Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Herr Kollege Mertin.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hartloff, Sie erwähnten eine Liberalisierung und Deregulierung der Märkte. Wenn das Wort „liberal“ in den Raum gestellt wird, dann ist das so, als ob Sie in

Richtung FDP zeigen würden und als ob die FDP dafür wäre.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Deshalb gebietet es die Ordnung, dass ich sage, die FDP hat im Bundestag die Schaffung der BaFin, die Trennung der Bankenaufsicht zwischen diesen beiden Institutionen – Bundesbank und BaFin – kritisch und ablehnend begleitet, weil sie gesagt hat, die Bankenaufsicht wird geschwächt und nicht gestärkt. Ich will das an der Stelle festhalten. Es waren nicht die Liberalen, die das gewollt haben.

Die Liberalen haben ebenso die Tatsache kritisch begleitet, dass sich die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) bei der IKB (Deutsche Industriebank) beteiligt hat. Auch das ist von uns abgelehnt worden. Hätte die KfW das nicht gemacht und die Italiener hätten diese Bank gekauft – ich glaube, es war eine italienische Bank, die das kaufen wollte –, dann hätten diese das Problem und nicht die KfW. Ich will das an dieser Stelle festhalten.

(Beifall der FDP)

Wenn von Liberalisieren gesprochen wird, werden immer wir gemeint, als ob wir das in allen Punkten gewesen wären.

Ich räume ein, dass wir an der einen oder anderen Stelle sicherlich Fehler gemacht haben. Ich will an der Stelle klarstellen, nicht alles, was mit Liberalisieren zu tun hat, hat auch mit der FDP zu tun. Es gibt Dinge, die dort gemacht worden sind, die sind ohne uns gemacht worden.

(Hartloff, SPD: Wir halten fest, dass die FDP nichts mehr mit Liberalisierung zu tun hat!)

Nein, wir haben sehr wohl mit Liberalisierung zu tun, aber nicht mit falsch verstandenem Liberalismus, Herr Kollege Hartloff.

Wir Liberale sind davon überzeugt, dass die Freiheit des Einzelnen das Beste für die Gesellschaft bringt. Wenn uns bewusst wird, dass die Freiheit des anderen dadurch beschränkt wird, dann setzt das einen gewissen Ordnungsrahmen voraus.

(Beifall der FDP – Hartloff, SPD: Herr Kollege, da sind wir uns schnell einig!)

Dazu gehört eine entsprechende Bankenaufsicht, die stark genug ist, das zu tun. Wir haben kritisiert, dass die Bankenaufsicht so konstruiert wurde, dass sie jetzt dadurch geschwächt wird. Das wollte ich festgehalten wissen, damit es klar ist: Es gibt Dinge, die haben wir so nicht beschlossen, auch wenn es mit „liberal“ übertüncht wird.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Herr Finanzminister Prof. Dr. Deubel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, der entscheidende Punkt ist, dass wir in einer tiefgreifenden Vertrauenskrise in der gesamten Finanzmarktindustrie gelandet sind, diese ausgehend von den Immobiliengeschäften in den USA, bei denen niemand eingegriffen hat, obwohl im Wesentlichen zwei riesige staatliche Banken tätig waren, die jetzt Verluste ohne Ende tragen müssen.

Wir haben die Situation, dass sich Banken untereinander nicht mehr trauen und sich kein Geld mehr leihen. Das ist im keynesianischen Sinne eine Situation, wie er sie in den 30er-Jahren beschrieben hat, die sogenannte Liquiditätsfalle, bei der die Zentralbanken beliebig Geld in das System pumpen können, es aber nicht dort ankommt, wo es hin soll, sondern direkt wieder auf die Konten der Zentralbanken kommt. Es kommt nicht im Wirtschaftskreislauf, bei den Interbankengeschäften an, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.

Ein gerüttelt Maß Anteil an diesem Problem haben die Ratingagenturen, die auf undurchschaubare Verbriefungen, teilweise Verbriefungen von Verbriefungen ihr AAA darauf geschrieben haben und damit bei Banken, die nicht selbst in der Lage waren, alles im Detail zu überprüfen, den Eindruck erweckt haben, dass es sich um Produkte handelt, mit denen man arbeiten kann. Darauf sind viele, leider auch deutsche Banken, hereingefallen. Das gilt insbesondere für solche Banken, die sich international betätigen und überschüssige Liquidität nicht in Form von Krediten anlegen, sondern im sogenannten Kreditersatzgeschäft.

Ohne Frage handelt es sich hierbei um Marktversagen, aber sicherlich auch um Staatsversagen; denn in der Tat haben insbesondere die USA und Großbritannien, aber auch einige andere Länder in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, dass dieser Bereich immer weniger reguliert wird. Das gilt einschließlich des Schutzes der sogenannten Offshore-Zentren, bei denen überhaupt keine Regeln mehr gelten. Hier tut sich insbesondere Großbritannien mit den Kanalinseln und den Cayman-Islands hervor, die bekanntlich fast 75 % aller Hedgefonds zu Gast haben, um es einmal so auszudrücken, wenn man einen Briefkasten mit Gast gleichsetzt.

Ich will das gar nicht vertiefen, wie in der Bundesrepublik reagiert worden ist, weil das schon dargestellt worden ist. Dazu gehört das Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Das ist sicherlich richtig angelegt, weil es zu Marktpreisen arbeitet. Herr Mertin hat darauf hingewiesen. Es ist kein Geschenk. Wenn es einigermaßen vernünftig läuft, wird am Ende aus diesem Gesamtpaket kein größerer Verlust zu erwarten sein. Natürlich gibt es Bürgschaften gegen marktgerechte Gebühren, Eigenkapital oder stille Einlagen gegen marktgerechte Preise. Das bedeutet unter dem Strich, dass die Verluste eigentlich sich zumindest in Grenzen halten sollten.

Dass die Dividendenausschüttung in der Zeit nicht stattfinden kann, Managergehälter beschnitten werden und im Sinne des eigentlichen Zweckes dazu aufgefordert und angehalten wird, die inländische Kreditversorgung wieder zu verstärken, ist mit Sicherheit richtig.

Ich will ein paar Worte zu den Sparkassen sagen; denn die Sparkassen, aber auch die Volksbanken haben ein völlig anderes Geschäftsmodell, nämlich aus der regionalen Wertschöpfung heraus im Einlagebereich zu leben und selbst für die regionale Wertschöpfung im Wesentlichen die Kreditversorgung sicherzustellen. Lediglich überschießende Gelder werden dann extern angelegt, häufig bei Landesbanken, manchmal auch bei Banken, die früher als „triple A“ galten, wie z. B. Lehman Brothers, aber in der Zwischenzeit der Vertrauenskrise zum Opfer gefallen sind.

Nach allem, was wir wissen, gehen wir davon aus, dass die Verluste rheinland-pfälzischer Banken oder Sparkassen sich in engen Grenzen halten und Sparkassen in Rheinland-Pfalz voraussichtlich nicht unter den Schirm des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes schlüpfen müssen.

Wichtiger für uns auch für die Zukunft ist, welche Auswirkungen die Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft hat. Hier geht es nicht mehr darum, schönzufärben und wegzuschauen. Herr Baldauf, das wird auch nicht schnell wieder alles vorbei sein, sondern die Finanzmarktkrise wird ihre Spuren hinterlassen. Das heutige Gutachten des Sachverständigenrates spricht eine ziemlich deutliche Sprache. Von daher hat es keinen Sinn wegzuschauen, sondern wir müssen uns darauf einrichten, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren die Konjunktur erheblich in Schwierigkeiten kommen wird. Ob es nun 0,2 % Wachstum wird, wie die Bundesregierung dies annimmt, oder genau null, wie der Sachverständigenrat annimmt, oder möglicherweise noch ein Stück schlechter wird, kann zurzeit keiner genau sagen. Klar ist aber, es wird deutlich schlechter, als es in den letzten Jahren der Fall war.

Das liegt auch daran, dass wir es nicht mit einer Krise zu tun haben, die auf ein oder zwei Länder beschränkt ist, sondern mit einer weltweiten Krise. Wenn man sieht, dass ein Land wie China, das vor einem Jahr noch überlegt hat, wie man die überbordende Konjunktur bremsen kann, nun ein Konjunkturpaket aufgelegt hat, das in Richtung 1 Billion Dollar bereits geht, dann sagt das alles über den Zustand auch dieser Volkswirtschaften, auf die eigentlich viel Hoffnung gesetzt worden ist. Das heißt: USA Ausfall, China deutlich schlechter als bisher, Japan seit Jahren am Schwächeln, Indien noch zu klein, um wirklich helfen zu können, Russland auch offensichtlich in Schwierigkeiten. – Das heißt, es gibt praktisch keine Länder, die in der Lage sind, in großem Umfang zu importieren. Wenn andere Länder nicht importieren können, dann ist das natürlich für ein Exportland wie Deutschland und insbesondere Rheinland-Pfalz mit einer Exportquote von 50 % eine schwierige Situation. Aber dazu wird gleich im dritten Teil der Aktuellen Stunde noch vertieft zu sprechen sein. Deswegen will ich mich auf den Landeshaushalt konzentrieren.

Im Landeshaushalt haben wir von der Einnahmenseite her gerade die Steuerschätzung bekommen. Sie hat unsere Haushaltsansätze exakt bestätigt, aber natürlich auf der Basis der Wachstumsprognosen der Bundesregierung und auf der Basis geltenden Rechts. Das geltende Recht beinhaltet aber nicht das, was bereits jetzt im Gesetzgebungsverfahren ist oder noch kommt, d. h.,

insbesondere bekannte Themen wie „Kindergeld“ und „Krankenversicherungsbeiträge“ sind hier nicht berücksichtigt, aber auch nicht das heute vom Bundeskabinett verabschiedete Maßnahmenpaket, das – ich mache daraus keinen Hehl – mit Sicherheit nicht das Ende der Fahnenstange bedeutet; denn der Sachverständigenrat hat zu Recht darauf hingewiesen, in dieser Situation reicht ein kleines Maßnahmenpaket kaum aus, um die Nachfrage wirklich zu stabilisieren. Deswegen muss man sich meines Erachtens darauf einrichten, dass in den nächsten Monaten noch ganz andere Größenordnungen an Stabilisierungspaketen von der Bundesregierung verabschiedet werden. Das wird nicht völlig am Land vorbeigehen können.

Länder sollten keine aktive Konjunkturpolitik betreiben, sondern die automatischen Stabilisatoren wirken lassen. Nur, wenn die Bundesregierung und der Bundestag ein Paket verabschieden, dann müssen es die Länder weitgehend ausführen; denn die Verwaltung liegt bei den Ländern. Investitionen des Bundes werden in aller Regel in den Ländern und in den Gemeinden durchgeführt. Reine Bundesinvestitionen finden wir eigentlich nur im Bereich Autobahnen und Fernstraßen, und auch hier sind die Länder die handelnden Akteure. Der größte Teil der Investitionen läuft in den Kommunen und in den Ländern. Wenn größere Pakete kommen, dann ist natürlich auch klar, dass sich Länder und Gemeinden daran werden beteiligen müssen. Dies wird uns auf der Ausgabenseite dann natürlich belasten. Es sollte allerdings nicht so sein wie bei dem Paket, das heute verabschiedet wird, das die Lasten etwa auf ein Drittel Bund, ein Drittel Länder, ein Drittel Kommunen verteilt. Das geht natürlich nicht; denn der Bund ist in der Konjunkturpolitik vor allem gefragt.

Nur um eine Zahl in den Raum zu stellen: Das, was heute verabschiedet worden ist, bedeutet für den Landeshaushalt, wenn es so im Bundestag und im Bundesrat beschlossen wird, eine Gesamtbelastung bis 2013 von rund 300 Millionen Euro. In der Spitze im Jahr 2010/2011 sind es jeweils knapp 100 Millionen Euro. Von daher kommen also auf uns weitere Belastungen zu.

Die Länder sollten in einer solchen Situation vor allen Dingen beruhigend wirken. Das heißt, sie sollten ihre Aufgaben stetig fahren, ihre laufenden Ausgaben nicht nach unten fahren. Es bringt aber auch nicht viel, sie nach oben fahren zu wollen. Das wird im Zweifelsfall verpuffen. Es gilt das, was ich schon bei der Haushaltsrede gesagt habe, wir sollten unseren Haushalt von der Ausgabenseite in den nächsten beiden Jahren so fahren, wie das vorgesehen ist. Wie gesagt, wenn dann Bundesprogramme mit zu verarbeiten sind, dann müssen wir uns dafür die notwendigen Spielräume vorher verschaffen, um das auch zu können.

Im Moment ist der Staat sehr aktiv. Aber es kann natürlich nicht ausreichen, dass der Staat jetzt sowohl beim Finanzmarkt als auch bei der Konjunkturstabilisierung schnell reagiert, sondern man muss auch nach den Lehren fragen. Die Lehre kann nicht sein, nationale Maßnahmen insbesondere im Bereich der Finanzmarktindustrie, sondern die Lehre kann nur sein, international abgestimmte Maßnahmen, wie das eigentlich immer

verabredet war, aber leider nur ganz selten geschehen ist. Ich erinnere nur an das Schicksal von Basel II, eine Initiative der Amerikaner und der Briten, um – ich sage es einmal ganz hart – deutsche Banken ein wenig an die Leine zu nehmen.

Als dann zum Schluss Basel II Ergebnisse hatte, sind diejenigen, die es umgesetzt haben, vor allem die Deutschen, die das in ihren Banken auch bereits darstellen, allerdings nicht alle; denn sonst hätte es etwa in Irland die Zweckgesellschaft nicht geben dürfen, denn diese ist nach Basel II nicht zulässig. Nach Basel II müssen die Geschäfte in der Bilanz geführt werden und können nicht außerhalb der Bilanz geführt werden. Das war aber der Grund, dass sich die Amerikaner bei Basel II schnell abgeseilt haben, weil sie gemerkt haben, dass sie viele Geschäfte nicht mehr machen können, sie mehr Eigenkapital brauchen. Zu der Zeit glaubte man noch daran, dass es sinnvoll ist, mit möglichst wenig Eigenkapital möglichst hohe Renditen zu erzielen.

Wir brauchen also eine international abgestimmte Finanzmarktaufsicht, die die Offshore-Zentren mit einbeziehen muss. Hier hat Helmut Schmidt absolut recht, wenn er sagt, es kann nicht sein, dass wir schlicht und ergreifend zulassen, dass aus diesen Zentren heraus unmittelbarer Handel betrieben wird, unmittelbare Steuerhinterziehung betrieben wird – um es auch einmal beim Namen zu nennen; denn das ist eine der wesentlichen Punkte – und hier völlig unregulierte Geschäfte stattfinden können.

Wir brauchen mehr Transparenz. Wir brauchen einen Selbstbehalt beim Handel mit Krediten. Es wird auch zukünftig notwendig sein, dass Kreditverkäufe möglich sind, aber nur mit Selbstbehalt. Wir brauchen eine stärkere Regulierung, und wir müssen seitens der Bankenaufsicht bei überzogenen Renditen mit Augenmaß umgehen. Es kann nicht sein, dass Banken bei 25 Prozent oder 30 Prozent Eigenkapitalrendite ernsthaft glauben, dies über längere Zeiten seriös erwirtschaften zu können.

Wir brauchen höhere Eigenkapitalanforderungen. Ich glaube, das ist Konsens unter allen Rednern. Wir müssen Basel II endlich durchsetzen, wahrscheinlich noch ein Stück darüber hinaus.

Wir sollten sehr stark daran arbeiten, dass Banken ihren eigentlichen Zweck wieder erfüllen. Der eigentliche Zweck von Banken ist die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten und Liquidität und das Bieten von seriösen Anlagemöglichkeiten für Private. Darauf sollten sich Banken auch zukünftig wieder etwas stärker konzentrieren.

Wenn dies in den nächsten Jahren und vielleicht auch in den nächsten Monaten gelingt, dann kommen wir ein ganzes Stück weiter. Allerdings deuten erste Anzeichen aus den USA und Großbritannien darauf hin, dass man schon wieder dabei ist, sich aus solchen internationalen Verabredungen wieder ein Stück abzuseilen. Wir werden sehen, was möglich ist. Jedenfalls macht es keinen Sinn, zu lange zuzuwarten, und es macht erst recht keinen Sinn, wieder den neoliberalen Geist in den Vordergrund zu stellen.

Herr Mertin, ich bin Ihnen dankbar. Wenn das eine grundsätzliche Wende der FDP sein sollte, von neoliberal zu ordoliberal, dann werden wir uns in Zukunft sehr viel besser verstehen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, ich unterbreite Ihnen den Vorschlag, nachdem die Landesregierung länger gesprochen hat, dass wir, weil wir noch einmal den internationalen Finanzmarkt beim dritten Thema der Aktuellen Stunde haben, in der zweiten Runde statt drei Minuten fünf Minuten reden. Einverstanden? – So, dann haben wir das geregelt.

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Bürgerinnen und Bürger aus Rüscheid und Anhausen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Darüber hinaus begrüße ich als Gäste Junge Liberale der Universität Trier. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE