Damit sind wir beim Kern der Sache. Wer kontrolliert wen? Wenn die Landesregierung ihre Hausaufgaben nicht macht und notwendige Vereinbarungen nicht abschließt und damit keine eindeutigen Normen setzt, dann ist es die Aufgabe des Parlaments, an dieser Stelle die Landesregierung aufzufordern, ihre Hausaufgaben zu machen. Es ist nicht die eigentliche Aufgabe des Rechnungshofs, politische Tatenlosigkeit im Hinblick auf fehlende Normen zu kritisieren, wobei er es in Bezug auf die Behindertenwerkstätten richtigerweise getan hat. Es ist aber noch viel weniger die Aufgabe des Rechnungshofs, politische Normen zu setzen. Das ist unsere Aufgabe, meine Damen und Herren. Wir begleiten und kontrollieren die Regierung.
Auf der anderen Seite kann der Landesrechnungshof seiner eigentlichen Aufgabe, der Prüfung des korrekten und sorgsamen Umgangs mit Steuermitteln durch die Landesregierung und ihrer Einrichtungen, nur dann in vollem Umfang nachkommen, wenn die politischen Entscheidungen gefällt und entsprechende Normen gesetzt wurden. Nur dann weiß er, welche Prüfmaßstäbe zur Mittelverwendung er anzusetzen hat.
Da ist nun beispielsweise der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein, der die direkte Prüfung der Behinder
tenwerkstätten in diesem Bundesland übernimmt. Das ist aber nur der Tatsache geschuldet, dass dort die Finanzen und die Finanzierung der Behindertenwerkstätten voll in den Händen der Kommunen liegen. Aber auch das setzt politische Vorgaben der Kommunen voraus.
In Rheinland-Pfalz aber sollte die Landesregierung über das zuständige Ministerium und das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung als überörtlicher Träger der Eingliederungshilfe personell und organisatorisch in der Lage sein oder in die Lage versetzt werden, die Mittelverwendung bei Dritten selbst zu prüfen. Dies wäre zudem umso einfacher, würde das Land die alleinige Trägerschaft der Eingliederungshilfe übernehmen. Dann wäre auch ein direkter Durchgriff auf die entsprechenden Daten und Informationen gewährleistet.
Sorgen wir also dafür, dass Regierung und Parlament ihre Arbeit machen. Das heißt zunächst, dass entsprechende Rahmenvereinbarungen mit den Trägern der Behindertenwerkstätten und anderen Leistungserbringern abgeschlossen werden. Damit wären dann auch die legalen Voraussetzungen geschaffen, um den Landesrechnungshof mit zu Prüfungen heranzuziehen, was im eigentlichen Sinne auch die Intention des Gesetzentwurfs war.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich einmal direkt mit dem Vorwurf aufräumen, den Herr Dr. Weiland heute erneut erhoben hat und der in der Öffentlichkeit gern geäußert wird: Wenn man diesem Gesetzentwurf nicht zustimme, wolle man keine wirtschaftliche Prüfung der Behindertenwerkstätten. – Das ist schlicht und ergreifend falsch.
Die FDP-Fraktion will die Prüfung, die Ampelkoalition will die Prüfung, die Landesregierung will die Prüfung, und auch die Werkstätten wollen die Prüfung. Das wurde immer wieder dargelegt und ist protokollarisch festgehalten, auch wenn es in der öffentlichen Diskussion gern einmal nicht erwähnt wird.
Aber in der Anhörung ist auch deutlich geworden, es ist wichtig, dass die Prüfungen auf einer sicheren rechtlichen Grundlage beruhen. Dafür sind Rahmenverträge notwendig; das ist klar durch Bundesrecht festgeschrieben. Wir hatten die Diskussion über die Leistungs-, Vergütungsund Prüfungsvereinbarungen.
Nun liegt uns der Entwurf eines Landesausführungsgesetzes zum BTHG vor, der die Normierung eines anlasslosen Prüfrechts für alle Träger der Eingliederungshilfe vorsieht, und zwar eine regelmäßige Prüfung. – So viel zum Thema,
Im Zuge dessen werden auch die Verhandlungen der Rahmenverträge neu aufgenommen und notfalls, wie im Ausschuss schon erwähnt, durch eine Rechtsverordnung ersetzt. Somit sind die Möglichkeiten zur Prüfung bei Inkrafttreten der jeweiligen Bestimmung vollumfänglich gegeben.
Auch bereits nach der aktuellen Regelung hat der Rechnungshof die Möglichkeit, die Tätigkeit des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung als zuständige Prüfinstanz zu überprüfen, und er wird, wenn nötig, mit Sicherheit auch Unterlagen direkt vom Träger anfordern und einsehen. Deswegen halten wir es für den richtigen Weg, die Prüfungen über das Landesausführungsgesetz zum BTHG so zu regeln, wie es durch Bundesrecht vorgesehen ist.
Über weitere spezifische Regelungen im Bereich der Behindertenwerkstätten lässt sich im Rahmen weiterer Diskussionen sprechen. Ich habe beispielsweise im Ausschuss den Wunsch der Behindertenwerkstätten geäußert, einen Mechanismus zur Anpassung der Entgelte einzuführen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich aber festhalten, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht zielführend ist.
Im Ausschuss haben Sie von der CDU auch gesagt: Wenn vom Rechnungshof 30 Millionen Euro zu viel attestiert würden, sei das doch gar kein Problem. Man könne ja politisch entscheiden, dass es einem das wert ist. – Diesen Satz werde ich mir merken, wenn Sie, wie immer, der Landesregierung vorwerfen, zu hohe Ausgaben zu tätigen, und dabei auf den Bericht des Rechnungshofs verweisen.
Schließlich möchte ich noch eine interessante Pressemitteilung vom 4. August 2017 zitieren. Darin hatte Herr Schreiner im SWR auf die Auffassung des Rechnungshofs verwiesen, dass die Personalschlüssel für die Behindertenwerkstätten nicht sachgerecht seien und zu vermeidbaren Mehrausgaben für das Land führten. Auch wird die Landesregierung aufgefordert, weiterhin darauf hinzuwirken, dass die Tagessätze der Einrichtungsträger verringert werden.
Damit bin ich wieder beim Personal. Sie können nicht sagen, Sie setzen sich mit aller Gewalt für die behinderten Menschen ein, wenn Sie das Personal basierend auf Zahlen wegstreichen wollen. Ganz einfach!
Ich rufe noch einmal zur Versachlichung dieser Debatte auf. Wir diskutieren heute schon etwas ruhiger als im letzten Plenum – das ist sehr gut – und schon sehr sachlich. Da Sie die FDP in Schleswig-Holstein zitiert haben, möchte ich Ihnen sagen, dort liegt doch ein ganz anderes Trägerkonstrukt vor.
aus dem Stadtrat Düsseldorf zu nehmen. Als es dort um Mittelkürzungen in Höhe von nur 300.000 Euro ging – dort redet man nicht über 30 Millionen Euro –, sagte er: Die CDU wird diese Kürzungspolitik nicht mitmachen; denn sie führt dazu, dass Menschen mit Behinderung der Zugang zu Arbeit und Beschäftigung erschwert wird.
(Abg. Christine Schneider, CDU: Es geht doch um die Kontrolle und nicht um die Kürzung von Mitteln!)
Entlassungen und Umstrukturierungen drohen. Betreuerinnen und Betreuer verlieren ihren Job. Viele Werkstattangehörige müssen auf andere Einrichtungen ausweichen. –
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es denn eigentlich in der aktuellen Diskussion? Es geht zum einen – Herr Kollege Weiland, in diesem Punkt gebe ich Ihnen recht – um eine möglichst effiziente und auch transparente Verwendung von Steuergeldern. Über 900 Millionen Euro im Jahr ist schon eine Hausnummer, bei der man auch genauer hinschauen sollte.
Ich möchte Ihnen aber auch sagen, dass die Höhe und die Dynamik bei den Kosten der Eingliederungshilfe kein rheinland-pfälzisches Phänomen ist, sondern in allen Bundesländern in Deutschland immer weiter ansteigen. Darüber sind wir froh; denn das bedeutet auch, dass immer mehr Menschen mit Behinderung mitten unter uns leben und auch immer mehr Menschen älter werden, die im Alter von Behinderung betroffen sind.
Aber vor allem geht es doch um die Frage: Was ist der Zweck der Eingliederungshilfe? – Der Zweck der Eingliederungshilfe ist die Integration oder, noch besser, Inklusion von Menschen mit Behinderung im gesellschaftlichen Leben. Ich würde mir wünschen, wenn es in der Debatte auch wieder mehr um diese Fragestellung gehen würde.
Sehr geehrter Herr Dr. Weiland, Sie sind von Hause aus kein Sozialpolitiker. Aber es hilft auch nicht, mangelnde Sachkompetenz in der einen oder anderen Frage mit Lautstärke zu übertönen. Das hilft der Diskussion nicht.
Erstens: Ihr Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht. Das geht so weit, dass in der Anhörung deutlich geworden ist, dass die von Ihnen benannten Anzuhörenden über etwas ganz anderes gesprochen haben, als Sie im Gesetzentwurf beantragt haben. Während die Anzuhörenden über
ein nachrangiges Prüfrecht des Rechnungshofs gesprochen haben, beantragen Sie ein gleichrangiges Prüfrecht, in dem gar nicht klar ist, in welchem Verhältnis Landesamt und Rechnungshof entsprechend prüfen sollen.
Das Zweite ist – und das ist eigentlich das Eklatanteste –, das Problem, das Sie darstellen, dass es in der Eingliederungshilfe bisher keine Prüfverfahren gibt, wird durch Ihren Gesetzentwurf überhaupt nicht gelöst. Das heißt, hätten wir das, was Sie fordern, bisher im Gesetz gehabt, wäre auch nicht geprüft worden.
Das Problem ist nicht, dass es keine Prüfer gibt, sondern das Problem ist, dass es über Jahre nicht gelungen ist, eine entsprechende Rahmenvereinbarung zwischen dem Land, den kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern zustandezubringen, völlig unabhängig davon, wer hinterher möglicherweise die Einhaltung dieser Vereinbarung überprüft. Dort, wo nicht klar ist, was überhaupt geprüft werden soll – was bedeutet denn eine zweckmäßige Verwendung der Mittel? –, dort kann eben nicht geprüft werden, und dabei ist es völlig egal, ob das Landesamt oder jemand anderes als Prüfer dafür vorgesehen ist.
Drittens: Deswegen sollten Sie, wie ich finde, Ihren Untreuevorwurf noch einmal überdenken. Es sind drei Parteien an dieser Frage beteiligt: Das ist das Land, es sind die Träger – also auch die Wohlfahrtsverbände; mit denen können Sie sich einmal darüber unterhalten –, aber zuletzt gescheitert ist die Vereinbarung doch an den kommunalen Spitzenverbänden. Soweit ich weiß, sind doch die aktuellen Vorsitzenden in den Landkreisen und den Städten, die Träger der Eingliederungshilfe sind, aus Ihrer Partei.
Meine Damen und Herren, viertens entspricht es auch nicht dem Bundesrecht. Dort ist klar normiert, dass die Prüfung durch den Träger der Eingliederungshilfe erfolgen soll. Ich weiß nicht, weshalb Sie von der CDU einen Popanz aufbauen, wenn wir auf Landesebene genau das verteidigen, was Sie im Deutschen Bundestag bundesweit normiert haben, dass nämlich der Träger der Eingliederungshilfe die beste Kompetenz hat und deswegen vorrangig auch die Eingliederungshilfe prüfen kann. Das passt für mich nicht zusammen.
Auch Ihren Hinweis auf Schleswig-Holstein kann ich nicht nachvollziehen. Herr Kollege Wink hat es eben gesagt: In Schleswig-Holstein haben wir eine völlig andere Struktur. In Schleswig-Holstein ist die Eingliederungshilfe komplett kommunalisiert, und die Kommunen haben logischerweise kein Landesamt, das entsprechend prüft. Deswegen hat man es dort so geregelt, dass der Rechnungshof im Auftrag der Kommunen diese Prüfung durchführt. –
Nun könnten Sie stringenterweise als CDU-Landtagsfraktion die Kommunalisierung der Eingliederungshilfe in Rheinland-Pfalz fordern, aber dies gegen den vehementen Widerstand der Selbsthilfe, der Wohlfahrtsverbände und der Sozialpolitiker an diesem Ort. Das wäre zumindest stringent, aber so stringent sind Sie ja nicht. Ihnen geht es nicht um die Lösung des Problems, und Ihnen geht es auch nicht um die Teilhabe von behinderten Menschen in Rheinland-Pfalz. Es geht Ihnen – das haben wir heute gehört – nur darum, eine Headline zu produzieren, möglichst viel Hahn und Nürburgring hineinzupacken. 900 Mil
lionen Euro sind eine Hausnummer! So kommt man in die Zeitung, so kommt man aber in der Sache keinen Schritt weiter.
Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, möchte ich weitere Gäste bei uns begrüßen. Ich begrüße Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis 14, das ist konkret Bad Neuenahr-Ahrweiler. Herzlich willkommen im Mainzer Landtag!