Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Wenn sich aus einer solchen Entscheidung aus Sicht der FDP-Fraktion Gründe ergeben, ein verfassungsrechtliches Risiko eingehen, können diese es zwingend notwendig machen, ein solches Risiko einzugehen. Es ist einzuräumen.

Es ist zum Beispiel denkbar, dass ein Strafverfahren ansteht, bei dem irgendwann einmal gerügt werden könnte, dass man zögerlich besetzt hat. Ich möchte das Erstaunen feststellen, wenn aus Gründen der verzögerlichen Aushändigung der Urkunde jemand freigelassen werden müsste.

(Pörksen, SPD: Das Geschrei höre ich heute schon!)

Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass es Geschrei gibt.

Es ist nur die Frage, welche Gründe genannt wurden. Im Ausschuss – so war es den Medien zu entnehmen und so habe ich es vom Kollegen Auler erfahren – ist gesagt worden, dass die Urkunde am Freitag ausgehändigt worden ist, weil am Montag der Dienst angetreten werden sollte.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: So war es! – Heiterkeit des Abg. Wirz, CDU)

Ob dies das verfassungsrechtliche Risiko, was sich aus der Entscheidung zum Notar ergab, trägt, erscheint zweifelhaft.

(Wirz, CDU: Das ist ja aberwitzig!)

Es ist ein verfassungsrechtliches Risiko zu konstatieren gewesen, da entsprechende Entscheidungen vorlagen. Diesen Entscheidungen kann man eben entnehmen, dass die Gerichte immer weiter dazu übergehen, denjenigen, die Rechtsschutz haben wollen, diesen auch zu ermöglichen, bis hin zu einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung nach dem einstweiligen Rechtschutzverfahren. Dieses Risiko bestand. Ich räume aber ein, es war nicht für Richter festgestellt.

Nachdem nun das Bundesverfassungsgericht für den rheinland-pfälzischen Fall entschieden hat, dass sich

das bestehende verfassungsgerichtliche Risiko verwirklichen werde und sich verwirklicht hat, stellt sich die Frage, wie man mit dieser Entscheidung umzugehen hat. Auch hier erscheint es aus Sicht der FDP-Fraktion nicht so, dass mit der Verfassungsgerichtsentscheidung in der Weise umgegangen wurde, wie es in einer Demokratie zwischen Gewaltenteilung, also Landesregierung auf der einen, Parlament und Justiz jweils auf der anderen Seite geboten wäre.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sowohl in der Entscheidung zum Notar als auch in der Entscheidung zu dem hessischen Finanzgericht, die in diesem Zusammenhang beide diskutiert worden sind, hat das Bundesverfassungsgericht jeweils immer sinngemäß Passagen hineinformuliert, denen man entnehmen kann, dass die Verfassungsbeschwerde zugelassen wird, obwohl die Urkunde übergeben worden ist und dieser Vorgang damit nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Erstmals – soweit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu in der kurzen Zeit überprüft werden konnte – hat das Bundesverfassungsgericht im rheinland-pfälzischen Fall davon abgesehen, eine solche Formulierung aufzunehmen.

Sie finden in der ganzen Entscheidung keine Formulierung, die dahin gehend lautet: Die Urkunde ist übergeben und kann nicht wieder zurückgenommen werden. Im Gegenteil, das Bundesverfassungsgericht hat ausgeurteilt, dass die Verfassungsbeschwerde deshalb nicht angenommen werde, weil der unterlegene Bewerber im Hinblick auf eine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welches den Grundsatz der Ämterstabilität, nämlich die Tatsache, dass die Urkunde nicht mehr zurückgenommen werden kann, in Zweifel zieht, sehr wohl Aussicht habe, im normalen Verfahren seine Rechte – so ist zu verstehen, alle seine Rechte – geltend zu machen. Dazu gehört auch das Recht, Präsident des Oberlandesgerichts zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung das Bundesverwaltungsgericht, so es denn im Hauptsacheverfahren damit befasst werde, ausdrücklich aufgefordert, zu der zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und dem BGH kontroversen Frage der Ämterstabilität auch Stellung zu nehmen.

Daraus folgert für die FDP-Fraktion, dass das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle etwas gemacht hat, was beamtenrechtlich ein kleineres oder mittleres Erdbeben darstellt. Es hat nämlich den Grundsatz der Ämterstabilität infrage gestellt. Es hat dem unterlegenen Bewerber ausdrücklich aufgegeben, er möge seine Rechte im Hauptsacheverfahren geltend machen, weil er dort aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Möglichkeit habe, alle seine Rechte gegebenenfalls geltend zu machen.

(Beifall der FDP)

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, dass er erfolgreich sein wird, Herr Kollege Hartloff. Das ist so.

Deswegen bleibt es aus Sicht der FDP-Fraktion völlig legitim, dass die Landesregierung darauf beharrt, eine

korrekte Auswahlentscheidung getroffen zu haben. Ohne Zweifel, das Hauptsacheverfahren ist nicht beendet. Das muss von den Gerichten entschieden werden. Wir werden mit allem Respekt abzuwarten haben, wie die Gerichte entscheiden werden.

Es bleibt aber festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht erstmals in einem solchen Fall darauf verzichtet hat, an dem Grundsatz der Ämterstabilität festzuhalten. Es hat eigentlich genau das Gegenteil getan. Vor diesem Hintergrund hat mein Kollege, Herr Auler, im Rechtsausschuss gefordert, auf eine öffentliche Amtseinführung zu verzichten und abzuwarten, ob der Grundsatz der Ämterstabilität am Schluss halten werde oder nicht.

Wir hätten es für richtiger gehalten und es hätte sich daraus auf keiner Seite ein Gesichtsverlust ergeben, darauf zu verzichten. Deshalb hat auch keiner meiner Kollegen oder ich an dieser Amtseinführung teilgenommen.

(Beifall der FDP)

Wir als FDP-Fraktion haben Zutrauen zur Justiz, dass sie diesen und auch andere Fälle nach Recht und Gesetz entscheiden wird. Da mögen Fehler vorkommen. Das ist menschlich. Überall da, wo Menschen arbeiten, kann es zu solchen Fehlern kommen. Wir halten daran fest, dass die Justiz in Rheinland-Pfalz hohes Ansehen genießt und dass die Justiz insgesamt durch diesen Vorgang keinen Schaden genommen hat. Das sieht man auch an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Sehr wohl hat die Politik, haben wir Schaden genommen. Das ist bedauerlich. Dem muss entgegengewirkt werden. Deshalb meinen wir, dass diese Klarstellungen aus Sicht der FDP-Fraktion notwendig waren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute sind auch andere Fälle angesprochen worden, die uns singulär über das Jahr hinweg beschäftigt haben. Jeder für sich genommen kann so oder so beurteilt werden. Aus meiner Sicht ist es aber für das Land nicht gut, wenn man gestern in einer Zeitung lesen konnte, dass selbst von SPD-Vertretern eingeräumt wird, dass vielleicht eine Arroganz der Macht vorhanden wäre.

(Beifall der FDP – Zurufe von der SPD)

Das ist für das Land nicht gut. Ich räume ein, es ist ein großer politischer Erfolg, eine absolute Mehrheit zu erreichen, ohne Zweifel. Daraus leitet sich auch der Auftrag ab zu regieren, und zwar durchaus nach den politischen Grundsätzen, die da vertreten werden. Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass dies alles auch nicht damit verbunden ist, zum Wohl des gesamten Landes tätig zu werden. Dass gestern so etwas in der Zeitung stand, ist nicht gut. Es stand dort nicht, weil es jemand aus meiner Fraktion erklärt hat, sondern es wird auf Quellen der SPD verwiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist gut und richtig, dass wir heute diese Debatte geführt haben und führen. Sie gibt die Gelegenheit, nach draußen deutlich zu machen, dass wir gemeinsam das Ziel haben – jeder

in seiner Funktion, Regierungsfraktion und Regierung auf der einen Seite, Opposition auf der anderen Seite –, nach bestem Wissen und Gewissen für unser Land gutes Regierungshandeln zu erreichen.

(Beifall der FDP)

Diese Gelegenheit bietet die heutige Sondersitzung. Sie gibt Gelegenheit, die Meinungen auszutauschen. Sie werden sicherlich in Punkten kontrovers bleiben. Die Menschen haben jedenfalls die Möglichkeit, die unterschiedlichen Argumente wahrzunehmen. Es war deshalb gut, diese heutige Sitzung zu haben. Es ist gut, dass Gelegenheit besteht, die unterschiedlichen Meinungen auszutauschen.

(Beifall der FDP)

Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Beck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, mich zur Sache, die im Verlauf der Debatte erörtert worden ist, zu äußern. Ich habe die Äußerung bewusst auf diese seit einigen Tagen angekündigte Sondersitzung des Landtags gelegt, wohin auch sonst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mir sehr wohl ein sehr umfassendes und gründliches Bild von den Vorgängen gemacht, die hier von der Opposition kritisch bewertet werden.

Der Innenminister dieses Landes, Karl Peter Bruch, hat zu Beginn dieser Debatte eine Erklärung abgegeben. Ich vermag in keiner Weise zu erkennen, dass er rechtlich fehlerhaft gehandelt hat. Er hat über diese Bewertung hinaus eine persönliche Bewertung des Vorgangs abgegeben. Diese Einschätzung, die er, honorig wie er ist, mit einer Entschuldigung verbunden hat, teile ich.

(Zuruf der Abg. Frau Huth-Haage, CDU)

Frau Kollegin, der Zwischenruf kommt reichlich spät und passt mit der Forderung, eine Sondersitzung mit der berechtigten Hoffnung zu beantragen, dass sich der Regierungschef vor dem Parlament und nicht gegenüber Zeitungen äußert, in keiner Weise zusammen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Wirz, CDU)

Die Bewertung, die Herr Kollege Bruch zu diesem konkreten Vorgang vorgenommen hat, und die Entschuldigung, die er damit verbunden hat, wird auch die Bewertung für vergleichbare Vorgänge der Landesregierung in Zukunft sein, so wie es auch in der Vergangenheit gewesen ist, sonst wäre die Entschuldigung auch keine logische Folge eines entsprechenden Entscheidens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Innenminister des Landes, Karl Peter Bruch, hat sich in all seinen Funktionen im Landtag, als Staatssekretär und als Innenminister, in wirklich hervorragender Weise für dieses Land eingesetzt.

(Anhaltend Beifall der SPD)

Karl Peter Bruch hat als Minister des Innern und für Sport und als mein Stellvertreter im Amt des Ministerpräsidenten mein volles Vertrauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu dem, was dem Herrn Justizminister Dr. Bamberger vorgehalten wird, hat er zum Sachverhalt ausführlich Stellung genommen. Ich habe mich selbstverständlich – wie es meines Amtes ist – hinsichtlich dieser Stellenbesetzung prüfend mit diesem Sachverhalt auseinandergesetzt. Das ist meine Aufgabe nach der Verfassung. Dass ich es tue, war schon einmal Gegenstand eines Untersuchungsausschusses, wo man mir vorhalten wollte, dass ich mich damit befasst habe. Heute wirft man mir vor, ich hätte mich nicht damit befasst. Es ist eine seltsame Folge von Angriffsgrundlagen. Sei es drum.

Natürlich habe ich mich damit befasst. Ich habe in all diesen Schritten nie einen Grund gehabt, die Art und Weise, wie der Justizminister das gehandhabt hat, und selbstverständlich auch, wie das Verfahren über den Richterwahlausschuss abgelaufen ist, zu beanstanden. Nachdem der Rechtsschutz nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden, nach unserer Überzeugung einschlägigen Regelungen und Rechtsprechungsgrundlagen da war, habe ich, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Letztentscheidung des Oberverwaltungsgerichts verkündet worden war, eine Unterzeichnung der Urkunde unter der Bedingung vorgenommen, dass sie, wie dies in solchen Fällen üblich ist, erst dann, wenn die Bedingungen vorliegen, ausgehändigt wird.

Auch das ist ein Verfahren, wie es in den 13 Jahren meiner Amtszeit immer gehandhabt worden ist. Herr Kollege Mertin, ich denke, Sie haben auch keinen anderen Fall in Erinnerung. Das gilt nicht nur für Richter und für herausgehobene Positionen, sondern auch für die unterschiedlichsten Positionen, auch und gerade dann, wenn sie einem Überprüfungsverfahren im Rahmen einer Konkurrentenklage unterworfen sind.

Der Justizminister hat diese Urkunde auch zügig übergeben, weil wir gemeinsam die Sorge hatten, dass die Vakanz einer so wichtigen Stelle im Justizgefüge unseres Landes nicht länger als unabdingbar notwendig bestehen sollte.

Ich erinnere daran, dass kleinere Verzögerungen, die es schon einmal da und dort gegeben hat, der Kritik in diesem Hohen Hause unterworfen worden sind. Dass man sich dann, weil man weiß, wann ein solches Urteil ergeht, darauf vorbereitet und den Kandidaten, der auch in den Vorinstanzen obsiegt hat, bittet, zur Verfügung zu stehen, um dann auch eine Entscheidung zu vollziehen, ist das Normalste der Welt und ist in einer Vielzahl von Fällen in der Vergangenheit genauso gehandhabt worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir noch eine Bemerkung dazu. Ich habe mich im Verlauf der öffentlichen Diskussion darüber gewundert, dass es unbesehen übernommen wird – Herr Kollege Hartloff hat das in seiner Rede herausgearbeitet –, dass sich Menschen, die sich in einer politischen demokratischen Partei engagieren, wenn es um Aufgabenbesetzungen oder Aufgabenübertragungen geht, einer Betrachtung unterziehen müssen, als sei die Tatsache dieses Engagements schon ein Makel. Wir sollten gegenseitig verhindern, dass das Praxis wird. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren – – –

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Dann werden wir das aber auch für uns in Anspruch nehmen! Dann unterschreiben wir das! – Zurufe von der SPD)

Frau Kohnle-Gros, ich will Sie gern aussprechen lassen.

Meine Damen und Herren, wir sollten aber noch mehr darauf achten, dass es zwischenzeitlich nicht schon so weit ist, dass jemand, der keiner Partei angehört, unterstellt bekommt, er wäre deshalb, weil die SPD hier mit absoluter Mehrheit regiert, SPD-nah und dass ihn dann dies schon disqualifiziert gegenüber einem Bewerber, der in diesem Fall der Union nahesteht, was ich überhaupt nicht zu kritisieren habe und was bei diesem Bewerbungsverfahren auch überhaupt keine Rolle gespielt hat.