Protokoll der Sitzung vom 20.02.2014

Akkreditierungspraxis. Viele Veränderungen waren überzogen, und die studentischen Proteste von 2009 waren absolut berechtigt. Die Politik hat aber reagiert. Auch dieses Parlament hat sich oft und ausgiebig mit der Bologna-Reform beschäftigt. Seither hat sich zumindest einiges zum Positiven entwickelt.

85 % der Studiengänge führen heute an den Universitäten zu einem Bachelor- oder Masterabschluss, an den Fachhochschulen sind es sogar 97 %. Auch die Akzeptanz des Bachelorabschlusses auf dem Arbeitsmarkt nimmt allmählich zu.

Auch auf Landesebene kommt die Umsetzung der Reform unter anderem durch die Novellierung des Hochschulgesetzes von 2010 besser voran. Als CDU-Fraktion freut es uns, dass dabei zahlreiche Anregungen, die wir 2009 in unserem 10-Punkte-Sofortprogramm formuliert haben, wie zum Beispiel das Ziel, familiäre Verpflichtungen und Berufstätigkeit mit dem Studium zu vereinbaren und entsprechend den Ausbau von Studiengängen in Teilzeitform voranzutreiben, eingeflossen sind.

(Beifall der CDU)

Leider steht aber noch längst nicht alles zum Besten.

Dass in Rheinland-Pfalz offiziell nur 4,5 % der Bachelorstudenten einem Teilzeitstudium nachgingen, scheint noch kein Ruhmesblatt zu sein. Der tatsächliche Bedarf liegt weitaus höher.

Zahlreiche Studierende sind klassisch für ein Vollzeitstudium immatrikuliert, gehen diesem aber faktisch in Teilzeit nach. Laut Deutschem Studentenwerk trifft dies sogar auf ein Viertel aller Studierenden zu.

Dass man Studierende, die besonderen familiären oder beruflichen Belastungen ausgesetzt sind, weitgehend damit alleingelassen hat, hatte nicht selten Studienverzögerungen oder sogar den Abbruch zur Folge. Betrachtet man die Lebenswirklichkeit vieler junger Menschen, werden derartige Angebote aber immer wichtiger. Starre Systeme halten Menschen, die zwar befähigt, aber zeitlich eingeschränkt sind, von einem Studium ab.

Bislang sind die riesigen Herausforderungen durch Bologna in Rheinland-Pfalz noch nicht ausreichend bewältigt worden. Zwar wurden durch Nachsteuerungen zur Verbesserung der Studierbarkeit, Erhöhung der Studiengestaltungsflexibilität und der Reduzierung der Prüfungsbelastungen Fortschritte erzielt, doch es bleibt noch viel zu tun. Wir alle wissen, dass in diesem Land überfüllte Hörsäle und Seminare leider die Regel sind. Der direkte Kontakt zu den Dozenten, der gerade angesichts des zunehmend verschulten Studiums immer wichtiger wird, kommt vielleicht zu kurz.

Bei der Betreuungsrelation in den Universitäten steht das Land äußerst schlecht da und belegte in 2007, 2008, 2009 und 2010 leider durchgängig den letzten Platz. Bei den Fachhochschulen sieht es nicht viel besser aus.

(Zuruf der Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD)

Es gibt aber nur Zahlen bis 2011. Nur dank des Regierungswechsels in Nordrhein-Westfalen steht RheinlandPfalz inzwischen auf dem vorletzten Platz; denn die Regierung Kraft hat es in knapp zwei Jahren geschafft, uns im Sinkflug zu überholen. Sicherlich hängt die konstant hohe Abbruchquote auch mit der schlechten Betreuungsqualität zusammen.

(Staatsminister Frau Ahnen: Wie hoch ist die denn in Rheinland-Pfalz?)

Eine verbesserte Schulunterrichtsversorgung würde ebenfalls dazu beitragen, die angehenden Studierenden besser auf das Hochschulstudium vorzubereiten.

(Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Haben Sie eigentlich die Große Anfrage gelesen?)

(Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Das merkt man aber nicht!)

Optimierungsbedarf besteht auch bei der Umsetzung des in der Lissabon-Konvention vorgesehenen Studienstandortwechsels; denn noch immer ist vor allem die Anerkennung von Abschlüssen im europäischen Ausland problembehaftet. Die Auslandsmobilität liegt noch unter den Erwartungen. Auch ein Wechsel innerhalb des Landes ist nicht unproblematisch.

Ebenso gestalten sich die Übergänge von Bachelor- in den Masterstudiengang oft noch sehr holprig. Lange Wartezeiten sind keine Seltenheit.

Angesichts dieser Defizite ist es umso beachtlicher, was die chronisch unterfinanzierten rheinland-pfälzischen Hochschulen zu leisten vermögen. Sie erbringen enorme Anstrengungen unter schwierigsten Umständen, um die Vorgaben des Bologna-Prozesses umzusetzen. Hier ist die Landesregierung gefordert, sie mehr zu unterstützen.

(Beifall der CDU)

Mehr unterstützen sollte sie auch die jungen Menschen, denen die erforderlichen Mittel fehlen, um ein Studium aufzunehmen. Daher brauchen wir dringend eine zügige Anpassung des BAföG. Ich denke, wir stimmen alle darin überein, dass BAföG für mehr Chancengleichheit durch einen verbesserten Zugang zu höherer Bildung sorgt und zu mehr Erfolg im Studium beiträgt. Deshalb ist Frau Ministerin Ahnen als Verhandlungsführerin der SPD in der Koalitionsarbeitsgruppe „Bildung“ dringend gefordert. Die Große Koalition will das BAföG, wie es gesagt worden ist, spürbar erhöhen und der Lebenswirklichkeit anpassen. Doch Frau Ahnen verhindert eine Einigung durch die Verknüpfung mit anderen Maximalforderungen. Frau Kohnle-Gros hatte die Austragung dieses Finanzstreites auf dem Rücken der Studenten thematisiert, und zwar zu Recht.

(Zuruf der Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD)

Frau Schleicher-Rothmund, Sie haben dann direkt die schwere Artillerie herausgeholt. Das zeigt, dass ein wunder Punkt getroffen sein muss.

Neben einer nachhaltigen Verbesserung des BAföG müssen wir auch die Förderlücke bei den Prüfungen beim Übergang vom Bachelor zum Master schließen. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zeigt, dass sie diese Notwendigkeit immerhin anerkennt.

Ich appelliere daher an Sie, Frau Ahnen, im Interesse unserer Studierenden in den Verhandlungen nicht zu blockieren und zeitnah zu einem Ergebnis zu kommen.

Meine Damen und Herren, Sie haben gehört, dass wir durchaus anerkennen, dass sich bei der Umsetzung der Bologna-Reform einiges Positive getan hat, aber trotzdem noch sehr viel im Argen liegt. Aus dieser differenzierten Sicht heraus könnten wir vielen Punkten Ihres umfangreichen, heute spontan eingereichten Antrags sicherlich zustimmen. Der Antrag stellt zwar viele Dinge, in denen es Verbesserungen gegeben hat, aber die Ziele bei Weitem noch nicht erreicht sind, zu positiv dar und erweckt den Eindruck, dass Probleme schon gelöst sind, aber damit hätten wir noch leben können.

Nicht leben können wir allerdings mit der unbeschränkten Beitragsfreiheit des Erststudiums. Diese gilt dann wohl auch für Bummelstudenten im 25. Semester.

(Zuruf der Staatsministerin Frau Ahnen)

Das ist ein anderes Feld.

Wir begrüßen, dass ehrenamtliches Engagement bei der Einhaltung von Fristen berücksichtigt werden soll. Aber es kann nicht sein, dass es für nicht akademische Leistungen ECTS-Punkte gibt. Zudem vermissen wir die für uns zentrale Forderung der Verbesserung der katastrophalen Betreuungsrelationen und die Aufforderung an die Landesregierung, endlich zu einer Lösung beim BAföG zu kommen. Die Studenten warten dringend darauf. (Beifall bei der CDU)

Nicht zuletzt verpassen Sie im Gegensatz zu anderen Bundesländern wiederum die Chance, die international hoch angesehenen Diplom-Abschlüsse mit dem DiplomIngenieur zu erhalten. Diese werden an anderen Hochschulen sehr erfolgreich als Abschlussäquivalente vergeben. Es ist doch Wahnsinn, eine über Jahrzehnte erfolgreich eingeführte Marke ohne Not aufzugeben.

Aus all diesen Gründen können wir Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich dachte eigentlich, ich kann es ganz kurz machen. Ich will es auch versuchen.

(Pörksen, SPD: Wir bitten darum!)

Herr Biebricher hat dann aber doch ein paar Punkte angesprochen, auf die ich eingehen möchte. Die Debatte soll uns gemeinsam auch voranbringen.

Ich finde es erst einmal gut, dass bei einer so großen Reform nach einer bestimmten Zeit auch hingeschaut wird, was sich daraus entwickelt hat, wo Dinge gut gelaufen sind, wo es vielleicht noch die eine oder andere Stelle gibt, an der man nachfassen muss. Das ist umfänglich in der Großen Anfrage der beiden Fraktionen beantwortet worden. Der Stand ist dargestellt worden. Die Hochschulen haben auch bereitwillig Auskunft über den Stand gegeben, der jeweils erreicht ist.

Ich glaube, man kann überwiegend sagen, es gibt eine große Dankbarkeit an die Hochschulen, dass sie und wie sie die Bologna-Reform, die europäisch vereinbart worden ist, umgesetzt haben. Da muss ich sagen, ich hätte keine Chance gesehen, dass man sich diesem Prozess entzieht. Ich hätte es nicht für sinnvoll gehalten. Das ist mit großem Engagement in unseren Hochschulen umgesetzt worden.

Ich finde, man kann sagen – das ist auch die Rückmeldung aus der Studierendenschaft –, dass es bei den rheinland-pfälzischen Hochschulen, als es im Jahr 2009 Probleme gegeben hat, ein ganz besonders großes Maß an Diskussionsbereitschaft mit den Studierenden gab. Man hat oft tagelang zusammengesessen und überlegt, was man besser machen kann. Das Land hat sie dabei unterstützt. Vor allen Dingen ist es ein Verdienst der Hochschulen. Ich finde, sie haben das gut hinbekommen.

Wenn man sich anschaut, wo es Nachsteuerungsbedarf gegeben hat und wo es noch welchen geben mag, dann kann man, glaube ich, positiv vermerken, dass die Reduzierung der Prüfungsbelastungen 2009 und das Thema Flexibilität einen neuen Schub bekommen haben. Man hat heute vielfältige Formen, das Studium flexibler zu gestalten. Es ist erwähnt worden, die Studieneingangsphase ist verstärkt in den Blick genommen worden. Das wird im Übrigen durch den Hochschulpakt unterstützt und mit Modellprojekten umgesetzt.

Herr Biebricher, Sie haben das Thema des Übergangs vom Bachelor zum Master angesprochen. Sie sagten, da holpert es noch. Für Rheinland-Pfalz kann ich feststellen, dass wir in nur 13 % der Masterstudiengänge Zulassungsbeschränkungen haben. Das ist nur halb so viel wie im bundesweiten Durchschnitt. Bundesweit liegt die Prozentzahl bei 26 %. Da bemühen sich unsere Hochschulen mit allen Kräften, die Masterstudiengänge offen zu halten.

Ein Problem gibt es nach wie vor beim Thema BAföG und dem Übergang vom Bachelor zum Master. Ich war sehr überrascht über Ihre Ausführungen. Lassen Sie mich drei Sachen dazu sagen. Blockieren kann man nur etwas, wenn es etwas gibt. Es gibt nichts. Es ist schlecht, dass es nichts gibt.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das stimmt jetzt auch nicht ganz!)

Es geht um einen BAföG-Entwurf. Wissen Sie, was das „B“ in BAföG bedeutet? Das bedeutet Bundesausbildungsförderungsgesetz. Sie können jetzt nicht erwarten, dass wir den Gesetzentwurf schreiben.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das hat doch niemand gesagt, Frau Ahnen, bleiben Sie doch auf dem Boden!)

Sie wissen, ich traue uns eine ganze Menge zu. Sie wissen, wir sind immer konstruktiv unterwegs.

Frau Kohnle-Gross, gerade auch wegen Ihrer Presseerklärung im Anschluss an den Ausschuss sage ich, sagen Sie Frau Wanka, sie soll einen Gesetzentwurf vorlegen, dann können wir uns dazu verhalten. Das fehlt bis heute.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Kohnle-Gros, CDU: Sie wollen doch gar nichts mehr damit zu tun haben!)

Sie haben die Presseerklärung gemacht.