Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

.................................................................................................................. 5791 Präsident Mertes:............................................................................................................................... 5791, 5799

98. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 6. Oktober 2010

Die Sitzung wird um 14:00 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie zur 98. Plenarsitzung im Landtag herzlich begrüßen.

Die Herren Kollegen Dr. Kützing und Adams werden mit mir die Sitzung leiten.

Entschuldigt sind die Abgeordneten Frau Bettina Dickes, Frau Nicole Morsblech und Frau Rita Wagner sowie die Staatssekretärin Vera Reiß und Herr Staatssekretär Professor Dr. Siegfried Englert.

Am 4. Oktober 2010 hatte Herr Abgeordneter Michael Billen Geburtstag. Er wurde 55 Jahre. Die Glückwünsche des Hauses verfolgen Sie.

(Beifall im Hause)

Sehr geehrter Herr Finanzminister, im Hinblick auf die Tagesordnung ist es vernünftig, zuerst die Gäste zu begrüßen. Wenn Sie gesprochen haben, wird die Sitzung voraussichtlich geschlossen sein. Dann werden alle hinausströmen, ohne dass wir unsere Gäste begrüßt hätten. Das hielte ich für weniger nett.

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Turnerfrauen des Turnvereins Cochem, Mitglieder des Sozialverbandes VdK Otterbach, Mitglieder des SPDOrtsvereins Nieder-Hilbersheim sowie des SPDGemeindeverbandes Rockenhausen und Berufssoldaten, Zeitsoldaten, zivile Mitarbeiter des Heeresamtes HA V 3. Seien Sie alle herzlich begrüßt, wenn Sie schon da sind, und ebenso herzlich, wenn Sie noch kommen.

(Beifall im Hause)

Zu Tagesordnungspunkt 6 (Landesbeamtengesetz) liegt Ihnen unter der Drucksache 15/5041 ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, unter der Drucksache 15/5042 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD und unter der Drucksache 15/5045 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU vor.

Alle Beschlussempfehlungen wurden fristgerecht am Montag, den 4. Oktober 2010, verteilt.

Gibt es zur Tagesordnung, wie wir sie Ihnen vorgeschlagen haben, Wünsche und Erwartungen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann ist die Tagesordnung festgestellt.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Landeshaushaltsgesetz 2011 (LHG 2011) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/4996 – Erste Beratung

dazu: Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2010 bis 2014 Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags – Drucksache 15/5000, Vorlage 15/5467 –

Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen heute den Regierungsentwurf für den Haushalt 2011 vorstellen. Wir legen am Ende der Legislaturperiode keinen Doppelhaushalt vor, um dem neu zu wählenden Landtag nicht ungebührlich vorzugreifen. Gleichwohl greift dieser Haushalt weit in die Zukunft.

Mit dem Haushalt 2011 starten wir in eine neue Ära der Konsolidierungspolitik. Nach dem Grundgesetz sind die Haushalte der Länder ab 2011 so aufzustellen, dass bis 2020 der ausgeglichene Haushalt erreicht werden kann.

(Schreiner, CDU: Eben!)

In unserer Finanzplanung für die Jahre 2010 bis 2014, die wir Ihnen zeitgleich mit dem Regierungsentwurf vorlegen, stellen wir ein Szenario vor, wie der ausgeglichene Haushalt bis 2020 realisiert werden kann.

Hierzu haben wir die Finanzplanung – im Übrigen ohne, dass dies gesetzlich vorgeschrieben wäre – bis 2020 verlängert. Sie erkennen an diesem Konsolidierungsszenario bis 2020 eines ganz deutlich: Diese Landesregierung geht mit dem aktuellen Haushaltsentwurf für das Jahr 2011 und mit der Finanzplanung bis 2014 konsequente und richtige Schritte in Richtung Neuverschuldung Null in 2020.

(Beifall der SPD – Heiterkeit bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sparen ist kein Selbstzweck. Das Bild von der schwäbischen Hausfrau, also der besonders sparsamen Hausfrau, mag zwar einleuchten, es beschreibt die Wirklichkeit moderner Finanz- und Haushaltspolitik aber höchst unzureichend. Wir werden sparen, aber mit Augenmaß, klug und im Bewusstsein unserer sozialen Verantwortung.

Sie werden von mir keine Rede mit Heulen und Zähneklappern hören. Von Anstrengung und auch von Einschränkung wird die Rede sein, aber auch von der Gewissheit, dass wir diesen Weg hin zu einem ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2020 schaffen können und schaffen werden.

(Beifall der SPD)

Der Haushalt 2011 steht im Spannungsfeld zwischen den aktuellen konjunkturpolitischen Erfordernissen auf

der einen Seite und den langfristigen Konsolidierungsnotwendigkeiten auf der anderen Seite. Ich bin fest davon überzeugt, wir schlagen Ihnen einen Haushalt vor, der sich konjunkturell verantworten lässt und einen konsequenten Konsolidierungsweg begründet, der unsere soziale Verantwortung immer im Blick behält.

Lassen Sie mich zunächst die finanzpolitischen Rahmenbedingungen erläutern, die dem Haushaltsentwurf 2011 zugrunde liegen und die ihn prägen. Ende des Jahres 2008 und am Anfang des Jahres 2009 haben wir einen in der Wirtschaftsgeschichte des Landes beispiellosen Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Leistung erlebt. 2009 sank das reale Bruttoinlandsprodukt um 4,7 %. Die Ausrüstungsinvestitionen gingen real um 22,6 % zurück. Der Warenexport brach preisbereinigt um 16,6 % ein.

Heute, eineinhalb Jahre später, ist die Krise in der öffentlichen Wahrnehmung scheinbar schon überwunden. Die Zahl der Arbeitslosen lag im September bereits auf dem Niveau von September 2008. Das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal von 2,2 % gegenüber dem Vorquartal wurde allseits euphorisch aufgenommen.

Doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Schein trügt. Die Krise ist noch nicht überwunden. Auch 2011 wird das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht empfindlich gestört sein. Das zeigt sich, wenn man bei der Analyse zwischen Verlaufsindikatoren und Bestandsindikatoren unterscheidet.

Bildlich gesprochen: Durch die Krise sind wir in einen Abgrund gestürzt. Die aktuellen Wachstumsraten zeigen uns, dass wir uns etwas schneller als erhofft aus dem Abgrund herausarbeiten. Wir sind aber noch mittendrin und werden uns auch 2011 noch nicht aus diesem Abgrund befreit haben.

Bundesbank und Bundesregierung prognostizieren auch für das nächste Jahr noch eine deutliche Unterauslastung des Produktionspotenzials. Bundesbankpräsident Weber spricht meines Erachtens völlig zu Recht davon, dass wir uns nicht im Jahr 1 nach der Krise, sondern im Jahr 3 der Krise befinden.

Meine Damen und Herren, es gibt leider ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass 2011 makroökonomisch schwieriger wird als 2010. Ich möchte zwei Zusammenhänge ansprechen:

Erstens: Die aktuelle Erholung der Konjunktur wird sehr stark von ausländischer Nachfrage getrieben. Diese Nachfrage wird sich 2011 aber wegen der auslaufenden Konjunkturprogramme und wegen der neuen Sparpakete unserer Handelspartner deutlich abschwächen. Ein Land wie Rheinland-Pfalz mit seiner ausgesprochen exportstarken Wirtschaftsstruktur reagiert auf diese Entwicklung äußerst sensibel.

Zweitens: Ein wesentlicher Teil des Wachstums 2010 ist eine Reaktion auf nachvollziehbares unternehmerisches Rationalverhalten in der Krise. Zu Beginn der Krise 2008/2009 wurden Lagerbestände massiv zurückgefahren. Mit dem erkennbaren Aufschwung im Jahr 2010 wurden sie wieder aufgebaut. Dieser Effekt, der für das

Wachstum 2010 sehr durchschlagend war, wird sich 2011 nicht wiederholen lassen.

Dass wir heute mehr Licht als Schatten am Konjunkturhorizont sehen, hat verschiedene Gründe:

erstens klug handelnde Unternehmer, die nicht zuletzt angesichts des demografisch zu erwartenden und teilweise bereits zu beobachtenden Fachkräftemangels Entlassungen so gut wie möglich vermieden haben,

zweitens flexible Arbeitnehmer und Betriebsräte, die sich auf pragmatische Arbeitszeitmodelle eingelassen und damit ihren Unternehmen geholfen haben, „über die Runden zu kommen“, und

drittens eine gestaltungsfreudige Politik, die bereit war, vermeintlich vorgestrige, aber in der Krise absolut notwendige und probate Maßnahmen zu ergreifen, Konjunkturprogramme und großzügige Kurzarbeiterregelungen.

Meine Damen und Herren, ich finde es gut, dass die Deregulierungseuphorie, die uns in diese Finanzkrise gestürzt hat, dieses „Die Märkte wissen schon, was sie tun“, wenigstens bei der Krisenbewältigung ins Abseits geraten ist.

(Beifall der SPD)

Dass wir in Rheinland-Pfalz, was die Arbeitslosenzahlen angeht, was die Vermeidung von Unternehmensinsolvenzen angeht, sogar was die Unternehmensneugründungen in der Krise angeht, im Ländervergleich Spitzenergebnisse aufweisen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat zweifellos auch damit zu tun, dass hier in Rheinland-Pfalz die Akteure, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Kommunen nicht gegeneinander, sondern miteinander kooperativ agieren und umgehen.

Der vom Ministerpräsidenten im Frühjahr 2009 ins Leben gerufene und seitdem regelmäßig tagende „Pakt für Rheinland-Pfalz“ ist ein Symbol für diese kooperative, für diese typisch rheinland-pfälzische Art der Krisenbewältigung. Das ist auch der kluge Weg, den wir in sozialer Verantwortung zu unserem ehrgeizigen Ziel der Haushaltskonsolidierung gehen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Der zweifellos notwendige und auch erfolgreiche Krisenreaktionsmechanismus hat einen Preis, für alle öffentlichen Haushalte einen verdammt hohen Preis. Bund, Länder und Gemeinden haben ihre gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich erforderlichen Anstrengungen schlichtweg mit einer Rekordverschuldung bezahlen müssen.

Die spannende Frage lautet: Konsolidieren sich die Konjunkturprogramme ein Stück alleine? – Die Antwort lautet: Theoretisch ja, aber bei den steuerpolitischen Maßnahmen wurde leider ein entscheidender handwerklicher Fehler gemacht.

Ich will dies gerne kurz erläutern. In rascher Folge wurden Ende 2008/Anfang 2009 die Konjunkturprogramme I

und II mit einem Mix aus Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen beschlossen. Ende 2009 wurde dann, konjunkturpolitisch zweifelhaft und zeitlich verspätet, das umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen. In der Summe kann man sagen, der fiskalische, der quantitative Schwerpunkt der expansiven staatlichen Anreize lag insgesamt eindeutig auf der Einnahmenseite, also auf der steuerlichen Seite.