Protokoll der Sitzung vom 11.11.2009

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Die Gesellschaften sind unabhängige Töchter innerhalb der Adam Opel AG. Sie sind unabhängige Töchter von GM. Es scheint auch – dies ist ganz wichtig – mittlerweile ein geschlossener europäischer Finanzkreislauf zu bestehen,

(Glocke des Präsidenten)

der es dann ermöglicht, dass nicht – wie es in der letzten Zeit so war – unseren Standorten, die im Prinzip schwarze Zahlen geschrieben hatten, im Endeffekt – verrechnet im Konzern – rote Zahlen zugeordnet wurden.

Meine Damen und Herren, wir stehen zu Opel, zur Standorterhaltung und auch zu den Maßnahmen, die die Gewerkschaften in Abstimmung mit der Belegschaft treffen werden.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Beck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst namens der Landesregierung für die übereinstimmenden Positionen zu dieser herausfordernden Situation bei General Motors bzw. Opel bedanken. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir – auf einer gemeinsamen Überzeugung basierend – die nächsten Schritte miteinander gehen. Wir werden sie nur in Anbetracht dessen gehen können, was uns von General Motors als Möglichkeiten offeriert wird.

Ich glaube, dass es richtig ist – da sind wir uns auch zwischen der Bundesregierung und den vier Opelstandortländern einig –, dass wir nicht am Zuge sind, irgendwelche Finanzofferten zu machen, sondern General Motors ist am Zuge, ein Konzept vorzulegen. Dann wird zu prüfen sein, wie dieses Konzept auf die Zukunft für Opel in Europa, für Opel in Deutschland wirkt. Wir werden als einzelne Beteiligte auch immer schauen, was es für die Standorte bedeutet, die in unserer ganz besonderen Interessenslage liegen.

Das ist der erste und ganz entscheidende Schritt. Das ist mit General Motors nach der Zusammenkunft am vergangenen Donnerstagabend mit der Bundesregierung und meiner Kollegin und den beiden Kollegen so besprochen.

Zweiter Punkt. Wir haben uns verständigt, dass diese Task Force, die wir im Zuge der Verhandlungen der letzten Monate gebildet hatten, sozusagen wieder in Dienst gestellt wird. Wir haben uns verständigt, dass die wirklich sehr gut funktionierende Koordination, die über die hessische Landesregierung vorgenommen worden ist, mit den anderen drei Ländern in bewährter Weise fortgesetzt wird.

Ich will mich bei Herrn Kollegen Hering und bei Herrn Staatssekretär Schweitzer sehr herzlich bedanken. Es gab eine Unzahl von Kontakten, die in den vergangenen Monaten notwendig war. Selbstverständlich scheuen wir diese Arbeit auch in Zukunft nicht.

Natürlich kommt es darauf an, dass wir uns einen Rahmen vorgeben, der für uns Beurteilungsgrundlage jedweder Vorlage von General Motors ist. Es ist auch notwendig, gegenüber General Motors und der amerikanischen Regierung diese Grundzüge unserer Erwartungen zu formulieren. Das haben wir getan. Diese Grundzüge bestehen darin – das ist hier einvernehmlich –, dass wir ein zukunftsfähiges Konzept wollen.

Dieses zukunftsfähige Konzept gibt es. Das hat die Antwort gezeigt, die Magna in den langen Verhandlungen mit General Motors formuliert hat. Es gibt ein Konzept einer hohen europäischen Eigenständigkeit, das eine Abstimmung mit den europäischen Standorten ermöglicht und das – aus deutscher Sicht betrachtet – die Chance gibt, die vier Standorte in Deutschland allesamt zu erhalten.

Die Art und Weise hat einen geradezu geschüttelt. Man schlägt nämlich vor, Eisenach für zwei Jahre zu schließen nach dem Motto, dann fangen wir gleich wieder dort an. Das glaubt niemand. So kann man mit uns, der Öffentlichkeit und vor allen Dingen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht umgehen.

(Beifall der SPD)

Einer der schwierigsten Verhandlungsteile, nämlich wie ist das sogenannte geistige Eigentum zu bewerten, was bleibt, und was muss man den Mutterkonzern dafür bezahlen, dass im Wesentlichen in Rüsselsheim Forschungs- und Entwicklungserfolge erzielt werden, ist durchverhandelt.

Ich gehe davon aus, dass diese Grundlage – für welches Modell auch immer – gilt, nämlich dass man nicht die eigenen Forschungserfolge so teuer bezahlt, dass man überhaupt nicht in die Rentabilität hineinkommen kann, bzw. keine Anreize mehr vorhanden sind, um in all die Bereiche, die genannt worden sind, wie zum Beispiel die Elektromobilität, die Hybridfahrzeuge, aber vor allen Dingen auch in die klassischen Fahrzeuge in den nächsten Jahren mit entsprechender Abgasarmut, hoher Leistung und niedrigem Verbrauch, zu investieren. In den Pipelines der Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Rüsselsheim sind hervorragende Ansätze und teilweise mehr als solche Ansätze vorhanden.

An dieser Stelle will ich auch sagen, dass ich in Ihrem Beisein und der Öffentlichkeit sagen möchte, dass ich es sehr bedaure, dass Herr Forster das Unternehmen verlässt. Ich habe gestern mit ihm sehr ausführlich telefoniert und gesagt, dass es nach meiner Beurteilung eine große Leistung war, die im Wesentlichen ihm zu verdanken ist, dass Opel aus der Situation herausgeführt wurde, dass man naserümpfend oder abschätzend lächelnd über die Opeltechnologie geredet hat.

Wir haben wieder erfolgreiche Modelle und erfolgreiche Technologieansätze. Natürlich ist vieles zu tun, wenn man sieht, dass die Dieselmotoren teilweise auf einem Vier-Motorenkonzept beruhen, die entsprechend aufgebaut werden, um die Euronormen zu ersetzen.

Es ist ein neuer Ansatz vorhanden. Dieser muss sich in entsprechenden Freiräumen und – darauf kommt es auch an – in der Bereitschaft seitens General Motors widerspiegeln, entsprechende Investitionen zu tätigen, damit aus diesen Ansätzen Modelle und Motore werden können und Investitionen vorhanden sind, um daraus Produktketten zu machen. Das kostet viel Geld.

Ich will es, so vorsichtig man sein muss, positiv bewerten, dass man zwischenzeitlich hört und liest – ich habe es nicht direkt von den Verantwortlichen erfahren –, dass man von der Behauptung, man käme mit dreieinhalb Milliarden Euro aus, um Opel Europa zu sanieren, wohl jetzt auch weg ist und bei ca. 5 Milliarden Euro gelandet ist. Wenn das so ist, spricht es eher für die Realität, als dass ich dies kritisiere.

Ich stimme Herrn Eymael zu. Wir können nicht an einem Billigmodell interessiert sein, das uns zwei oder drei Jahre Sand in die Augen streut, und man dann sieht,

dass keine Wettbewerbsfähigkeit nachkommt. Dann sind wir noch schlechter dran als vorher. Daran können wir nicht interessiert sein. Daran werden sich nicht – soweit es uns möglich ist – deutsche Staaten, die vier Länder und der Bund beteiligen können.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Es gibt Ansätze für ein solches Modell. Ich befinde mich nah bei den Betriebsräten.

Herr Kollege Baldauf, ich rate dazu, dass wir aufhören, abfällige Bemerkungen zu machen. Das hat gar keinen Sinn. Ich habe den Zwischenruf gehört. Ich will ihn nicht wiederholen, weil wir kein Interesse an einem Streit haben können.

Wir haben uns die letzten Monate ganz entscheidend auf die Betriebsräte stützen müssen, weil selbst die europäische und die deutsche Unternehmensleitung sehr schlecht über das informiert waren, was dort abläuft. Die Bundesregierung und die Länder haben nur aus dem Unternehmen heraus die Informationen erhalten, die gebraucht worden sind, um wenigstens einigermaßen eine Einschätzung zu haben.

Meine Damen und Herren, ein Zukunftsmodell wird nicht funktionieren, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht wieder bereit sind, an das anzuknüpfen, was sie eingeräumt und unterschrieben hatten, nämlich auf riesige Finanzvolumina zu verzichten, und zwar 265 Millionen Euro per anno, und das Aussetzen der tarifvertraglich vereinbarten Lohnerhöhungen. Das sind Leistungen, die dauerhaft in einem solchen Unternehmen eine Stärkung der Finanzkraft darstellen.

Ich glaube, es ist legitim, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der anderen Seite gesagt haben, dass sie dafür auch einen entsprechenden Aktienanteil haben wollen, um nicht nur am Risiko beteiligt zu sein, sondern, wenn es wieder einmal aufwärtsgeht – was wir alle hoffen –, dann auch eine Chance zu haben, an den Erträgen beteiligt zu werden.

Ich finde, das ist absolut legitim und im Interesse jedes Konzepts. Ich bin sicher, jedes Konzept wird auf diesen Arbeitnehmerbeitrag, ob in dieser Höhe oder einer anderen, unabdingbar angewiesen sein. Deshalb müssen wir dort zusammenbleiben.

Deshalb war es aus meiner Sicht töricht und ärgerlich, dass, nachdem das Board in den USA bei General Motors entschieden hatte – übrigens gegen den Vorschlag von Herrn Henderson, also gegen den Vorschlag des Vorstandsvorsitzenden, wie wir sagen würden –, am nächsten Tag eine Sprecherin in die Öffentlichkeit gegangen ist und verkündet hat, wenn ihr aufbegehrt, gehen wir in die Insolvenz. Das war eine törichte Haltung – das kann man nicht anders sagen –, wenn man einen Neuanfang machen will.

(Beifall der SPD )

Ich finde, insoweit ist es ein Zeichen, dass die entsprechenden Kontakte, die die Bundesregierung sowohl auf

Bitte der anderen Länder als auch auf meine ausdrückliche Bitte hin aufgenommen hat – dazu zählen auch die Gespräche der Kanzlerin mit dem Präsidenten und des Wirtschaftsministers mit seinem Kollegen in den USA –, in der Chefetage bei General Motors angekommen sind.

Das schlussfolgere ich daraus, dass man nicht nur – das ist nicht abwertend gemeint – unseren langmonatigen und nächtlichen Verhandlungspartner Mr. Smith geschickt hat, sondern Mr. Henderson selbst gekommen ist.

Ich betrachte das als positives Zeichen, weil man offensichtlich begriffen hat, dass man nicht irgendjemand schicken und sagen kann, mach’ einmal. Das geht in Europa und in Deutschland nicht. Das werden wir deutlich weiter sagen. Signale sollten wir an- und aufnehmen; denn sonst würden wir die Tür zuschlagen. Daran können wir im Interesse der Menschen kein Interesse haben.

Meine Damen und Herren, zu den inhaltlichen Orientierungen gehört ein solches Konzept, das eine sehr starke Ausprägung im Bereich der Zukunftsfähigkeit hat. Dieses muss sicher organisatorische Änderungen in Europa bringen. Ich kann mir als Laie nicht vorstellen, dass es auf Dauer Sinn macht, Pressteile in Saragossa zu produzieren und in Eisenach zusammenzubauen. Teile durch halb Europa zu fahren, ist sicher keine Antwort, die auf Dauer tragfähig sein wird. Auch dort gibt es Orientierungen an dem, was Magna für ein Modell überlegt hatte, wer immer es umsetzt und wie immer es umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren, ich glaube, die Argumentation der IG Metall und auch der Betriebsräte ist schlüssig, dass wir ein Interesse daran hätten – wir werden es nicht bestimmen, das ist wohl wahr –, wenn das Ganze in Form beispielsweise einer Aktiengesellschaft stattfinden könnte; denn der beste Schutz davor, dass Geld Wege geht, die überhaupt nicht mehr durchschaubar sind, ist das Aktienrecht, das entsprechende Berichtspflichten und Offenlegungspflichten beinhaltet. Das und nichts anderes ist die Idee dahinter. Ich finde, daran müssen wir ein Interesse haben.

Es ist wahr. Es gibt – Frau Kollegin Mohr hat dies deutlich gemacht – Konzeptansätze, die Weiterentwicklungen sind. Es wurden uns Abrechnungsmethoden dargelegt. So werden für bestimmte Aufgaben Gelder in irgendeinen Pool in Buenos Aires und wo auch immer gezahlt. Dieser gibt wieder Geld weiter an andere.

Das ist sicher nicht durchschaubar. Es war geeignet, den Weg zur Katastrophe lange nicht erkennbar werden zu lassen. Insoweit wäre eine europäische Lösung und Abrechnung von ganz großer Bedeutung.

Meine Damen und Herren, dass für uns klar ist: Wenn wir anfangen, uns zwischen Eisenach und Bochum, zwischen Rüsselsheim und Kaiserslautern – in welcher Kombination auch immer; es war ja fast jeder schon einmal im Gerede als Standortschließung oder als Teilschließung usw. – auseinanderdividieren lassen, dann sind wir auf ein Spiel eingegangen, das wir immer am Ende verlieren werden. Wenn ich sage wir, meine ich

vor allem die Arbeitnehmerinnen und -nehmer, aber auch die Menschen in den Regionen mit Opelstandorten und Hunderte von Zulieferern und Hunderte von Mittelständlern, die Opelhändler sind und Werkstätten betreiben usw.

Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen. Das stand bisher in den Verhandlungen. Wir haben uns am vergangenen Donnerstagabend versichert, dass dies auch in Zukunft steht.

Ich gehe davon aus, dass sich die Zusammenarbeit, wie sie bewährt war, abgesehen von der Bewertung in der – sage ich einmal – Anfangsphase nach den Entscheidungen im Bundeswirtschaftsministerium – ich will das nicht noch einmal aufwärmen – – – Aber dann stand die Interessenslage. Das muss auch so bleiben.

Dass wir es nicht einfach hinnehmen können, wie die Wettbewerbskommission die Dinge bewertet hat, auch darin sind wir uns einig. Herr Kollege Koch hat, wie ich finde, sehr zutreffend analysiert, dass die Wettbewerbskommission nach unserer Überzeugung von falschen Voraussetzungen ausgeht, weil diese Rettungsversuche nicht einfach mit irgendwelchen Subventionen gleichgesetzt werden können. Da werden unterschiedliche Rechtsansätze miteinander gleichgesetzt, die nicht gleichzusetzen sind, auch nicht nach europäischem Recht.

Ich will das unterstreichen, was die Herren Kollegen Hering und Hartloff deutlich gemacht haben, nämlich dass das, was an Erklärungen gegenüber einem vom Staat finanzierten Konzern in den USA von unserer Seite, von deutscher Seite, von der deutschen Bundesregierung abverlangt worden ist, uns in einem taktischen Nachteil ersten Ranges gebracht hat. Ob das die Aufgabe einer Wettbewerbskommission ist, daran habe ich nicht nur Zweifel, sondern ich bin überzeugt, es ist nicht so.

(Beifall der SPD)

Natürlich wollen wir betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Ich erinnere daran, dass das General MotorsKonzept, das bis März als Angebot auf dem Tisch gelegen hat, damals gesagt hat: Wir kommen ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Magna wäre ohne betriebsbedingte Kündigungen ausgekommen.

Es muss also einen Weg geben. Die Betriebsräte wissen genauso wie wir, dass das nicht bedeutet, dass es keine Anpassungsprozesse gibt. Aber es gibt so viele Möglichkeiten, bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und bei dem Übergang in die Rente etc., dass man einen verantwortlichen Weg ohne betriebsbedingte Kündigungen gehen kann. Deshalb erwarten wir, dass ein Konzept auch davon ausgeht.