Protokoll der Sitzung vom 23.07.2015

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir freuen uns bestimmt darauf, wenn der Kollege gleich noch einmal nach vorne geht. Eines will ich aber zunächst abräumen: Herr Kollege Arnold Schmitt hat schon wieder die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz schlechtgeredet.

(Zurufe von der CDU: Was? – Julia Klöckner, CDU: Peinlich!)

Ich will ihm nur vier Punkte zurufen: Wir haben einen Zuwachs an Industrieumsätzen, wir haben eine Steigerung der Exportquote von 53 % auf 55 %, wir haben immer noch die drittniedrigste Arbeitslosigkeit, und wir sind bei den vorderen Plätzen, was das Thema Unternehmensund Existenzgründung angeht.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

So sieht die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz aus, auch wenn sie die CDU nicht wahrhaben will.

(Zurufe von der CDU)

Jetzt zum Antrag zu TTIP, den Sie uns vorgelegt haben.

Der Antrag ist inhaltlich schwach – das ist nichts Neues –,

(Alexander Licht, CDU: Er ist gut gemacht!)

aber er ist ein Freibrief für ein Freihandelsabkommen, das wir alle gar nicht kennen.

Zeigen Sie uns doch den Antrag, zeigen Sie uns den Entwurf des Freihandelsabkommens, Herr Kollege Schmitt. Wir kennen ihn nicht. Wir können nur das beurteilen, was wir durch Presseberichterstattungen und vom Hörensagen kennen. Der Vertragsentwurf kann auch Ihnen noch nicht vorliegen.

Um es klarzustellen, wir sind nicht gegen Freihandelsabkommen, warum auch. Wenn wir es schaffen könnten, die entfesselte Globalisierung nach unseren Standards zu regeln, wäre das ein wichtiger Schritt, und wenn wir es schaffen würden, unsere exportorientierte deutsche Wirtschaft und somit auch die rheinland-pfälzische Wirtschaft zu unterstützen, dann würden wir das auch gerne tun.

Das würden wir aber nicht wie Sie mit einem Freibrief nach dem Motto, egal, was vorgelegt wird, egal, um was es geht, wir stimmen TTIP auf jeden Fall zu, machen.

(Alexander Licht, CDU: So ein Quatsch! – Julia Klöckner, CDU: Zuhören!)

An dem derzeitigen Verfahren gibt es einiges zu kritisieren:

(Julia Klöckner, CDU: Nur Schwarz-Weiß-Töne!)

1. Wir bringen in Rheinland-Pfalz ein Transparenzgesetz auf den Weg, um die Bürgerinnen und Bürger an den entsprechenden Verfahren, Dokumentationen etc. mehr teilhaben zu lassen, und hier wird ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, ohne dass wir uns daran als Parlamente beteiligen können.

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Das ist in erster Linie stark zu kritisieren und auf jeden Fall verbesserungswürdig.

(Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

2. Sie haben das Thema Mittelstand angesprochen und gesagt, dass ein solches Freihandelsabkommen wie TTIP für den deutschen Mittelstand gut wäre und der Mittelstand das nachhaltig unterstützt.

Dann kennen Sie aber wahrscheinlich das Positionspapier vom Bundesverband mittelständischer Wirtschaft, auch als Landesverband aktiv, wahrscheinlich nicht. Der sagt nämlich ganz klar in mehreren Positionen, dass es kritisch zu hinterfragen sei. Erstens geht es um die Schiedsgerichte, die Gott sei Dank jetzt hoffentlich vom Tisch sind, zweitens geht es um das Verfahren insgesamt, qualitative Diskussionen führen und Transparenz herstellen, und drittens sagt der deutsche Mittelstand auch, dass der Verbraucherschutz zu bewahren ist.

Das sind Punkte, bei denen wir als SPD ansetzen.

(Alexander Licht, CDU: Wie!)

Ebenso geht es darum – das ist über die Wirtschaft hinaus kritisch zu überprüfen –, wie es mit der klassischen und traditionellen Kultur-, Sport- und Bildungsförderung aussieht, die wir in Rheinland-Pfalz und Deutschland haben.

Eine andere Frage lautet, wie es mit unserem Bankensystem aussieht.

Das sind alles Dinge, die kritisch zu hinterfragen sind. Hier sind keine klaren Antworten gegeben. Solange die Vertragsentwürfe nicht auf dem Tisch liegen, gibt es von uns keinen Freibrief für dieses TTIP.

(Marlies Kohnle-Gros, CDU: Schauen Sie einmal ins Internet!)

Ja, ja, Sie haben die Verträge natürlich.

Selbst CETA ist noch nicht übersetzt, selbst das CETAAbkommen liegt noch in anderer Sprache vor und wird derzeit erst übersetzt.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Ja, ja, Sie kennen sich aus, Frau Kohnle-Gros. Ich merke es.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben Positionen zu TTIP definiert. Die heißen klar: Welthandel braucht Regeln, und ein Abkommen zwischen den USA und der EU ergibt für Bürgerinnen und Bürger nur Sinn, wenn wir die entfesselte Globalisierung damit in soziale und gerechte Bahnen lenken.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Weil auch die Seniorinnen und Senioren der IG BCE anwesend sind, möchte ich nicht unerwähnt lassen, wir haben mit dem DGB ein gemeinsames Positionspapier erarbeitet, um genau darauf zu achten, dass, wenn Handelsabkommen abgeschlossen werden, die Arbeitnehmerrechte nicht angetastet werden, sondern es nach unseren Standards geht und nicht damit angefangen wird, sich Standards in anderen Ländern anzuschauen und die Standards in Europa und in Deutschland abzubauen.

(Dr. Adolf Weiland, CDU: Telefonieren Sie einmal mit Herrn Gabriel!)

Was wir auch mit aufgenommen haben, ist eine verbindliche Menschenrechtsklausel. Ich denke, auch darauf sollten wir Wert legen, wenn man über Handelsabkommen mit den USA oder mit wem auch immer redet.

(Glocke des Präsidenten)

Es gibt noch einiges zu tun. Um es klarzustellen: Ihr Antrag ist ein Freibrief für TTIP. Das werden wir nicht unterstützen. Ihr Antrag ist mehr als verbesserungswürdig und weit davon entfernt, Zustimmung zu finden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Johnen. Dann nehme ich noch einmal Herrn Abgeordneten Schmitt dran und dann die Ministerin. Es geht dabei um die zwei Minuten, dann haben wir das geheilt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann TTIP auch so beschreiben: Da sind Menschen, die wir nicht kennen, treffen sich an Orten, die wir nicht kennen, und sprechen über Sachen, die wir nicht wollen.

(Dr. Adolf Weiland, CDU: Der Philosoph!)

Sie können vielleicht noch ein bisschen von mir lernen.

Der Antrag der CDU zu TTIP ist schon bemerkenswert. Der Kollege Guth hat es ja schon angeführt.

Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren: „In Teilen der Öffentlichkeit regt sich allerdings auch Widerstand gegen das geplante Freihandelsabkommen. (...) Die Kritik der Bevölkerung gilt es ernst zu nehmen.“ Dann kommt Ihre Forderung, sich für einen erfolgreichen Abschluss des Abkommens einzusetzen und hierbei die Bundesregierung zu unterstützen.

Hier verlangen Sie von der Landesregierung, blindlings ein Abkommen zu unterzeichnen, ohne überhaupt die Inhalte zu kennen. Herr Guth hat es vorhin ausgeführt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie wissen ganz genau, dass im Moment dieses endverhandelte CETAAbkommen, wenn überhaupt, nur noch mit einem Ja oder Nein aus den Mitgliedstaaten möglich ist und auch nur dann, wenn es ein gemischtes Abkommen ist, sonst kann nur noch das Europäische Parlament Ja oder Nein sagen. Es wird keine Nachverhandlungen zu CETA geben.

Bei TTIP wissen Sie auch ganz genau, dass es das Gleiche ist zurzeit; denn das Verhandlungsmandat ist wie es ist, und es wird nicht neu gefasst. Da haben Sie als Einzelstaat – und wenn Sie sagen, Deutschland hat Einfluss, dann stimmt das nicht – überhaupt keinen Einfluss, weil dann alle 28 europäische Staaten ein neues Mandat beschreiben müssten. Das ist nicht in Sicht und auch zurzeit nicht möglich, weil man dann auch noch mit den USA sprechen müsste, die bisherigen Verhandlungsrunden zu streichen und auf null zu setzen.

Die Einrichtung eines internationalen Schiedsgerichtshof wird es auch nicht geben, weil die US-Seite zurzeit nicht bereit ist, darüber zu sprechen und es einfach nicht will.

Sie wissen auch ganz genau, dass die Standards gesenkt werden können, und zwar durch die regulatorische Kooperation bzw. Kohärenz, liebe Kollegen von der CDU. Bis heute ist noch kein Freihandelsabkommen bekannt, in dem Standards angehoben worden sind.