Protokoll der Sitzung vom 19.09.2001

Ich komme zu Punkt 20 der Tagesordnung. Dem Vernehmen nach soll über den Antrag der Fraktion der CDU „Weinherbst 2001 – Den Rheinland-pfälzischen Winzern schnell und wirksam helfen“ – Drucksache 14/261 –, heute im Anschluss an die Aktuelle Stunde abgestimmt werden. – Dagegen gibt es keine Einwände.

Meine Damen und Herren, wenn es ansonsten keinen Widerspruch gegen die ausgedruckte Tagesordnung gibt und diese Hinweise akzeptiert werden, stelle ich die Tagesordnung so fest.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

AKTUELLE STUNDE

„Aktuelle Weinmarkt- und Weinpreissituation“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/231 –

„Weinbau auf gutem Weg zu mehr Qualität, Kundenund Marktorientierung“ auf Antag der Fraktion der SPD – Drucksache 14/276 –

dazu: Weinherbst 2001: Den rheinland-pfälzischen Winzern schnell und wirksam helfen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/261 –

Wir diskutieren beide Themen gemeinsam, sodass jeder Fraktion eine Viertelstunde Redezeit zur Verfügung steht.

Da der Antrag der CDU-Fraktion zuerst eingebracht worden ist, erteile ich zunächst Herrn Kollegen Dieter Schmitt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schwer, unmittelbar nach dem Gedenken an die Opfer der Terroranschläge zur Tagesordnung überzugehen. Ich hoffe sehr, dass wir gemeinsam in den nächsten Wochen und Monaten das Vertrauen erfüllen und weiterhin Solidarität üben, was sehr eindrucksvoll dargelegt wurde.

Dennoch ist es notwendig, dass wir die dringenden Probleme dieses Landes nicht vergessen. Auch hier ist Solidarität notwendiger denn je. Rheinland-Pfalz ist ein Weinland. Mehr als zwei Drittel der Erzeugung wachsen in Rheinland-Pfalz. Winzer ringen um ihre Existenz. Insbesondere im Fassweinbereich, im Weißweinbereich, haben wir seit zwei, drei Jahren ruinöse Preise. Die diesjährige Weinernte steht bevor. Die Weinfässer sind voll. Bei vielen Winzern ist die Kasse leer.

Meine Damen und Herren, das sind alarmierende Zeichen. Die Politik darf nicht tatenlos zusehen. Wir müssen stärker vom Verbraucher her dieses Problem anfassen und diskutieren. Es ist notwendig, den Absatz stärker zu fördern, auf Qualität zu setzen und das Image zu verbessern.

An der Mosel, meinem Weinbaugebiet, lagern rund 100 Millionen Liter im Keller. Der Weinabsatz ist zwar gestiegen, dennoch ist es fatal, wenn trotz einer guten Ernte keine Freude aufkommt. Bei den Fassweinwinzern herrscht Resignation vor. Es gibt auch gute, positive Ansätze. Ich will dies nicht überziehen, weil ich weiß, dass auch Spitzenbetriebe mit Weltruf unsere Weine vermarkten. Trotzdem sind tausend Existenzen gefährdet.

Meine Damen und Herren, betroffen sind wir alle. Es geht nicht um die Winzer. Ich sage das in der Betroffenheit der Ereignisse der letzten Wochen. In der Diskussion relativiert sich vieles. Es geht auch um die Erhaltung einer Kulturlandschaft und die Identität ganzer Regionen.

Ich meine, es ist notwendig, dass wir eine ganzheitliche Betrachtung vornehmen. Wir können nicht nur Moderator sein und dürfen uns nicht hinter die Weinwirtschaft verschanzen, selbst wenn Fehler gemacht werden. Das ist unbestritten. Wir müssen als Politik unserer Verantwortung gerecht werden.

Allein im Kreis Trier-Saarburg sind im letzten Jahr über 500 Hektar stillgelegt worden. Wer das sieht und mit den Betroffenen spricht, merkt, um was es wirklich geht. Die Landesregierung hat im vergangenen Jahr ein ZwölfPunkte-Programm auf den Weg gebracht. Dieses hat das Ziel nicht erreicht. Die Verbesserung ist nicht eingetreten. Die 15 Millionen DM, die damals anvisiert wurden, sind noch nicht einmal zur Hälfte dem Weinbau zugute gekommen. Es fehlt nach wie vor das Gesam tkonzept.

Herr Minister, Sie merken, in welcher Tonlage ich das vortrage. Das Gesamtkonzept, das der Landtag Rheinland-Pfalz gefordert hat, liegt nach wie vor nicht vor. Im Laufe dieses Jahres hätte ich zumindest erwartet, dass man nicht darauf wartet, bis die CDU eine Aktuelle Stunde beantragt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wäre notwendig gewesen, dass man darauf reagiert.

Herr Minister, das ist auch eine Art des Umgangs im Parlament mit der Opposition. Im letzten Jahr hatte ich

Ihnen persönlich das Gespräch angeboten, das auch stattgefunden hat.

In diesem Jahr wäre es notwendig gewesen. Herr Ministerpräsident, so viel sage ich zur Chefsache. Wenn Sie in dieser absoluten Notlage versucht hätten, auch die Politik und die Opposition mit einzubinden, hätten wir versucht, am so genannten runden Tisch eine Lösung zu finden. Die Winzer brauchen dies, und wir sind es ihnen auch schuldig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen eine Qualitäts-, Image- und Vermarktungskampagne. Wir können uns nicht nur mit Einzelpunkten auseinander setzen. Es ist notwendiger denn je. Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern es ist zwölf vorbei. Sprechen Sie mit den einzelnen Winzern über ihre Probleme.

Wir haben erneut einen Antrag vorgelegt, der kurzfristige und langfristige Maßnahmen enthält. Machen Sie bitte nicht den Fehler und mäkeln an den einzelnen Punkten herum. Versuchen Sie, die Punkte, die machbar sind, umzusetzen. Wir brauchen die Bündelung der Fassweine. Der Beitritt zur Erzeugergemeinschaft, Genossenschaft und Kellerei ist notwendig, wie die Kreise es getan haben. Schließen Sie sich dem an. Dies ist ein kleiner Schritt, der die Probleme absolut nicht löst.

Warum hat dies das Land bisher nicht getan? Warum haben Sie bisher das Zwölf-Punkte-Programm nicht umgesetzt?

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich möchte nur noch auf zwei Punkte eingehen.

Ich nenne die Aufgabe der Kellerwirtschaft. Sie haben dies vor über einem Jahr angekündigt. Die Winzer warten schon länger darauf. Man kann sich allein hinter der EU-Notifizierung nicht verschanzen.

Ich nenne weiterhin die kurzfristigen Probleme der Erntehelfer. Sie wissen, 85 % Reduzierung. Ich nenne auch das, was in Fragen des Sektgrundweines machbar wäre. Herr Ministerpräsident, Sie haben damals selbst gesagt, dass dies politisch gelöst werden müsse.

Mir kommt es vor allem darauf an – aber das ist vor dem Herbst nicht mehr machbar –, dass es uns gelingt, gemeinsam ein langfristiges Qualitäts-, Image- und Vermarktungskonzept auf den Weg zu bringen. Nur, wenn wir mehr Wein absetzen können, wird es uns gelingen, die Probleme zu lösen.

Ich hoffe, wir werden auch am heutigen Tag unserer Verantwortung gerecht. Ich wollte dies in dieser neutralen Art sagen. Es hat Gemeinsamkeiten gegeben. Stimmen Sie zumindest Teilen dieses Antrags zu, wenn Sie dem Antrag insgesamt nicht zustimmen können.

Ich bedanke mich sehr herzlich.

(Beifall der CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Baumann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es klingt wie ein Märchen: Es war einmal, dass sich Winzer über eine gute Ernte gefreut haben, und was ist heute?

Die CDU erwartet im kommenden Herbst eine große Erntemenge in guter Qualität. Lassen wir einmal offen, ob das auch so stimmt. Aber als direkte Folge dieser überdurchschnittlich guten Ernte erwartet die CDU massive Einkommenseinbrüche und eine Verödung von Kulturlandschaften. Sie spricht von einer Notsituation in der rheinland-pfälzischen Weinwirtschaft.

Meine Damen und Herren, es scheint schon ein pervertiertes System zu sein, dass wir eine gute Ernte mit einer solchen Dramatik befürchten müssen. Es lohnt sich aber, die einzelnen Facetten des rheinland-pfälzischen Weinbaus und der Weinwirtschaft einmal detaillierter aufzuhellen.

(Jullien, CDU: Sie verstehen gar nichts davon!)

Deswegen bitte ich Sie, einmal zuzuhören.

(Zuruf von der CDU: Aber nicht bei einem solchen Unsinn!)

Wir haben eine Reihe sehr erfolgreicher Betriebe mit hervorragenden Weinen. Wir haben eine stattliche Zahl erfolgreicher Weinbaubetriebe, Winzergenossenschaften und Erzeugergemeinschaften mit ordentlichen bis guten und sehr guten Weinen. Wir haben ein breites Mittelfeld von Betrieben und Genossenschaften, die handwerklich ordentliche Weine produzieren und ein ordentliches Auskommen haben.

Wir haben aber – das geben wir alle zu – auch Betriebe – dies sind nun einmal zumeist Fassweinwinzer –, die mit ihren Weinen oder einem Teil davon nicht am Markt ankommen. (Schnabel, CDU: Die sollen zumachen!)

Meine Damen und Herren, es gibt nicht die Notsituation in der rheinland-pfälzischen Weinwirtschaft. Es gibt allerdings gerade im Fassweinbereich Vermarktungsbereiche, die es schwer oder sehr schwer haben.

Ich möchte nun einmal zum aktuellen deutschen Fassweinmarkt etwas sagen. Anhand der ersten Leseergebnisse kann man von einer gegenüber dem Vorjahr deutlich kleineren Erntemenge in allen Regionen in Rheinland-Pfalz ausgehen. Es liegt aber – dies hat mein Kollege Schmitt von der Mosel bereits gesagt – noch etwa ein Viertel bis ein Drittel der letzten Ernte im Erzeugerkeller. Das heißt, der Platz für neuen Wein wird knapp.

(Schmitt, CDU: Das Eineinhalbfache der Ernte!)

Wenn ich nun einmal den Blick über unsere Grenzen hinaus nach Frankreich wende, so wird sich dort wie auch im Vorjahr die Misere mit dem Tafel- und dem Landwein wiederholen. In Spanien werden die Preise für Rotweine voraussichtlich mindestens 15 % unter den Notierungen des Vorjahres liegen.

Meine Damen und Herren, volle Keller und Preise im Keller sind nicht nur ein rheinland-pfälzisches oder ein deutsches Problem, sondern überall in Europa haben Fassweinwinzer ihre Keller voll. Es handelt sich dabei auch nicht um eine temporäre Marktstörung. Der Ausweg bei uns ebenso wie im gesamten Europa kann nur heißen: Weniger Masse und mehr Kunden- und Qualitätsorientierung.

(Beifall der SPD und der FDP)

Unser Weg, das heißt, der Weg der Politik, kann nur sein, den Weinbaubetrieben auf diesem schwierigen Weg Mut zu machen und sie dabei zu unterstützen.

Lassen Sie mich auch einmal die Exportsituation deutscher Weine beleuchten. Der größte Teil der im Ausland verkauften Weine entfällt noch immer auf die Liebfrauenmilch. Damit bewegen wir uns in einer Preiseingangsstufe im unteren Bereich im Lebensmitteleinzelhandel.

Deutsche Weine haben beispielsweise in Großbritannien, das 50 % unseres Exports abnimmt, noch immer den Ruf von sweet and cheap. Cheap bedeutet für England ein Preissegment von 2,10 oder 2,12 DM pro Liter. Dies ist extrem niedrig und kann nicht von Qualitätsbewusstsein sprechen.