Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde – von der FDP-Fraktion eingereicht – lautet „Auswirkun
gen einer evtl. Rückgabe der Kassenzulassungen…“. Alles Weitere können Sie dann der Vorlage entnehmen. Die Formulierung „eventuell“ ist zu Recht gewählt, und ich wundere mich dann schon, dass wir hier aufgrund dieser Anfrage so sehr im Nebel stochern, Herr Dr. Schmitz. Ich sehe die Schwierigkeit darin, dass Gesundheitspolitik im Allgemeinen und hier im Speziellen ein sehr komplizierter Themenbereich ist, der häufig zur Verwirrung führt. Ich befürchte, dass diese Aktuelle Stunde auch dazu beitragen kann, die Bürgerinnen und Bürger ins Ungewisse zu führen. Ich halte das für nicht verantwortbar.
Jetzt wollen wir doch einmal sehen, wie es mit der Rückgabe der Kassenzulassungen in Rheinland-Pfalz aussieht. Der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz hat sich in Bezug auf dieses Thema ganz klar und unmissverständlich positioniert und Folgendes gesagt: Es wird keine kollektive Rückgabe der Zulassung und entsprechend natürlich auch kein „Korbmodell“ geben. – Diese Feststellung hat der Verband der Hausärzte unter der Voraussetzung gemacht, dass man schauen möchte, wie die Auswirkungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes sein werden. Genau das ist am 19. April von Herrn Dr. Zwerenz vom Hausärzteverband bei der Landesdelegiertenkonferenz des Hartmannbundes in Mainz noch einmal unmissverständlich wiederholt worden.
Im Übrigen gab es dort eine sehr strittige Auseinandersetzung unter der Ärzteschaft, was dieses „Korbmodell“ angeht und was auch den Ausstieg der Ärzte aus dem kassenärztlichen System betrifft. Dort finden wir keine einheitliche Meinung vor.
Herr Dr. Schmitz, Sie haben eben den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Herrn Dr. Gerhardt, zitiert. Ich darf das auch. Er hat nämlich auch am 19. April beim Hartmannbund hervorgehoben: Kein Ausstieg, wir wollen erst schauen, wie die EBM-Reform aussieht. – Das ist insgesamt dann schon ein kleiner Unterschied zu dem, was Sie uns eben versucht haben darzustellen.
Nun wollen wir einmal schauen – auch in Kurzversion –, was diese EBM-Reform will und was im SGB V dazu vereinbart ist. § 87 sieht ganz eindeutig ein neues ärztliches Vergütungssystem vor. Das ist gut und richtig. Kernpunkt dabei ist, dass die bisherigen Budgets und die schwankenden Punktwerte durch eine regionale Euro-Gebührenordnung ersetzt werden sollen. Das ist wichtig für die Ärzte, weil die Ärzte damit dann viel mehr Planungs- und Kalkulationssicherheit haben. Das wird hier im Hause auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Das Mobilitätsrisiko wird auf die Kassen übertragen. Das ist auch ein wichtiger Punkt. Ich glaube aber, mit der wichtigste Punkt in dem gesamten Vergütungssystem wird sein, dass sich – darauf sind Sie eben kurz eingegangen – 2009 die Honorarbasis ändern wird. Das Budget wird um 2,5 Milliarden Euro bis 3 Milliarden Euro erhöht werden. Das entspricht einer Honorarsteigerung von 10 % und mehr.
An dieser Stelle möchte ich Frau Ministerin Dreyer und auch dem Ministerpräsidenten danken, die sich sehr dafür eingesetzt haben. Ich bin davon überzeugt, dass die neue und verbesserte Vergütungssituation ab 2009
Nun wollen wir einmal schauen, welche Folgen ein solcher Ausstieg für die Ärzte selbst hätte. Das ist auch beim Hartmannbund ganz klar geworden. Im SGB V, § 95, wird ganz klar formuliert – da darf ich kurz zitieren –, dass den Ärzten, wenn sie ihre kassenärztliche Zulassung zurückgeben – jetzt zitiere ich – „eine erneute Zulassung frühestens nach Ablauf von sechs Jahren nach Abgabe der Verzichtserklärung erteilt werden kann.“
In § 72 SGB V wird deutlich, dass, wenn 50 % aller Vertragsärzte in einem Zulassungsbezirk auf ihre Zulassung entweder verzichten oder aber die vertragsärztliche Versorgung verweigern, dann der Sicherstellungsauftrag von der Kassenärztlichen Vereinigung an die Krankenkassen übergeht. Ob das im Sinne der Ärzte ist und das die Ärzte selbst wollen, wage ich sehr zu bezweifeln.
Dann komme ich zu den Kosten der Praxis. Auch das ist natürlich ein schwerwiegender Punkt. Was sagen denn die Banken dazu, die zukünftigen Kreditgeber? All das ist etwas, was meines Erachtens auch von den Ärzten selbst unterschätzt wird. Dazu siehe Niedersachsen. Dann komme ich jetzt auch zu dem alles entscheidenden Punkt. Der Anspruch der Ärztinnen und Ärzte auf Vergütung gegenüber den Versicherten erlischt, wenn sie ihre Zulassung abgeben. Sie haben keinen Anspruch mehr darauf, Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln.
Ich glaube, das sind Schwierigkeiten, mit denen die Ärzte zu rechnen haben. Auf die Umstände in Niedersachsen werde ich gleich noch einmal eingehen. Ich glaube, das ist für die gesamte Diskussion heute sehr wichtig.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Mal thematisiert die FDP die Mängel der Gesundheitspolitik in Berlin im rheinlandpfälzischen Landtag.
Herr Dr. Schmitz, ich frage Sie erneut, hätten Sie diese Aktuelle Stunde auch beantragt, wenn Sie noch mit in der Regierung wären?
Es ist in der Tat so, dass immer mehr Haus- und Fachärzte darüber nachdenken, ihre Kassenzulassung zurückzugeben. Damit sollen die Politik auf der einen und die Krankenkassen auf der anderen Seite zu einer besseren Bezahlung gezwungen werden.
Sie haben eben das durchschnittliche Jahreseinkommen von 83.000 Euro erwähnt und gesagt, dass dann noch Steuern und die gesamten Abgaben für die Altersvorsorge abgehen. Die „Rhein-Zeitung“ hat es vor einigen Tagen kommentiert. Da würden viele vor Neid erblassen. Es ist in der Tat richtig. Aber ich denke, nur wenige Berufe tragen für das Leben unserer Gesellschaft so viel Verantwortung wie Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Man sieht es auch an der Beliebtheitsskala der Berufe. Ärzte rangieren immer noch ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Die Politiker kommen weit abgeschlagen weiter unten. Leider.
Bei einem Beruf, der im niedergelassenen Bereich keine 38,5 Stundenwoche beträgt, müsste es finanziell bemerkbar sein. Die Kollegen machen das unter schwierigsten Rahmenbedingungen, mit Budget, vielen unbezahlten Leistungen und einer Altersdemografie der Ärzte selbst, die zunehmend problematisch wird.
Nun verspricht der Gesundheitsfonds ab 2009 eine Besserung. So sollen z. B. Ärzte auf dem Land in den unterversorgten Gebieten gewisse Zuschläge auf ihr Honorar bekommen. Das ist auf den ersten Blick eine gute Perspektive. Es wird aber von vielen Ärzten angezweifelt, ob es wirklich 2009 10 % bis 15 % mehr Geld für die ambulante Versorgung gibt.
Frau Grosse, wir haben vor einigen Wochen beim Hartmannbund erlebt, dass uns teilweise der blanke Hass entgegenwehte.
Experten gehen davon aus, dass der Gesundheitsfonds für Rheinland-Pfalz aufgrund der Struktur letztendlich zu einem Nullsummenspiel wird.
Herr Dr. Schmitz, Sie haben eben Herrn Dr. Gerhardt zitiert. Er hat in diesem Interview auch gesagt, die Politik müsse erkennen, dass schlechte Honorierung und Ärztemangel Auswüchse einer Situation sind, die für alle bedrohlich ist.
Das „Korbmodell“, das Sie ansprachen, sieht vor, dass Ärzte treuhänderisch schriftlich erklären können, dass sie ihre Zulassung zurückgeben wollen. Dies kann dann als Folge im extremen Fall zu einem kollektiven Zulassungsverzicht führen. Das würde für die Kostenträger erst einmal bedeuten, dass sie den Ärzten keine Budgets mehr zuteilen können und die notwendige Leistung dann von den Patienten nach der Gebührenordnung an die frei praktizierenden Ärzte gezahlt werden muss.
Das „Korbmodell“ ist bisher nirgends in Rheinland-Pfalz zum Tragen gekommen. In der Tat haben viele Ärzte gerade mittleren Alters aus wirtschaftlichen Gründen Angst vor der Rückgabe, weil sie das hohe Risiko eingehen, sechs Jahre keine Zulassung mehr zu erhalten.
Der Kassenpatient wird in einem solchen konkreten Fall wie ein Privatpatient eine Rechnung bekommen, die er
dann bei seiner Krankenkasse einreicht. Ob dies dann allerdings anstandslos bezahlt wird, ist noch unklar.
Zunächst müsste das Sozialministerium, also die Landesregierung, feststellen, dass die ärztliche Versorgung in diesem Bereich nicht mehr sichergestellt ist. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, wenn es zu einem solchen Fall kommt.
Interessant ist, dass das „Korbmodell“ aus Sicht der Kassen Vorteile für die medizinische Versorgung der Bevölkerung bringen soll. Die Kassen sagen, Herr Bockemühl sagt, man könne sich dann die Ärzte aussuchen, mit denen man zusammenarbeiten will. Die Rückgabe der Zulassung wäre auch eine Chance für das bestehende System, weil man dann bei der Bezahlung die Leistung und die Qualität der Ärzte berücksichtigen und gewisse Überversorgungen in Ballungsbereichen reduzieren könne.
Ich halte es unter den Rahmenbedingungen der Großen Koalition für unwahrscheinlich, dass es vor der nächsten Bundestagswahl zu einem großen Wurf kommt, nämlich eine Reform mit einem Wettbewerb, die den Patienten eine vernünftige Basisversorgung anbietet und die Kassen darüber hinaus mit speziellen Angeboten konkurrieren können. Wenn dies gelingt – das sagt auch die „Rhein-Zeitung“ vor einigen Tagen –, dann könnte eine Situation kommen, dass Ärzte sich wieder um einen Kassenarztsitz bemühen, anstatt auf ihn verzichten zu wollen.
Es darf nicht sein, dass Ärztinnen und Ärzte zu Mitteln wie dem „Korbmodell“ greifen müssen, auch wenn § 95 SGB V dies vorsieht. Da sehe ich jetzt schon die Landesregierung in der Verantwortung, sich dafür starkzumachen, dass 2009 auch in Rheinland-Pfalz mehr Geld in die ambulante Versorgung fließt.
Ich vermute und hoffe, dass viele Ärzte erst einmal ihre erste Abrechnung 2009 abwarten und schauen, was sich tut. Hat sich da nichts geändert, dann kann ich mir vorstellen, dass es vor der nächsten Bundestagswahl zu einem Knall kommt. Das ist unnötig, und das gilt es zu verhindern.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Vielleicht zunächst vorab: Herr Dr. Enders hat gesagt, in Rheinland-Pfalz sei das „Korbmodell“ nirgends zum Tragen gekommen. Man muss es vielleicht noch etwas korrekter sagen. Es ist noch nirgends zum Tragen gekommen.
Obwohl die Bayern mit großem Tamtam das „Korbmodell“ ausgerufen haben, hat man es dort nicht geschafft.
Man hat sozusagen eine interne Regelung zum Schutz der Ärzte gemacht, dass mindestens 70 % des jeweiligen Bereichs die Zulassung in den Korb legen. Auch das ist nicht geschafft worden, obwohl Herr Hoppenthaller sehr viel Energie seitens des Hausärzteverbands einsetzt, dies zu verwirklichen.
Auch in Baden-Württemberg, wo Ärzteverbände aufgerufen haben, das „Korbmodell“ in Anspruch zu nehmen, ist es nicht gelungen.
Man muss sagen, in Rheinland-Pfalz ist die Situation im Moment eher noch relativ ruhig. Es gibt nur im Bereich Trier einen offiziellen Aufruf – ebenfalls vom Ärzteverband –, sich an dem „Korbmodell“ zu beteiligen.
Den meisten ist hier schon klar, was das „Korbmodell“ bedeutet. Es geht um den kollektiven Ausstieg aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich glaube nicht, dass die Ärzte und Ärztinnen manchmal genau wissen, um was es am Ende geht. Auch hier sind einige Sachen gesagt worden, die so nicht vollständig zutreffen.
Herr Dr. Schmitz, bevor ich auf Ihre Argumente eingehe, möchte ich das gern noch einmal sagen. Es ist auch der Titel der Aktuellen Stunde „Auswirkungen eines entsprechenden Korbmodells“ gewesen.
Vorab vielleicht noch so viel: Ich halte es bei allem Verständnis für Honorarforderungen seitens der Ärzteschaft nicht für den richtigen Weg. Auch darauf werde ich noch einmal eingehen. Ich glaube nicht, dass uns das „Korbmodell“ wirklich weiterbringt, auch nicht die Ärzte und Ärztinnen.
Der springende Punkt ist, dass die Ärzte damit ihre vertragsärztlichen Pflichten verletzen und im Gesetz explizit geregelt worden ist, was dies bedeutet. Es bedeutet, dass sie gegen eine Pflicht verstoßen und letztendlich keine Möglichkeit mehr haben, im gesetzlichen Krankenversicherungssystem für sechs Jahre zu praktizieren.
Alles, was hierzu teilweise ausgeführt wird, dass es andere Wege gäbe, um an der vertraglichen Versorgung nach wie vor mitzuwirken, stimmt nicht. Das Bundessozialgericht hat im vergangenen Sommer in Bezug auf Niedersachsen ein klares Urteil dazu gesprochen und explizit jeden Punkt dazu definiert.
Danach ist es klar: Alle Aussteiger sind mit Ausnahmen von ganz eng abzugrenzenden Notfallversorgungen nicht mehr berechtigt, Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln, und das für einen Zeitraum von sechs Jahren. Auch eine Abrechnung im Wege der Kostenerstattung ist nicht mehr möglich. Der Vergütungsanspruch der Ärzte und Ärztinnen gegenüber Versicherten besteht schlicht und ergreifend nicht mehr. Auch abweichende Vereinbarungen sind nichtig, d. h. in dem Zusammenhang nicht möglich.
Die Ärzte sind auch nicht berechtigt – dies wird von Ärzteverbänden teilweise falsch gesagt –, irgendwelche anderen Verträge zu machen, z. B. Hausarztverträge oder Zusatzeinnahmen über Disease-ManagementProgramme oder ähnliche Dinge. Auch das ist nicht