Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinder und Jugendliche sind das Potenzial uns eres Landes. Das wurde hier im Hause auch in der Debatte mehrfach deutlich gemacht. Jede Investition sowohl in Form von Finanzmitteln als auch in Form unserer Kraftanstrengungen und Fürsorge für Kinder und Jugendliche lohnt sich.
Politik und Gesellschaft haben es als ihre oberste Pflicht anzusehen, Chancengerechtigkeit für die kommenden Generationen herzustellen. Der Ministerpräsident hat es deutlich gemacht, es ist richtig, jedes Kind und jeder Jugendliche muss, egal in welchem Elternhaus und vor welchem sozialen Hintergrund aufgewachs en, faire Chancen in uns erer Gesellschaft erhalten.
Man muss aber dann im Hinblick auf die Regierungserklärung sehr fein differenziert deutlich machen, dass Chancengerechtigkeit nicht dasselbe wie Chancengleichheit ist.
Kinder und Jugendliche müssen spüren, dass sie gebraucht werden, sie Entfaltungsmöglichkeiten haben, sie selbst Potenziale und Talente entwickeln können und diese Gesellschaft ihnen auch einen Platz bietet.
Es geht also nicht darum, dass jedes Kind dieselben Talente entwickelt und dieselben Ziele erreicht, sondern darum, dass jeder junge Mensch eine gerechte Chance zur Entfaltung seiner eigenen Talente und Lebensentwürfe erhält.
Die Grundlage für jede Chancengerechtigkeit ist in der Tat die Bildung. Zu Recht hat uns PISA noch einmal sehr deutlich darauf hingewiesen. Wir müssen dies weiter in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stellen. Wir sind verpflichtet, dieser Aufgabe Priorität einzuräumen. Wie aber auch Alterspräsident Kuhn in seiner Eröffnungsrede in diesem Haus schon deutlich gemacht hat, gibt es natürlich in den verschiedenen Parteien sehr unterschiedliche Ansätze zur Erreichung dieses Ziels. Die Unterschiede sind auch im Rahmen der Regierungserklärung meiner Ansicht nach sehr deutlich geworden.
Zur Verbesserung von Bildungschancen müssen wir im größtmöglichen Konsens auf die Stärken unserer Schulen bauen. Die Stärken unseres Schulsystems in Deutschland und meiner Ansicht nach auch in Rheinland-Pfalz liegen aber nun gerade nicht in den Gesam tschulen. Der Verweis auf PISA an verschiedenen Stellen heute war durchaus richtig.
Mich hat es bereits im Wahlkampf sehr verwundert – ich lese dann auch die entsprechenden Zeitschriften der Verbände –, dass Ministerpräsident Kurt Beck die schrittweise Aufhebung des gegliederten Schulsystems thematisiert hat, ebenso den Ausbau von Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz. Er hat das dann später noch einmal in der Presse und gestern noch einmal in diesem Haus bestätigt.
Meine Damen und Herren, dann muss man sich meiner Ansicht nach nicht wundern, dass es so anm uten kann, dass zwar der laute Schulkampf vermieden werden soll, aber dennoch schrittweise und unter dem Deckmäntelchen – diesmal der Demografie – eine ideologisch geprägte Systemveränderung herbeigeführt werden soll.
Das oberste Ziel muss heißen: Jedes Kind und jeder Jugendliche muss so individuell wie möglich gefördert werden. Nivellierung dagegen ist der Feind jeder Chancengerechtigkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Chancengerechtigkeit fängt in der Tat bei der Bildung am Start an. Deshalb ist es richtig, dass das letzte Kindergartenjahr zum gebührenfreien Vorbereitungsjahr auf die Grund
schule umgestaltet wurde. Gerade im frühkindlichen Bereich müssen wir aber schon sehr aufpassen, dass wir weiterhin die richtigen Prioritäten setzen. Wir müssen Begabungen und Entwicklungsprobleme sehr frühzeitig erkennen, um Kinder nicht mit Lernproblemen zu belasten, die sie dann auf ihre Schullaufbahn mitnehmen. Wir müssen Eltern stärken und in ihrer entscheidenden Rolle in Bildung und Erziehung aktiv in die institutionelle Bildung mit einbinden.
Wir wissen aber alle, dass viele Elternhäuser nicht in der Lage sind, angemessen auf Entwicklungsprobleme und insbesondere auf Sprachdefizite einzugehen. Deshalb ist es richtig festzustellen, dass Kinder in jedem Fall in der Kindertagesstätte darauf vorbereitet werden müssen, an einem Grundschulunterricht teilnehmen zu können. Dazu gehört zentral die deutsche Sprache.
Deshalb müssen Kindergärten mithelfen, Sprachdefizite systematisch abzubauen, um vorprogrammiertes Schulversagen zu verhindern und Kindern eine faire Chance zu geben.
Vor diesem Hintergrund war die institutionalisierte Förderung der Sprachkompetenz der richtige Schritt zu einer Verbesserung der Bildungsarbeit. Wir wissen allerdings, acht Millionen an Landesmitteln stellen in der Tat meiner Ansicht nach einen guten, aber einen ersten Schritt dar, wenn man auch bedenkt, dass konzeptionell noch an den Maßnahmen kontinuierlich und massiv weitergearbeitet werden muss.
Erzieherinnen und Erzieher sind eine der engagiertesten Berufgruppen in Rheinland-Pfalz. Sie haben sich ungeheuer engagiert, in die neuen Aufgaben gestürzt und haben in großer Zahl die Fortbildungsangebote besucht. Aber gerade deshalb muss man aufpassen, dass man diese Berufsgruppe nicht überfordert.
Neben der Umsetzung der Bildungs - und Erziehungsempfehlungen und neben der Zusammenarbeit mit Fachkräften aus der Kinder- und Jugendhilfe, neben der systematischen Dokumentation von Entwicklungen, neben der Integration der Zweijährigen in die Kindergartengruppen, neben der engen Kooperation mit den Grundschulen eine systematische und erfolgreiche Sprachförderung zu gewährleisten, ist ein Anspruch, der nur mit entsprechender Unterstützung erfüllt werden kann. Deshalb müssen neben den Fortbildungsangeboten Fördermaßnahmen und diagnostische Instrumente fortlaufend evaluiert und weiterentwickelt und die Einrichtungen kontinuierlich beraten werden.
Es bedarf jedoch weiterer großer Anstrengungen, um aus einer guten Idee auch ein erfolgreiches Projekt auf Dauer werden zu lassen. Hier muss die Landesregierung meiner Ansicht nach einen deutlichen Schwerpunkt
setzten. Es ist deshalb aus Sicht der FDP-Fraktion so, dass vor dem Hintergrund der knappen finanziellen Ressourcen des Landes die erste Priorität nicht heißen kann, die Beitragsfreiheit für alle Kindergartenjahre einzuführen. Deshalb ist dies ein Ziel, das wir mittelfristig zwar ins Auge fassen können, dem wir aber eine andere Priorität voranstellen müssen.
Diese Priorität muss meiner Ansicht nach heißen, die frühkindliche Förderung zu optimieren und gerechte Startchancen zu schaffen, denn hier ist die Priorität bei der Schaffung von Chancengerechtigkeit.
Ich werfe dann als Nächstes einen Blick auf die Grundschulen. Angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir besonders aufpassen, dass wir chancengerechte Lernbedingungen sichern. Die Landesregierung muss eine wohnortnahe Grundschulversorgung weiterhin sicherstellen. Dazu haben wir zum Glück auch etwas Positives gehört.
Wenn man die Rückmeldungen aus den Grundschulen hört, dann ist es allerdings zurzeit so, dass bei den kleinen ländlichen Grundschulen oft ein Lehrer auch mit ein, zwei oder drei Schülerinnen und Schülern, die es mehr oder weniger gibt, steht oder fällt.
Deshalb müssen wir gerade im ländlichen Raum künftig darauf achten – dies gebe ich sozusagen der Landesregierung als Aufgabe mit auf den Weg –, dass die Stellenzuweisungen so flexibel vorgenommen werden, dass die Planbarkeit in der Personalentwicklung auch bei den kleinen Schulen handhabbar bleibt.
Umgekehrt dürfen wir die großen städtischen Schulen nicht länger in Form von größeren Klassen benachteiligen, gerade wenn man auf der anderen Seite die ganz kleinen sieht. Gerade in den Städten müssen am Start optimale Lern- und Arbeitsbedingungen herrschen, damit die Grundschulen den Ausgleich sozialer Benachteiligungen schaffen können, ohne dass sie dabei Talente und unauffällige Schüler aus dem Blick verlieren.
Hier muss die Landesregierung für die entsprechende Personalausstattung sorgen. Gute Bedingungen für Stadt und Land bedeuten Chancengerechtigkeit.
Das gilt im Übrigen auch für den Bereich der Hochbegabtenförderung. Hier reicht es nach meiner Ansicht nicht, die vier Schulen fortzuführen, sondern wir brauchen außer in Kais erslautern auch an den anderen drei Standorten Internatsangebote, damit es faire Chancen für Stadt und Land gibt. Wir brauchen Entdeckertage, die auch in die Fläche gehen und in andere Landkreise eingeführt werden. Ich denke, es wäre richtig, fair und der Sache dienlich, wenn alle vier Schulen evaluiert würden und nicht nur die Hochschulbegabten in Trier, wo auch der Standort des entsprechenden Lehrstuhls ist.
Die individuelle Förderung jedes Kindes und jedes Jugendlichen steht im Zentrum unserer Bemühungen. Deshalb muss für mehr Sicherheit bei den Schullaufbahnempfehlungen am Ende der Grundschulzeit gesorgt werden. Kinder dürfen nicht aus Unsicherheiten oder aus Fehleinschätzungen heraus zu Absteigern von Schulform zu Schulform werden. Deshalb fordert die FDP Sie auf, bei Unstimmigkeiten zwischen Eltern und Grundschule, bei Unsicherheiten mit Aufnahmeprüfungen, Probeunterricht und Schullaufbahnberatungen zu helfen. Es muss zum Wohl und im Interesse des Kindes entschieden werden. Das ist auch ein Teil der Chancengerechtigkeit.
Lern- und Leistungskultur, der Wille, etwas im Leben zu erreichen, und die Freude an der eigenen Leistung erlernen Kinder in erster Linie im Elternhaus. Erziehung und Bildung können ohne die Mitarbeit der Eltern kaum gelingen. Wir müssen uns aber dennoch der Tatsache stellen, dass immer mehr Elternhäuser dieser Verantwortung nicht mehr gerecht werden. Lehrerinnen und Lehrer sind allerdings keine Instrumente in einem Reparaturbetrieb, der jede schwierige gesellschaftliche Entwicklung auffangen muss und jedes sozial schwache, bildungsferne oder belastete Elternhaus ersetzen kann. Lehrerinnen und Lehrer spielen natürlich eine wichtige Rolle bei der Erziehung und Persönlichkeitsbildung junger Menschen. Sie müssen jedoch in erster Linie Kompetenzen und Wissen vermitteln. Deshalb müssen sie nach Meinung der FDP-Fraktion an den Stellen stärker durch Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen und andere Fachkräfte unterstützt werden, wo es nötig ist. Hier müssen kommende Anstrengungen ansetzen.
Die Zusammenarbeit unserer Bildungseinrichtungen mit der Jugendhilfe vom Kindergarten an muss deshalb zügig weiter ausgebaut werden. Nur so ist eine begleitende Arbeit direkt in den problematischen Familien möglich.
Bei der Entwicklung der Ganztagsschule hat sich gezeigt, dass insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen das rhythmisierte Modell in der Regel deshalb besser geeignet ist, weil es mehr pädagogische Möglichkeiten zum Fördern eröffnet und die Chance zu durchgängigen Lernkonzepten während des gesamten Tages bietet.
In sozialen Brennpunkten sollte der rhythmisierte Ganztagsunterricht nach unserer Ansicht deshalb zur Regel werden und auf die vollzeitschulischen Angebote der berufsbildenden Schule ausgeweitet werden. Jedes Kind in unserem Land muss so gefördert werden, dass es zumindest einen Schulabschluss erreicht. Das ist die allerunterste Grundlage. Insbesondere Hauptschulen und berufsbildende Schulen im Rahmen des BVJ und der BF I in unserem Land sind ganz massiv von gesellschaftlichen Problemen gebeutelt, wie wir wissen, aber auch zunehmend von arbeitsmarktpolitischen Problemen betroffen. Gerade hier muss sich die Landesregierung finanziell mehr engagieren, um die Qualität der Ausbildung zu verbessern und den jungen Menschen eine
schulische und berufliche Perspektive zu bieten. Einzelne Schulsozialarbeiter werden nicht genügen, um eine wirkliche Chancengerechtigkeit in diesem Bereich herzustellen. Sie erzeugen sonst auf Kosten der Hauptschule, aber auch auf Kosten der Kinder und Jugendlichen, die dort unterrichtet werden, künstlich einen Elternwillen, den Sie hier heranziehen, um damit den Ausbau der Gesamtschulen zu begründen.
Mit der Dualen Oberschule haben wir seinerzeit den ersten wichtigen Schritt hin zur Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung erreicht. Die Duale Oberschule hat sich als Schulform, die solide Allgemeinbildung, berufliche Orientierung und duale berufliche Ausbildung miteinander verzahnt, bewährt. Die Resonanz bei den Eltern und den Vertretern der betrieblichen Ausbildung ist überaus positiv. Die Duale Oberschule muss im Schulgesetz als Regelschule verankert werden.