Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

Es gibt sicherlich ein ganzes Bündel von Gründen, die für den Rückgang der Wahlbeteiligung ursächlich sind. Mangelndes politisches Interesse mag auch dazugehören, vor allem bei jüngeren Menschen.

Von Bedeutung ist sicherlich, dass es den Parlamenten und Regierungen unter den Bedingungen der modernen Mediendemokratie immer schwerer fällt, die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger auf ihre Arbeit zu lenken, sie längerfristig für diese zu interessieren. Ob Atomkraft, Fluglärm, Integrations- oder Bildungspolitik und vieles mehr, die Themen wechseln schnell in den Medien. Lösungen für die mit diesen Schlagworten belegten Probleme zu finden, dauert jedoch seine Zeit.

Der Zyklus der Medienöffentlichkeit und der Arbeitszyklus der Parlamente entsprechen einander nicht mehr. Man läuft oft den Themen hinterher. Dadurch droht die Arbeit der Parlamente in den Medien nicht mehr angemessen abgebildet zu werden.

Kontraproduktiv ist aber sicherlich die Skandalisierung von Politik, gleichgültig, ob von uns selbst oder von anderen veranlasst.

Alterspräsident Werner Kuhn hatte anlässlich der Konstituierung der 15. Wahlperiode sinngemäß gesagt, dass in unserem Landtag trotz aller politischen Gegensätze ein kollegiales Miteinander gepflegt werde. Ich bin nicht sicher, ob er heute diesen Satz so wiederholen würde. Ich glaube es eher nicht.

Insbesondere in der zweiten Hälfte der letzten Wahlperiode ist teilweise ein Ton in die parlamentarische Arbeit eingezogen, der die „Kuhnsche Beschreibung“ leider nicht mehr rechtfertigt. Wir haben mit verbalen Attacken und manchen parlamentarischen Initiativen zum Teil eine Atmosphäre im Umgang miteinander entstehen lassen, die die Bürgerinnen und Bürger zuweilen daran zweifeln lässt, ob wir unsere Arbeit tatsächlich für sie und ihr Wohlergehen machen.

Ein solches Verhalten passt eigentlich gar nicht zu uns Rheinland-Pfälzern. Da hat Werner Kuhn recht. Wir sollten uns bemühen, es zu ändern, den politischen Wettstreit wieder attraktiver zu machen und uns stärker an unseren eigentlichen Aufgaben orientieren. Gerade der Beginn der neuen Wahlperiode ist dafür ein guter Anlass.

Ein ganz anderes Thema liegt mir als Parlamentarier, der sich seit Jahren für den Datenschutz einsetzt, in besonderer Weise am Herzen. Es sind die Folgen einer neuen Revolution, der sogenannten digitalen Revolution und in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Datenschutzes.

Die digitale Revolution erfasst unser soziales Leben, die Wirtschaft, die Politik, die Kultur und sogar unsere Sprache. „Freunde“ in sozialen Netzwerken haben nicht mehr viel mit den Freunden meiner Jugendzeit zu tun. Was mir und meinen Altersgenossen noch als Geheimnis galt, wird heute längst der digitalen Öffentlichkeit preisgegeben. Was wir tun und planen, was uns interessiert oder Angst macht, wird digital gespeichert und hinterlässt unendlich viele Datenspuren heute und in hundert Jahren.

1983 trieb viele die Sorge um, die Volkszählung würde uns zu „gläsernen Bürgern“ machen. Das war damals nicht der Fall und wird auch nicht die Folge des gegenwärtig stattfindenden Zensus sein. Trotzdem waren wir nach meiner Auffassung dem „gläsernen Bürger“ noch nie so nahe wie heute. Dafür sorgen weniger der Staat und seine Organe, sondern die Großen des Internets wie Google, Apple oder Facebook, um nur einige zu nennen.

Sie erfassen und verwerten unsere privaten Angelegenheiten, Informationen und Daten, und zwar im industriellen Maßstab, wie Herr Schirrmacher vor einiger Zeit in der „FAZ“ schrieb. Sie wollen möglichst alles von uns wissen, um uns dann sagen zu können, was wir wollen oder als nächstes zu tun haben.

Den Internetgiganten und ihren digitalen Gefolgsleuten gilt die Privatsphäre mittlerweile als Relikt einer vergangenen Zeit. So wie man von der Postmoderne spricht, sprechen manche mittlerweile auch schon vom PostPrivacy-Zeitalter, als wäre unsere Privatsphäre eine modische Erscheinung, die man wie ein altes Kleidungsstück ablegt oder ablegen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Entwicklung macht mir Sorgen, zumal sie auf einer großen Nachlässigkeit und Naivität bei vielen Nutzern basiert. Sie wissen oft nicht, dass sie in unserem digitalen Zeitalter für viele Angebote im Internet und außerhalb des Netzes zwar nicht mit Geld, aber mit ihren Daten zahlen müssen. Diese Daten sind inzwischen die Leitwährung im digitalen Zeitalter.

Meine Damen und Herren, dass das Internet uns viele Entwicklungschancen und Vorteile bringt, steht außer Frage. Aber auch die Risiken sind beachtlich, sogar für unsere demokratische Ordnung.

Das Eindringen und Ausspähen von Computernetzwerken, wie gerade vor wenigen Tagen bei Sony geschehen, macht nur zu deutlich, wie groß die Gefahr ist, dass unsere Daten in falsche Hände geraten können. Noch richten sich die Angriffe in der Regel gegen Wirtschaftsunternehmen, aber dabei wird es sicherlich nicht bleiben.

Wir dürfen diese Entwicklung nicht sich selbst überlassen. Der Staat hat die Pflicht, sich auch im privatwirtschaftlichen Bereich trotz der Globalisierung schützend vor seine Bürgerinnen und Bürger zu stellen. Das gilt ungeachtet dessen, dass auch die Freiheit im Netz gesichert sein muss. Beides in Einklang zu bringen, ist bisher nicht gelungen.

Die Enquete Kommission „Verantwortung in der medialen Welt“ aus der letzten Wahlperiode hat eine Fülle von Vorschlägen erarbeitet, mit der wir uns im Parlament intensiv beschäftigen müssen. Aber nicht nur dieses Thema, sondern viele weitere werden uns in den kommenden fünf Jahren sehr beschäftigen: die Verbesserung der Chancengleichheit in der Bildung, die Eindämmung der Staatsverschuldung, die Bewältigung der Folgen der Demografie, die Energiepolitik, um nur einige wenige Themen zu nennen. – Diese werden uns fordern, Lösungswege aufzuzeigen und diese umzusetzen. Dafür werden wir Mut und Überzeugungskraft benötigen. Darin liegt aber auch eine Chance, die Akzeptanz von Politik wieder zu erhöhen. Dafür wünsche ich uns allen die notwendige Kraft und Gottes Segen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Ich möchte nun den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufen.

Es ist Brauch im Landtag Rheinland-Pfalz, die beiden jüngsten Abgeordneten zu vorläufigen Schriftführern zu ernennen. Bei der Vorbereitung auf die heutige Sitzung habe ich festgestellt, dass am 18. Mai 1979 neben Florian Gerster – vielen noch bekannt – Kurt Beck jüngster Abgeordneter war.

Sie sehen, meine lieben jungen Kolleginnen und Kollegen, welche Entwicklungsmöglichkeiten Ihnen in diesem Hause offenstehen.

(Heiterkeit im Hause)

Ich möchte jetzt die Abgeordneten Frau Pia Schellhammer und Herrn Martin Haller bitten, neben mir Platz zu nehmen.

Ich frage natürlich, ob es noch jüngere Abgeordnete gibt. – Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Es gehört zu den Aufgaben des bisherigen Präsidenten des Landtags, die Tagesordnung der konstituierenden Sitzung aufzustellen. Es ist mir mitgeteilt worden, dass die Punkte 8 bis 11 von der Tagesordnung genommen werden sollen, sodass wir über eine Tagesordnung ohne die Punkte 8 bis 11 abstimmen.

Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Tagesordnung einstimmig angenommen. Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Namensaufruf der Abgeordneten

Es beginnt Frau Abgeordnete Pia Schellhammer.

Ich bitte die Abgeordneten, jeweils mit Ja zu antworten, damit das Protokoll es aufnehmen kann.

Bitte, Sie fangen an.

interjection: (schriftführende Abgeordnete)

Doris Ahnen (Frau Ahnen, SPD: Ja!)

Kathrin Anklam-Trapp

(Frau Anklam-Trapp, SPD: Ja!)

Christian Baldauf

(Baldauf, CDU: Ja!)

Kurt Beck

(Beck, SPD: Ja!)

Anke Beilstein

(Frau Beilstein, CDU: Ja!)

Andreas Biebricher

(Biebricher, CDU: Ja!)

Michael Billen

(Billen, CDU: Ja!)

Jutta Blatzheim-Roegler

(Frau Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Hans-Josef Bracht

(Bracht, CDU: Ja!)

Martin Brandl