Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Debatte betrifft sehr viele Menschen in Rheinland-Pfalz. Wirtschaftlich betrachtet, ist der Flughafen Frankfurt mit ca. 80.000 Beschäftigten eine der größten Arbeitsstätten in Deutschland.

2015 haben mehr als 61 Millionen Passagiere den Flughafen genutzt. Er wird auch künftig die Anbindung der Rhein-Main-Region in Deutschland an den internationalen Luftverkehr sicherstellen. Der Flughafen ist ein Impulsgeber unserer Region. Die meisten Logistik- und Technologieunternehmen, die sich heute in Rheinhessen ansiedeln, tun dies auch wegen der Nähe und der guten Verbindung zum Airport.

Allein die Logistikbranche beschäftigt im Rhein-MainGebiet 140.000 Menschen. Man kann durchaus sagen, dass der Flughafen entscheidend zum Wohlstand der Region beiträgt. Um dies weiterhin leisten zu können, muss er sich marktgerecht ausrichten und weiterentwickeln.

Viele Menschen in Rheinhessen sind aber durch den Fluglärm, der durch die Starts und Landungen am Frankfurter Flughafen entsteht, stark betroffen. Auch für uns Freien Demokraten ist die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen eine Herzensangelegenheit. Daher ist für uns auch die gesetzliche Nachtruhe unumstößlich. Jeder Mensch braucht Zeit für Ruhe und Erholung. Ohne diese werden wir krank und können unseren alltäglichen Aufgaben nicht nachkommen. Daher ist für uns auch klar, dass die Nachtruhe nicht wirtschaftsfeindlich, sondern im Gegenteil wirtschaftsfreundlich ist; denn nur erholte und gesunde Menschen können ihren Beitrag – wie auch immer – für unsere Gesellschaft leisten.

(Beifall der FDP und der SPD)

Über die Nachtruhe hinaus bleibt für uns klar, dass bei der Planung von An- und Abflugrouten eine gleichmäßige Verteilung des Lärms zu erfolgen hat. In dem Luftverkehrsgesetz muss daher dem Lärmschutz mehr Gewicht beigemessen werden; denn wenn eine einkommensstarke Kommune in Hessen kaum belastet wird, rheinhessische Gemeinden wie Klein-Winternheim dafür stark, ist dies nicht zu rechtfertigen und hinterlässt bei den Betroffen zu Recht Unverständnis.

(Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wurde bereits erwähnt: Ebenso sehen wir die Flugzeughersteller in der Pflicht, die Antriebstechnologien mit Hochdruck weiterzuentwickeln; denn nur ein leiseres Fluggroßgerät kann die Akzeptanz von Flugverkehr in den betroffenen Regionen steigern.

Die Tatsache, dass sich die Lärmentgelte in den letzten drei Jahren verdreifacht haben, unterstützt die Anforderungen, die wir an die Unternehmen stellen. Unsere Aufgabe als Politik sehen wir Freien Demokraten darin, daran mitzuwirken, dass neben den wirtschaftlichen Aspekten auch der Lärm, der durch den Flugbetrieb entsteht, den Menschen nicht beeinträchtigt. Daran arbeiten wir gemeinsam mit den Koalitionspartnern.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Kollege Köbler.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Fluglärm macht krank. Ich glaube, dass man sich das so vorstellen muss, wie es vielen Menschen in der Region geht, wie zum Beispiel den Mainzerinnen und Mainzern und den Menschen in Rheinhessen, aber auch auf der anderen Rheinseite, wenn gerade nachts Flugzeuge Anund Abflüge durchführen. Auch die Kinder werden mitten in der Nacht wach und müssen am nächsten Morgen übermüdet in die Schule gehen. Darüber können auch Lehrerinnen und Lehrer in Mainz berichten. Es ist vielfach angesprochen worden, was der Fluglärm für die Altersund Lebensqualität der Menschen bedeutet.

Ich kann mich erinnern. Es ist vielleicht 13 Jahre her. Damals habe ich das erste Mal ein Plakat gegen den zunehmenden Fluglärm in dieser Region geklebt. Das war im Kommunalwahlkampf 2004. Das war, bevor der Ausbau des Frankfurter Flughafens genehmigt worden war. Seitdem ist die ganze Geschichte auch eine Geschichte der Täuschung, der falschen Argumente und des einseitigen Setzens auf wirtschaftliche Profite eines Unternehmens Fraport und der Flughafengesellschaft zulasten der Menschen, deren Gesundheit und auch der Umwelt in unserer Region.

Sehr geehrte Kollegin Wieland. Sie haben eben gefragt, was daran das Problem sei, dass Ryanair und nicht jemand anderes fliegt. Ich kann Ihnen das als jemand, der seit zehn oder 15 Jahren darüber diskutiert, ganz genau sagen. Wir wurden damals belogen.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Es wurde damals argumentiert, man brauche den Ausbau des Frankfurter Flughafens dafür, dass man hier ein internationales Drehkreuz baue – deswegen brauche man die neue Start- und Landebahn und das neue Terminal 3 –, weil nämlich gesagt wurde, dass es den großen Fluggesellschaften, die interkontinental flögen, egal sei, ob die Passagiere in London, Wien, Paris oder in Frankfurt auf die Kurzstreckenflüge innerhalb Europas umstiegen.

Das war das Kernargument der Fraport und des Landes Hessen für den Ausbau des Frankfurter Flughafens.

Wenn jetzt aus dem internationalen Drehkreuz eine Billigfliegerrampe wird, dann ist das eine Täuschung der Menschen in der Region. Dann ist das sozusagen eine Erschleichung einer Genehmigung unter Vortäuschung falscher Angaben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Das ist das Problem. Jetzt ist Ryanair seit April in Frankfurt und fliegt von Frankfurt am Main.

Es hat fünf Monate gedauert, in denen sich Ryanair an die Regeln gehalten hat. Seit September hat sich Ryanair nicht mehr regelmäßig an die Regeln gehalten. Sie müssen sich das vorstellen. Beim Planfeststellungsverfahren wurde ein Nachtflugverbot versprochen. Roland Koch hat dieses Versprechen gebrochen. Die Region hat vor Gericht dieses Nachtflugverbot erstritten, und zwar nur von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr. Es ist noch heute so, dass trotz dieses Nachtflugverbots im Durchschnitt jede Nacht zwei Flugzeuge zwischen 23:00 Uhr und 05:00 Uhr in Frankfurt landen und dieses Nachtflugverbot brechen.

Wenn ich mir die Zahlen anschaue, dass im Oktober und November von 125 Verstößen gegen das Nachtflugverbot 71 auf das Konto von Ryanair gehen, dann bin ich sehr froh, dass der hessische Verkehrsminister umgehend die Verantwortlichen von Ryanair ins Ministerium einbestellt hat, die Fluglärmschutzbeauftragte, die es übrigens erst seit grüner Regierungsbeteiligung in Hessen gibt, interveniert hat, dass er sich die Flugpläne hat zeigen lassen und jedem einzelnen Fall nachgegangen ist. Ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ist angestrengt worden. Ryanair ist es untersagt worden, nicht nur nach 23:00 Uhr zu landen, sondern den Flugplan so umzugestalten, dass sie jetzt nur noch bis 22:30 Uhr in Frankfurt landen dürfen. Im neuen Flugplan ist das entsprechend verankert.

Ich finde, das ist das konsequenteste Handeln, was wir in diesem Bereich bisher gesehen haben. Ich glaube, das zeigt – eben ist das Thema Fluglärmobergrenze genannt worden –, natürlich ist diese freiwillige Vereinbarung nicht das, was wir uns am Ende erhoffen und brauchen. Aber es ist die beste Vereinbarung, die wir bisher von den Hessen bekommen haben. Sie bedeutet leider nicht eine Reduzierung des Fluglärms. Aber das ist immerhin eine Vereinbarung, der sich die Fraport und die Fluggesellschaften unterworfen haben. Mit ihr wird es immerhin nicht lauter.

An alle demokratischen Parteien in diesem Hohen Hause: Es wird gerade darüber geredet, welche parlamentarischen Mehrheiten in Berlin zustande kommen. Wir brauchen endlich ein Bundesgesetz zur Regulierung des Fluglärms, das eine Rechtsgrundlage für ein echtes Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen garantiert.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wissing.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grenzen des Zumutbaren sind fast erreicht. Die Ankündigungen des Flughafens Frankfurt im Jahr 2016, vermehrt Flüge von Billigairlines anzunehmen, werden von vielen Flug

lärmgeschädigten zu Recht als regelrechte Provokation empfunden.

Mittlerweile ist die Abwicklung von Low-Cost-Carriern in Frankfurt zum alltäglichen Flugbetrieb geworden. Die Sonderkonditionen bei den Gebühren und vorgezogene Ausbaumaßnahmen zielen darauf ab, sich für Low-CostCarrier zu öffnen und ein neues Marktsegment zu etablieren. Damit einher geht bekanntlich die geplante Realisierung eines zusätzlichen Flugsteigs. Dies wird eine zusätzliche Erhöhung der Flugbewegungen ermöglichen. Die Folge wird eine Zunahme der Flugbewegungen und damit eine weiter wachsende Lärmbelastung auch für die rheinland-pfälzische Bevölkerung sein.

Es ist deshalb mehr als nachvollziehbar, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes massiv wegen der drohenden weiteren Verschlechterung der Fluglärmsituation beschweren und sich große Sorgen machen.

Meine Damen und Herren, diese Sorge teile ich. Sie ist berechtigt. Das gilt insbesondere auch für die Bevölkerung, die bislang bereits stark von Lärmbelastungen betroffen war. Einzelne Ortsteile unserer Landeshauptstadt Mainz und einzelne Gemeinden in Rheinhessen sind durch die Südumfliegung zwischenzeitlich je nach Wetterlage sowohl von An- als auch von Abflügen und damit an 365 Tagen im Jahr von Fluglärm betroffen.

Umso mehr ist es daher von großer Bedeutung, dass verspätete nächtliche Landungen, die aktuell gerade in hoher Zahl von einer Low-Cost-Airline verursacht werden, konsequent unterbunden werden. Gerade die Nachtruhe der Bevölkerung ist ein besonders hohes Gut, das es unbedingt zu schützen gilt.

Die weitere Entwicklung hierzu wird daher genau zu beobachten sein. Ich darf daran erinnern, dass sich die rheinland-pfälzische Landesregierung seit Jahren darum bemüht, die Lärmbelastung der Mainzer und der rheinhessischen Bevölkerung, die insbesondere nach Eröffnung der Nordwest-Landebahn außerordentlich gestiegen ist, so weit wie möglich zu begrenzen. Diese Bemühungen werden offensichtlich durch vorrangige wirtschaftliche Interessen der Fraport AG konterkariert. Insoweit halte ich das Vorgehen der Fraport AG, die sich mehrheitlich im Besitz des Landes Hessen befindet, an dieser Stelle für kontraproduktiv.

Die fragwürdigen Gebührenrabatte der Fraport sind zu Recht in der Vergangenheit auch von der Lufthansa scharf gerügt worden.

Die Etablierung von Low-Cost-Carriern ist auch in der gestrigen Sitzung der Fluglärmkommission scharf kritisiert worden. Ich bringe in diesem Zusammenhang in Erinnerung, dass die Notwendigkeit zum Ausbau des Flughafens Frankfurt seinerzeit mit der Sicherung und Stärkung einer Drehkreuzfunktion begründet wurde. Das ist in der Debatte heute schon angeklungen.

Diese Drehkreuzfunktion ist gerade für die Umsteigepassagiere am Standort Frankfurt von hoher Bedeutung. Da diese für Passagiere der Low-Cost-Carrier in der Regel nicht im Vordergrund steht, wird die grundlegende Ver

änderung der Geschäftspolitik offenkundig. Umso mehr bedarf es deshalb geeigneter Instrumente, um die Bevölkerung von Fluglärm zu entlasten.

Die Landesregierung unterstützt grundsätzlich alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Lärmbelastung sowohl im unmittelbaren als auch im weiteren Umfeld des Flughafens zu vermindern bzw. zu deckeln. Die Landesregierung begrüßt auch die Auffassung der hessischen Landesregierung, dass der vom Flughafen Frankfurt ausgehende Fluglärm nicht weiter ungebremst anwachsen kann. Das soll bekanntlich durch ein Konzept der freiwilligen Lärmobergrenzen erreicht werden.

Nach Aussage des hessischen Verkehrsministeriums reduziert sich der Dauerschallpegel nach dem vorgelegten Konzept gegenüber den prognostizierten Werten im Planfeststellungsbeschluss um 1,8 dB. Die hessische Regierung setzt zunächst auf die freiwillige Einhaltung der Vereinbarung zur Einführung einer Lärmobergrenze durch die Luftverkehrswirtschaft. Bei Überschreitungen hat sich die hessische Regierung weitergehende Maßnahmen vorbehalten.

Meine Damen und Herren, von den im Konzept definierten Kontingenten sind nach jetzigem Stand zwar keine rheinland-pfälzischen Gebiete betroffen, grundsätzlich eröffnet das Konzept für Lärmobergrenzen aber Chancen auf Lärmminderungen, von denen auch Gebiete in Mainz und Rheinhessen profitieren können; denn damit steigt letztlich der Druck auf die Luftverkehrswirtschaft, bereits heute realisierbare Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms schneller als bisher in die Praxis umzusetzen. Das betrifft beispielsweise den zügigeren Einsatz leiserer Flugzeuge und die Einführung lärmarmer Start- und Landeverfahren. Ein unbegrenztes Wachstum und eine grenzenlose Zunahme der Fluglärmbelastung, auch bedingt durch die Etablierung von Low-Cost-Carriern, kann damit unterbunden werden.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung ist im Übrigen auch weiterhin der Auffassung, dass eine nachhaltige Verbesserung des Fluglärmschutzes Änderungen der rechtlichen Grundlagen erfordert. Ich erinnere insoweit an die noch im Bundesrat anhängige Gesetzesinitiative des Landes, die darauf abzielt, das Luftverkehrsrecht im Sinne eines stärkeren Schutzes der Nachtruhe zu verändern.

Zudem treten wir für einen generell besseren Fluglärmschutz insbesondere bei der Festlegung und Änderung von Flugrouten sowie eine bessere Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung ein. Da dieser Reformbedarf nach wie vor besteht, bleiben ergänzende gesetzliche Regelungen auch in Zukunft weiter im Blickfeld der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, auch ein Flughafen braucht Akzeptanz. Diese wird durch den Einstieg in das Geschäft mit Billigfluglinien eher gefährdet als gestärkt. Wir sind uns auch in Rheinland-Pfalz der enormen Bedeutung des Flughafens Frankfurt für eine Region sehr bewusst. Wir sind froh, ein internationales Drehkreuz von dieser Bedeutung in unserer Nähe zu haben. Es ist keine Frage, dass wir davon wirtschaftlich erheblich profitieren. Wir sind froh darüber, dass es den Flughafen gibt.

Das ist aber kein Freibrief für eine immer größere Belastung unserer Bürgerinnen und Bürger. Der Flughafen darf seine Profite nicht auf Kosten der Gesundheit und der Lebensqualität der Menschen einer Region machen.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung sieht deshalb den Einstieg des Frankfurter Flughafens in das Geschäft mit Billigfluglinien sehr kritisch. Die Grenzen des Wachstums des Flughafens sind die Grenze der Belastbarkeit der Anwohnerinnen und Anwohner. Diese ist erreicht. Sie muss beachtet werden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Mitglieder des SPD-Kreisverbandes Altenkirchen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)