, „Industriepolitik“ in einem Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten erfolgreich gelöst und geklärt werden müssen.
Wir sollten also trotz aller Schwierigkeiten auch vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten, die vor der Tür stehen, mit Blick auf weitere Beitrittskandidaten an diesem Grundkurs festhalten, und vor diesem Hintergrund ist es auch mehr als zu wünschen – Sie haben das Wort „Neuverhandlungen“ des Verfassungskomplexes angesprochen –, dass dieser Verfassungskomplex zu einem Abschluss kommt. Ich glaube nicht, dass wir insgesamt hinterher – auch die Bundesrepublik Deutschland – besser dastehen, wenn dieser Komplex scheitern sollte.
Dritte Bemerkung: Diesem Grundtenor der Regierungserklärung stimmte ich zu, dass es eine Chance auf Gewinn aller Beteiligten sein kann und werden kann. Das setzt aber voraus, dass alle Beteiligten aufeinander zugehen und man nicht alles haben kann. Das gilt auch für die Bundesrepublik Deutschland. Wenn wir keine Ausweitung des EU-Haushalts wollen und wenn die Zusagen gegenüber den Beitrittskandidaten in Erfüllung gehen sollen, wenn also, wie die Kommission jetzt vorschlägt, 50 % der Mittel für Regionalpolitik in die Beitrittsländer wandern sollen, aber der Haushalt im Wesentlichen in der Summe – vielleicht nicht in den Struktu
Die größten Gewinner – nicht Spanien – sind Griechenland mit einem Prozentsatz des Bruttonationaleinkommens von 2,4 %, an zweiter Stelle Portugal mit 2,14 %, an dritter Stelle – daran denkt gar niemand – Irland mit 1,5 % und erst an vierter Stelle – zwar absolut die größte Zahl, aber erst an vierter Stelle – Spanien. Wenn hier Einschnitte notwendig sind, dann kann man es sich nicht so leicht machen wie die Ministerpräsidenten der neuen Länder in der Bundesrepublik, die sagen „ keine Mark weniger“, sondern dann wird dies auf einen Prozess des Aufeinanderzugehens ankommen, weil sonst die Situation nicht zu bewältigen ist. Ich denke, dass auch der Haushalt der EU dazu einen Beitrag leisten muss. „FAZ“ heute Wirtschaftsteil: Wer sie in die Hand bekommt, sollte den Beitrag „Budget von gestern“ bitte lesen. Vieles von dem, was hier steht, ist auch meine persönliche Überzeugung.
Vierte Bemerkung: Herr Minister, Standortvorteil und Brückenfunktion Deutschlands ist sicherlich richtig. Hier ist aber Ihr Gesamttenor etwas zu optimistisch. Jetzt sind natürlich Regierungserklärungen immer auf Optimismus „Rheinland-Pfalz ganz vorn“ usw. angelegt. Ich will dazu eine doppelte Bemerkung machen. Es gibt ganz eindeutige Gefahren für die deutsche Position, die wir nicht gering veranschlagen dürfen. Unser Weltmarktanteil sinkt seit Jahren. Unser Anteil an den Marktsegmenten des 21. Jahrhunderts ist außerordentlich gering: Pharmazie, Life-Scienes, Gentechnik, Nanotechnik, Mikrotechnik, Informations- und Kommunikationstechnologie. – Das, was Sie als unsere rheinland-pfälzischen Stärken beschrieben haben, ist erneut ein Hinweis auf die hoch entwickelten, aber ausgereiften Produkte des 20. Jahrhunderts. Das ist ein Grundproblem der Bundesrepublik Deutschland.
Das zweite Problem, das in diesem Zusammenhang zu nennen ist, wir leben seit Jahren mitten in einer Entwicklung, wo bei immer mehr Unternehmen nur noch die Planung, die Steuerung, die Logistik und allenfalls die Forschung in Deutschland ist und auch hochwertige Produktion zunehmend abwandert. Der Wertschöpfungsanteil an der deutschen Automobilindustrie, der in der Bundesrepublik Deutschland geleistet wird, liegt noch bei 35 %. Das heißt, wir erleben eine Reduzierung. Mit Blick auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland ist dies durchaus ein Anlass zur Sorge.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine kurze Bemerkung zu den Beitrittsländern machen. Ich will mich kurz fassen. Das ist schon faszinierend. Da haben Sie an mehreren Stellen darauf hingewiesen. „FAZ“, Montag, 2. Februar: „Deutschland fällt im Steuerwettlauf zurück“. – Bundesamt für Finanzen, Quelle Bundesministerium für Finanzen, also nicht irgendjemand anderes:
Dann verweise ich auf einen faszinierenden Beitrag in der „FAZ“ von dieser Woche, ein Gespräch mit dem slowakischen Finanzminister. Wissen Sie, was die Slowakei gemacht hat?
Sie hat Kirchhof in Reinkultur umgesetzt. Meine Damen und Herren, 19 % auf die Körperschaftsgewinne, und das vor dem Hintergrund von Lohnkosten, die zwischen einem Sechstel und einem Fünftel der Bundesrepublik Deutschland liegen, und vor dem Hintergrund einer qualifizierten Mitarbeiterschaft. Ich will nur darauf hinweisen, dass in allen Beitrittsländern das mathematischnaturwissenschaftliche Niveau der Ausbildung außerordentlich hoch ist, wie es im ganzen Osten der Fall war. Das heißt, hier kommt eine Konkurrenzsituation auf uns zu, von der sich viele in der Bundesrepublik Deutschland meines Erachtens noch keine saubere Vorstellung machen.
(Ministerpräsident Beck: Zu dem Beispiel kann man auch hinzufügen, dass dort ein Viertel der Menschen unter der Armutsgrenze leben!)
Herr Ministerpräsident, aber das ist jetzt schon wieder fast eine Pawlow‘sche Reaktion, wenn man auf ein Problem hinweist.
Wenn man auf ein Problem hinweist, dann heißt es: Aber, aber! Die bayrische Staatskanzlei macht sich große Sorgen über die Abwanderung von Betrieben nach Österreich nach Ungarn usw., weil Wertschöpfung zunehmend verloren geht.
Diese Entwicklung muss ich doch sehen. Das heißt, sie erfordert aber von uns Antworten auf dem Feld von Bildung, Ausbildung, Forschung und Innovation. Sie erfordert auch Antworten beispielsweise in der Steuerpolitik. Wenn der Finanzminister der Slowakei sagt: „Mit unseren Reformen stärken wir die Reformkräfte der EU“, hat er genau Recht, weil die nämlich eine Steuerpolitik machen werden, die uns in den nächsten Jahren vor Konsequenzen stellen wird. Ich muss das doch hier einmal ein bisschen nachdenklich sagen dürfen, ohne dass sofort Reflexe eintreten, meine Damen und Herren, – –
(Ministerpräsident Beck: Wir sammeln für die Kinderheime dort, damit die Kinder nicht verhungern! Das ist auch die Wahrheit!)
Jetzt tut es mir wirklich leid. Jetzt wollte ich einen sachbezogenen Beitrag leisten, und das ist die Reaktion der Landesregierung darauf.
Entschuldigung, ich wollte wirklich einen sachbezogenen Beitrag bezüglich der Analyse der nächsten Jahre leisten.
(Ministerpräsident Beck: Wer über 19 % Steuern redet, muss auch über Konsequenzen für das Volk reden!)
Herr Ministerpräsident, das weise ich jetzt ganz entschieden zurück. Das ist doch einfach lächerlich.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Es ist richtig, dass die Landesregierung vor allen Dingen die kleinen und mittleren Unternehmen berät und stützt.
Herr Minister, aber auch hier gibt es das Grundsatzproblem. Jetzt kann man gleich wieder sagen, auch hier gibt es das Grundsatzproblem, dass der Staat nicht so sehr als Veranstalter auftreten darf, sondern die Unternehmen müssen es aus sich selbst heraus leisten. Deshalb
kommt es in der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten zwei, drei, vier Jahren entscheidend auf die Sicherung unserer Zukunftsfähigkeit an. Da stehen alle in der Pflicht.
Meine Damen und Herren, wenn wir das nicht leisten, dann werden auch die optimistischen Prognosen dieser Regierungserklärung in einem Zeitraum von fünf bis acht Jahren sehr kritisch gesehen werden müssen.