Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

......................................................................................................... 5029, 5047, 5051 Abg. Billen, CDU:...............................................................................................................................5094 Abg. Bischel, CDU:...................................................................................................................5034, 5111 Abg. Bracht, CDU:.......................................................................................................... 5080, 5089, 5091 Abg. Creutzmann, FDP:............................................................................................................5049, 5099 Abg. Dr. Altherr, CDU:...............................................................................................................5032, 5104 Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................... 5074, 5078, 5092 Abg. Dr. Gölter, CDU:................................................................................................................5071, 5098 Abg. Dr. Schmitz, FDP:.................................................................................5041, 5045, 5076, 5078, 5105 Abg. Dr. Weiland, CDU:......................................................................................................................5033 Abg. Dröscher, SPD:..........................................................................................................................5103 Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD:..............................................................................................5055, 5060 Abg. Frau Grosse, SPD:.....................................................................................................................5028 Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.....................................5049, 5061, 5067, 5110, 5111 Abg. Frau Huth-Haage, CDU:....................................................................................................5040, 5045 Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................................5096, 5099 Abg. Frau Klamm, SPD:.....................................................................................................................5073 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:.............................................................................................................5108 Abg. Frau Morsblech, FDP:............................................................................................. 5052, 5058, 5087 Abg. Frau Raab, SPD:..................................................................................................... 5035, 5037, 5079 Abg. Frau Reich, SPD:.......................................................................................................................5048 Abg. Frau Schmitt, SPD:...........................................................................................................5083, 5090 Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................. 5032, 5033, 5085 Abg. Hartloff, SPD:................................................................................................. 5031, 5038, 5039, 5110 Abg. Hohn, FDP:.................................................................................................... 5065, 5069, 5094, 5110 Abg. Hörter, CDU:..............................................................................................................................5064 Abg. Jullien, CDU:..............................................................................................................................5039 Abg. Klöckner, SPD:..........................................................................................................................5107 Abg. Lelle, CDU:.......................................................................................................................5053, 5059 Abg. Licht, CDU:................................................................................................................................5037 Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:..................................... 5030, 5031, 5032, 5037, 5039, 5102, 5105 Abg. Mertes, SPD:....................................................................................................................5039, 5044 Abg. Nink, SPD:.................................................................................................................................5097 Abg. Pörksen, SPD:..................................................................................................................5062, 5068 Abg. Ramsauer, SPD:........................................................................................................................5032 Abg. Rösch, SPD:..............................................................................................................................5037 Abg. Schmitt, CDU:............................................................................................................................5038 Abg. Schnabel, CDU:................................................................................................................5068, 5082 Abg. Stretz, SPD:.....................................................................................................................5091, 5093 Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.....................................5029, 5032, 5042, 5046, 5056, 5060 Bauckhage, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:......................... 5043, 5046, 5101 Dr. Auernheimer, Staatssekretär:........................................................................................................5106 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend:..............................................................5057, 5061 Frau Conrad, Ministerin für Umwelt und Forsten:..................................................... 5035, 5037, 5038, 5039

............................................................................................... 5030, 5050, 5051 Präsident Grimm:............................................5028, 5029, 5030, 5031, 5032, 5033, 5034, 5035, 5037, 5038 5039, 5040, 5041, 5042, 5043, 5044, 5045, 5046, 5047, 5048 5049, 5050, 5051, 5052 Stadelmaier, Staatssekretär:............................................................................................ 5028, 5029, 5069 Vizepräsident Creutzmann:..............................5082, 5083, 5085, 5087, 5089, 5090, 5091, 5092, 5093, 5094 5095, 5096, 5102, 5103, 5104, 5105, 5106, 5108, 5110, 5111 5112, 5113 Vizepräsidentin Frau Grützmacher:..................5052, 5053, 5055, 5056, 5057, 5069, 5071, 5073, 5074, 5076 5077, 5078, 5079 Vizepräsidentin Frau Hammer:.........................5058, 5059, 5060, 5061, 5062, 5064, 5065, 5066, 5067, 5068 5069, 5097, 5098, 5099, 5100 Zuber, Minister des Innern und für Sport:............................ 5030, 5031, 5032, 5033, 5034, 5066, 5095, 5112

76. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 1. Juli 2004

Die Sitzung wird um 9:31 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 76. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Christian Baldauf und Alexander Fuhr. Herr Fuhr führt die Rednerliste.

Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Anne Kipp, Dr. Gerhard Schmidt, Ruth Leppla und Hedi Thelen. Frau Leppla ist für heute Nachmittag entschuldigt. Herr Ministerpräsident Beck kann erst ab 15:00 Uhr an der Sitzung teilnehmen, Staatsminister Mittler erst ab 14:00 Uhr.

Entsprechend der gestern festgestellten Tagesordnung rufe ich Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Fragestunde – Drucksache 14/3256 –

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Joachim Mertes, Ulla Brede-Hoffmann, Marianne Grosse, Heribert Heinrich, Günter Rösch und Franz Schwarz (SPD), „Ausbildungspakt und Ovaler Tisch zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation“ – Nummer 1 der Drucksache 14/3256 – betreffend, auf. Wer trägt vor? – Frau Grosse, bitte schön.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Inhalte des Ausbildungspaktes?

2. Welche Übereinstimmungen sieht die Landesregierung in den Verabredungen des „Ovalen Tisches“ mit dem jetzt vereinbarten „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“?

3. Inwiefern hatte sich die rheinland-pfälzische Landesregierung im Vorfeld des Ausbildungspaktes für den Abschluss von freiwilligen, aber verbindlichen Lösungen eingesetzt?

4. Welche Konsequenzen ergeben sich aufgrund des jetzt vereinbarten „Nationalen Paktes für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“ für die Landesregierung und die Wirtschaft?

Es antwortet der Chef der Staatskanzlei.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der am 16. Juni 2004 in Berlin geschlossene Ausbildungspakt stellt aus Sicht der Landesregierung einen großen Erfolg für die Sicherung der Ausbildung junger Menschen in Deutschland dar. Insbesondere mit Blick auf die guten Erfahrungen, die wir in Rheinland-Pfalz mit freiwilligen Vereinbarungen gemacht haben und durch die seit Jahren die Ausbildung junger Menschen im Konsens von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften sichergestellt werden konnte, begrüßt die Landesregierung den Abschluss des Paktes.

Damit wird der in Rheinland-Pfalz vorgezeichnete Erfolgsweg, der auf freiwillige Lösungen anstatt gesetzliche Regelungen setzt, auch auf Bundesebene nachgezeichnet. Ebenso wie am „Ovalen Tisch“ des Ministerpräsidenten ist die Optimierung des Vermittlungsprozesses zentrales Thema im „Nationalen Ausbildungspakt“. Ziel ist eine Verbesserung des Informationsaustausches zwischen allen Beteiligten, um jungen Menschen die Möglichkeit auf eine bessere Berufsvorbereitung und den Betrieben Beratung bzw. Hilfen zu Ausbildungsangeboten und nicht zuletzt für zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen.

Zu Frage 2: In Rheinland-Pfalz ist der „Ovale Tisch für Ausbildung“ das wichtigste Instrument zur Entwicklung und Koordination von Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation. Beim „Ovalen Tisch“ treffen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, der Vorsitzende der Regionaldirektion Rheinland-PfalzSaarland der Bundesagentur für Arbeit, der Wirtschaftsminister sowie die Ministerinnen für Arbeit und Bildung in regelmäßigen Abständen unter Leitung des Ministerpräsidenten zusammen, beraten und beschließen über Maßnahmen, Initiativen und Aktionen zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation.

Ich freue mich, dass der „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“, der am 16. Juni 2004 zwischen Bundesministern und Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft abgeschlossen wurde, in vielen Kernpunkten identisch ist mit den Maßnahmen, die schon in Rheinland-Pfalz angeboten und durch den „Ovalen Tisch“ in diesem Jahr vorbereitet werden.

Ich will sie stichwortartig nennen. Beispielsweise aus dem Bereich Information und Kooperation: der Datenabgleich zwischen Kammern und Arbeitsagenturen sowie die Ausbildungsoffensiven, das heißt, Kampagnen, Veröffentlichungen und Veranstaltungen oder die Optimierung der Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft.

Aus dem Bereich der Verbesserung der Berufsvorbereitung und Vermittlung der Jugendlichen: die Qualifizierungsbausteine, die in der Berufsvorbereitung Jugendliche gezielt für eine Ausbidungsaufnahme qualifizieren und die Chancen auf eine Lehrstelle erhöhen sollen, die zusätzlichen praxisorientierten, arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag, der Kompetenzcheck für jene Jugendliche, die im Herbst noch nicht vermittelt sind und über Nachvermittlungsaktionen eine Stelle suchen, sowie die im Pakt fixierten

Nachvermittlungsaktionen, die den Titel „Chancengarantie 2004“ tragen.

Aus dem Bereich der Unterstützung der Betriebe: die Förderung von Ausbildungsverbünden, die Schaffung so genannter Ausbildungsplatzakquisiteure, die ehrenamtlichen Lehrstellenpaten und -lotsen, wie sie beispielsweise der Wirtschaftsminister und der Ministerpräsident sind, die ausbildungsfördernde Ausgestaltung des Berufsbildungsgesetzes sowie nicht zuletzt die Vereinfachung der Berufsbilder und Erleichterung der Berufsausbildung für Betriebe.

Zu Frage 3: Mit dem Pakt wird auf nationaler Ebene der Kurs eingeschlagen, für den sich der Ministerpräsident in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv eingesetzt hat. Das Ergebnis entspricht dem Antrag des Landes Rheinland-Pfalz vom 11. Juni im Gesetzgebungsverfahren zum Berufsausbildungssicherungsgesetz.

Die Regierungsfraktionen von SPD und FDP haben sich immer gegen eine aufwändige und bürokratische gesetzliche Regelung zur Sicherung von Ausbildungsplätzen ausgesprochen. Die guten Erfahrungen mit tragfähigen freiwilligen Lösungen haben die Landesregierung darin bestärkt, diesen Instrumenten gegenüber einer gesetzlichen Regelung den Vorzug zu geben. Dafür haben sich der Ministerpräsident, der stellvertretende Ministerpräsident und die Mitglieder der Landesregierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit und in ihren unterschiedlichen Funktionen eingesetzt.

So haben Kurt Beck und Peer Steinbrück beispielsweise im April dieses Jahres das Konzept „Gemeinsam für eine nationale Ausbildungsoffensive“ vorgestellt. So ist die Entwicklung des Paktes in vielen Gesprächen von Mitgliedern der Landesregierung mit den Arbeitgebern und Kammern konstruktiv vorangetrieben worden.

Zu Frage 4: Bundesweit sollen 30.000 neue Ausbildungsplätze und 25.000 zusätzliche Praktikumsplätze geschaffen werden. Damit enthält der Pakt eine wichtige Neuerung, nämlich verbindlich vereinbarte Zielvorgaben. Damit hat die Wirtschaft die Zusage gemacht, die nun auf die Regionen und Kammerbezirke heruntergebrochen werden muss. Hierzu erwarten wir auf Landesebene bald ein Signal der Wirtschaft, in welchem Umfang und wie die Platzzahlen für Rheinland-Pfalz umgesetzt werden.

Der Ministerrat hat für seinen Teil bereits in seiner Sitzung am 14. Mai 2004 beschlossen, die Zahl der Ausbildungsplätze im Tarifbereich im Landesdienst einschließlich der Landesbetriebe ausgehend von diesem Jahr in den nächsten zwei Jahren jeweils um 10 % zu erhöhen. Die Umsetzung des Paktes in Rheinland-Pfalz wird Thema der nächsten Sitzung des „Ovalen Tisches“ am 12. Juli sein.

Mit den vielfältigen Anstrengungen in Rheinland-Pfalz, insbesondere durch die Partner des „Ovalen Tisches“ und des Paktes, wird es uns hoffentlich gemeinsam auch in diesem Jahr gelingen, für jeden Jugendlichen das richtige Angebot vorzuhalten.

So weit die Antwort der Landesregierung.

Gibt es Zusatzfragen? – Bitte schön, Herr Abgeodneter Wiechmann.

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, dass es ohne die Vorlage eines Gesetzes nicht zu diesem Ausbildungspakt gekommen wäre?

Das ist reine Spekulation, Herr Wiechmann.

(Zurufe von SPD, CDU und FDP)

Ihre Meinung war gefragt.

Ist die Frage beantwortet? – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich bedanke mich.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU), Sicherungsverwahrung – Nummer 2 der Drucksache 14/3256 – betreffend, auf.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 10. Februar 2004 entschieden, dass die so genannte isolierte nachträgliche Sicherungsverwahrung in Landesgesetzen verfassungswidrig ist, da die Länder nicht zum Erlass solcher Regelungen befugt seien. In Reaktion auf dieses Urteil hat der Bundestag am 18. Juni 2004 eine gesetzliche Grundlage für die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung beschlossen. Das Gesetz wird dem Bundesrat zur Zustimmung übermittelt.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

1. Wie ist die Haltung der Landesregierung zu einer geplanten Einführung von Vorschriften zur isolierten nachträglichen Sicherungsverwahrung?

2. Inwieweit hält die Landesregierung die von ihr wiederholt geäußerten Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung aufrecht?

3. Was hat die Landesregierung unternommen, um der Bundesregierung ihre Haltung zu vermitteln, und welche Reaktionen hat sie damit erreicht?

4. Wie wird sich die Landesregierung bei der entscheidenden Sitzung des Bundesrates verhalten?

Es antwortet der Herr Justizminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu den Fragen 1, 3 und 4: Der Rechtsausschuss des Bundesrats hat am 23. Juni 2004 im zweiten Durchgang das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung beraten. Er hat einstimmig bei Stimmenthaltung von Bayern, Brandenburg und Schleswig-Holstein empfohlen, keinen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stellen. Es ist daher davon auszugehen, dass in der 802. Sitzung des Bundesrats am nächsten Freitag, dem 9. Juli 2004, das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung den Bundesrat ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses passieren wird.

Einem In-Kraft-Treten des Gesetzes bis zum 30. September 2004 stünde somit nichts mehr im Wege. Damit würde die Frist, die das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber gesetzt hatte, um die nach den für verfassungswidrig erklärten Ländergesetzen in Sicherungsverwahrung genommenen Personen nicht entlassen zu müssen, eingehalten.

Das Gesetz könnte nur noch scheitern, wenn sich die BLänder entgegen ihrer Haltung im Rechtsausschuss des Bundesrats im Plenum entschließen sollten, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Zu Frage 2: Die Landesregierung hatte verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Frage, ob die Länder die Gesetzeskompetenz zur Regelung der nachträglichen Sicherungsverwahrung besitzen. Die Landesregierung hatte ferner Zweifel, ob die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung mit der Verfassung vereinbar ist, wenn in einem rechtskräftigen Urteil diese für die Zeit nach der Strafverbüßung weder angeordnet noch vorbehalten war.