Protokoll der Sitzung vom 06.10.2015

Jeder, der sich damit auskennt, weiß, Frau Klöckner, Kinder, die eine andere Muttersprache haben als die deutsche, die lernen Deutsch dann als Fremdsprache viel, viel schneller, wenn sie ihre Muttersprache beherrschen. Ich weiß nicht, warum Sie trotz allen, allen anderen gegenteiligen Erkenntnissen – mit bildungspolitischer Fachkenntnis oder pädagogischem Verständnis hat das wenig zu tun, ich glaube auch, dass Sie die Expertisen lesen – hier immer noch erzählen, wir sollten den muttersprachlichen Unterricht streichen und mehr in die Deutschkurse stecken, wenn alle doch sagen und alle wissen, dass der muttersprachliche Unterricht die Grundvoraussetzung ist, um die deutsche Sprache in Wort, Schrift, Bild, Grammatik auch richtig zu lernen.

Ich glaube, das tun Sie ganz bewusst, wider besseres Wissen, weil Sie glauben, damit die Hoheit über die Stammtische zu bekommen. Die Hoheit über die Bildungschancen und den Spracherwerb und die Integration dieser Kinder erlangen Sie damit niemals. Also hören Sie doch auf, und packen Sie diesen absurden Vorschlag endlich in Ihre ideologische Mottenkiste zurück.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben nicht nur die Plätze in den Kitas massiv aufgestockt und auch die Fortbildungsangebote in interkultureller Kompetenz für Erzieherinnen und Erzieher verstärkt, nein, wir kümmern uns in Rheinland-Pfalz auch mit Hochdruck

um eine ganz spezielle Herausforderung. Unter denjenigen, die zu uns kommen, ist nämlich immer noch eine größere Zahl an Minderjährigen, die alleine zu uns kommen, unbegleitete minderjährige Jugendliche mit häufig traumatisierten Geschichten, mit langen Fluchtwegen, mit möglicherweise schon in ihrem Heimatland schwierigsten familiären Verhältnissen, mit Bürgerkriegs-, Kriegserlebnissen, manchmal auch mit krimineller Vergangenheit. Und da ist die Landesregierung mit ihrem Konzept der Schwerpunktjugendämter Maßstab setzend im Länderreigen. Die Inobhutnahme wird entsprechend geregelt. Sie wird auch dezentral geregelt, ohne die jeweiligen Kommunen zu überfordern. Im Clearing-Verfahren wird in unseren Jugendamtsbezirken mit dem Fachpersonal, das wir dafür schon haben, entsprechend für jeden Jugendlichen und für jedes Kind geschaut, was die entsprechenden Maßnahmen sind und was das Beste ist, um diese jungen Menschen, die ganz spezielle Herausforderungen haben, in unsere Gesellschaft zu integrieren und ihnen Chancen zu geben.

Hier sind im Haushalt 2016 allein 27 Millionen Euro mehr als bisher veranschlagt. Ich sage Ihnen auch, weil Sie das immer gerne weglassen, ja, hier kriegen wir auch erstmals Bundesmittel. Aber hier ist es so, dass wir schon immer komplett als Land diese Herausforderung finanzieren, was die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge angeht.

Das werden wir auch weiterhin tun.

Ich finde es interessant, dass Sie bei Ihrer Aufzählung der Verteilung der Kosten dieser Herausforderungen, die uns begegnen, die Dinge weglassen, die wir in Rheinland-Pfalz – was nicht alle Bundesländer tun –

(Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Ja!)

zu 100 % finanziell übernehmen. Wir machen das schon immer für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, und wir werden das auch weiterhin tun, weil wir um die ganz spezielle Herausforderung wissen und diesen jungen Menschen hier in unserer Gesellschaft eine Chance geben wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die ganz zentrale Herausforderung ist, dass es uns gelingt, dass aus den Flüchtlingen von heute die Fachkräfte von morgen werden. Die Integration in unseren Arbeitsmarkt ist nicht nur eine zentrale gesellschaftliche und humanitäre Herausforderung, sie ist auch ökonomisch geboten und wird von der Wirtschaft gewünscht und gefordert.

Da sind wir in Rheinland-Pfalz mit der grünen Wirtschaftsministerin Eveline Lemke schon weit vorn. Wir haben das entsprechende Projekt „Kompetenzen erfassen, Chancen nutzen“ ins Leben gerufen.

Überall werden Flüchtlingscoaches installiert, die ganz speziell bei den Flüchtlingen schauen, welche Kompetenzen und Interessen sie mitbringen.

(Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

In diesem gemeinsamen Projekt von Wirtschaftsministerium, der Wirtschaft und der Bundesagentur für Arbeit wird jetzt schon gezielt geschaut, wo wir auf der einen Seite Bedarfe in unseren Unternehmen und der Wirtschaft haben und auf der anderen Seite die entsprechenden Kompetenzen unter den Flüchtlingen. Das ist eine Win-win-Situation für alle Seiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das ist genau das, was wir tun: Wir begreifen die Flüchtlinge als Herausforderung, aber nicht eindimensional als Problem, sondern wir sehen auch die Chancen für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft.

Liebe Frau Klöckner, ich wäre froh, wenn auch Sie endlich einmal die Chancen begreifen würden, auch für unsere Wirtschaft, die nämlich sagt, wir brauchen mehr Menschen, die arbeiten können und wollen.

Diese Menschen, die hierher zu uns kommen, wollen in aller Regel arbeiten, wenn sie bleiben. Sie wollen hier etwas tun, sie wollen sich engagieren, weil sie es nämlich gewohnt sind, dass man arbeitet, um sich und seine Familie zu ernähren. Sie sind sehr engagiert und ambitioniert.

Bekennen Sie sich dazu, dass wir nicht nur gesellschaftlich längst ein Einwanderungsland sind, sondern wir auch wirtschaftlich dringend auf Zuwanderung angewiesen sind. Ich sage Ihnen, lassen Sie uns mit denen beginnen, die jetzt schon hier sind.

Räumen Sie endlich Ihre ideologische Blockade ab gegen ein Einwanderungsgesetz für Deutschland, sodass wir den Menschen, die hier schon sind und die noch zu uns kommen wollen, eine wirtschaftliche Perspektive geben, aber auch das tun können, was die Gesellschaft und die Wirtschaft in großer Zahl von uns verlangen, dass wir hier Fachkräfte ausbilden, Fachkräfte zu uns holen und vor allem diejenigen, die jetzt schon da sind, so fit machen und so in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt integrieren, dass wir am Ende alle etwas davon haben und Deutschland auch morgen noch sagen kann: Wir sind stark, wir sind wirtschaftlich die Stärksten in Europa, wir sind den Herausforderungen von heute auch morgen noch gewachsen.

Machen Sie endlich den Weg frei für ein Einwanderungsgesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Zur sozialen Teilhabe und Integration gehört auch, den Menschen, die hierherkommen, Zugang zu den entscheidenden sozialen Infrastrukturbereichen zu geben. Es ist gut, dass die psychosoziale Versorgung in Rheinland-Pfalz massiv ausgebaut worden ist und wir hier zusätzlich eine halbe Million Euro in den Haushalt eingestellt haben.

Ich glaube, dass es aber allein damit nicht getan ist, sondern wir endlich einen diskriminierungsfreien Zugang für Flüchtlinge zu unserem Gesundheitssystem brauchen, ohne unnötigen und diskriminierenden Verwaltungsaufwand.

Da ist die Gesundheitskarte das Erfolgsmodell. Es ist der einfache, diskriminierungsfreie und Verwaltungsaufwand reduzierende Zugang zu unserer Gesundheitsversorgung. Glauben Sie doch Hamburg, glauben Sie doch Bremen, glauben Sie doch vielen anderen Organisationen der Landesärzteschaft.

Wir werden die Gesundheitskarte in Rheinland-Pfalz einführen, aber wir erwarten von der CDU auf Bundesebene, dass sie mehr bringt als nur eine Absichtserklärung. Wir erwarten, dass wir den Zugang in unsere Systeme über die Gesundheitskarte für alle Flüchtlinge bundesweit möglich machen können. Das spart Verwaltungsaufwand und beendet endlich eine zum Himmel schreiende Diskriminierung, eine Abschneidung von Menschenrechten, nämlich den allgemeinen Zugang zum Gesundheitssystem von Flüchtlingen.

Das wollen wir, das werden wir von Rot-Grün mit der Einführung der Gesundheitskarte in Rheinland-Pfalz beenden, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU – Hans-Josef Bracht, CDU: Erzählen Sie einmal, wie Sie die Gesundheitskarte ausgestalten wollen! – Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Haben wir Ihnen schon erklärt! – Hans-Josef Bracht, CDU: Wollen Sie über das hinausgehen, was es bisher schon gibt?)

Die soziale Infrastruktur in Rheinland-Pfalz ist sehr gut aufgestellt.

Wir haben Schluss gemacht damit, dass das Geld auch in Rheinland-Pfalz zu lange in Beton und zu wenig in die Menschen investiert worden ist. Gleichwohl ist uns die Zukunftsfähigkeit unserer bestehenden Verkehrsinfrastruktur ein ganz hohes Gut, weil es zur Verantwortung für künftige Generationen gehört, nicht nur mit der immer weiteren Neuverschuldung Schluss zu machen, sondern auch unsere Verkehrsinfrastruktur intakt zu halten.

Deswegen ist es richtig, dass wir beim Landesstraßenbau ganz konsequent von Anfang an von Beginn der Legislatur auf Erhalt vor Neubau gesetzt haben.

(Dr. Adolf Weiland, CDU: Ja! Eine Milliarde!)

Es ist auch richtig, dass wir nach dem Prinzip „Sanieren statt Planieren“

(Heiterkeit des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

ganz konsequent im Straßenbau dafür sorgen, dass die Straßen, die wir haben – wir reden vom zweitdichtesten Straßennetz Deutschlands –, so intakt gehalten werden können, dass man nicht von Schlagloch zu Schlagloch morgens auf die Arbeit fahren muss.

Aber es ist richtig und wichtig, das Geld dort zu investieren, wo man es hat; und nicht auf Verschleiß zu fahren, wie es

der Bund macht. In der Verantwortung der CDU-geführten Bundesregierung fehlen pro Jahr über 7 Milliarden Euro im deutschen Infrastrukturnetz. Das ist eine Versündigung an unserer Infrastruktur und an künftigen Generationen.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU – Beifall und Heiterkeit der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Dann ist es auch richtig, wenn wir nach Hinweisen des Landesrechnungshofs sagen, wir sind bereit, 12 Millionen Euro mehr für den Erhalt unseres Straßennetzes auszugeben, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Hans-Josef Bracht, CDU)

Das ist eine zukunftsfähige Infrastrukturpolitik. Ihre Infrastrukturpolitik beinhaltet nichts außer dem Ruf nach Ausbau, Ausbau, Ausbau. Sie wollen überall Brücken und Autobahnen bauen, haben aber überhaupt nicht die Anschlüsse oder die Parkplätze.

(Dr. Adolf Weiland, CDU: Auf der Autobahn sollen Sie fahren und nicht parken! – Hans-Josef Bracht, CDU: Diesen Zusammenhang versteht er nicht so ganz!)

Wissen Sie, was der absolute Hohn ist – Frau Klöckner, hören Sie einmal zu –, wir haben die kommunale Förderung, was die Infrastruktur angeht, im Mobilitätsbereich in den letzten Jahren teilweise stark erhöht.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Landeshauptstadt Mainz gibt für die Straßeninfrastruktur so viel Geld in diesem Jahr aus wie seit 20 Jahren nicht mehr. Was macht die CDU? – Wir bauen und sanieren überall, und die CDU beschwert sich über die Staus, weil es Baustellen gibt.

(Alexander Schweitzer, SPD: Das ist wohl wahr!)

Liebe Frau Klöckner, wie passt das denn zusammen?

(Carsten Pörksen, SPD: Gar nicht!)

Sie fordern, dass wir in die Infrastruktur investieren sollen. Wir tun das, wir tun das klug, nachhaltig und ökologisch sinnvoll. Dann gibt es auch einmal Baustellen, und dann beschweren Sie sich über den Stau. Das zeigt doch, wie unglaubwürdig und ambivalent und wenig nachhaltig Ihre Forderung im Bereich der Infrastruktur ist. Das glauben Ihnen die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)