Meine Damen und Herren, wenn wir von Chancengerechtigkeit sprechen, dann gibt es noch ein weiteres Problemfeld, auf das die FDP-Fraktion dringend ein besonderes Augenmerk lenken möchte. Wir haben zur Situation der Hauptschulen im Land eine Große Anfrage gestellt, die bereits von Frau Kollegin Brück angesprochen wurde. Eine Reihe von Zahlen ist uns besonders ins Auge gefallen, nämlich jene Zahlen, die etwas über die Chancen von Hauptschülerinnen und Hauptschülern auf einen Ausbildungsplatz und damit auf einen gelungenen Start ins Berufsleben aussagen.
Lediglich 6.210 Hauptschülerinnen und Hauptschüler mit Hauptschulabschluss hatten im Schuljahr 2005/2006 einen Ausbildungsplatz. 8.526 haben versucht, über das Angebot der Berufsfachschule I ihre Chance auf eine Berufsausbildung zu verbessern oder den Weg bis zur mittleren Reife zu gehen. 2.856 Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss – diese Schüler gibt es immer noch – haben zunächst einmal das Berufsvorbereitungsjahr besucht, um sich dann erneut auf die Suche nach einer Zukunftschance zu machen. Dabei sind immer noch nicht diejenigen erfasst, die durch die Bundesagentur für Arbeit in andere Maßnahmen freier Träger vermittelt wurden.
An dieser Stelle dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Es ist begrüßenswert, dass die Landesregierung künftig die Schulsozialarbeit flächendeckend auf alle Hauptschulen ausweiten möchte. Aber eine Unterstützung in der Lösung sozialer Probleme wird diesen Schülerinnen und Schülern meiner Ansicht nach nicht ausreichen. Sie müssen darüber hinaus eine besondere Förderung in den Kernfächern erhalten. Sie müssen praxisorientiert auf den Beruf vorbereitet werden. Sie müssen möglichst früh mit Betrieben in Kontakt kommen, damit sie neben ihrer oft schleppenden Schullaufbahn Erfolgserlebnisse in der Praxis verzeichnen können.
Das hat natürlich auch den Vorteil, dass sich potenzielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vorher davon überzeugen können, welche Qualitäten der potenzielle Lehrling mitbringt. Auch in diesem Zusammenhang entstehen positive Effekte.
Deshalb schlagen wir vor, das in diesen Bereichen erfolgreiche Projekt der Arbeitsweltklassen auszuweiten. Wir haben bisher 31 Arbeitsweltklassen in RheinlandPfalz. In diesen Klassen werden Schülerinnen und Schüler besonders in den Kernfächern und in der Arbeitslehre gefördert. Hier können sie in kleinen Lerngruppen, die sich ab der Mittelstufe ganz konsequent auf die Hauptschulabschlussprüfung vorbereiten, ihre Fähigkeiten am Abschluss solide dokumentiert bekommen. Sie haben die Möglichkeit, einmal pro Woche im Betrieb ihre Stärken zu zeigen.
Wir sind der Überzeugung, dass man insbesondere dieses Konzept der intensiven Förderung, des frühen Einstiegs in die Berufswelt stärken und in der Fläche ausdehnen muss, um mit dem besonderen Förderkonzept auf die Bedürfnisse der Schüler zu reagieren.
Deshalb wollen wir von den 7 Millionen Euro, die für den Einstieg in das weitere beitragsfreie Kindergartenjahr vorgesehen sind, 2 Millionen Euro für die Sprachförderungsverstärkung und 5 Millionen Euro gezielt in die Einrichtung von 80 zusätzlichen Arbeitsweltklassen investieren.
Meine Damen und Herren, ich fasse unsere Vorschläge zusammen. Gut gemeinte Wohltaten nach Ihrem Verständnis von Chancengleichheit auch für die sozial stärkeren Familien, die diese meiner Ansicht nach nicht benötigen, helfen Kindern und Jugendlichen nicht so weiter, wie wir uns das vorstellen. Gezielte Investitionen in die Förderung von denjenigen, die sonst keine Chance in dieser Gesellschaft bekommen, tun es allerdings. Wir sehen unsere Vorschläge als einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Lassen Sie mich einige Anmerkungen zur Unterrichtsversorgung und Schulstruktur in Rheinland-Pfalz machen. Der demografische Wandel hat sich in den Versorgungszahlen bereits deutlich niedergeschlagen. Davon profitieren generell zurzeit die Grundschulen. Es ist richtig und im Übrigen Meinung der FDP-Fraktion, dass die wohnortnahe Grundschule weiterhin erhalten werden soll. Wenn sich aber der demografische Wandel so vollzieht, wie er sich jetzt abbildet, dann reichen Absichtserklärungen nicht mehr, um die Zukunftsfähigkeit von Grundschulen in ihrer Qualität sicherzustellen. Außerdem fehlen Konzepte, wie qualitativ auf die demografische Entwicklung reagiert werden soll, welche Möglichkeiten Grundschulen haben, deren künftige Schülerjahrgänge unter die notwendige Klassenstärke sinken, wie beispielsweise pädagogische Chancen von jahrgangsübergreifenden Lerngruppen genutzt werden können und wie Sie auf die immer größer werdenden Unterschiede in unserer Grundschullandschaft reagieren wollen.
Große städtische Grundschulen werden nach wie vor mehr mit sozialen Problemen und größeren Klassen zu
kämpfen haben, kleine Grundschulen möglicherweise mit völlig neuen pädagogischen Konzepten operieren müssen. Sie dürfen nicht einfach nur abwarten, was die Betroffenen aus der Situation machen. Hierzu sollte man sich klar äußern und sich überlegen, was qualitativ machbar ist.
Im Hinblick auf die generelle strukturelle Unterrichtsversorgung sind Sie derzeit mit soliden Zahlen und mit PES auf einem guten Weg. Sie unterbreiten aber nach wie vor keine Vorschläge zur Bewältigung der kommenden Pensionierungswelle. Sie machen auch keine Vorschläge im Hinblick darauf, wie Sie die sich verschärfende Situation in den sogenannten Mangelfächern bewältigen wollen.
Nach wie vor bekommen wir zu dieser Problematik keine aufschlussreichen Informationen. Wir wissen zum Beispiel nicht, welche Seminarkapazitäten fächerspezifisch in den kommenden Jahren benötigt werden. Ich habe versucht, das im Ausschuss abzufragen. Das ließ sich aber nicht feststellen. Sie wissen außerdem nicht, wie sich derzeit die benötigten Kapazitäten und Auslastungen gestalten.
Gleichzeitig senken Sie die Eingangsbesoldung bei den jungen Lehrerinnen und Lehrern ab. Das ist ein deutliches Signal an diejenigen, die die Möglichkeit haben, sich in Richtung anderer Bundesländer zu orientieren.
Sie haben zwar Ausnahmekorridore vorgesehen, in der Fläche hilft das den Schulen aber nicht weiter. Sie verschärfen damit ein sich jetzt schon deutlich abzeichnendes Problem, ohne selbst Lösungsvorschläge anzubieten.
Sie schaffen in den nächsten zwei Jahren insgesamt tatsächlich 460 neue Lehrerstellen. Herr Kollege Keller hat Recht, wenn er sagt, dass dies in besondere Maßnahmen geht, die Sie vorgesehen haben, in die Rückgabe der Ansparstunden, in den personellen Mehrbedarf für die Ganztagsschulen und die Schwerpunktschulen und in zwei zusätzliche Stunden für die Orientierungsstufe. Damit wird das strukturelle Problem nicht gelöst und den Schulen auch keine Erleichterung verschafft.
Im Bereich der Hauptschule wird besonders deutlich, dass nicht nur die demografische Entwicklung, sondern vor allem auch das Schulwahlverhalten der Eltern zu einem deutlichen Rückgang von Schülerzahlen und damit von Kapazitäten führt. In diesem Zusammenhang finde ich keine klare Aussage der Landesregierung dar
Die Hauptschulen selbst werden von Ihnen trotz der massiven Probleme nicht qualitativ weiterentwickelt. Die Duale Oberschule stellen Sie allenfalls noch auf ein Nebengleis. Zur Schulstrukturentwicklung allgemein hört man von Ihnen sehr widersprüchliche Aussagen. Der Ministerpräsident hatte sich zunächst während des Wahlkampfs sehr weit aus dem Fenster gelehnt und in der GEW-Zeitschrift mehr gemeinsames Lernen in den Gesamtschulen gefordert. Im Parlament wurde dann etwas zurückgerudert und von Ihnen die Linie verkündet: Wir wollen keinen Schulkampf, sondern die Kommunen vor Ort müssen entscheiden, wie sie künftig demografiefeste Strukturen gestalten wollen.
Die Realität spricht wiederum eine andere Sprache. Wir hatten bisher 19 Integrierte Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz. Die Zahl war relativ stabil. Jetzt wird es voraussichtlich fünf weitere Integrierte Gesamtschulen geben. Das ist für nicht einmal ein Jahr der SPDAlleinregierung meiner Ansicht nach ein ziemlich großer Sprung.
Natürlich haben Sie sich dabei eine sehr bequeme Linie ausgesucht. Sie sagen, das sollen die Kommunen entscheiden. Dort herrscht der Druck der Eltern, die Angst haben, dass ihr Kind möglicherweise nicht den entsprechenden Abschluss machen wird. Damit gewinnen Sie manchmal andere Partner, als das möglicherweise bei Ihrer Linie in diesem Hause der Fall wäre. Außerdem müssen Sie sich dann nicht großartig ins Zeug legen und sagen, wo es langgehen soll.
Ob damit den angesprochenen Hauptschülerinnen und Hauptschülern, die oft davon betroffen sind, geholfen ist, ist für mich eine andere Frage. Wenn diese Schüler in Integrierten Gesamtschulen beschult werden, dann kommen sie in die Schulen mit den höchsten strukturellen Unterrichtsausfällen in Rheinland-Pfalz, mit den größten Klassen von im Durchschnitt 27 Schülerinnen und Schülern und mit den bundesweit schlechtesten Ergebnissen bei Vergleichsuntersuchungen. In solchen Schulen haben weder die Starken noch die Schwachen eine Chance auf Förderung.
Wenn Sie diese Schulpolitik wirklich wollen, dann sagen Sie das bitte. Wir empfehlen Ihnen aber dringend, jetzt noch umzusteuern. Noch haben Sie die Gelegenheit, an dieser Stelle einzugreifen.
Zum G 8 kann ich nur sagen, dass Abitur nach zwölf Jahren wird nach unserer Ansicht in Rheinland-Pfalz nicht beherzt genug angepackt. Sie zersplittern die Landschaft. Nicht jeder Schüler hat mehrere Gymnasien
mit allen Möglichkeiten – zwölfeinhalb, BEGYS elfeinhalb, zwölf oder 13 Jahre berufsbildendes Gymnasium – zur Auswahl. Sie müssen die Schülerinnen und Schüler im Wettbewerb fit machen. Ich denke, deshalb sollten Sie das etwas beherzter herangehen.
Wenn Sie bei der erfolgreichen Qualitätssicherung im Wettbewerb der Länder, der jetzt verschärft greift, mithalten wollen, dann sollten nach meiner Ansicht leistungsgerechte Angebote geschaffen werden, die hinterher zeigen, welche Leistung erbracht wurde. Deshalb fordert die FDP-Fraktion auf, entschließen Sie sich zur Einführung von zentralen Abschlussprüfungen für alle Schulabschlüsse und schaffen Sie Bedingungen für selbstständige Schulen, diese zu erreichen.
Zu AQS ließe sich noch einiges sagen. Ich muss schauen, dass Herr Kollege Kuhn überhaupt noch reden kann. Ich glaube, er hat derzeit noch fünf Minuten.
Ich denke, hier ist die Botschaft, die von der SPD selbst ausgesendet wurde, dass man den großen Block der Evaluation nach hinten verschiebt. Offensichtlich geht das alles nicht so schnell und in dem Umfang, wie Sie sich das vorgestellt haben. Die Evaluatoren huschen dann im Eilverfahren durch die Schulen. Nach meiner Ansicht müsste das nach wie vor eine unabhängige Agentur sein.
Sie müssen sehen, dass Sie die pädagogischen Serviceeinrichtungen für die Aufgaben rüsten, die daraus entstehen, dass Sie die Kompetenzen zur ADD besser abgrenzen und Sie den Schulen auf Dauer Fortbildungsbudgets ermöglichen, damit sie selber auf die entsprechende Evaluation reagieren können.
Wir machen Ihnen in diesem Haus noch drei Vorschläge, die ich ganz kurz benennen möchte. Diese können Sie nachlesen. Der eine Vorschlag bezieht sich auf den berufsbildenden Bereich, in dem sich der strukturelle Unterrichtsausfall ballt, in dem sich Probleme in der BF I und im BVJ zusammenballen. Deshalb denken wir, wir können kostenneutral etwas Erleichterung verschaffen, wenn wir den berufsbildenden Schulen, wie Sie es wünschen, einen Zugang zum Ganztagsprogramm verschaffen.
Gewundert habe ich mich im Jugendhaushalt sehr, weil Sie 25.300 Euro zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit – das ist nicht viel, aber die Ehrenamtlichen erreichen eine Menge damit – genommen haben und in die Staatskanzlei gepackt haben. Das führt zu einem Aufwand für die Ehrenamtlichen, die nicht mehr wissen, wo sie das Geld beantragen sollen. Machen Sie das bitte rückgängig.