Gerade ohne die Migration in den Arbeits- und auch in den Ausbildungsmarkt wäre schon heute der Fachkräftemangel erheblich größer. Ich will an der Stelle nur an die sozialen Berufe erinnern, die sich tatsächlich nur durch Migration entsprechend mit Fachkräften behelfen können.
Diese Säule gilt es für die Zukunft mit einer positiven und vor allem einer gelebten Willkommenskultur zu stärken.
Dafür muss auch die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse in Rheinland-Pfalz in der Praxis endlich in Gang kommen.
Wenn man nun diese verschiedenen Handlungsoptionen sieht, so wird schnell klar, dass es viele verschiedene Verantwortungsbereiche gibt, um die verschiedenen Herausforderungen zu lösen. Es ist daher unerlässlich, dass wir eine übergreifende, eine umfassende Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung benötigen. Leider haben wir außer Ankündigungen bis heute nichts auf dem Tisch, meine Damen und Herren.
Frau Lemke, ich habe es heute zur Vorbereitung extra noch einmal nachgelesen. Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben Sie die Bekämpfung des Fachkräftemangels als eines der zentralen politischen Ziele in den Mittelpunkt gerückt.
Nichtsdestotrotz bringen Sie es fertig, ohne große Not die Federführung in diesem Thema abzugeben. In der Novembersitzung haben Sie – übrigens im Widerspruch zu Ihrem Staatssekretär – das Thema nun der Ministerpräsidentin zugeordnet. Sie ist also nun die oberste Fachkräftespezialistin und wird uns vielleicht im Frühjahr erste Planungen präsentieren. Wir sind sehr gespannt.
Ich verstehe jedoch in diesem Zusammenhang Ihre Motivation nicht, Frau Ministerin. Was bringt eine Ministerin dazu, das wichtigste wirtschaftspolitische Thema, für das sie federführend verantwortlich sein kann, einfach so abzugeben? Warum übergeben Sie ohne Weiteres Kompetenzen Ihres Hauses? Es muss Ihnen doch ein zentrales Anliegen sein, dieses Projekt im Sinne der Wirtschaft zu steuern.
Neben der Gesamtstrategie ist jedoch insbesondere die Verantwortung für den Bildungsbereich und hierbei vor allem für den Berufsbildungsbereich in direkter Verantwortung der Landesregierung. Daher haben wir mit der vorliegenden Großen Anfrage wieder einen umfassenden Einblick in die Situation der dualen Ausbildung in Rheinland-Pfalz gewonnen. Wir erkennen darin auch sehr schnell, dass wir es mit einem starken Wandel des Ausbildungsmarktes zu tun haben. Ja, ich würde sagen, wir haben es mit einem Paradigmenwechsel bei der dualen Ausbildung zu tun.
Diese grundlegende Änderung zeigt, dass sich der Ausbildungsmarkt von einem Nachfrage- zu einem Angebotsmarkt entwickelt. Während die Zahl der Ausbildungsplätze sowie die Zahl der Bewerber signifikant zurückgehen, steigt die Zahl der unbesetzten Ausbil
dungsplätze. Gleichzeitig sinkt die Zahl der unversorgten Bewerber nahe null. Das heißt, wir können schon fast von einer Vollbeschäftigung im Ausbildungsmarkt sprechen.
Meine Damen und Herren, die Ausbildungsbetriebe beklagen aber eine mangelnde Ausbildungsfähigkeit von Bewerbern. Veränderte Ausbildungspräferenzen und eine mangelnde Mobilität verschärfen das Problem, geeignete Auszubildende zu finden. In Rheinland-Pfalz befinden sich zurzeit rund 74.000 junge Menschen in einer dualen Berufsausbildung. Im Jahr 2012 wurden 28.400 Verträge neu geschlossen, davon 57 % in Industrie und Handel und 30 % im Handwerk.
Von den 29.000 Bewerbern für eine duale Ausbildung blieben lediglich 514 unversorgt. Diese Zahlen änderten sich im neuen Jahr nur marginal. Mehr freie Stellen und weniger unversorgte Bewerber kennzeichnen derzeit unseren Ausbildungsmarkt. Das kommt dieser Vollversorgung sehr nahe.
Die Trendwende am Ausbildungsmarkt wird aber auch dadurch belegt, dass öffentliche Angebote an überbetrieblicher Ausbildung stark abnehmen.
Gleichzeitig steigt in Rheinland-Pfalz die Zahl der unbesetzten Lehrstellen weiter an. Waren es 2010 erst 843 unbesetzte Lehrstellen, so sind es 2013 bereits fast 1.300 unbesetzte Lehrstellen. Besonders betroffen sind die Ausbildungsstellen im Bereich der Verkäufer und des Einzelhandels sowie der lebensmittelverarbeitenden und serviceorientierten Berufe.
Die Zahl der aktuell geschlossenen Ausbildungsverträge sinkt sehr stark. Das muss man sich einmal überlegen. Es gibt einen Rückgang von 5 % bei den geschlossenen Ausbildungsverträgen im letzten Jahr. Das ist eine richtige Hausnummer. Das sind 5 % weniger junge Menschen, die in die duale Ausbildung gehen wollen. Das ist nicht nur ein demografisches Problem, sondern auch ein Problem der dualen Ausbildung und des Rufes.
Wenn man sieht, dass immer mehr Schüler das Abitur machen und später studieren wollen, dann sieht man, dass diese Entwicklung, wenn sie sich fortsetzt, massiv zum Fachkräftemangel beitragen wird. Somit wird dadurch die Wirtschaftskraft und unser Wohlstand auf eine harte Probe gestellt.
Ich glaube, das Bild mit den zu vielen Häuptlingen, wo es keine Indianer mehr gibt, passt an der Stelle sehr gut. Wir müssen aufpassen, dass sich diese Entwicklung nicht dramatisch verschärft und die Fachkräfte, die unseren Wirtschaftsstandort so groß gemacht haben, nicht mehr verfügbar sind.
Was sind die richtigen Forderungen? Die richtige Forderung kann nur sein, dass wir uns alle auch im Parlament viel stärker für die Chancen der dualen Ausbildung engagieren, dass wir für die Chancen der dualen Ausbildung und für unser durchlässiges Bildungssystem wer
Letztendlich haben die Auszubildenden sehr gute Perspektiven. Das muss man draußen verankern. Das muss man den jungen Leuten sagen. 64 % werden direkt von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen. Einen Monat nach Ausbildungsende sind knapp drei Viertel erwerbstätig, wohingegen nur 17 % auf Stellensuche sind. Ein Jahr später sind es nur noch 9 %, die keine direkte Beschäftigung gefunden haben. Eine duale Ausbildung ist tatsächlich ein Garant für einen guten Einstieg in die Berufswelt.
Ich will an der Stelle eine Lanze für die Meisterausbildung brechen. Die Meisterausbildung ist ein Erfolgsmodell, passgenau zur dualen Ausbildung gestaltet. Das muss weiterhin insbesondere gegen mögliche Vorstöße aus der europäischen Politik verteidigt und gefördert werden. Wir bekennen uns klar zur Meisterbildung. Der Meisterbrief steht für wirksamen Verbraucherschutz in zahlreichen Branchen und gewährleistet als Bildungsziel zugleich die hohe Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit einer Ausbildung im Handwerk im Wettbewerb mit anderen Ausbildungsangeboten.
Meine Damen und Herren, wenn wir über die duale Ausbildung sprechen, dann muss ich ein Wort zur aktuellen Mindestlohndebatte verlieren. Wenn es uns nicht gelingt, im neuen Mindestlohngesetz Ausnahmen für Auszubildende zuzulassen, dann werden wir uns in Zukunft einen Teil dieses Erfolgsmodells duale Ausbildung kaputt machen. Wenn Arbeitgeber ihren Auszubildenden 8,50 Euro Stundenlohn ohne Ausnahme bezahlen müssen, dann werden gerade die kleinen Betriebe, die heute noch bestrebt sind auszubilden, sehr genau überlegen und kalkulieren müssen, ob sie sich das leisten können. Ich komme aus einer kleinen Handwerkerfamilie. Wir haben sehr viele Auszubildende zu einer erfolgreichen Abschlussprüfung geführt. Wenn dies über die drei Jahre mit 8,50 Euro honoriert werden müsste, dann wäre das für einen kleinen Betrieb kaum finanzierbar. Darüber müssen wir uns im Klaren sein.
Meine Damen und Herren, dass nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden, liegt nach Aussage der Ausbildungsbetriebe an einer mangelnden Ausbildungsfähigkeit der jungen Menschen. Im Rahmen einer IHKUmfrage aus dem Jahr 2012 gibt jedes fünfte Unternehmen an, Ausbildungsplätze nicht besetzen zu können. Zu 77 % geben diese Betriebe die mangelnde Ausbildungsfähigkeit der jungen Menschen als Grund an. An der Stelle muss die Landespolitik Flagge zeigen. Hier ist die Bildungspolitik gefragt, diese jungen Menschen zu einer Ausbildungsfähigkeit zu bringen und die Ressourcen zielgenau einzusetzen, damit diese 5 % bis 6 %, die wir im Moment noch auf dem Arbeitsmarkt haben und die sehr schwer eine Stelle finden, so qualifiziert werden, dass sie in den Betrieben ausgebildet werden können.
Meine Damen und Herren, über die Berufsschulen haben wir schon gestern Abend diskutiert. Die Berufsschu
len stehen vor einer grundlegenden Veränderung. Zum einen nimmt die Zahl der Berufsanfänger in den dualen Bildungsgängen ab. Ganze Bildungsgänge stehen zur Disposition. Zum anderen müssen die berufsbildenden Schulen diesen Herausforderungen einer schrumpfenden und sich stark verändernden Schülerschaft mit unzureichenden Ressourcen begegnen.
Meine Damen und Herren, wir wissen schon heute, was das heißt. Gerade im Wettbewerb zwischen den Bundesländern ist es wichtig, mit Innovation und Schnelligkeit gute Lösungen gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln und sie umzusetzen. Das ist das, was ich gestern Abend schon klargemacht habe. Eine Evaluation der Maßnahmen im Bildungsbereich ist dringend erforderlich. Es ist fahrlässig, dass die Verbesserung der Unterrichtsversorgung der berufsbildenden Schulen bei bloßen Absichtserklärungen bleibt. Das sage ich noch einmal ganz deutlich.
Frau Brede-Hoffmann, wenn Sie die berufsbildenden Schulen mit dauerhaft rund 6 % Unterrichtsausfall im Regen stehen lassen, dann darf man sich nicht wundern, wenn der Fachkräftenachwuchs in diesem Land ausbleibt. Dieser Punkt ist untrennbar mit der Wirtschaftspolitik im Land verbunden. Davor können Sie die Augen nicht verschließen.
Es ist schön, dass Sie es sagen. Als Nachhilfestunde für gestern Abend, vielleicht haben Sie nicht zugehört, sage ich: Ich gebe Ihnen einen Tipp, es ist keine 4 vor dem Komma.
Ansonsten kann ich die ganzen Unterrichtsausfälle der letzten zehn Jahre vorlesen: Es beginnt bei 6,3 %, dann 7 %, 5,3 %, 5,5 %, 6,9 %. So setzt sich das fort, Frau Brede-Hoffmann.
Sie können das nicht als Erfolgsmodell verkaufen. Wir haben einen massiven Unterrichtsausfall in berufsbildenden Schulen. Das gefährdet letztendlich die Qualität der dualen Ausbildung in Rheinland-Pfalz.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Die Große Anfrage zeigt eindrucksvoll, dass Rheinland-Pfalz vor einem erheblichen Fachkräftemangel in allen Bereichen und Regionen steht. Die duale Ausbildung ist noch immer ein Garant für einen erfolgreichen und sicheren Start ins Berufsleben. Deshalb müssen wir dafür weiter massiv werben.
Die berufsbildenden Schulen sind zu schlecht ausgestattet, um diesen Vorhaben Rechnung zu tragen. Im Gegensatz zu den Ankündigungen der Landesregierung ist keine deutliche Verbesserung bei den berufsbildenden Schulen zu erkennen.
Für diese drängenden Probleme haben wir es in den Haushaltsberatungen angekündigt. Dort hatten wir Alternativen wie zum Beispiel eine klare Schwerpunktsetzung