Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

Leider ist die hohe Zahl an jugendlichen oder heranwachsenden Beschuldigten auch ein Zeichen dafür, dass immer wieder neue Leute heranwachsen, die für dieses irrige Gedankengut anfällig sind. Das macht für uns eines ganz deutlich, nämlich dass es keinen Zeitpunkt gibt, an dem unsere Gesellschaft tatsächlich einmal aufgeklärt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit es nicht erst zu strafrechtlichen Ermittlungen kommt, kann die Gesellschaft, können wir alle vieles dazu tun. Das geschieht auch und wird auch weiter geschehen. So ist Präventivarbeit zu leisten für Toleranz und gegen Rechtsextremismus im Elternhaus, in den Schulen und in den Vereinen. Aber – auch das müssen wir uns klar machen – jede und jeder von uns ist im Alltag in alltäglichen Situationen immer wieder gefordert.

Auch das Land nimmt seit einigen Jahren seine Aufgaben im Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit nachhaltig wahr. Allen Initiativen voran möchte ich das Aussteigerprogramm, das auch im Jahr 2005 weitergeführt wird, nennen. Bis zum 31. Dezember 2004 wurden sage und schreibe 7.444 Anrufe an der Hotline registriert. Damit ist diese Hotline eines der am stärksten frequentierten Telefone unter den Aussteigerprogrammen des Bundes und der Länder.

Ich zähle die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf, insbesondere im Jugendbereich, die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung in ganz vielen Bereichen, die Gedenkstättenarbeit in Osthofen und in Hinzert, die Aufklärungsarbeit des Justizministeriums und des Verfassungsschutzes, die Arbeit der Landesbeauftragten für Ausländerfragen. Ich zähle die Präventions- und Interventionsprojekte der rheinland-pfälzischen Polizei auf, Sportprojekte des Innenministeriums mit großen und kleinen Vereinen in Rheinland-Pfalz, die Arbeit in Zusammenarbeit mit den Sportbünden und vieles mehr.

Als besonders gutes Beispiel möchte ich ausdrücklich die Initiative „Netzwerk für Demokratie und Courage“ des DGB und einiger politischer Jugendorganisationen im Land nennen.

(Beifall bei der SPD)

Unter Schirmherrschaft unseres Ministerpräsidenten Kurt Beck gehen junge Leute an unsere Schulen, um Schülerinnen und Schüler selbst aufzuklären. Mehr als 3.000 Schülerinnen und Schüler wurden schon durch projektbezogene Aktionen erreicht. Diese persönliche

Ansprache vermag oft mehr, als man denkt. Das ist glaubwürdig und nachhaltig.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, trotz allem, was wir tun und was schon getan wurde, zeigen die aktuellen Zahlen: Der Kampf gegen Rechtsextremismus gehört leider noch nicht der Vergangenheit an. Es ist eine Daueraufgabe für unsere demokratische Gesellschaft, und es ist eine Aufgabe – das möchte ich ausdrücklich am Schluss sagen –, bei der sich die demokratischen Parteien nicht auseinander dividieren lassen dürfen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anstieg, den wir heute Morgen vernommen haben, ist sicherlich – da gebe ich Ihnen Recht, Frau Reich – ernst zu nehmen, wenn ich nur bedenke, dass gerade – ich weiß das aus Frankenthal – Aufmärsche der Rechten – ich nenne sie rechts, weil sie sich zwischenzeitlich aus den verschiedensten Gruppierungen rekrutieren – am 1. Mai geplant sind, und das auch noch durch die ganze Stadt.

Wenn man sich auch anschaut, wie gerade auch bei den Kommunalwahlen gewisse Stadträte, die zunächst von Republikanern oder Ähnlichen gewählt worden sind, hinterher kurzfristig ausscheiden und sich dann in andere Bundesländer verlegen, dann merkt man schon, dass ein bisschen mehr daran ist als nur einige, die quertreiben. Zwischenzeitlich – davon muss man ausgehen – gibt es ein Netz über Landesgrenzen hinweg. Das ist alles nicht ganz ungefährlich.

Was sind die Ursachen dafür? Das wurde von Ihnen, Herr Mertin, vorhin ganz treffend beschrieben. Die Urs achen sind sicherlich auch, wenn man sich vor allem anschaut, dass 50 % derjenigen, um die es hier geht, die die Straftaten begehen bzw. gegen die die Ermittlungsverfahren laufen, Jugendliche oder Heranwachsende sind, die steigende Arbeitslosigkeit und sonstige wirtschaftliche Ursachen, auch natürlich nebenbei, wie ich schon gesagt habe, zwischenzeitlich die Vernetzung der Arbeit in den rechten Gruppen.

Da fragt man sich natürlich schon, wo denn dort die Verantwortung liegt. Dazu ist heute noch nichts gesagt worden. Das möchte ich aber hiermit tun. Natürlich liegt die Verantwortung auch an der momentanen Politik sowohl im Bund als auch im Land, die dazu führt, dass es nicht genügend Leute in Arbeit gibt, vor allem nicht genug Jugendliche in Arbeit und Ausbildungsplätzen,

was dazu führt, dass die Leute frustriert sind und sich dadurch empfänglicher für solche Geschichten machen.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Herr Pörksen, man muss es auch sagen, wenn es so ist. Das wissen Sie selbst. Wenn es allen Leuten gut geht, werden sie sich solchen Dingen weniger widmen, als wenn es ihnen nicht gut geht.

Herr Mertin, erfreulich ist dabei, was Sie berichtet haben, dass eine überwiegende Anzahl der Anzeigen aus der Bevölkerung kommt. Das zeigt, dass die Bevölkerung dieses Problem sieht und auch ernst nimmt und nicht der Meinung ist, man könnte es links liegen lassen. In diesem Hinblick nur eine kleine Anmerkung dazu: Wir reden heute über den Rechtsextremismus. Wir sollten auch bitte daran denken, dass wir nicht auf dem linken Auge blind sind. Auch dort gibt es Extremismus in nicht unerheblicher Art und Weise.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Schade“, Frau Grützmacher, wie Sie es ausdrücken. Ich müsste es auch bedauern, aber es ist nun einmal leider so.

Was heute nicht zum Ausdruck kam trotz der Frage von Frau Kollegin Kohnle-Gros, Herr Minister, da möchten wir schon einmal nachfragen. Wir sind schon der Auffassung, dass es regionale Unterschiede gibt, die ganz erheblich sind. Das ist klar: In Ballungszentren ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas stattfindet, größer, als es in anderen Bereichen ist.

Ich möchte aber auf jeden Fall noch erwähnen: Uns reicht die Initiative, die Sie, Herr Minister, bisher ergreifen, insoweit nicht. Sie gilt nicht nur für den Justizbereich, das betrifft auch die ganze Regierung, ob es die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist, ob es gesetzliche Initiativen sind, ob es Überwachungsinitiativen sind.

Herr Minister, das war mir ein bisschen dünn, was Sie gesagt haben: Internetkriminalität, Internetvernetzung, Homepages, da könne man nicht so viel machen, weil vieles aus dem Ausland käme.

Das ist mir zu schwach. Wir können so nicht daran gehen. Gerade dies ist zwischenzeitlich das Medium, mit dem die Kontakte gepflegt und gehegt werden. Wir fordern Sie auf, ein Konzept zu entwickeln, wie man in dieser Richtung etwas dagegen tun kann und wie man vor allem dies eingrenzt.

Wenn wir nämlich nur laisser faire betreiben, dann kommen wir zu der Situation, dass die Rechten – ich sage es noch einmal, gerade die Rechten, die sich zwischenzeitlich schlauerweise zusammenrotten – dieses Medium noch mehr nutzen.

Wer schaut vor allem ins Internet? Das sieht man auch an den Fallzahlen: 50 % der Delinquenten. Wenn man jetzt noch einmal die nehmen würde, die in den Bereichen aktiv tätig sind, die auf Skinhead-Konzerte gehen

und Ähnliches, kämen wir auf eine höhere Quote an Jugendlichen und Heranwachsenden.

Das sind diejenigen, die dieses Medium nachhaltig nutzen. Deshalb müssen wir genau in diesem Bereich etwas unternehmen. Deshalb Konzepte her, nicht nur Feststellungen, dann werden wir sehen, dass wir dieses Problem in den Griff bekommen, Herr Minister.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Schwarz, SPD: Oh!)

Es spricht Herr Abgeordneter Creutzmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rechtsextremismus und mit ihm der politische Extremismus insgesamt sind eine zentrale Herausforderung für den Staat und die ihn tragende Gesellschaft.

Dies ist allerdings keine grundsätzlich neue Erkenntnis. Vielmehr begleiten extremistische Umtriebe in unterschiedlichster Intensität und Ausprägung die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung.

Wenn es Extremisten bislang zu keinem Zeitpunkt gelang, den demokratischen Verfassungsstaat in seinem Bestand zu bedrohen, gab und gibt es doch immer wieder ernst zu nehmende Gefahren für die Innere Sicherheit unseres Landes durch den politischen Extremismus. Die jüngsten Vorkommnisse in Sachsen seien dafür als Beispiel genannt.

Gerade die dortige Entwicklung zeigt uns ganz deutlich, dass es für Entwarnung, gerade im Hinblick auf den Rechtsextremismus, keinen Anlass gibt und Entwarnung im Hinblick auf rechtsextremistische Aktivitäten und insbesondere auf Straftaten mit rechtsextremistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund auch nicht für Rheinland-Pfalz gegeben werden kann.

Im vergangenen Jahr ist die Anzahl der neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren deutlich angestiegen. So wurden im Jahr 2004 insgesamt 814 neue Verfahren eingeleitet. Gegenüber dem Vorjahr sind dies 113 Verfahren mehr, was einer Steigerung von 16 % entspricht.

Diese Zahlen belegen mehr als deutlich, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit nicht auf die leichte Schulter genommen und schon gar nicht verharmlost oder bagatellisiert werden dürfen.

Wir müssen auf die rechtsextremistische Szene eingehen, sie ernst nehmen und sie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln im Auge behalten und konsequent bekämpfen.

Der Anstieg der rechtsextremistischen Ermittlungsverfahren im vergangenen Jahr betrifft insbesondere Propagandadelikte des rechten Spektrums, die mit über 84 % wieder einmal den Großteil der Ermittlungsverfahren darstellen.

Gegenüber dem Jahr 2002 sind diese Fälle um mehr als 20 % angestiegen. Dies zeigt mir, dass gerade auf diesem Gebiet eine besondere Sensibilität der Bevölkerung zu Anzeigen führt. Die FDP-Fraktion begrüßt dies ausdrücklich; denn rechtsextremistische Gesinnung ist ein gesellschaftliches Phänomen, meine Damen und Herren.

Deshalb muss die Gesellschaft insgesamt dieser begegnen. Die Verantwortung richtet sich nicht nur an die Politik, sondern in gleichem Maß an die Wirtschaft, an die Verbände, an die Schulen, Vereine, Familien, an jeden Einzelnen von uns.

(Beifall des Abg. Kuhn, FDP)

Unser aller Ziel muss es sein, gerade jungen Menschen die Bedeutung der Achtung der Menschenwürde und des Eigentums anderer stärker zu vermitteln.

Dieser Erziehungsauftrag richtet sich primär an die Eltern, die vorleben müssen, wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können. Neben diesen sind jedoch auch die Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen gefordert, gerade dem Rechtsextremismus energisch entgegenzutreten.

Niemand kann sich ernsthaft von der Last der Verantwortung befreien. Wegschauen und Nichtstun sind unentschuldbar.

Zur Erziehung zur Demokratie gehört auch die Achtung fremder Kulturen. Kinder, die sich in andere Kulturen einfühlen können, werden später keine andersfarbigen Menschen durch Fußgängerzonen hetzen.

Die Väter des Grundgesetzes haben uns die Grund- und Menschenrechte in die Verfassung geschrieben. Damit Papier nicht geduldig bleibt, müssen diese Werte einer freiheitlichen Gesellschaft in der Schule eingeprägt, in der Familie erlebbar und schließlich von der gesamten Gesellschaft getragen werden.