Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Ein anderes beliebtes Vorurteil war: Die integrieren sich hier gar nicht. Die wollen das ja gar nicht. Die bleiben immer unter sich. Die bringen ihre ganze Großfamilie mit, um hier die Sozialleistungen abzukassieren. Die kriegen ja sowieso alles vom Staat. Guckt euch mal deren Häuser und deren Autos an. Wo sollen die denn sonst das Geld her haben. Du kannst dein Kind ja gar nicht mehr auf die Schule schicken. Da sind nur noch Russen in der Klasse. Am allerschlimmsten sind die jungen Männer. Die rotten sich zusammen, und überall, wo die auftauchen, gibt es Ärger. Das ist ja klar. Die passen hier nicht hin. Die sind in einer anderen Kultur aufgewachsen.

Die Aussiedler und später auch die Spätaussiedler hatten es im Hunsrück nicht leicht. Es gab damals keine große Willkommenskultur, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben. Peu à peu gelang die Integration. Sie haben sich Jobs gesucht. Es wurden Betriebe gegründet. Sie haben Arbeitsplätze geschaffen. Sie sind aktiv in Vereinen und in Schulen.

Wie sieht die Situation heute aus? Die Menschen sind gut integriert. Sie haben sich etwas aufgebaut. Wenn man durch die Hunsrückdörfer fährt, fällt es eigentlich gar nicht mehr auf, wer dort erst vor 25 Jahren hingezogen ist oder eigentlich schon viel länger dort lebt.

Ich finde, das sollten wir uns in der Diskussion, die wir hoffentlich auch im Ausschuss führen, immer wieder vor Augen führen, nämlich dass es nicht von Anfang an so war wie heute, dass die Menschen gut integriert waren, sondern es am Anfang Probleme und Vorurteile von beiden Seiten gab, die man Schritt für Schritt abgebaut hat und heute gut zusammenlebt. Das zeigt uns auch Parallelen zu dem, was wir heute erleben und was wir am heutigen Tag in diesem Saal von anderer Seite gehört haben.

Ich finde, der Antrag der CDU ist auch aus diesem Grund wichtig und richtig. Er enthält viele interessante Anregungen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und die weitere Diskussion über Integration von allen Gruppen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Schmidt das Wort.

Frau Kollegin Binz, ich hoffe, sie hatten in Ihrem Heimatort im Hunsrück ein wenig Kontakt zu Russlanddeutschen gehabt und ein wenig in ihre Lebenswelt hineingehört. Es scheint doch nicht ganz so gewesen zu sein, sonst wüssten Sie, dass es für diese doch sehr gelungene Integration gerade derjenigen, die sehr früh gekommen sind, sehr wesentlich war, dass diese oft mit sehr ausgeprägten Deutschkenntnissen gekommen sind.

(Zurufe von der SPD)

Lassen Sie mich einmal ausreden. Anfang der 90er-Jahre kamen diese mit sehr guten Deutschkenntnissen und mit einem deutschen Bewusstsein. Das waren Landsleute.

(Zurufe aus dem Hause)

Hören Sie mir gerade noch kurz zu. Vielleicht können Sie etwas lernen.

(Unruhe im Hause – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Schmidt hat das Wort.

Sie sind dahin zurückgekehrt, wo ihre Vorfahren einstmals ausgewandert sind, und zwar ganz bewusst, unter anderem auch in den Hunsrück. Später kamen dann welche, bei denen das nicht mehr so ausgeprägt war. Bei denen war die Integration auch schwieriger. Da waren die Sprachkenntnisse nicht mehr so vorhanden. Dann entstanden tatsächlich Parallelgesellschaften oder bestimmte Züge von Parallelgesellschaften. Ich habe das in Lahr in Südbaden selber einmal gesehen. Dann wurde es schwieriger.

Da gab es übrigens bei diesen ganzen Parallelgesellschaften auch die Bezeichnung kollektiv als Russen, die für viele Russlanddeutsche sehr empörend war. Damals waren die linken Parteien, die roten und die grünen, führend. Sie haben diese Parallelgesellschaften kritisiert. Sie vermischen Dinge, die einfach nicht vermischt werden können.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung hat Frau Kollegin Binz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Schmidt, danke, dass Sie mich noch einmal über die Zeit Anfang der 90er-Jahre im Hunsrück aufklären.

Ich kann Ihnen berichten, dass es damals wie auch heute und wie auch in allen anderen Bevölkerungsgruppen solche und solche Menschen gab. Die Menschen sind nämlich unterschiedlich. Es gab welche, deren Kinder relativ schnell deutsch sprechen konnten. Diese haben sich integriert. Diese haben im Verein Fußball gespielt und relativ schnell Gymnasialempfehlungen bekommen. Es gab solche, die haben sich damit schwergetan, Deutsch zu lernen, und haben es vielleicht nicht bis auf das Gymnasium geschafft.

Es gab welche, die mussten noch jahrelang für ihre Eltern übersetzen, weil denen das Deutschlernen auch sehr schwer gefallen ist. Es gab andere, denen ist es leichter gefallen. Ich glaube, wir werden uns diesem Phänomen

nicht besonders gut nähern können, wenn wir von vornherein alle Leute über einen Kamm scheren.

Ich wollte auf die Vorurteile aufmerksam machen, die damals in der Bevölkerung auch existiert haben, und dass diese sich in den allergrößten Fällen als vollkommen falsch erwiesen haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Spiegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Menschen, die als Aussiedlerinnen und Aussiedler nach Rheinland-Pfalz kamen, haben unsere Gesellschaft mit ihrem Engagement, ihrem Können und ihrem Fleiß bereichert. Der Landesregierung ist es deshalb ein besonderes Anliegen, die Leistungen dieser Menschen zu würdigen.

Das Integrationsministerium hat daher auch der analogen Wanderausstellung „Das Russlands-Deutsche-Haus“ im rheinland-pfälzischen Online-Migrationsmuseum „Lebenswege“ ein dauerhaftes virtuelles Zuhause gegeben, sodass ein Stück russlanddeutsche Geschichte gewürdigt wird und für die nachfolgende Generation erhalten bleibt.

Die Ausstellung selbst wurde von der Aussiedlerarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen entwickelt und war mit Unterstützung der Evangelischen Kirche der Pfalz von 2003 bis 2014 in Rheinland-Pfalz, aber auch bundesweit an mehr als 70 Orten zu Gast. Sie hat dabei mehr als 100.000 Besucherinnen und Besucher angezogen.

Ergänzend zu dieser als begehbares Haus konzipierten Ausstellung hat die Landesregierung drei Veranstaltungen zur Kultur der Aussiedlerinnen und Aussiedler in Germersheim, Altenkirchen und der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin durchgeführt, und zwar immer in Zusammenarbeit mit den Aussiedlerinnen und Aussiedlern vor Ort. Das Projekt hat Wellen geschlagen, sodass jetzt auch in Baden-Württemberg eine als Haus konzipierte Wanderausstellung zu den Russlanddeutschen auf Wanderschaft geht.

Zusätzlich hat das Land im Sinne der „Oral History“ Videoporträts anfertigen lassen, in denen von Erfahrungen erzählt wird, was uns alle an der Geschichte und den Leistungen der Aussiedlerinnen und Aussiedler teilhaben lässt. Auch diese Videos finden sich im Online-Museum „Lebenswege“ unter www.lebenswege.rlp.de.

Das Thema Aussiedlerinnen und Aussiedler wird zudem im Rahmen des Themas Migration in den Schulen in Rheinland-Pfalz behandelt. Auch unser Online-Museum „Lebenswege“ mit seinem ausführlichen Bereich zum Thema Aussiedler und seinen für den Zugang zu Jugendlichen geeigneten Zeitzeugen-Videoclips wird für den Schulunter

richt genutzt, übrigens mittlerweile auch über RheinlandPfalz hinaus, beispielsweise in Baden-Württemberg. Die Koordinierungsstelle für Zeitzeugengespräche im Unterricht in Rheinland-Pfalz am Pädagogischen Landesinstitut vermittelt Schulen zudem auch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zum Thema.

Darüber hinaus stehen in Rheinland-Pfalz Mittel zur Förderung der Integration von Aussiedlerinnen und Aussiedlern im Integrationsministerium bereit. Die eingehenden Förderanträge, die zum Beispiel von der ZMO, dem Verein zur Zusammenarbeit mit Osteuropa e.V., an das Integrationsministerium gestellt worden sind, hat das Land stets vollumfänglich unterstützt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, zudem behandelt die Landeszentrale für politische Bildung das Thema Aussiedlung in ihren Veranstaltungen und Publikationen. In diesem Jahr wird etwa die deutsche Minderheit in Polen Thema einer Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung in Mainz sein, und zwar am 13. Juni 2018, also eine Woche vor dem bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni.

In der Vergangenheit gab es zum Beispiel auch Veranstaltungen zur deutschen Minderheit in Rumänien und die Repressalien unter Stalin in Rumänien und Osteuropa innerhalb einer Veranstaltungsreihe, die sich mit der Geschichte und Kultur Rumäniens beschäftigte. In Bezug zur deutschen Auswanderung nach Amerika, weil auch das im CDU-Antrag erwähnt wird, hat dies die Landeszentrale für politische Bildung als Thema ebenfalls in Veranstaltungen aufgegriffen und wird dies auch in diesem Jahr weiter fortsetzen.

Dies gilt einmal für die Auswanderung nach Nordamerika und insbesondere in die USA, aber auch in Bezug auf die Auswanderung nach Südamerika, wie beispielsweise Brasilien. Angedacht sind auch Veranstaltungen zur historischen Migration von Deutschen nach Osteuropa, etwa nach Galizien. Sie haben richtig gehört, nach Galizien. Es geht nicht um die spanische Region mit der Hauptstadt Santiago de Compostela. Es geht um die Region in der heutigen Ukraine und Polen.

Die Leistungen und die Geschichte von Aussiedlerinnen und Aussiedlern finden in Rheinland-Pfalz bereits Anerkennung und Würdigung. Das ist auch gut so.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keine Wortmeldungen mehr.

Es wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/5148 – an den Ausschuss für Familie, Jugend, Integration und Verbraucherschutz – federführend –

und an den Ausschuss für Bildung zu überweisen. Besteht Einverständnis? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:

Die Zukunft Europas gestalten – Europa im Leben der Menschen erfahrbar machen – Die Sprache des Nachbarn lernen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/5149 –

Es ist vereinbart worden, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache zu behandeln. Es wird vorgeschlagen, den

Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/5149 – an den Ausschuss für Europafragen und Eine Welt – federführend – und an den Ausschuss für Bildung zu überweisen. Besteht Einverständnis? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Damit beende ich die heutige Sitzung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen uns wieder am Samstag, den 27. Januar 2018, in Koblenz. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt und einen guten Abend.

E n d e d e r S i t z u n g : 1 7 : 4 6 U h r