Protokoll der Sitzung vom 04.06.2008

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Lieber Herr Kollege, das haben Sie eben gefordert.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Das weise ich mit Nachdruck zurück.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen. Ich will nur einmal darstellen, wie abenteuerlich solche Deckungsvorschläge sind. Es ist wohlfeil darüber zu reden, wie es mit den Mitteln ist, die nach China und Indien fließen. Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie sehen, dass das alles Mittel sind, die damit zu tun haben, dass damit der deutschen Wirtschaft ein Entree in diese Länder geschaffen wird. Ich könnte Ihnen dies im Einzelnen bis ins Detail belegen.

(Pörksen, SPD: War der nicht mal bei der BASF?)

Machen Sie also einmal langsam mit solchen Deckungsvorschlägen, die wir in diesem Haus präsentiert bekommen. Ich rate Ihnen, nehmen Sie das mit der NATO zurück. So etwas kann jedem einmal passieren, aber es ist furchtbar, so etwas seitens der FDP in den Raum zu stellen.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, noch ein paar Bemerkungen zu machen.

Erste Bemerkung: Ich will zunächst einmal das Faktum nennen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland eine Verschuldung von etwas mehr als 1,5 Billionen Euro haben. Herr Kollege Baldauf, ich will daran erinnern, dass es auch in Ihren Reihen Politiker gibt, die darauf hinweisen, wenn Sie versuchen, Ihre Konzepte zu präsentieren. Wenn die Presse nicht falsch berichtet hat, hatten Sie dazu einen Konflikt auf Ihrem sogenannten kleinen Parteitag.

Gott sei Dank ist es so, dass Ihre Parteivorsitzende mit der Feststellung, dass es in dieser Legislaturperiode keinen Spielraum für Steuersenkungen gibt, an die Öffentlichkeit getreten ist. Wir sind uns darin völlig einig. Am Freitag vor einer Woche haben wir das noch einmal miteinander besprochen. Das werden wir auch so durchführen; das nicht deshalb, weil wir das gerne machen, sondern weil es dazu keine verantwortbaren Alternativen gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Wer dies nicht sieht, muss erklären – Nichtkonsolidierung steht jetzt nicht zur Debatte –, wie eine solche Politik, nämlich jetzt Steuern zu senken, für die es keine adäquate Gegenfinanzierung gibt, gegenüber den nächsten Generationen verantwortbar ist, die an Zinsen und Tilgungslasten ersticken und am Ende nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Welt so zu gestalten, wie das ihnen genauso zusteht, wie das von uns heute in Anspruch genommen wird.

(Beifall der SPD)

Zweite Bemerkung: Ich würde gerne einmal von denen, die ständig von Leistungsträgern reden, eine Definition hören, wen sie unter diesem Begriff subsumieren.

(Pörksen, SPD: Sich selbst!)

Ich habe dies – für die Landesregierung gültig, aber auch generell – mehrfach in nachzulesenden Artikeln deutlich gemacht: Ja, Leistungsträger sind Persönlichkeiten, die Unternehmen führen. Respekt vor deren Arbeit. Leistungsträger sind Handwerksmeister oder mittelständische Unternehmer in besonderer Weise, die mit ihrem persönlichen Geld für ein Unternehmen stehen. Leistungsträger sind Freiberufler, Leute, die hart arbeiten, um über die Runden zu kommen und die eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft erfüllen. Meine Damen und Herren, Leistungsträger sind aber auch der angestellte Ingenieur, der Facharbeiter und der Meister in einem Betrieb. Wenn wir uns darin einig sind, sind wir schon ein großes Stück weiter.

(Beifall der SPD)

Diese Definition deckt sich aber exakt nicht mit Ihren Entlastungsvorschlägen. Auch darauf kann ich gerne anhand von Zahlen eingehen.

(Eymael, FDP: Das ist nur halb richtig!)

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung, die zumindest die SPD und die FDP zu verbinden scheint, dass es nämlich am Ende auf die Gesamtabgabenquote ankommt. Es kommt nicht auf die Steuerquote und nicht auf die Sozialquote allein an, sondern auf die Gesamtabgabenquote.

(Eymael, FDP: Richtig!)

Damit sind aus meiner Sicht schon drei entscheidende Orientierungspunkte für unser Handeln vorgegeben: Erstens die Spielräume, zweitens die Frage, wen wir erreichen wollen, und drittens geht es darum, dass wir die Gesamtbelastung der Menschen nicht erhöhen, sondern zielgenau dort absenken, wo es besonders hohe Belastungen gibt und wo die Brutto-NettoLohnfrage wirklich berührt ist. Ich stehe auch keinen Moment an zu sagen, dass auch dort zu entlasten ist, wo weltweit die Hauptauseinandersetzung geführt wird, nämlich bei arbeitsintensiven Arbeiten. Das ist doch der große Wettbewerb, in dem wir stehen. Deshalb müssen die Betriebe entlastet werden, die besonders arbeitsintensiv sind. Ja, das ist ausdrücklich Teil meines Konzepts.

(Beifall der SPD)

Im Übrigen, wenn Sie über alle reden, ist es natürlich so, dass über die Sozialsysteme auch die Freiberufler und andere einbezogen sind. In besonderer Weise werden natürlich auch die Rentnerinnen und Rentner, die nicht steuerfrei sind, die aber im Regelfall durch die Freibeträge real keine Steuern bezahlen, durch eine Verbesserung des Brutto-Netto-Lohnverhältnisses über die Rentenformel von einer solchen Politik begünstigt, zumal dann, wenn sie noch von der Sicherung anständiger Löhne als Grundlage für diese Beiträge begleitet wird.

Wenn Sie die Gutachten der sogenannten Wirtschaftsweisen betrachten, werden Sie exakt die Richtung finden, dass es unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, unter sozialpolitischen Gesichtspunkten und hinsichtlich der Demografiefestigkeit unserer Sozialsysteme einen zu präferierenden Weg gibt, nämlich bei der Gesamtabgabenbelastung den Teil der Sozialabgabenbelastung abzusenken.

In der Zukunft werden wir aufgrund der Veränderung der Alterszusammensetzung unserer Gesellschaft im Vergleich zu heute weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter und mehr Menschen haben, die von Sozialtransfers, die sie sich sehr wohl verdient haben, leben müssen, nämlich von den Renten- und Pensionssystemen. Ob sie privat oder anders abgesichert sind, ist für die volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung eher sekundär. Auch dann wird es Kinder und Jugendliche geben, die eine gute Ausbildung benötigen und auf das Leben vorbereitet werden müssen.

Wenn wir diese Gruppe, die kleiner sein wird, die Gruppe der Menschen im arbeitsfähigen Bereich, nicht noch zusätzlich belasten wollen, weil sie immer höhere Beiträge für die Sozialleistungen der dann älteren Menschen bezahlen müssen, ist es sinnvoller, dass wir uns alle an dieser Absicherung beteiligen und deshalb Steu

ermittel in Sozialsysteme in verstärkter Form lenken und dafür die Beiträge absenken.

(Beifall der SPD)

Dazu haben wir eine Konzeption vorgelegt, die dadurch getragen wird, dass sie eine klare Prioritätenfolge und eine klare Verortung beinhaltet. Es bleibt dabei, wir wollen das Ziel der Konsolidierung nicht aufgeben, auch wenn die Steuerhysterie in Deutschland weitergetrieben wird. Sie ist unverantwortlich und wird in kürzester Zeit die Menschen einholen und ungleich höher belasten.

(Beifall der SPD)

Ich komme zur zweiten Bemerkung. Wir wollen keinen Staat, der den Menschen mehr als unabdingbar notwendig abnimmt. Das, was notwendig ist, um die Zukunftsinvestitionen zu tätigen, muss auch zur Verfügung stehen.

Ich habe heute Nachmittag zwei Debatten erlebt, in denen zu Recht darüber geredet worden ist, ob man in das Bildungssystem mehr Geld hineinsteuern und dort Dinge verbessern kann. Das ist richtig, darum müssen wir ringen. Wir müssen darum ringen, unsere Forschungseinrichtungen und unsere Hochschulen besser auszustatten. Für solche Zukunftsaufgaben, übrigens auch im sozialen Bereich und im Infrastrukturbereich, muss auch die finanzielle Grundlage vorhanden sein. Das darf nicht einfach auf Pump finanziert werden.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Wenn wir diesen Konsolidierungseffekt erreicht haben, wird das der Zeitpunkt sein, an dem wir schauen können, welche Spielräume zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, Herr Licht hat vorhin in seinem Zwischenruf von 107 Milliarden Euro gesprochen. Wenn Sie die mittelfristige Finanzplanung und die Steuerschätzung vom Mai 2008 betrachten, werden Sie sehen, dass nach 2011 ein Plus in einer Größenordnung von etwa 10 Milliarden Euro prognostiziert wird.

Wenn wir die Dinge verantwortlich betrachten, wissen wir, dass uns das Bundesverfassungsgericht gerade die Sozialversicherungsbeiträge für die Privatversicherten in das Stammbuch geschrieben hat. Das allein werden wir nicht machen. Wir werden in jedem Fall die gesetzlich Versicherten mit einbeziehen. Dafür brauchen wir einen Betrag in der Größenordnung von etwa 5 Milliarden Euro per anno.

Meine Damen und Herren, wenn wir auf der Bundesseite den Kommunalanteil der Länder wegnehmen – wenn wir über Steuern in Sozialsystemen reden, reden wir vom Bundeshaushalt –, dann haben wir auf der heutigen Finanzbasis gerechnet noch 5 Milliarden Euro bis 6 Milliarden Euro, die wir durch die natürliche Entwicklung bei einem durchaus vorsichtig gerechneten Wachstum der Steuern zur Verfügung haben. Erst diesen Betrag können wir, wenn wir nicht die Saatkartoffeln auffuttern wollen, in die Sozialsysteme transferieren. Das ergibt pro Jahr eine Senkung des Soziallastenbeitrags in der Größenordnung von etwa 0,6 %. Das ergibt bis Ende

des kommenden Jahrzehnts eine Größenordnung von unter 36 %.

(Licht, CDU: Das ist eine Milchmädchen- rechnung! – Zurufe von der SPD)

Hören Sie doch auf. Natürlich rechnen wir vorsichtig. Das können auch 2 Milliarden Euro mehr sein. Wenn es so ist, Gott sei Dank. Sie werden sehen, wie schnell diese weg sind. Darüber müssen wir uns keine Sorgen machen. Sie haben in den letzten Tagen und heute wieder Forderungen gestellt, die diesen Landeshaushalt in kürzester Zeit ruinieren würden. Ich komme noch auf Ihre Forderungen zu sprechen.

Meine Damen und Herren, diese Rechnung ist richtig. Sie ist verantwortlich und passt in die Entwicklung hinein. Deshalb bleiben wir dabei.

Jetzt will ich auf das Bezug nehmen, was der Herr Staatssekretär vorhin gesagt hat. Deshalb möchte ich nur noch wenige Hinweise geben. Wir müssen schauen, welche Belastungsverteilung sich in Deutschland ergibt.

Wir haben heute schon über einen Armutsbericht debattiert. Wir können doch bei der folgenden Debatte nicht völlig vergessen, was wir bereits gesagt haben, und so tun, als würden wir eine völlig andere Debatte führen.

Jetzt reden wir über die Grundlagen dafür – Herr Dr. Schmitz, ich stimme Ihnen zu –, wie wir mit den Mitteln, und zwar nicht nur mit den Transfers, umgehen. Es wird häufig so getan, als wäre der jeweilige Grenzsteuersatz gleich der Gesamtsteuerbelastung. Das ist aber nicht so, wie Sie wissen. Das wird häufig in der öffentlichen Diskussion – ich sage nicht von Ihnen – dargestellt.

Wenn man nach unseren Vorstellungen 250.000 Euro verdient, soll man den Steuerbalkon – manche nennen es Reichensteuer –, nämlich den Spitzensteuersatz in Höhe von 45 % bezahlen. Wer ein Einkommen von jährlich 200.000 Euro zu versteuern hat, zahlt natürlich nicht 42 %, sondern 37,1 % für sein Gesamteinkommen. Reden wir doch den Leuten nicht solches Zeug ein.

Insoweit kann in diesem Sektor von einer Überbelastung überhaupt nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Wenn Sie alle Untersuchungen betrachten, haben wir zwei Dinge, nämlich eine Vermögensverschiebung von unten nach oben und eine Einkommensverschiebung von unten nach oben in gigantischen Größenordnungen. Das sagen Ihnen jede Statistik und jede Zahl.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn das so ist, kann ich nicht einsehen, weshalb wir nicht von denen, die sehr gute Einkommen haben, einen solch bescheidenen Betrag zusätzlich nehmen, wenn wir verantwortlich Zukunft gestalten wollen.

(Beifall der SPD)