Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Frau Klöckner, um es auf den Punkt zu bringen, wir reden zur Glaubwürdigkeit Ihrer Position in der Frage des Atomausstiegs, ja oder nein. Darüber werden wir jetzt an dieser Stelle reden.

(Frau Klöckner, CDU: Da freue ich mich!)

Wir haben hier eine solide Regierungsmehrheit von 60 Stimmen in diesem Parlament. Hier hat jeder seine klare Position zur Kernenergie. Es ist eine klare Position, dass diese Technologie nicht verantwortbar ist.

Die Jüngeren haben diese Position seit zehn oder 15 Jahren. Es gibt auch einige, die seit 30 bis 40 Jahren hier eine klare Position haben und nie eine andere Position in diesem Kernpunkt der politischen Auseinandersetzung in Deutschland hatten. Es ist eine klare Position, ob Energiepolitik mit Atomenergie verantwortbar ist, ja oder nein. Wir haben eine klare Position, die wir auch nie geändert haben: Atomenergie ist unverantwortbar. – Wir haben die Erkenntnis auch schon vor Japan gehabt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist vollkommen legitim, dass die Menschen nach solchen dramatischen Ereignissen wie in Japan ihren

Standpunkt noch einmal überprüfen und zu einem anderen Standpunkt kommen.

Das gilt auch dann, wenn man weiß, wie man vorher mit Menschen umgegangen ist und wie man sie tituliert hat, die eine andere Position hatten. Viele haben über Jahre hinweg, auch aus christlicher Überzeugung heraus, gesagt, dass dies unverantwortbar mit Blick auf die Erhaltung der Schöpfung ist. Diese Menschen haben sich entsprechend engagiert.

Vor etwa einem guten Jahr haben Sie zu diesen Menschen gesagt – das war beim Ortsverein Finthen der CDU –, dass sich schon einmal all diejenigen melden könnten, die auf Kerzenlicht, kaltes Duschwasser und Wäsche waschen am Rhein setzten. So seriös sind Sie mit einer der zentralen Fragen der Zukunft des Landes, nämlich die Atomenergie betreffend, umgegangen. Sie haben im Grunde Menschen diffamiert, die dort eine andere durchdachte Position hatten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Fuhr, SPD: Das ist ihr Ziel! – Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Uns ist das Fernsehduell vor der Landtagswahl in der Erinnerung, bei dem Sie von der Zeitenwende gesprochen haben. Viele, die Ihre Vorgeschichte nicht kennen, konnten den Eindruck gewinnen, dass vor Ihnen eine glühende Gegnerin der Atomenergie steht, die nie eine andere Position vertreten hat als den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie.

Frau Klöckner, ich komme zu einem nächsten Zeitfenster.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wenn Sie eine Grundsatzaussprache halten und sich nicht zur Frage des Atomausstieges äußern,

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

ob die Nutzung der Atomenergie noch verantwortbar ist, und dann diese Position nicht mehr aufgreifen, dann ist diese Kehrtwendung nicht glaubwürdig und nicht nachvollziehbar, Frau Klöckner.

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Wenn man die innerparteilichen Diskussionen in Rheinland-Pfalz kennt, dann weiß man, warum sich Frau Klöckner hier nicht klar zum Automausstieg positioniert hat.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Der CDU Bundestagsabgeordnete Fuchs aus Koblenz hat noch vor vier Wochen die Aussage getroffen, Atomkraftwerke müssten wieder ans Netz gehen. Er hat von Ihnen keine Klarstellung erfahren. Wer glaubwürdig von Zeitenwende spricht und sagt, er habe seine Position geändert, von dem hätte ich erwartet, dass es trotz der Äußerung von Herrn Fuchs die klare Aussage über die

Positionierung der CDU in Rheinland-Pfalz vor und nach der Wahl gibt. Diese Klarstellung haben Sie versäumt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Licht, CDU: Jetzt zitieren wir auch noch!)

Wir sehen in dem Umbau der Energieversorgung nicht nur die große ökologische Herausforderung, sondern auch gleichzeitig die große ökonomische Herausforderung, zukünftig eine verantwortbare Energieversorgung in Rheinland-Pfalz, die auf dezentrale Strukturen baut und erneuerbare Energien viel stärker nutzt, zu realisieren. Das ist ein Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg in diesem Land. Damit werden wir mit dafür sorgen, einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg in RheinlandPfalz zu erzielen. Wir wollen eine solche Energieversorgung in Rheinland-Pfalz aufbauen. Sie ist mittelstandsfreundlich. Dadurch erhalten Handwerker vor Ort Aufträge. Die Wertschöpfung bleibt vor Ort.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Dazu gehört, dass wir in den Mut haben, die Handlungsmöglichkeiten der Stadtwerke zu stärken.

(Frau Mohr, SPD: Richtig, genau so!)

Das gehört als Antwort mit dazu.

Ich erwähne die Kreuznacher Erklärung. Herr Pörksen beschwert sich manchmal, dass das Wirtschaftspapier der CDU mit dem Namen Bad Kreuznach verbunden wird.

(Pörksen, SPD: Der Begriff, wie schrecklich! – Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Wir werden der neuen Oberbürgermeisterin helfen, eine dezentrale Energieversorgung aufzubauen. Dazu werden wir unseren Beitrag leisten.

(Beifall der SPD – Zurufe der Abg. Dr. Weiland, CDU, und Pörksen, SPD)

Wenn man die Kreuznacher Erklärung, die mit Sicherheit von jemandem geschrieben wurde, der seine Position vor und nach der Wirtschaftskrise nicht geändert hat, liest, dann stellt man fest, dass dort ein neoliberaler Ansatz pur formuliert ist. Das ist der Grundtenor, privat geht immer vor Staat. Die Wirtschaftskrise, die unser Wirtschaftssystem in Europa und nahezu der ganzen Welt fast bis an den Ruin geführt hat, hat deutlich gezeigt, dass der Staat verantwortlich Märkte regeln muss. Davon ist in diesem Papier nicht die Rede. Das ist ein rein neoliberaler Ansatz einer Wirtschaftspolitik.

(Beifall der SPD – Frau Klöckner, CDU: Am Nürburgring haben Sie jetzt – – – – Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Dort ist nichts zu der ganz wichtigen Debatte ausgeführt.

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Wir haben die Situation, dass einige Monopolunternehmen in Deutschland im Bereich der Energie- und Mineralölversorgung eine so starke Machtstellung auf dem Markt haben, dass es mittelstandsfeindlich ist. Es ist nicht mehr möglich, eine dezentrale Energieversorgung aufzubauen und darin rentierlich zu investieren. Das Kartellamt hat dargelegt, welche Marktverzerrungen eingetreten sind und welche Mehrbelastungen Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund des Marktmissbrauches solcher Unternehmen haben.

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass Teile der Milliardengewinne, die durch den Missbrauch der Marktstellung der Konzerne den Verbrauchern entzogen wurden, den Verbrauchern zukünftig wieder durch geringere Strompreise zugutekommen. Wir wollen, dass Gewinne vor Ort bei mittelständischen Unternehmen und Stadtwerken verbleiben. Damit kann man dann unter anderem kommunale Infrastruktur aufrechterhalten.

Das ist unser Politikansatz. Darüber lassen Sie uns diskutieren, wie Stadtwerke gestärkt werden können. Daran werden auch Ihre Kommunalpolitiker ein Interesse haben, das mit uns gemeinsam zu diskutieren. Ich habe die Einladung an Sie, werfen Sie das Papier in den Schredder. Mehr ist es nicht wert. Lassen Sie uns über vernünftige Mittelstandspolitik in Rheinland-Pfalz und darüber diskutieren, wie zukunftsfähige Wirtschaftspolitik in diesem Land aussehen kann. In diesem Bereich sind wir gerne Dialogpartner für Sie.

(Beifall der SPD)

Wir wissen, dass im letzten Jahr mit Mehrheit der CDU und FDP im Bundestag die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke beschlossen worden ist. Damit wurden Milliardeninvestitionen in Stromerzeugungsanlagen auf erneuerbarer Basis gestoppt, weil sich sehr viele die Frage gestellt haben, ob es sinnvoll ist, in solche Anlagen zu investieren. Mittelständler und Stadtwerke haben sich die Frage gestellt, ob es Sinn macht, dort zu investieren. Nachdem klar war, dass die Bundesregierung an ihrem Vorhaben festhält, die Laufzeit von Atomkraftwerken zu verlängern, sind diese Investitionen nicht mehr umgesetzt worden. Sie haben damit den Wirtschaftsstandort nachhaltig geschwächt.

Wir müssen jetzt diese Investitionen reaktivieren und die Investoren motivieren, ihre Pläne wieder aus der Schublade zu holen. Es ist wertvolle Zeit verloren gegangen. Sie haben es mit Ihren Stimmen ermöglicht, dass diese Laufzeitverlängerung gekommen ist. Ich hätte erwartet, dass Sie eine klare Aussage treffen, wie Ihre Position ist. Die Unklarheit in der Wirtschaft können wir nicht länger akzeptieren. Die Wirtschaft braucht klare Rahmenbedingungen. Da hilft auch keine Ethikkommission im Bund. Wir brauchen die klare Aussage über den Ausstieg aus der Atomenergie so schnell wie möglich, damit Investitionen freigesetzt werden. Das ist glaubwürdige Politik und nicht das Übertragen von Verantwortung auf Kommissionen.

(Beifall der SPD)

Rheinland-Pfalz ist ein erfolgreicher Industriestandort. Er hat sich gerade unter sozialdemokratischer Regierungs

verantwortung zu einem sehr erfolgreichen Wirtschaftsstandort entwickelt. Wir haben mittlerweile Topplätze in Deutschland wenn es um die Exportquote, das Wirtschaftswachstum, geringste Arbeitslosenquote, dritter Platz, geht. Dort sind die Erfolgskriterien und -faktoren für wirtschaftliche Entwicklung in Rheinland-Pfalz.

Ein ganz entscheidender Faktor ist, dass wir einen höheren Industrieanteil als andere Bundesländer haben.

Wir haben eine gute Wertschöpfung von über 26 % im Bereich Industrieproduktion/Verarbeitendes Gewerbe. Das ist deutlich mehr als in Deutschland insgesamt. Es war vollkommen unproblematisch, mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu vereinbaren, wir bekennen uns zum Industriestandort Rheinland-Pfalz mit der klaren Aufführung der Chemischen Industrie, des Maschinenbaus, der Fahrzeugindustrie. Das ist ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Rheinland-Pfalz von dieser Koalition. Wir werden diesen Industriestandort nachhaltig stärken und ausbauen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Licht, CDU: Klar wie Kartoffelsuppe!)

Wir wissen, dass der Wohlstand in unserem Land ganz entscheidend davon abhängig ist, wie stark der Anteil von Industrieproduktion ist, denn der hohe Anteil des Exports wird im Bereich der Industrie erzielt. Dienstleistungsarbeitsplätze sind abhängig von einem starken Anteil von Industrieproduktion und Verarbeitendem Gewerbe. Deswegen haben wir auch die Konzeption entworfen, wie das noch gestärkt und ausgebaut werden kann. Auch das ist Ansatz des sozial-ökologischen Wandels in Rheinland-Pfalz.

Was ist das entscheidende Kriterium, um die Exportstärke unserer Wirtschaft zu stärken? – Es gibt zwei Punkte: Energie-/Ressourcen-Effizienz und Wissenstransfer. –

(Frau Thelen, CDU: Aber die Infrastruktur fehlt!)

Das sind die zwei Kernpunkte, wissend, dass wir eine Reihe von Industrieunternehmen haben mit einem Lohnkostenanteil von 12 %, 15 %, 20 %, die uns sagen, wenn die Tarifsteigerung 1 % höher ausfällt als geplant, dann ist das nicht entscheidend für die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens. Wenn die Energiekosten, die teilweise 30 % oder 40 % ausmachen, massiv steigen, dann ist der Standort Rheinland-Pfalz gefährdet. Deswegen ist es ein kluger und zielführender Ansatz, in dieser Koalitionsvereinbarung geregelt zu haben, wir werden die Industrie und die Wirtschaft dabei unterstützen, noch ressourceneffizienter, vor allen Dingen energieeffizienter, zu produzieren. Wir werden Forschungsvorhaben in diesem Bereich und Netzwerke stärken und ausbauen, um unserer Wirtschaft dort einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Daraus wird deutlich, gerade das rot-grüne Projekt in Rheinland-Pfalz ist ein Beitrag, den Wirtschafts- und Industriestandort RheinlandPfalz nachhaltig zu stärken.