Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

(Glocke des Präsidenten)

Ich werde gleich noch etwas zur rheinland-pfälzischen Situation sagen und fahre gleich in der zweiten Runde fort. Vielen Dank für das Signal, Herr Präsident.

(Beifall bei der SPD – Ramsauer, SPD: Hoffentlich wird das besser!)

Das Wort hat die Bildungsministerin.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Herr Schweitzer in der vorhergehenden Aktuellen Stunde der FDP-Fraktion gedankt hat, es wäre nett, dass wir über

Ausbildungsplätze reden könnten, um die gute Bilanz der Landesregierung darzustellen, so muss ich sagen, ich bin gerne bereit, der Opposition zu konstatieren: Wirklich nett war es von der SPD-Fraktion nicht, diese Aktuelle Stunde zu beantragen.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es war nach den Debatten der letzten Wochen dringend notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Wenn sich das Parlament ernst nimmt, dann glaube ich schon, dass das nach wochenlangen Überschriften wie „Kinder als Stopfgänse“, „Arbeitszeiten wie Manager“ bis hin zu „Kinderarbeit“ oder „Ein Thema und viel Ärger“, und wenn gleichzeitig in der nächsten Woche dazu Beratungen in der Kultusministerkonferenz anstehen, Frau Beilstein, auch zu den Äußerungen der saarländischen Kollegin, und wenn wir im Sommer mit unserem G8GTS anfangen, ein hochaktuelles Thema ist. Es ist ein für dieses Land sehr relevantes Thema. Deswegen bin ich dankbar, dass wir heute an dieser Stelle über diese Frage diskutieren.

(Beifall der SPD)

Der Inhalt dessen, was in den letzten Wochen und Monaten zu hören war, war immer der gleiche. Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte von Bayern, über Hessen, über Nordrhein-Westfalen bis nach Niedersachsen und Hamburg beklagen sich über die Praxis, dass in diesen Ländern teilweise schon vor längerer Zeit, teilweise vor kürzerer Zeit G8 eingeführt wurde, also eine Schulzeit flächendeckend um ein Jahr verkürzt wurde, ohne entsprechende Vorsorge und ohne entsprechende Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Darum drehen sich die Beschwerden.

Wir haben jetzt in den letzten Wochen und Monaten ein ziemliches Wirrwarr an Vorschlägen lesen dürfen, wie man denn mit der mangelnden Vorbereitung mit dem Problem umgehen soll. Ich sage einmal, die Aufgabe, 265 statt durch neun durch acht zu teilen, ist so schwer nicht. Wie also soll man ob dieser mangelnden Vorbereitung jetzt mit diesem Problem umgehen? Das ist schon interessant. Da gibt es Ministerpräsidenten, die fordern, die 265 Stunden zu kürzen. Dann gibt es Bildungsministerinnen, die fordern, den Samstagsunterricht wieder einzuführen. Dann gibt es einen ganz bemerkenswerten Vorschlag aus einem südlichen Nachbarland. Da will der Ministerpräsident – wohlgemerkt nicht der zuständige Minister – die Naturwissenschaften kürzen. Die Naturwissenschaften kürzen – das muss man sich einmal alles auf der Zunge zergehen lassen.

Dann gibt es einen Kultusminister, der sagt: So vielleicht nicht, lieber noch ein paar Hilfslehrer einsetzen. – Dann kommt der Vorschlag, noch weiter aus dem Süden, wir sollten die Ferienzeiten verkürzen.

Als Allerletztes kommen dann in den anderen Ländern einfach Anweisungen: Die Schulen sollen jetzt endlich einmal schauen, dass sie das Problem in den Griff be

kommen. – Das sind momentan die Lösungsvorschläge, die auf dem Tisch liegen. Diese sind allesamt so, wie sie vorgeschlagen sind, unsystematisch und unakzeptabel.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Frau Beilstein, es ist heute keine einfache Aufgabe für Sie gewesen.

(Bracht, CDU: Die hat sie aber gemeistert, Frau Ministerin!)

Aber auf kein einziges dieser Probleme haben Sie eine Antwort gegeben.

(Beifall bei der SPD – Pörksen, SPD: So ist es!)

Dann setzen Sie sich mit dem rheinland-pfälzischen Konzept auseinander und sagen: Statt drei Jahren sollten wir das auf fünf Jahre ziehen. Die Länder mit den Problemen, über die ich eben geredet habe, haben es großenteils auf fünf Jahre gezogen und haben das Problem damit nicht in den Griff bekommen.

Dann kommt Ihre wirklich bemerkenswerte Aussage zur Durchlässigkeit mit der zweiten Fremdsprache. Ich frage Sie: Sind Sie gegen das Vorziehen der zweiten Fremdsprache in Jahrgangsstufe 6, oder sind sie dafür? Dazu müssen Sie hier einmal etwas sagen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe des Abg. Keller, CDU)

Dann sagen Sie mir – – –

(Bracht, CDU: Ablenkungsmanöver! Beantworten Sie die Frage, die damit verbunden war!)

Herr Bracht, Ihre Kollegin sagt mir, was Ganztagsschule ist, und erklärt mir, Ganztagsschule sei nicht nur, ein paar Stunden am Tage dranzuhängen.

(Bracht, CDU: Sie lenken nur ab! Keine Antworten auf die gestellten Fragen! Gehen Sie doch einmal darauf ein! – Weitere Zurufe des Abg. Keller, CDU)

Ja, wo leben wir denn? Das ist das, was die anderen machen. Davon unterscheidet sich unser Konzept diametral. Als einziges Bundesland unterscheiden wir uns an dieser Stelle.

(Beifall der SPD)

Sollte diese Aussage die Ankündigung sein, dass wir in wenigen Wochen lesen, dass eigentlich die CDU G8GTS erfunden hat, werde ich auch damit leben können.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Ramsauer, SPD: Die haben neuerdings auch die IGS erfunden!)

Dann sind wir bei unserem – – –

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Herr Abgeordneter Keller, meine heimliche Hoffnung ist, dass Ihre Fraktion Ihnen in der zweiten Runde noch ein bisschen Redezeit zur Verfügung stellt. Ich würde es gerne laut hören, was Sie nur in Zwischenrufen sagen dürfen, weil gerade Sie in dieser Debatte immer sehr engagiert waren. Insofern bin ich sehr gespannt, welche Kehrtwendung Sie versuchen, um am Ende doch irgendwie mit dem Problem fertig zu werden.

(Keller, CDU: Kommen Sie wieder einmal in den Ausschuss!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, G8 mit Ganztagsschule zu verknüpfen, war eine rheinland-pfälzische Initiative. Das ist der rheinland-pfälzische Weg. Das ist der Weg, den man jetzt auch in öffentlichen Verlautbarungen unterstützt findet, und zwar nicht nur von betroffenen Eltern und nicht nur von Lehrkräften, sondern zum Beispiel auch vom DIHK-Präsidenten Ludwig Georg Braun, der als Rahmen für das achtjährige Gymnasium Ganztagsschulen mit Mittagessen und mit professioneller Hausaufgabenbetreuung verbindet. Endlich sagen es die Leute jetzt auch, dass der Weg richtig ist, den wir eingeschlagen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz einfach ist es, was das rheinland-pfälzische Konzept von anderen unterscheidet.

1. Bei uns wird G8 nicht überhastet flächendeckend eingeführt, sondern auf Antrag eingerichtet. Das ist der erste wichtige Unterschied, der die Situation der Schülerinnen und Schüler, der Schulen und der Schulträger berücksichtigt und vor allen Dingen den Eltern ein Wahlrecht einräumt. Wir sind darauf stolz, dass wir es so entschieden haben.

(Beifall bei der SPD)

2. G8 ist bei uns immer mit der Ganztagsschule verbunden. In den Klassenstufen 5 und 6 ist das in Form der Angebotsganztagsschule. In den Klassenstufen 7 bis 9 ist es eine Pflichtganztagsschule. Das ist aus unserer Sicht dringend notwendig, wenn wir nicht Schülerinnen und Schüler bei dem G8-Konzept auf der Strecke lassen wollen. An dieser Stelle sage ich, manchmal lohnt es sich auch, diese Perspektive zu sehen, nämlich Schülerinnen und Schüler gut und erfolgreich durch dieses Schulsystem zu bringen.

3. Wir verbinden dieses Konzept mit einer Rhythmisierung des Schultags. Wir haben die Pflichtstunden und haben ergänzende Lernzeit, damit Hausaufgaben bewältigt werden können, damit die Dinge geübt und unterstützt werden können.

Frau Abgeordnete Morsblech, damit gibt es auch Raum im Rahmen dieser Ganztagsschule, den kreativen Bereich zu fördern. Dazu gehören auch der sportliche Bereich und die Förderung der sozialen Kompetenzen. Das gehört für uns schlichtweg zu einer guten Schule dazu.

Wir wollen, dass um 16:00 Uhr die Dinge weitgehend erledigt sind. Dann soll Raum für Familie, Freunde, Vereine und andere wichtige Angebote sein. Auch das unterscheidet unser Konzept nachdrücklich von dem anderer Länder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was wir auf den Weg gebracht haben, ist engagiert aufgegriffen worden. Wir haben die ersten neuen Schulen mit sehr guten Konzepten auf den Weg geschickt. Wir haben gute bis sehr gute Anmeldezahlen. Ich gehe davon aus, dass diese Schulen gute und vor allem die Kinder und Jugendlichen fördernde Konzepte ab dem neuen Schuljahr umsetzen werden. Auf jeden Fall werden wir sie dabei mit Nachdruck unterstützen und wünschen ihnen von hier aus einen möglichst guten Start.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Regierung und auch die Fraktion der SPD haben sich in dieser Debatte nicht weniges anhören müssen. Ich will heute nicht aus alten Plenarprotokollen und Presseerklärungen zu dem Thema zitieren, was uns vorgeworfen worden ist und wie lax über von uns formulierte Probleme hinweggegangen worden ist. Ich frage mich schon, was damals bundesweit und was im rheinland-pfälzischen Landtag passiert ist. Es ist keine Frage – da gibt es auch keinen Unterschied –, es ist allen gemeinsam ein wichtiges Anliegen, mit der Lebenszeit junger Menschen verantwortlich umzugehen.

Wir haben das übrigens als erstes Bundesland getan, als wir bei der Jahrgangsstufe 13 verkürzt haben. Wir sind dabei nicht stehen geblieben. Wir haben die Frage der Lebenszeit junger Menschen nicht auf die Frage des Abiturs nach zwölf Jahren beschränkt. Wir haben gesagt, es gibt viele wichtige andere Punkte. Dazu gehört die frühe Förderung in den Kindertagesstätten. Dazu gehört die Flexibilisierung der Einschulung. Dazu gehört vor allen Dingen auch, dass wir die Zahl der Sitzenbleiberinnen und Sitzenbleiber in unseren Schulen verringern. Zu all dem haben wir Initiativen ergriffen. Wir haben uns nicht wohlfeil auf eine Schiene lenken lassen, die allenfalls Teilprobleme in Angriff nimmt.

(Beifall bei der SPD)

Ich wünsche mir an dieser Stelle nur eins, dass vielleicht eine Debatte, die für Sie so problematisch ausgegangen ist, dazu führt, dass es bei zukünftigen Debatten ein bisschen mehr Nachdenklichkeit gibt, bevor man allzu sehr Einwände beiseite schiebt.

Ich sage auf jeden Fall, wir haben dieses System immer von dem Punkt aus angedacht, wie fördern wir Schülerinnen und Schüler in diesem System möglichst optimal. Das wird auch bei allen weiteren Reformschritten im Bildungssystem unser Bezugspunkt bleiben. Ich glaube, es ist ein guter Punkt.

(Beifall bei der SPD)