Deshalb wurde das Nächste eingeführt. Sie haben dann einen sogenannten Führungsstab Flüchtlinge eingerichtet. Sein Leiter erklärte die Aufgabe des neuen Gremiums so: Wir im Führungsstab versuchen, das Thema Flüchtlinge über die verschiedenen Ministerien hinweg zu koordinieren. – Wir sind gespannt, welcher neue Arbeitskreis, welcher nächste runde Tisch noch kommen wird. Das Gründen von ständig neuen Arbeitskreisen ist aber kein Regieren, sondern das ist eher das Simulieren von Regieren und das Abwälzen von Verantwortung. Regieren bedeutet auch Mut zu Entscheidungen, und zwar beizeiten.
Frau Ministerpräsidentin, was mich aber wundert, bei allen Ideen zu runden Tischen und Sondersitzungen fehlt Ihnen zu einer Konferenz der Mut, die Souveränität. Der fehlt! Die Souveränität, die Führungsstärke für eine Runde mit allen Fraktionsvorsitzenden.
Es mag sein, wenn der Ruf „Ach Gott“ von der Regierungsbank kommt, wenn man von allen Fraktionsvorsitzenden spricht, dass das unangenehm ist. Ich weiß, Ihnen wäre
es lieber, Sie könnten geräuschlos surrend Ihr Ding durchziehen, aber eine Demokratie lässt nicht einfach ein Ding durchziehen, sondern eine Demokratie achtet darauf, dass verschiedene Sichtweisen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und der besseren Ideen zum Tragen kommen.
Ministerpräsident Bouffier hat das nicht nur zum Beispiel bei der Energiefrage gemacht, als es um eine große zu stemmende Aufgabe ging, sondern er hat das auch bei der Bildungspolitik gemacht, unabhängig davon, ob das herauskommt, was man gerne hätte.
Er hat das auch bei der Flüchtlingsfrage gemacht. Er hat die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen eingeladen, um sich auszutauschen, wie sie die gemeinsame Aufgabe schultern werden. Das war die Bereitschaft zu einem konstruktiven Dialog und sich anzuhören, welche Ideen eine Fraktion hat, die die meisten Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister in diesem Land stellt.
Ich habe mit Herrn Beck sicherlich in einem sehr intensiven Austausch im Parlament gestanden. Eines hat er aber gehabt, nämlich das Gespür dafür, wann man die Vorsitzende einer Oppositionsfraktion anruft. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben bis heute nicht das Gespräch mit mir als Fraktionsvorsitzende dieser Landtagsfraktion und als Landesvorsitzende der CDU in diesem Land gesucht. Sie haben bis heute nicht zum Hörer gegriffen oder gefragt: Können wir unsere Ideen zusammentragen? – Sie haben aber dafür gesorgt, dass Landräte und Bürgermeister der SPD nicht an unserem Flüchtlingsgipfel teilgenommen haben. Das ist das Gegenteil von dem, was Herr Bouffier leistet.
Ich möchte konkret etwas zur Verweildauer in der Erstaufnahme sagen. Frau Ministerpräsidentin, Sie hatten angekündigt, die Verweildauer in der Erstaufnahme auf die maximal drei Monate auszuweiten. Das hatten Sie angekündigt. Das haben wir übrigens begrüßt, als Sie das angekündigt haben. Es wäre von uns politisch unreif, alles als falsch abzutun, was Sie oder Ihre Kolleginnen und Kollegen vorschlagen. Wir haben explizit Ihre Ankündigung begrüßt. Es hat Ihnen auch Zustimmung der Kommunen gebracht, dass Sie die drei Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung, die man maximal nutzen kann, ausnutzen werden, weil dann die Kommunen zumindest ein Stück weit wieder atmen könnten.
Sie hatten das angekündigt. Das ist wichtig. Warum sind die drei Monate wichtig? Das ist so, damit zum Beispiel die Gesundheitschecks, die gemacht werden, ausgewertet sind, bevor sich die Flüchtlinge auf dem Weg, auch in
öffentlichen Verkehrsmitteln, in den Kommunen befinden. Deshalb ist es wichtig, dass Vieles erfasst wird und Profile erstellt worden sind. Das betrifft Positivprofile, bei denen die Personen zugestimmt haben.
Zu keinem Zeitpunkt haben Sie diese drei Monate, die Sie versprochen haben, erreicht. Das war noch nicht einmal in den Spätsommerwochen der Fall.
Sie haben stattdessen die Verweildauer sogar noch weiter verkürzt. Den Kommunen werden dann Flüchtlinge zugewiesen.
Wir sagen, es hat etwas mit den sicheren Herkunftsländern zu tun. Die Verweildauer ist auch entscheidend für die Rückführungschance von Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet anders, als Sie es öffentlich behaupten, aber anders als schriftlich von Ihrer Landesregierung beantwortet wird. Wir beziehen uns auf Zahlen, die Sie uns geben. Die Asylanträge von Albanern und Kosovaren werden innerhalb der Dreimonatsfrist bearbeitet, so Ihre Antwort auf die Anfrage. Aber Sie verteilen sie vorher auf die Kommunen. Jetzt passt das eine mit dem anderen nicht zusammen.
Interessant ist ein Blick auf die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Asylanträge in Rheinland-Pfalz. Ich habe die Zahlen von Januar bis Juli 2015. Hier zeigt sich in Bezug auf Albanien, dass innerhalb von sieben Wochen über die Anträge entschieden wird und beim Kosovo innerhalb von 2,9 Monaten, das liegt unter der Dreimonatsfrist.
Es spricht also alles dafür, die Menschen ohne Bleibeperspektive maximal in der Erstaufnahmeeinrichtung zu belassen, weil sich bei diesen beiden Bevölkerungsgruppen zeigt, dass die Entscheidung vorliegt, bevor Sie sie eigentlich in die Kommunen schicken wollen.
Wir sagen deutlich, wir müssen dazu kommen, dass Menschen ohne Bleibeperspektive erst gar nicht in die Kommunen verteilt werden. Warum? Das ist so, weil die Rückführung immer schwieriger wird. Natürlich sagen das die Landräte.
Sie haben nicht offen und ehrlich gesprochen. Es ist doch verständlich, dass die Landräte auf freiwillige Rückkehr setzen. Sie wissen doch, wie eine solche zwangsweise Rückführung in einer Kommune vonstatten geht, was eine Kommune leisten muss. Das ist kaum zumutbar, und zwar übrigens auch nicht denjenigen Menschen, die diese Menschen integrieren. Deshalb sagen wir als CDU schon seit vielen Monaten, dass man die Rückführung nicht den Kommunen in die Schuhe schieben darf, sondern dass das Land das wie das Saarland machen muss.
Das Saarland führt in Sammelrückführungen konzentriert die Menschen aus der Erstaufnahmeeinrichtung zurück. Das ist noch günstiger als die freiwillige Rückkehr. Das ist vor allen Dingen effektiver und spart Kosten, Ressourcen und vor allen Dingen Frustration am Ende.
Ich sage noch eines dazu, weil Sie vorhin immer gerufen haben, es stimmt nicht. Dazu sage ich auch gerne etwas. Das betrifft die Themen Rückführung oder Winterabschiebestopp. Es sind noch immer – ich weiß nicht, ob Ihnen diese Schreiben bekannt sind, die kamen nicht aus der Staatskanzlei – ministerielle Schreiben in Kraft, die die Rückführung im Winter deutlich erschweren. Es sind noch immer ministerielle Schreiben in Kraft, die die gesetzlich mögliche Ausreisefrist von maximal 30 Tagen zur Regel machen. Sie empfehlen den Behörden sogar noch, darüber hinauszugehen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, wenn Sie heute über das Thema Rückreisepflicht gesprochen haben, Frau Ministerpräsidentin.
Konsequenzen müssen diese Ausreisepflichtigen übrigens selten befürchten, auch wenn Sie peinlich genau darauf achten, dass der Ausreisegewahrsam in Ingelheim erst gar nicht oder spärlich belegt wird. Das sehen wir nicht als politischen Führungsstil an, den unser Land braucht.
Ich habe in diesen Tagen einen Tweet Ihres Chefs der Staatskanzlei, der vorhin da war, gelesen, in dem es heißt, der Bundesminister de Maizière hätte durch das behördliche System EASY (Erstverteilung von Asylbegehrenden) bereits im Juni wissen müssen, dass die Flüchtlingszahlen sprunghaft steigen. Muss das nicht auch umgekehrt für das Land gelten, wenn er das vorführt? Warum haben Sie nicht schneller Vorsorge getroffen, wenn doch Ihr Leiter der Staatskanzlei es gewusst hat, was in EASY steht, aber angeblich der Bundesinnenminister es nicht wusste? Warum haben Sie nicht gehandelt, wenn Sie es doch wussten?
Wie soll der Bund mit aktuellen Zahlen arbeiten, wenn Sie die Ersterfassung nicht organisiert bekommen? Wenn das noch nicht einmal in Rheinland-Pfalz gelingt, dann haken doch auch alle nachfolgenden Schritte.
Letztlich haben Sie erst im August angefangen, die Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen aufzustocken. Im Januar sagten Sie noch, wir hätten keine Probleme und bräuchten keinen Flüchtlingsgipfel. Im Februar setzten Sie bereits Zelte ein, die keine dauerhafte Lösung seien, wie Sie sagten. Baden-Württemberg hatte übrigens ein wesentlich höheres Kontingent an Flüchtlingen aufzunehmen und auf Landesebene für die Erstaufnahme keine Zelte benötigt. Das ist der Unterschied in der Qualität von Führung und Verantwortung.
Man kann sich das Integrationsministerium anschauen. Die Ministerin ist bis auf heute – das hat mich gefreut, dass Sie geredet haben in der Aktuellen Stunde, die ist ein bisschen begrenzter – nahezu verstummt. Nur einmal ist sie von der Ministerpräsidentin erwähnt worden. Es gibt eine Integrationsministerin, die laut Ressortzuschnitt für alles zuständig ist. Einmal ist sie erwähnt worden. Mittlerweile verkündet die zuständige Staatssekretärin fast alleine nur noch die
Hiobsbotschaften der Asylunterbringung, die nicht richtig funktioniert, im Integrationsausschuss unseres Landtages.
In diesen Tagen auf einem weiteren Höhepunkt der Krise kümmert sich die Ministerin um den Tag der Vielfalt. Das ist gut. In der Einladung heißt es: Ich freue mich, Sie bei einem lockeren Beisammensein und ohne Tagesordnung begrüßen zu dürfen. – Das ist bemerkenswert inhaltslos in einer Einladung. Das ging uns dieser Tage aus dem Ministerium zu. Wir fragen uns: Ist das die von Ihnen verstandene und gepriesene Aufwertung eines Politikfeldes, das Sie noch zu Beginn dieser Wahlperiode versprochen haben?
Kritik an unkoordiniertem Handeln des Landes wurde lange als Wahlkampf abgestempelt und per se überhaupt nicht zugelassen. Ganz weit vorne waren viele der GRÜNEN, nicht alle. Viele der GRÜNEN waren dabei, als gesagt wurde, sobald die Regierung über Flüchtlingspolitik gesprochen hat, war es Inhalt, wenn die Opposition darüber gesprochen hat, dann war das Wahlkampf. Das ist eine einfache Welt, Grautöne gibt es nicht. Man malt sie sich, wie sie einem gefällt.
Schwierig wird es, wenn man in dem Malbuch umblättert und plötzlich jemand von Wahlkampf redet, der in den eigenen Reihen ist. Die Ministerpräsidentin ließ sich selbst zitieren, sie finde es „in Ordnung, wenn das Thema Flüchtlinge auch eine Rolle im Wahlkampf spielen werde“. Wir fragen uns was jetzt gilt. Gilt immer nur der Absender, ob die Botschaft richtig ist, oder hat die Botschaft an sich auch einen Wert?
Jetzt sind wir wieder bei den sicheren Herkunftsstaaten. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben 50 Minuten eine Regierungserklärung gehalten. Sie haben nicht darüber geredet, wo Ihre Verantwortung, Ihre Regierungskoalition manifestiert wird im Bundesrat als unser Land in der Bundeshauptstadt Berlin. Dort wäre es wirklich neben der viel beschworenen Einigkeit darauf angekommen zu sagen, wir werden mitstimmen bei den sicheren Herkunftsländern.
Sie haben beklagt, dass die Antragsverfahren so stockend sind. Das hat auch den Grund, dass viele Anträge aus sicheren Herkunftsländern und den Ländern kommen, die noch nicht für sicher erklärt worden sind.
Sie haben das erste Mal blockiert. Insgeheim waren Sie froh, dass Ihr Ministerpräsidentenkollege aus BadenWürttemberg Rückgrat gezeigt hat. Sonst hätten Sie hier noch stärkere Probleme gehabt. Sonst hätten die Kommunen noch stärkere Probleme. Wir dachten, Sie würden daraus lernen. Kein Wort sagen Sie dazu, wie Sie abstimmen werden. Morgen werden Sie mit der Bundeskanzlerin und den anderen Ministerpräsidenten zusammensitzen. Es gibt ein Gesetzespaket. Über 30 Gesetzesänderungen werden vorgeschlagen. Ein ganz zentraler Punkt sind die sicheren Herkunftsländer.
Ihr Koalitionspartner hat heute eine Aktuelle Stunde – da waren Sie leider noch nicht da – zu dem wichtigen Thema