Ganztagsschule familienfreundlich gestalten – mehr Freiheit und Qualität für Schüler und Eltern Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/3105 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was stellen wir uns unter einer familiengerechten Gestaltung der Ganztagsschule vor? Wir möchten ein flexibles Angebot im Ganztagsbereich. Das heißt, wir möchten die Möglichkeit einer tageweisen bzw. auch zeitlich begrenzten Ganztagsförderung. Unser Antrag bezieht sich hierbei aber auf Ganztagsschulen in Angebotsform mit nicht rhythmisiertem Schulalltag.
Familien sind unterschiedlich. Es gibt nach wie vor die klassische Familie, der Mann geht arbeiten, die Frau ist zu Hause. Mittlerweile gibt es aber auch oft, dass beide Elternteile berufstätig sind, in Teilzeit, in Vollzeit. Besonders Alleinerziehende müssen immer einen Spagat zwischen Beruf und dem Alltag mit dem Kind hinbekommen. Während Vorschulkinder in Kitas, Krippen und bei Tagesmüttern ganztägig betreut werden können, gibt es mit dem Eintritt in die Grundschule oft Betreuungsprobleme.
Ja, Familien sind unterschiedlich, aber unsere Kinder sind auch unterschiedlich. Nicht jede Schulform ist für alle Kinder gleich gut geeignet.
Für manche Kinder ist die verpflichtende Ganztagsschule genau das Richtige, für andere ist die familiäre Geborgenheit und Förderung in der Familie lange Zeit extrem wichtig. Bei aller Unterschiedlichkeit ist bei allen Eltern sicherlich der Wunsch gleich, für ihre Kinder da zu sein, ihnen familiäre Geborgenheit zu geben, sie gut unterstützen zu können und ihnen auch außerschulische Angebote des Lernens, des Förderns und der Freizeitgestaltung zu ermöglichen.
Ganztagsschulen sind ein wichtiges Schulangebot und mittlerweile in unserer Bildungslandschaft fest verankert. Wir unterscheiden dabei – Sie wissen das – zwischen verpflichtenden Ganztagsschulen und Ganztagsschulen in Angebotsform. Etwa 40 % der Ganztagsschulen in Angebotsform arbeiten in festen Ganztagsklassen. Bei den übri
gen 60 % findet der Unterricht ausschließlich am Vormittag statt. Danach gibt es dann AGs, Hausaufgabenbetreuung, Förderkurse, musikalische und sportliche Angebote. Hier setzen wir mit unserem Antrag an.
In den Ganztagsschulen, in denen nachmittags kein regulärer Unterricht erfolgt, bietet sich Raum für Flexibilisierung. Dieser Raum für Flexibilisierung ist wichtig; denn Bildung ist nicht nur Schule. Die Teilnahme an Angeboten von Vereinen, kirchlichen Gruppen, an Gruppenstunden, der Feuerwehr und von Musikschulen – da kann ich noch vieles aufzählen –, aber auch das Leben in der Familie sind wichtige und prägende Erfahrungen für das weitere Leben. Schulisches Lernen, ehrenamtliche Tätigkeiten sowie das familiäre Leben ergänzen einander und fördern das Verantwortungsbewusstsein und die Persönlichkeitsentwicklung. Deshalb möchten wir einen Freiraum schaffen und eine Teilnahme am Ganztagsangebot auch für einzelne Tage und festgelegte Uhrzeiten möglich machen, jeweils auf ein Schuljahr festgelegt.
Das Ministerium setzt verstärkt auf verpflichtende Ganztagsschulen. Ja, wir brauchen verpflichtende Ganztagsschulen besonders dort, wo Kinder intensiver gefördert werden müssen, wo Eltern voll berufstätig sind oder wo sie vielleicht die Unterstützung nicht ganz so bieten können, aber wir brauchen auch die Ganztagsschulen in flexibler Angebotsform; denn wir müssen die Wahlfreiheit für Eltern und Kinder erhalten.
Ich fasse die Gründe dafür noch einmal zusammen. Erster und wichtigster Aspekt hierbei ist das Kind selbst. Es muss einfach die passende Schulart für jedes Kind gewählt werden können, die Schulart, die den Bedürfnissen des Kindes entspricht.
Der zweite Aspekt ist der Tagesablauf unserer Kinder. Ich schildere ihn einmal: von 08:00 bis 16:00 Uhr in der Ganztagsschule, heimkommen und dann die Verlagerung sämtlicher außerschulischer Aktivitäten in die Abendstunden. Das ist wahrlich ein langer Tag für unsere Kinder.
Ich nenne einen dritten Aspekt, die Stärkung unseres Vereinslebens. Vereine, Kirchen und unter anderem der Landesjugendring beklagen seit Jahren eine sinkende Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an ihren Angeboten. Gleichsam gibt es in den Abendstunden Kapazitätsprobleme in Hallen und Räumlichkeiten, weil sich alles in die Abendstunden verlagert.
Die CDU hat die Familien im Blick. Wir möchten die Familien entlasten. Dass Beruf und Familie gut unter einen
Hut zu bringen sind, dafür möchten wir Voraussetzungen schaffen. Wir möchten Sicherheit geben, dass Kinder im Ganztagsschulalltag optimal unterstützt und gefördert werden. Aber wir möchten auch den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Familien gerecht werden.
Für uns Christdemokraten ist es wichtig, Familie leben und dem Kind auch Angebote abseits der Schule machen zu können. Ein Ausbau an verpflichtenden Ganztagsschulen muss weiterhin die Wahlfreiheit gewährleisten. Es muss für unsere Familien möglich sein, auch eine Halbtagsschule oder ein freiwilliges flexibles Ganztagsangebot zu wählen.
Andere Bundesländer machen uns das vor. Kommen Sie mit uns in die Diskussion. Ich würde gern im Ausschuss noch weiter darüber mit Ihnen diskutieren.
Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich Sie bitten, die Gespräche einzustellen und diese in der Lobby zu führen. Es ist ein sehr hoher Geräuschpegel entstanden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich Ihnen, liebe Frau Schneid, auf Ihre Ausführungen antworte, möchte ich einen Satz aus Ihrem Antrag tatsächlich zwischen zwei Ausrufezeichen stellen, und zwar „Ganztagsschulen gehören zur gesellschaftlichen Realität“. Halleluja, nach gut 15 Jahren ist die CDU auch in der selbigen endlich angekommen.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Marion Schneid, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)
Trotzdem bleibt es wie es ist. Wenn es um die Ausgestaltung der Ganztagsschule geht, sprechen wir schlicht nicht über denselben Gegenstand. Wir sprechen über eine Ganztagsschule. Sie sprechen von Ganztagsbetreuung. Wir denken vom Kinde her. Sie denken ausschließlich von der Elternseite her.
Hinzu kommt – das ist besonders bemerkenswert – eine eklatante Unkenntnis über schulorganisatorische Notwendigkeiten, gepaart mit einem fehlenden Verständnis von Schulökonomie.
Sie malen mit Ihrem Antrag ein Bild, das es in RheinlandPfalz so gar nicht gibt. Kein Kind ist zum Besuch einer GTS
gezwungen. Es gibt neben der Ganztagsschule auch in kommunaler und freier Trägerschaft zum Beispiel den Kinderhort oder eine integrierte Nachmittagsbetreuung in der sogenannten offenen GTS, die von Eltern genutzt werden kann; so denn sich der Träger vor Ort um diesen eventuellen Bedarf der Eltern gekümmert hat. Sie sind doch in vielen Kommunen im Stadtvorstand und in den Gemeindevorständen.
Übrigens auch beim Kinderhort steht das Land mit Teilen der Finanzierung der Personalkosten bereit. Da hilft es auch nicht, wenn Sie sich in Ausführungen über informelle und formale Bildung verlieren. Diese Trennung ist erstens umstritten, aber völlig an der Realität des Lebens vorbei. Auf dem Schulhof, in der Mensa, in der Interaktion der Schülerinnen und Schüler, aber auch jeder nicht zielgerichteten Handlung auch von Lehrkräften liegt informelles Lernen zugrunde. Sie formulieren hier ein vermeintliches Defizit, das auf diese Weise gar nicht entstehen kann.
Der bekannte Pädagoge Professor Jürgen Oelkers hat das vor Kurzem als Angst vor der Verschulung der Lebensverhältnisse bezeichnet, „German Angst“, die man sonst nirgends findet.
Zu Ihren Forderungen: Sie möchten eine „Kommste-heutenicht-kommste-morgen-Schule“. Wir setzen aber auf ein verlässliches pädagogisch durchdachtes Konzept von Schule.
Dazu gehört eine inhaltliche Klammer über eine Schulwoche. Wenn die rhythmisierte Form nicht möglich ist, weil keine vollständige Ganztagsklasse zustande gekommen ist, kann man auch die additive Form nicht der planerischen Beliebigkeit aussetzen. In der Regel gibt es feste AG- und Förderzeiten bzw. es werden einzelne Tage festgelegt. Die AGs sollen den schulischen Lernerfolg sichern, sich qualitativ von bloßer Betreuung abheben.
Geplant wird dies mit verlässlichen Schülergruppengrößen, und übrigens auch mit verlässlichen Bezugsgrößen für die Kinder selbst. Damit komme ich zur Ökonomie. Es kann nicht in Ihrem Sinne sein, dass an einem oder einem anderen Tag eine Lehrkraft für nur noch vier oder fünf Kinder zuständig ist. Das ist schulökonomisch schlecht, aber vor allem ist es pädagogischer Murks. In diesen Kleingruppen ist vieles methodisch nicht mehr umsetzbar.
Als Praktikerin, die schon mehrfach an GTS-Planung beteiligt war, kann ich Ihnen sagen, Ihr Vorschlag, den Sie immer mal wieder parlamentarisch verarbeiten, stößt bei den Schulleitungen auf Kopfschütteln und Unverständnis.
Abschließend zum Ehrenamt: Sie nennen hier den Landessportbund. Das ist der größte Kooperationspartner der GTS in unserem Land neben den Kirchen.