Erinnern wir uns: Der ehemalige Finanzminister Deubel musste wegen des Nürburgring-Desasters zurücktreten, weil er als Kabinettsmitglied eine Teilverantwortung hatte. Sie, Herr Ministerpräsident, haben nicht nur eine Teilverantwortung, sondern die Gesamtverantwortung. Sie lehnen jedoch den Schritt ab, der für den galt, der die Teilverantwortung hatte. Warum sollte denn bei Herrn Professor Deubel eine Entschuldigung nicht genügen, bei Ihnen aber, der die Gesamtverantwortung hat – das ist mehr als eine Teilverantwortung –, soll die Entschuldigung genügen?
Diese Maßstäbe versteht kein Mensch draußen, sei er gebildet oder weniger gebildet. Das ist eine Frage des Anstands, wie Sie mit dem Parlament, aber auch mit Ihrem Amt umgehen.
Wir als CDU-Opposition sind auch der Meinung, dass gerade derjenige, der an der Spitze eines Landes steht, ein besonderes Vorbild sein muss. Dass Regierungen Fehler machen, das muss möglich und erlaubt sein.
Kein Leben, kein Arbeiten, auch kein Regieren ist möglich ohne Fehlentscheidungen. Wir werfen Ihnen in diesem Misstrauensantrag in dieser Debatte nicht den Fehler vor, den Sie gemacht haben, wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie die Versprechungen, die Sie machten, nicht einhalten konnten und keinen Privatinvestoren gefunden haben. Was wir Ihnen vorwerfen, ist aber, wie Sie mit Ihren Erkenntnissen und den Fehlern vorangeschritten sind.
Ihre unterentwickelte Kultur, mit Fehlern umzugehen, hat dazu geführt, dass weitere schwere und teure Fehler gemacht worden sind.
Herr Ministerpräsident, Sie haben damit dem Land geschadet, Sie haben damit dem Steuerzahler geschadet.
Wir trauen Ihnen eben nicht mehr zu, das zum Guten zu wenden, was Sie angepackt haben. Denn Sie möchten Lösungen finden mit der gleichen Denkweise, wie Sie unser Land in Probleme geführt haben.
Bereits vor der vergangenen Landtagswahl hatten Sie einen Wissensvorsprung und wussten um das dramatische Ausmaß am Ring.
(Ramsauer, SPD: Woher wollen Sie das denn wissen? – Pörksen, SPD: Nackte Behauptungen und Unterstellungen!)
Ihren damaligen Wissensvorsprung haben Sie aber nicht zum Wohle des Landes und nicht zum Wohle der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler genutzt und ihnen Verluste erspart, sondern Sie haben Ihr Wissen zum Wohle Ihrer Machterhaltung eingesetzt, um Ihre Wiederwahl noch einmal zu sichern.
Deshalb passt sehr wohl ein kluger Satz von Cicero. Er sagt: „Der Staat muss zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut werden, nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist.“
Konkret: Als Regierungschef müssen Sie zuerst an die Bürger und nicht zuerst an die SPD denken. Sie haben einen Amtseid geleistet, Herr Ministerpräsident.
Herr Ministerpräsident, wir haben Ihnen in den vergangenen vier Wochen die Chance gegeben, selbst die Konsequenzen aus Ihrem persönlichen Scheitern zu ziehen.
Die Landesregierung hat sich mit ihren Geschäftspartnern am Nürburgring nachweislich zweifelhafter Methoden bedient. Ob das rechtswidrig war, das werden Ge
richte entscheiden. Aber eine Landesregierung, deren Regierungschef, deren Finanzminister immer wieder gegen Finanzmärkte wettern, kann kaum glaubwürdig mit dem Maßstab handeln: Alles ist erlaubt, was der Regierung nutzt. – Jeder Häuslebauer würde sein Vorhaben in Zweifel ziehen, wenn er von der Sparkasse über die Volksbank zu einer Privatbank ziehen würde und überall nur Absagen bekäme. Aber Sie haben sich über diesen gesunden Menschenverstand hinweggesetzt, zum Schaden unseres Landes. Über Banker haben Sie mit markigen Worten den Stab gebrochen, weil Sie sich des Applauses der Mehrheit sicher waren.
Noch vor wenigen Tagen haben Sie, Herr Ministerpräsident, beim Hambacher Disput davon gesprochen, dass Wachstum und Verteilungsgerechtigkeit zusammengehören. Da stimme ich Ihnen zu. Ihre Kritik mag oft berechtigt gewesen sein. Aber haben Sie denn Ihre eigenen Maßstäbe beim Nürburgring auch selbst eingehalten? Haben Sie sich nicht mit Leuten umgeben, die die gleichen Methoden angewandt haben wie diejenigen, die Sie in der Bankenkrise zur Rechenschaft gezogen sehen möchten?
Ihre Landesregierung, Herr Ministerpräsident, wollte Wetten auf amerikanische Lebensversicherungen abschließen, Ihre Landesregierung hat Geld nach Liechtenstein und in die Schweiz transferiert, und im gleichen Atemzug schimpfen Sie auf den Finanzplatz Schweiz. Wissen Sie, Sie sind für uns nicht mehr glaubwürdig, Herr Ministerpräsident.
Zugegeben, lange haben die Bürgerinnen und Bürger Ihnen, Herr Ministerpräsident, derart unseriöse Geschäftspraktiken gar nicht zugetraut. Ihre immer wiederkehrende Beteuerung, dass der Nürburgring den Steuerzahler keinen einzigen Cent kosten wird, das ist nicht die Wahrheit, wie wir wissen. Sie schaden mit Ihrem Verhalten und Festhalten an der Macht nicht nur sich selbst, sondern der ganzen politischen Klasse. Ihr Manöver untergräbt das letzte Vertrauen in die Politik. Und das wollen wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Dieses Vorgehen unter Ihrer Führung, Herr Ministerpräsident, ist letztlich nichts anderes als das, was Sie Bankern und Finanzhaien immer wieder vorwerfen. Warum sollte ausgerechnet Ihr Verhalten, Herr Ministerpräsident, ohne Konsequenzen bleiben, während andere Konsequenzen für ihr Verhalten ziehen müssen? Das müssen Sie uns noch erklären.
Sagen Sie uns: Welche Maßstäbe gelten eigentlich für Sie, Herr Ministerpräsident? Was müsste in Ihren Augen noch geschehen, dass Sie wegen eines Fehlverhaltens hier zurücktreten würden? Wie können Sie, wie können
die SPD und die GRÜNEN in Zukunft überhaupt noch Fehlverhalten anderer an dieser Stelle glaubwürdig kritisieren?
Noch einmal: Welche Maßstäbe haben Sie für sich angelegt? Was muss denn künftig noch passieren, damit es in Deutschland einen Grund für einen Rücktritt eines Politikers gibt?
Der damalige Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann ist wegen der sogenannten Briefbogenaffäre zurückgetreten. Lächerlich gegen das, was unter Ihrer Verantwortung passiert ist!
Der damalige Innenminister Rudolf Seiters hat die politische Verantwortung übernommen, weil es bei dem Versuch einer Festnahme eines Mitglieds der RAF zu einem Schusswechsel mit tragischem Ende gekommen ist. Hier hat ein Minister die politische Gesamtverantwortung zu seinen eigenen Lasten extrem weit ausgelegt. Über Parteigrenzen hinweg wurde ihm für diese Entscheidung mit Respekt gedankt.
Die damalige Gesundheitsministerin Andrea Fischer trat im Zuge der BSE-Krise zurück, obwohl man ihr persönlich kaum Vorwürfe machen konnte; man konnte ihr auch keine Versäumnisse nachweisen.