Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht ein zusätzlicher Rechtsbehelf zum fachgerichtlichen Verfahren, der sich diesem in gleicher Funktion ohne Weiteres anschließt. Demgemäß können die Effektivitätsanforderungen, die sich aus Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für den vorläufigen Rechtsschutz im Rechtswege ergeben, nicht in gleichem Maße für den verfassungsrechtlichen Rechtsschutz nach § 32 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes gelten. –

Ich fasse zusammen: Die Verfassungsbeschwerde ist kein ordentlicher Rechtsbehelf. Sie hat keine aufschiebende Wirkung, und sie unterfällt nicht der Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Dies ist die allgemeine Meinung.

Sehr geehrte Damen und Herren, selbst in seiner Entscheidung vom 24. September 2007 formuliert das Verfassungsgericht ausdrücklich, die Verwaltung müsse einen ausreichenden Zeitraum abwarten, um den unterlegenen Mitbewerbern die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben. Dem sind wir gerecht geworden, meine Damen und Herren. Eilantrag und Beschwerde wurden, wie dargelegt, erhoben. Dass das vom Verfassungsgericht angeführte „oder“ nun im nächsten Satz der Entscheidung als „und“ gewertet wird, ist eine vollständig neue Rechtsprechung.

Sehr geehrte Damen und Herren, die soeben zitierte Senatsrechtsprechung wird – das muss man heute sagen – in den Beschlüssen der Ersten Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juli 2007 – dies war nach der Aushändigung der Urkunde – und anschließend vom 24. September 2007 abgewandelt. Es gilt damit eine neue Rechtslage. Nun muss nach Ergehen der rechtskräftigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, bevor die Urkunde ausgehändigt wird, eine weitere Frist abgewartet werden. Die Verfassungsbeschwerde hat damit die Wirkung eines weiteren, gleichsam ordentlichen Rechtsbehelfs. Dies gilt jedenfalls nach der Rechtsprechung dieser Kammer und jedenfalls für den Rechtsschutz im Bewerbungsverfahren.

Meine Damen und Herren, diese Entwicklung war für mich und für andere genauso überraschend und auch unvorhersehbar.

(Licht, CDU: Sie ist aber nicht vom Himmel gefallen!)

Sämtliche vorausgegangenen Kammerentscheidungen hatten andere Sachverhalte zum Gegenstand. Dass zwei Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, das Verwaltungsgericht Koblenz und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, die Auswahlentscheidung des Ministers und des Richterwahlausschusses im einstweiligen Rechtsschutz nicht beanstandeten, wurde und wird von der Opposition beständig ignoriert.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe es mir in dieser Angelegenheit nicht leicht gemacht. Ich darf im Übrigen darauf hinweisen, dass ich mich, was den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juli 2007 anbetrifft, in derselben Situation befinde wie der hessische Justiz- und Verfassungsminister. In Hessen skandalisiert aber weder die Presse noch die Opposition das dortige Besetzungsverfahren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltend Beifall der SPD)

Für die Antragsteller erteile ich Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag hat sich heute zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder zu einer Sondersitzung zusammengefunden – auf Antrag der CDU und aus politischen Gründen –, ein Schritt, über den wir lange nachgedacht und beraten haben und der durch die jetzigen Einlassungen der beiden Minister umso logischer ist.

Die Zeitspanne von zehn Jahren zeigt, dass wir als Opposition mit diesem Recht, eine Sondersitzung zu beantragen, nicht leichtfertig umgehen. Wir mussten aber die Sondersitzung beantragen, weil wir der Landesregierung Selbstbedienungsmentalität, Verfassungsbruch und Vetternwirtschaft nicht durchgehen lassen; denn im Parlament spielt die Musik.

(Beifall der CDU)

Wir haben die Sondersitzung beantragt, weil es auch unsere Pflicht als Opposition ist, Schaden von unserem Land abzuwenden.

Wir haben diese Sondersitzung beantragt, weil uns die Summe der Ereignisse dazu zwingt und weil Sie beide dazu heute nichts Neues gesagt haben.

Wir haben die Sorge, dass diese Landesregierung die politischen Geschäfte nicht ordentlich führt, dass sie geltendes Recht verletzt und die Justiz in RheinlandPfalz Schaden nimmt, Herr Minister.

(Beifall der CDU)

Herr Ministerpräsident, zwei Minister Ihres Kabinetts – der Innenminister und der Justizminister – haben gegen geltendes Recht verstoßen.

(Pörksen, SPD: Unwahr! – Zurufe von der SPD)

Die CDU-Fraktion will wissen, wie Sie dazu stehen, Herr Ministerpräsident. Wir fordern Aufklärung, und zwar von Ihnen. Die Öffentlichkeit im Land erwartet dies und hat auch einen Anspruch darauf.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in jedem gut geführten Ministerium, im Kreistag, in Stadt-, Kreis- und Gemeindeverwaltungen gelten Regeln, die jeder Beamte und auch wir hier zu beachten haben. Eine der wichtigsten: Bei Auftragsvergaben um Verwandte, Freunde und Menschen, die dicht an einem dran sind, einen Bogen schlagen. – So ist es Sitte, und so ist es Gesetz.

(Beifall der CDU)

Das fängt schon – Sie werden sich wundern – bei uns Parlamentariern an. Schon das Abgeordnetengesetz

verbietet, dass Mitarbeiter, die wir mit öffentlichen Geldern beschäftigen wollen, mit uns verwandt oder verschwägert sind,

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Aber nicht befreundet!)

dies bis in den dritten Grad hinein. Ja, es darf noch nicht einmal ein früherer Lebenspartner eingestellt werden. Dies soll zu Recht verhindern, dass mit öffentlichen Geldern Verwandte versorgt werden.

Herr Innenminister, derzeit beraten wir unter Ihrer Federführung in den parlamentarischen Gremien eine Änderung der Gemeinde- und Landkreisordnung. Damit soll vermieden werden, dass der Anschein von Vorteilsgewährung, Vorteilsannahme und Bestechung entsteht.

Um wie viel mehr sollten, ja müssen diese Grundsätze dann für einen Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten gelten.

(Beifall der CDU)

Herr Minister Bruch, aber Sie haben sich alles andere als vorbildlich verhalten. Sie haben Ihr familiäres Umfeld, den Lebensgefährten Ihrer Tochter, mit Aufträgen versorgt. Was Sie getan haben, ist instinktlos. Das ist sozialdemokratische Vetternwirtschaft, nichts anderes.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Man stelle sich einmal vor, ein Minister verschafft der Firma seines künftigen Schwiegersohns eine lukrative Plattform, finanziert mit öffentlichen Mitteln, mit dem Geld des Steuerzahlers, von uns allen. Das ist schon eine sehr spezielle Art von Wirtschaftsförderung.

Wissen Sie, was mich bei alledem schockiert, auch wenn Sie es heute versuchen, durch eine Entschuldigung gutzumachen, Herr Minister? Das ist, wie Sie mit der Geschichte umgehen: keine Entschuldigung in den vergangenen Tagen.

(Frau Ebli, SPD: Was? Sind Sie taub?)

Kein Bedauern in den vergangenen Tagen, keine Spur von Unrechtsbewusstsein.

(Frau Raab, SPD: Das ist unseriös, was Sie machen! – Frau Ebli, SPD: Das ist unglaublich! – Weitere Zurufe von der SPD)

Null. Ich behaupte, erst dadurch, dass der Ministerpräsident Ihnen gesagt hat, entschuldigen Sie sich vor diesem Hause, haben Sie diesen Schritt jetzt erst überhaupt getan. Das ist beschämend.

(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: Mit Unterstellungen sind Sie immer gut! – Pörksen, SPD: Ihre Behauptung!)

Wir erinnern uns: „Ich stehe dazu. Ich bin mit meinem Vorgehen einverstanden, auch innerlich.“ Wir sind nicht

mit dem Vorgehen einverstanden. Wie wir aus der Bevölkerung wissen, die Menschen im Land sind es auch nicht. Sie haben sich in der ganzen Affäre – heute ist das nicht klargestellt worden – in ständige Widersprüche verwickelt.

(Pörksen, SPD: Welche denn?)

Sie haben erklärt: Wenn ein StartUp-Unternehmen mit jungen Leuten von der Fachhochschule Mainz mit einer Idee kommt, dann kann man diese nicht wegschicken, nur weil jemand zufällig den Minister kennt. Es geht darum, junge Leute zu ermuntern. –

In einer Zeitung wurden Sie zitiert, Sie hätten den jungen Leuten eine Chance geben wollen: „Nur weil der arme Kerl mich kennt, habe ich ihn doch nicht wegschicken können.“ Herr Minister, gerade deshalb hätten Sie ihn wegschicken müssen.

(Beifall bei der CDU)

Was ist denn mit all den Hunderten von Studenten in Rheinland-Pfalz, die keinen Minister kennen, die keine Möglichkeit haben, ins Innenministerium direkt vorzudringen, die keine Möglichkeit haben, einen Termin zu bekommen? Wie wollen Sie mit denen umgehen? Dürfen die auch einfach hereinspazieren? Das ist doch wirklich nicht gleichgesetzt zu denen, die auch eine Chance haben wollen.

(Beifall der CDU)

Sie haben gesagt, junge Leute von der Fachhochschule seien zu Ihnen gekommen, und Sie hätten sie ermuntern wollen, wohlgemerkt, „ermuntern“ nennen Sie Ihr Verhalten.

Zu diesem Zeitpunkt waren diese jungen Leute von der Fachhochschule Mainz aber bereits dicke im Geschäft. Ja, sie hatten schon eine zweite Firma gegründet. Die erste – das Atelier 500 – war von der Landesregierung 2005 zu einer Ausstellung in Washington mit einer Bildschirmpräsentation zur Konversion beauftragt worden. Wurde eigentlich dieser Auftrag auch ausgeschrieben? Ich fordere Sie auf, mir diese Frage klar zu beantworten; denn uns liegen auch hier Hinweise vor, dass dies nicht der Fall war.

Außerdem drehte Atelier 500 Anfang 2006 einen Imagefilm über die Westpfalz im Auftrag der Entwicklungsagentur und des Landes und damit Ihres Hauses.