Protokoll der Sitzung vom 30.08.2007

Ein Verfahren und ein Poltern, nur mit dem Ziel, darüber gesprochen zu haben, nützen nur der NPD und nicht dem demokratischen Rechtsstaat.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Ihr redet nicht, Ihr fordert! Ihr stellt Euch in die Ecke und macht nichts!)

Herr Pörksen, gerade Sie kennen sehr gut die Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Hürden für ein Verbotsverfahren.

(Pörksen, SPD: Natürlich weiß ich das!)

Diese Hürden haben wir nicht beseitigt. Wir sollten uns fragen, was uns die Beseitigung dieser Partei über ein Verbotsverfahren wert ist, was es uns kosten darf.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Was?)

Fragen Sie Ihren Innenminister, ob es wirklich sinnvoll sein kann, das, was bisher mit Erfolg praktiziert wird, Informationen aus dieser Organisation zu erlangen über Infiltration, über Leute in der Organisation, aufgeben und dann eine rechtsfeindliche, eine rechtsextreme Organisation im Hintergrund unorganisiert haben zu wollen, die wir nicht kontrollieren können. Wenn das der Preis sein soll, bitte, dann betreiben Sie Ihr Verfahren weiter.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wir wissen, dass, solange V-Leute und Spitzel, die durch den Verfassungsschutz genutzt werden, in dieser Organisation sind, wir mit dem Verbotsverfahren keine Erfolgsaussichten haben werden. Deshalb sind die Mahnungen all derer, die sagen, sehr genau prüfen und erst dann entscheiden, was man tun wolle, damit man nicht den anderen in die Hände spiele und ihnen mehr Aufmerksamkeit zukommen lasse, als ihnen gebühre, zu beachten.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Er erzählt ein Zeug, das ist unglaublich!)

Wir schaden der Demokratie und nutzen der NPD, wenn wir solche Diskussionen und Debatten führen, wie Sie und Ihr Parteivorsitzender dies zurzeit tun.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Für so einen Quatsch hätte ich keine Hand gerührt!

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lejeune, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Haltung und die Aktivitäten der rechtsextremistischen Gruppierungen in Deutschland, insbesondere der NPD, stehen nicht auf dem Boden unserer verfassungsrechtlichen Grundordnung.

Immer wieder bringen sie und ihnen gedanklich nahestehende Personen diese Grundhaltung in brutalen Übergriffen auf Menschen mit einem außereuropäischen oder fremdländischen Aussehen zum Ausdruck. Aktuell gab es solche Übergriffe. Das war schon mehrmals Thema, nicht nur in Guntersblum und in Mügeln, sondern auch in Bützow und Magdeburg.

Wenn Sie sich alle des Verfassungsschutzberichtes 2006, den wir unlängst in diesem Haus erörtert haben, erinnern, so werden sie sich erinnern, dass dieser besagt hat, die rechtsextremistischen Gewalttaten seien

gewachsen und nicht rückläufig gewesen. Dass diese gewalttätigen Angriffe und Verletzungen zutiefst verwerflich sind, darüber sind wir uns alle einig, das haben auch meine beiden Vorredner klargestellt und natürlich auch der Innenminister heute Morgen.

Mit dieser einheitlichen Bewertung sind aber die Probleme, die zu lösen sind, nicht gelöst. Es bedarf eines klaren und effektiven Vorgehens gegen die Täter rechtsextremistischer Gewalt.

(Beifall der FDP)

Da der Abschreckungseffekt von Strafverschärfungen bekanntermaßen nicht sehr hoch ist, hat Prävention ganz klar Vorrang. Prävention ist vielfältig. Sie wird auch in einem sehr starken Umfang schon betrieben; das ist heute Morgen schon dargestellt worden.

So kann man eine verstärkte Information in Schulen, anderen Bildungseinrichtungen, eine bessere Jugendsozialarbeit und eine Stärkung der Zivilcourage noch weiter vorantreiben.

Die auf den ersten Blick beste, weil im Erfolgsfalle möglicherweise effektivste Maßnahme, wäre ein verfassungsgerichtliches Verbot der NPD. Im Falle des Erfolges wäre es der NPD und der ihr angeschlossenen Organisationen verwehrt, bei Wahlkämpfen anzutreten oder für sich zu werben.

Infolgedessen gäbe es auch keine staatlichen Zuwendungen mehr. Potenzielle Wähler und Unterstützer der NPD könnten wegen des Makels der Illegalität abgeschreckt werden. Letztendlich könnte Deutschland auch gegenüber den anderen europäischen Staaten deutlich machen, dass man gegenüber dem organisierten Rechtsextremismus hart durchzugreifen weiß.

Ein Erfolg könnte also so manches Problem lösen. Ich betone aber „könnte“.

Deshalb ist es auch verständlich, dass der Wille für einen erneuten Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht von nicht wenigen, so auch von der SPD, mehrfach geäußert wurde. Wir glauben aber vonseiten der FDP, dass bezüglich dieses Ansinnens, wenn man ihm näher treten möchte, sehr gründlich die Fakten, die dafür und dagegen sprechen, abgewogen werden sollten. Ich nehme das Ergebnis vorweg: Die FDP sieht einen solchen erneuten Verbotsantrag sehr kritisch.

(Beifall der FDP)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 18. März 2003, der bereits heute Morgen Gegenstand der Diskussion war, dem damaligen Antrag der Bundesregierung, des Bundesrates und des Bundestages auf Verbot der NPD den Erfolg mit drei zu vier Stimmen versagt. Wir haben es schon gehört, es hätte einer qualifizierten Mehrheit bedurft, sechs von acht Stimmen.

Zur Begründung führte das Gericht seinerzeit im Wesentlichen aus, dass die Erkenntnisse, die die Verfassungsfeindlichkeit der NPD stützen sollten, auf den

Aussagen und Einlassungen eingeschleuster V-Männer in wichtigen Funktionen in der NPD beruhten und deshalb nicht verwertbar seien. So haben diese doppelfunktional Tätigen einerseits an der Willensbildung innerhalb der Partei mitgewirkt und andererseits als V-Männer über diese berichtet. Das stellt ganz klar einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsfreiheit der zu verbietenden Partei im Verbotsverfahren dar.

Zwar ist ein neuer Verbotsantrag nicht ausgeschlossen – das hat das Bundesverfassungsgericht ganz klar festgestellt –, aber unter Fachleuten wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Zusammenarbeit mit VLeuten zur Erlangung beweiskräftigen Materials kaum verzichtbar ist. Deshalb besteht die Gefahr, dass auch bei einem erneuten Antragsverfahren das Beweismaterial angreifbar und unter Umständen nicht verwertbar ist.

Eine solche nach dem derzeitigen Kenntnisstand – ich betone aber ausdrücklich derzeitiger Erkenntnisstand – zu erwartenden Niederlage wäre allerdings für unsere Demokratie verheerend. Das haben meine Vorredner auch dargelegt; denn dann hätte es die NPD noch einmal schwarz auf weiß, dass sie nicht als verfassungsfeindlich verboten werden kann.

Bei der Argumentation pro und kontra sollte man allerdings meines Erachtens nicht nur auf die Erfolgsaussichten abstellen, sondern auch die alleine durch das InGang-Setzen des Verfahrens begründeten Effekte. So werden solche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht immer von einem erheblichen Medieninteresse begleitet, was grundsätzlich gut ist, in diesem Fall aber für die NPD eine kostenlose Propaganda bedeuten könnte.

Zudem könnte eine dezidierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ungewollt praktische Erkenntnisse zu der Frage liefern: Wie gründen wir eine neue Organisation, die vielleicht effektiver, aber weniger auffällig ist? Auch das muss man bedenken, und nicht zuletzt – was auch schon angesprochen wurde – darf nicht vergessen werden, dass es natürlich durch ein Verbot möglich ist, dass sich gerade dann besonders Personen dafür interessieren, weil die NPD gewinnen würde, weil sie verboten ist. Das darf man auch nicht außer Acht lassen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Minister Bruch hat das Wort.

Wir kommen dann in die zweite Runde. Ich hatte vorhin von einer Redezeit von fünf Minuten gesprochen, es muss natürlich heißen: zwei Minuten in der zweiten Runde. Während der Minister antwortet, können alle ihre Fünf-Minuten-Reden auf zwei Minuten kürzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf für die Landesregierung drei Bemerkungen machen. Ich möchte zunächst etwas zum NPD-Verbot sagen. Herr Abgeordneter Schneiders, natürlich ist dies juristisch ein schwieriges Feld. Wir bewegen uns aber derzeit auf einem anderen Level. Wir sagen, wir brauchen das Wissen der V-Leute nicht für ein neues Verbotsverfahren. Die Handlungsfelder, die Äußerungen und die Straftaten, die der NPD zuzuordnen sind, reichen aus, um das Verbotsverfahren zu betreiben. Dies ist der Kernsatz, den die Landesregierung im Moment vorträgt. Dies hat Ministerpräsident Beck gesagt, und dies habe auch ich gesagt. Ich stehe mit meiner Äußerung nicht allein, Herr Innensenator Körting ist noch dezidierter.

Es geht nun um die Frage: Ist das möglich? – Darin bestehen unter Juristen sowie auch unter anderen verschiedene Ansichten. Dies prüfen wir derzeit. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir auf V-Leute nicht verzichten können, wir sie aber für dieses Verbotsverfahren nicht benötigen. Das schauen sich derzeit die Juristen im Innenministerium und die Juristen im Justizministerium an.

Ich habe die Herren Kollegen Innenminister gebeten, darüber zu sprechen, und ich verhehle nicht, dass dies in der Innenministerkonferenz ein ständiges Thema ist und wir über die Frage diskutieren: Nähern wir uns einem NPD-Verbot, oder nähern wir uns nicht? – Die Meinungen sind über Parteizugehörigkeiten hinweg unterschiedlich, ohne jemanden in Anspruch nehmen zu wollen. Ich denke, von daher müssen wir dies jetzt nicht mit der Frage überfrachten, ob wir nun die CDU oder eine andere Partei vorführen wollen. Dies wäre völlig fatal.

Da wir aber bisher in diesen staatsbürgerlich notwendigen Fragen immer gut zusammenarbeiten, lautet vielmehr die Frage, ob diese Zusammenarbeit auch weiterhin zu erhalten ist. Von daher können Sie davon ausgehen, dass wir diesen Prozess weiter forcieren werden, wenn wir mit unserer Prüfung weiter vorangeschritten sind.

Meine zweite Bemerkung befasst sich mit dem Jugendprogramm, das Sie erwähnt haben. Ich habe mir das Programm nicht in Rheinland-Pfalz, sondern in Sachsen einmal angeschaut. In Sachsen ist dieses Programm aus zwei Gründen stark kritisiert worden. Die Regierung Schröder/Fischer hatte seinerzeit im Jahr 2000 200 Millionen Euro für einen Bereich investiert, den nun die Bundesregierung mit dem Programm „Vielfalt tut gut – Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ aufgelegt hat. Nach dem jetzigen Vorschlag werden dafür 19 Millionen Euro bereitgestellt. Wenn ich es richtig im Kopf habe, hat die SPD-Bundestagsfraktion noch einmal 5 Millionen Euro dafür abgefordert. Somit sind es nun 24 Millionen Euro.

Aber der Weg ist wie folgt: Um an diesem Programm partizipieren zu können, müssen Sie örtlich etwas entwickeln. Sie geben es weiter an den Bund, der Bund gibt es wieder zurück an das Land, das Land gibt es wieder

um zurück an den Bund, und dann erst läuft das Verfahren wieder neu.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das Programm ist also sehr bürokratisch und sehr schwierig aufgebaut, so lautet die Kritik aller Träger. Es sind freie Träger, die wir in diesem Bereich haben.

Von Frau Kollegin Dr. Lejeune ist dankenswerterweise gesagt worden, die Landesregierung hat seit 15 Jahren – insbesondere unter der Verantwortung von Walter Zuber – sehr stark auf Prävention gesetzt, unter Berücksichtigung der Frage: Gehen wir mit diesen rechtsextremistischen Umtrieben richtig um?

(Pörksen, SPD: Seit 16 Jahren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit komme ich zu meinem dritten Punkt. Wir haben in RheinlandPfalz bis zum 28. August 2007 – ich habe dies einmal abfragen lassen – 426 Straftaten politisch motivierter Kriminalität registriert. Dies ist der übergeordnete Begriff. Dies sind 26 Straftaten mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2006. 227 dieser Straftaten ordnen wir als extrem extremistisch ein. Straftatenschwerpunkte finden sich im Bereich der Propaganda-Delikte mit 332 Straftaten. Einen geografischen Schwerpunkt können wir dabei nicht erkennen. Die Straftaten sind über das Land verteilt geschehen.

Wenn man berücksichtigt, dass unter „PropagandaDelikte“ auch die Malerei entsprechender Symbole fällt, haben wir eine hohe Aufklärungsquote in Höhe von 44,1 %. Damit befinden wir uns fast auf dem Niveau des Vorjahres.

Wenn ich den Bereich der Zusammenarbeit zwischen Justiz, Schule und Polizei in den Blick nehme, tun wir eine ganze Menge. Dann sind wir vorbildlich in allen Bereichen. Dies hindert aber Rechtsextreme, wie aktuell in Guntersblum, offensichtlich nicht daran, Menschen zu jagen. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich für den Hinweis, den der Abgeordnete Hüttner gegeben hat: Ohne die schnellen und ohne Ansehen ihrer eigenen Person gegebenen Hinweise eines Bürgers und von Bürgerinnen wären wir nicht so schnell vor Ort gewesen.