Berichterstatter ist Andreas Biebricher. Die Grundredezeit beträgt 5 Minuten. Herr Kollege Biebricher hat das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Landtag hat den Antrag in seiner Sitzung am 27. Juni 2014 an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur überwiesen.
Der Ausschuss hat den Antrag in seiner Sitzung am 11. Dezember 2014 beraten und mit den Stimmen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU die Annahme des Antrags empfohlen.
Es gibt dazu einen Alternativantrag der CDU-Fraktion mit dem Titel „Studienerfolg befördern – Umorientierungen begleiten“.
Danke schön, Herr Kollege. – Das Wort hat Frau Kollegin Schleicher-Rothmund von der SPD-Fraktion. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben es gehört, wir beraten heute zum zweiten Mal den Antrag „Studienabbrüche vermeiden – Studienabbrecherinnen und -abbrecher unterstützen“. Um es einmal gleich für meine Fraktion vorweg zu sagen: Studienabbruch ist kein rheinland-pfälzisches, sondern ein bundesweites Phänomen. In allen Bundesländern versucht man gemeinsam mit dem Bund, dem Studienabbruch entgegenzuwirken.
Das tun wir im Wissen darum, dass eine gelungene Bildungsbiografie auch eine gute Voraussetzung für eine gute Erwerbsbiografie ist. In der Vergangenheit haben wir in Rheinland-Pfalz dazu schon einiges auf den Weg gebracht. Wir können auch Erfolge verbuchen. So ist es gut, dass wir vor allem bei den Ingenieurwissenschaften – es sind die MINT-Fächer, die besonders betroffen sind – einen Rückgang der Studienabbrecherinnen und -abbrecher um 12 % feststellen können.
Eines möchte ich für meine Fraktion auch klarstellen: Ein Abbruch ist kein Beinbruch, sondern ein Abbruch muss konstruktiv gesehen und im Sinne einer Umorientierung begleitet werden, bei der bereits erarbeitetes Wissen quasi mitgenommen wird und in den neuen Bildungsweg mit einfließen kann.
Wir begrüßen die Entscheidung der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vom Oktober, derzufolge die Universitäten künftig 10 % des Hochschulpakts dahin gehend verwenden sollen, dass die Zahl der Abbrecherinnen und -abbrecher verringert wird.
Unser Antrag zielt auf die zwei wesentlichen Bereiche ab. Zum einen geht es darum, die Studienbedingungen, die Studienberatung und die Studienunterstützung an den Hochschulen so zu gestalten, dass die Zahl der Studienabbrüche weiter reduziert wird. Zum anderen geht es darum, dass für diejenigen, die ihr Studium nicht zu Ende bringen wollen, Alternativen im System existieren. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass die jeweiligen Bildungsbereiche Leistungen anerkennen, die bereits in anderen Bildungsbereichen erbracht worden sind.
Sie alle wissen es, in Kaiserslautern haben wir ein wunderbar funktionierendes Projekt, nämlich das BIS. BIS steht für Berufliche Integration von Studienaussteigern. Dieses Projekt ist wiederum Teil der Gesamtmaßnahme FIS, Förderung individueller Studienverläufe. Zielsetzung ist es, durch Beratung Studierende bei der Suche nach einer Berufsausbildung und Weiterbildung zu unterstützen. Hier kann man einfach sehen, die gute Vernetzung der Hochschule und die gute Zusammenarbeit mit den Unternehmen in der Region ist ein Segen für die jungen Menschen, die sich umorientieren wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der ersten Beratung unseres Antrags hat die CDU in Aussicht gestellt, dass wir uns unter Umständen auf einen gemeinsamen Antrag einigen können. Ich denke einmal, das ist auch richtig so. Es müsste Konsens sein, dass wir alle unsere Kraft daransetzen, dass jede Bildungsbiografie eine gelungene ist.
Jetzt haben wir erkennen müssen, dass wir uns nicht einigen konnten. Ich glaube, Sie haben uns die Tür zugeschlagen, als Sie gesagt haben, Sie wollen in dem Antrag das Zentralabitur festgeschrieben haben. Sie wissen, wie unsere Position zum Zentralabitur ist. Damit war eigentlich klar, wir werden kaum zueinander finden können.
Jetzt haben Sie heute selbst einen Antrag eingebracht. Dieser Antrag geht am Kern das Themas voll vorbei, weil Sie in der Hauptsache nicht auf die Fragestellung der Studienabbrecherinnen und -abbrecher eingehen, sondern sich mit anderen Punkten beschäftigen. Es geht eigentlich mehr darum darzulegen, was Frau Wanka in der Vergangenheit – in Kooperation mit den Ländern muss man in dem Fall sagen – auf die Reihe gebracht hat.
Sie schreiben, dass durch die BAföG-Mittel, die 25 Millionen Euro, ein wesentlicher Fortschritt erreicht worden ist. Darf ich Sie daran erinnern, dass wir im letzten Doppelhaushalt 100 Stellen auf den Weg gebracht haben? Haben nicht Sie den Doppelhaushalt abgelehnt?
Sie schreiben, dass es ohne die Initiative der CDUgeführten Bundesregierung nicht diese Impulse gäbe. Haben nicht Sie ein Sondervermögen von 252 Millionen Euro für die Hochschulen abgelehnt?
Dann zur Fragestellung Zentralabitur. Ihr schreibt: „Zudem ist es entscheidend, dass die inhaltlichen Standards des Abiturs landesweit garantiert werden. Dies geht nur über landeseinheitliche Abschlussprüfungen.“ – Wie erklären wir uns denn jetzt, dass die ganze Bundesrepublik – auch die Länder mit Zentralabitur – ein Problem mit Studienabbrechern haben? Das scheint mir auch nicht so ganz zu klappen.
Dann sagen Sie uns, dass auch schon die berufsbildenden Schulen bei den Vorbesprechungen, wie es mit der Bildungsbiografie weitergeht, mit von der Partie sein sollten. Wissen Sie eigentlich, dass das schon lange der Fall ist, dass das gemacht wird?
Es ist schade, dass Sie nicht die Hand, die Sie uns ausgestreckt haben, dazu genutzt haben, einen gemeinsamen konstruktiven Antrag zu erarbeiten. Das hätte die Hochschullandschaft, ihre Akteure, die Professorinnen und Professoren sowie alle anderen, die Studentinnen und Studenten, sicherlich gefreut.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin, ich darf gleich an das anknüpfen, was Sie eben gesagt haben. Sie haben gesagt, unser Antrag geht im Kern am Thema vorbei. Jawohl, wir haben unterschiedliche Ansätze. Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir das Thema Studienabbruch nicht in dem gleichen Maße wie Sie interpretieren müssen, sondern dass wir einen eigenen Schwerpunkt setzen. Ich werde das auch gleich entsprechend darstellen.
Auch für uns ist eines ganz klar: Studienabbruch ist kein Drama, aber es ist für uns wichtig, dass der Start von Schülern nach der Schule in die weitere Ausbildung wirklich so gelingen kann, wie sich das die Schülerinnen und Schüler wünschen.
Das steht bei uns ganz vorne. Es geht um die Frage, wie wir Studienabbrüche vermeiden. Bei Ihnen steht die Frage, wie wir das heilen, im Vordergrund. Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns ist wichtig, dass vorbeugend, also rechtzeitig geschaut wird, wie die Bedingungen – zunächst natürlich an den Hochschu- len – sein müssen, damit die jungen Studierenden dort ihr Studium so angehen können, wie es das Fach erfordert. Dazu brauchen sie die entsprechenden Rahmenbedingungen. Die Grundausstattung muss stimmen. Liebe Frau Kollegin, darauf verweisen wir seit vielen, vielen Jahren.
(Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Dann stimmen Sie gegen ein Sondervermögen! Dann stimmen Sie gegen 100 Stellen!)
Sie haben das immer wieder bestritten. Das heißt, die Relation zwischen Studierenden und Lehrenden muss stimmen. Die räumliche Ausstattung muss stimmen usw. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist – das hat etwas mit Vorbeugung und auch mit Vermeidungsstrategien zu tun –, wie die Jungen auf ihren künftigen Ausbildungsweg vorbereitet werden. Da schauen wir auf die Schulen. Das ignorieren Sie leider.
Sie ignorieren leider auch die Situation an den Hochschulen, wie sie in den vergangenen Jahren war, weil Sie dann nämlich auch zugeben müssten, dass es bei der Landesregierung Defizite bei der Förderung der Hochschulen gibt.
Ich möchte das im Einzelnen kurz darstellen. Erstens ist es, wie gesagt, wichtig, dass wir die Bedingungen an den Hochschulen verbessern. Das betrifft die Grundausstattung. Wir sind sehr dankbar, dass Ministerin Wanka es tatsächlich möglich macht, dass wir als Land etwa über die Tatsache, dass die BAföG-Kosten seitens des Bundes getragen werden, Geld in Höhe von 25 Millionen Euro an die Hochschulen geben können.
Das ist unsere Leistung, die wir hineingeben. Das ist das Geld des Bundes. Dafür dürfen wir auch einmal Dank sagen. (Vereinzelt Beifall bei der CDU)
Wie sieht es mit der schulischen Vorbereitung aus? Was brauchen wir, um die Schülerinnen und Schüler so vorzubereiten, dass sie sagen, ich fühle mich gut darüber informiert, was mich in einem Studium erwartet, dass ich das richtige Studium, den richtigen Gang und das richtige Fach ausgesucht habe, und wäre gegebenenfalls der Weg über eine duale Ausbildung eine Alternative?
Wir erleben es, dass vielfach die Informationen darüber nicht vorhanden sind, was es bedeutet, eine duale Ausbildung zu machen oder Wege zu gehen, die vielleicht indirekt zu einem späteren Hochschulstudium führen, beispielsweise über die berufsbildenden Schulen. Wir bekommen Rückmeldungen aus den Hochschulen – diese dürfen wir nicht ignorieren –, dass immer wieder neue Vorlaufkurse angeboten werden müssen, um die jungen Leute richtig vorzubereiten, damit sie einen guten Einstieg bekommen.
Man muss durchaus über die Standards an den Oberstufen sprechen. Das ist der Grund, weshalb wir sagen, es ist wichtig, dass es hier zu inhaltlichen Standards kommt, die zwischen den Ländern und innerhalb des Landes Rheinland-Pfalz abgestimmt sind. Deshalb sind wir nach wie vor für landeseinheitliche Abschlussprüfungen. Wir sagen, jeder Schüler und jede Schülerin hat ein Recht auf eine realistische Rückmeldung hinsichtlich ihres Leistungsvermögens. Es ist ganz wichtig, dass sie das erhalten.
Wir wissen, dass die gesellschaftliche Diskussion auf das Abitur setzt. Viele wissen nicht, welche Karrierechancen man über das duale System hat, um sich auf den späteren Beruf vorzubereiten und diesen auszuwählen. Es ist ganz wichtig, dass gerade die Realschulen plus und die Gesamtschulen ihre praxisorientierten Bildungsangebote weiter ausbauen und die Kooperation mit den berufsbildenden Schulen angegangen wird.
Von den berufsbildenden Schulen, die alle Ausbildungsgänge bis zum Abitur anbieten können, wissen wir, dass das bei den Eltern überhaupt nicht bekannt ist, die am Ende der 4. Klasse vor der Situation stehen, welche Schule für ihr Kind richtig ist. Auch das gehört dazu, dass man für das Kind die richtige Förderung erhält.
Nicht zuletzt ist es auch wichtig, dass man die Studierenden über das hinaus begleitet, was ich eben gesagt habe, und zwar im Zusammenhang mit den notwendigen Rahmenbedingungen, die die Hochschulen brauchen. Es ist auch wichtig, dass die Studierenden die entsprechende Begleitung finden, wenn sie sich überfordert fühlen oder vielleicht aus dem Studium aussteigen wollen. Die Initiative der Bundesregierung und des Handwerks begrüßen wir deswegen in ganz besonderem Maß. Das ist eine Möglichkeit, Studierenden den Ausstieg zu vermitteln und ihnen neue Perspektiven und Chancen zu geben. Ich glaube, das ist der Punkt, dass wir denen, die sagen, das Studium ist nichts für mich, ich möchte abbrechen und einen anderen Weg gehen, eine ordentliche Perspektive bieten.
Sehr geehrte Frau Kollegin Schäfer! Es ist sehr wohl so, dass wir viel dafür tun, dass diese Studienabbrüche gar nicht zustande kommen. Die Bildung von Anfang an und die Ganztagsschulen sind sicherlich ein wertvoller Beitrag dazu.
Wenn Sie von einer Unterfinanzierung und einer schlechten Ausstattung reden, möchte ich darauf hinweisen, dass es einen Haushaltsplan gibt, der in den Bereichen Bildung und Hochschule kontinuierlich überdurchschnittlich gewachsen ist. Das ist der Haushaltsplan 09. Das sind aber immer die Punkte, bei denen Sie sich bei der Abstimmung zurückziehen. Für diese Gelder wollen sie leider nicht geradestehen, aber dann sagen, dass irgendwo die Gelder fehlen.
Eines finde ich bemerkenswert. Diese 25 Millionen Euro sind für Sie ein „Dauerfestthema“. Als Hochschulpolitikerin lassen Sie – das ist schon ein bisschen eigenwillig, um das Wörtchen „peinlich“ zu umschiffen – den Hochschulpakt vollkommen unerwähnt. Sie sollten vielleicht auch einmal etwas zum Hochschulpakt sagen. Wer finanziert gemeinsam den Hochschulpakt? Das sind der Bund und die Länder, womit wir wieder beim Sondervermögen sind, bei dem Sie sich leider verweigert haben.