Meine Damen und Herren, wir feiern in diesem Jahr 2019 70 Jahre Grundgesetz. Das Grundgesetz buchstabiert das Gründungsversprechen der Bundesrepublik Deutschland aus. Das heißt: Nie wieder – nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz. – Das ist unser Auftrag, der aus dem Grundgesetz erwächst: Die Würde jedes einzelnen Menschen achten, die universellen Menschenrechte für alle durchsetzen und ein friedliches, freiheitliches und demokratisches und soziales Miteinander gestalten. Das ist der Auftrag unserer Verfassung, unserer Demokratie, das ist der Auftrag der Parlamente, aber auch des gesamten Staats, und nicht zuletzt ist das auch der Auftrag unserer Bildungseinrichtungen.
Gerade wir in Deutschland wissen doch, Demokratie ist eine historische Errungenschaft. Demokratie ist kein Naturgesetz oder Zufall, sondern Demokratie ist das Ergebnis menschlichen Handelns, menschlicher Erziehung, menschlicher Vernunft und gemeinsamer Werte. Ja, Demokratie ist das Ergebnis von Haltung.
Das möchte ich ganz deutlich betonen: Demokratie braucht Haltung. Demokratie ist Haltung. Unser Grundgesetz formuliert Haltung.
Demokratie bedeutet die Einhaltung der Menschenrechte. Demokratie bedeutet die Achtung der Würde jedes Einzelnen, und Demokratie bedeutet auch den Schutz von Minderheiten. Deswegen ist Demokratie auch zentrale Aufgabe unserer Kitas, unserer Schulen und der außerschulischen Jugendbildung.
Da darf Schule nicht unpolitisch sein; überparteilich natürlich, aber Schule ist eben kein politikfreier Raum. Schulen müssen noch mehr zu Bildungsstätten der Demokratie werden. Die Wahl- und Partizipationsforschung zeigt uns, dass die demokratische Teilhabe und das konkrete Wählengehen unmittelbar mit politischem Interesse zusammenhängen.
Wenn wir eine starke und aktive Demokratie wollen, müssen wir dieses politische Interesse schon früh in unseren Kindern wecken. Deswegen wollen wir die demokratische politische Bildung in allen Bildungseinrichtungen stärken.
Wir erleben in diesen Tagen auch, dass es nicht mehr nur um Politikverdrossenheit geht. Wir erleben auch, wie rassistische, antidemokratische Tendenzen in unserer Gesellschaft immer mehr um sich greifen. Wir erleben, dass menschenfeindliche Parolen und pauschale Verurteilungen von Minderheiten wie zum Beispiel Flüchtlingen oder Menschen anderen Glaubens immer wieder, immer mehr gesellschafts- und parteifähig werden.
Die Achtung Anderer, die Verantwortungsethik, die politische Mündigkeit und Eigenständigkeit sind wesentliche Bausteine eines sozialen Lernens in der demokratischen Gesellschaft.
(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Der weiß gar nicht, was das ist!)
Gerade in Zeiten von politischem Extremismus, Rassismus, Antisemitismus, Homo- und Transphobie, Antifeminismus und Demokratiefeindlichkeit wird das gemeinsame soziale und demokratische Lernen an unseren Schulen und Kitas noch wichtiger. Der Demokratiebildung kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu.
Es ist gerade die Aufgabe von Bildung in einer Demokratie, unsere Kinder und Jugendlichen gegen solche demokratieund menschenverachtenden Tendenzen starkzumachen.
Demokratieerziehung, Gewalt- und Extremismusprävention sowie die historische politische Bildung mit einer verankerten Gedenk- und Erinnerungskultur an unseren Schulen sind wichtige Maßnahmen; denn – das ist unser Auftrag – Minderheiten und vermeintlich Schwache in unserer Gesellschaft dürfen nie wieder Ziel des Hasses von menschenverachtenden Ideologien sein, meine Damen und Herren.
Demokratie lernen und Demokratie leben gehören zusammen. In demokratischen Verhältnissen aufzuwachsen und den respektvollen Umgang miteinander, auch mit anderen Meinungen, als selbstverständlich zu erfahren, ist vielleicht eine der wichtigsten Grundlagen für ein demokratisches Gemeinwesen und für demokratische Einstellungen und Verhaltensweisen.
Aber die Entwicklung demokratischer Handlungskompetenzen erfordert auch das ganz konkrete Wissen über Prinzipien und Regeln, über Fakten und Institutionen unserer parlamentarischen Demokratie. Deswegen braucht es eine Stärkung politischer Grundbildung und auch den Ausbau von Sozialkunde an allen Schulen.
Ja, wir wollen mehr Sozialkunde an allen rheinlandpfälzischen Schulen. Das wurde bereits im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ in der letzten Legislaturperiode entsprechend formuliert. Es wurde festgestellt, dass, um das politische Interesse junger Bürgerinnen und Bürger zu wecken, sie frühzeitig für die Herausforderungen einer freiheitlichen Demokratie sensibilisiert werden sollen und der Erwerb von Fakten und Kenntnissen über unsere Demokratie und unsere Parlamente von entscheidender Bedeutung ist. Deswegen setzen wir uns schon seit Jahren für den Ausbau des Sozialkundeunterrichts an allen Schularten ein.
Es ist gut und richtig, dass Bildungsministerin Dr. Hubig in der Regierungserklärung verkündet hat, dass die Kinder spätestens ab der 8. Klasse in allen Schularten Sozialkundeunterricht bekommen werden, dass in der Oberstufe auch das Fach Sozialkunde gestärkt wird und insgesamt 70 Stunden mehr Sozialkunde in der Mittelstufe für alle Schülerinnen und Schüler gelehrt wird und dafür 50 zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein gutes Signal und ein richtiger und wichtiger Schritt, meine Damen und Herren.
Aus gutem Grund ist die politische Bildung an rheinlandpfälzischen Schulen aber nicht nur auf Sozialkunde beschränkt, sondern sie ist – so steht es in der Verfassung und im Schulgesetz – Aufgabe der gesamten Schule. Damit Menschen in unserer Gesellschaft mitwirken, für demokratische Werte eintreten und sich einbringen können, müssen sie nicht nur frühzeitig lernen, sondern auch erleben, wie demokratische Strukturen und Prozesse funktionieren. In dem Punkt spielen als zentrale Orte nicht nur
die Schulen, sondern auch die Kitas eine wichtige Rolle. Mit Demokratiebildung kann man gar nicht früh genug anfangen. Deswegen beginnt in Rheinland-Pfalz das Erlernen von Demokratie schon in den Kindertagesstätten. Demokratieerziehung ist in den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen verankert. Sie sind Auftrag und Ziel der Arbeit aller Kitas in unserem Land.
Um diese Bedeutung zu unterstreichen, haben wir bereits im Doppelhaushalt 2017/2018 einen eigenen Haushaltstitel zur Förderung der Demokratieerziehung und der Menschenrechtsbildung ausgewiesen. Das darf dann in der Schule nicht aufhören. Es hört auch in der Schule nicht auf.
Die zahlreichen in Rheinland-Pfalz initiierten Maßnahmen im Bereich der Demokratiebildung, des sozialen Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung wie Klassenrat, Schülerparlament, die Arbeit der Schülerinnen- und Schülervertretungen, Gewalt- und Extremismusprävention, Streitschlichtung, Argumentationstrainings, der Schülerlandtag, unser Schulbesuchstag am 9. November, die Demokratietage, die Gedenkstättenbesuche und die internationalen Schülerbegegnungen und -austausche – all das sind hervorragende Beiträge zur Demokratiebildung im Alltag an unseren Schulen.
Im „Orientierungsrahmen Schulqualität“ sind zur Schulkultur Ziele festgelegt, die für Demokratiebildung grundlegend sind: Teilhabe am Schulleben, das Etablieren einer Feedback-Kultur, Akzeptanz und Toleranz von verschiedenen Meinungen, Traditionen und Lebensweisen sowie die Förderung von Verantwortungsübernahme auch durch Schülerinnen und Schüler. Das ist das Leitbild unserer Schulen in Rheinland-Pfalz.
Die Koordinierungsstelle „Demokratie lernen und leben“ wird nun im Pädagogischen Landesinstitut zu einer Servicestelle „Demokratiebildung“ ausgebaut, um auch diesen Auftrag ganz konkret in den Schulen nachkommen zu können und zu unterstützen. Wir unterstützen das nicht nur politisch, sondern auch finanziell.
Wir haben die Mittel für Demokratiebildung im jetzigen Haushalt verdoppelt. Wir haben die Haushaltsmittel erhöht und die Landesprogramme zu Gewalt- und Extremismusprävention ausgebaut. Wir haben eine zusätzliche Stelle für die Koordination von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gebildet. Wir haben mehr Mittel für die Demokratieerziehung in den Kitas bereitgestellt. Wir haben das Grundschulprogramm des Landtags, das hervorragend ist, entsprechend finanziert und werden nicht zuletzt auch die Landeszentrale für politische Bildung in ihrer Arbeit weiter unterstützen.
Zudem hat die Ministerin eben gesagt, dass nun mit dem Gesamtkonzept Demokratiebildung zusätzlich 4 Millionen Euro in diesen wichtigen Zukunftsbereich investiert werden. Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Signal dafür, dass uns die Demokratiebildung in diesem Land eine ganze Menge wert ist.
Auch eine gute Maßnahme ist, dass die Geschäftsstelle des Bündnisses „Demokratie gewinnt!“ eingerichtet wird. Wir kennen das vom Landesdemokratietag, ein hervorragendes Forum, auf dem innerschulische Demokratiebildung mit außerschulischer Demokratiebildung und Jugendarbeit zusammenkommt. Das ist wirklich eine ganz hervorragende Plattform und ein Forum, das gestärkt wird. Das ist wirklich gut. An der Stelle möchte ich auch sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen außerschulischer und innererschulischer Demokratie- und Jugendbildung ein ganz wichtiger Punkt ist. Ich möchte nur beispielhaft die hervorragende Arbeit des Netzwerks für Demokratie und Courage nennen, in dem junge Menschen anderen jungen Menschen beibringen, wie eine demokratische und tolerante Gesellschaft funktioniert und man Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz in der Gesellschaft entlarvt.
Die Kooperation mit außerschulischen Partnern in der Demokratiebildung und Jugendarbeit wird auch deutlich in der Jugendstrategie des Landes „JES! Eigenständige Jugendpolitik – mit PEP vor Ort“, deren Grundziel Partizipation ist, politische Jugendarbeit und Beteiligung zu unterstützen, ganz konkret im Jugendverband, ganz konkret in der Kommune. Dass es jetzt gelungen ist, das Programm mit 1 Million Euro pro Jahr zu unterlegen, zeigt, uns ist die demokratische Bildung in den Schulen wichtig, aber eben auch die tolle und engagierte Arbeit der Projektpartner in der außerschulischen Jugendbildung. Das ist kein Gegeneinander, sondern das ist ein gutes und wichtiges Miteinander in unserer rheinland-pfälzischen Bildungsgesellschaft.
Meine Damen und Herren, Demokratie muss Kindern und Jugendlichen an den Schulen nicht nur gelehrt, sondern sie muss auch gelebt werden. Wir freuen uns zu sehen, dass sich viele Schülerinnen und Schüler sehr stark politisch engagieren. Dass gerade viele Schülerinnen und Schüler bei „Fridays For Future“ auf die Straße gehen, um für ihre Zukunft und für Klimaschutz zu demonstrieren, ist ein gutes Zeichen.
(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Das kann man auch am Samstag machen! – Abg. Michael Frisch, AfD: Schule schwänzen!)
Ich finde, gerade wenn sich junge Leute engagieren und demokratisch beteiligen, ist es auch an uns, das einmal auszuhalten. Das kann nicht immer nur konform mit unseren Regeln usw. sein.
Das muss auch nach vorne gerichtet und darauf ausgerichtet sein, Dinge zu verändern, vielleicht auch manches zu hinterfragen. Demokratinnen und Demokraten sollten so etwas aushalten. Das tun wir auch.
Mit der Novelle des Schulgesetzes werden die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Schülerinnen und Schüler verbindlich gestärkt und ausgeweitet.
Mit der Novelle des Kindertagesstättengesetzes werden die Beteiligungsrechte der Eltern erstmals gesetzlich implementiert und die demokratische Beteiligung von Kindergartenkindern gesetzlich in Rheinland-Pfalz festgeschrieben. Wie gesagt, man kann nicht früh genug damit anfangen.
Meine Damen und Herren, letztlich kommt es aber darauf an, Demokratie wirklich zu leben und erlebbar zu machen. Wir machen das mit dem Kita-Gesetz. Wir machen das mit dem Schulgesetz. Aber wir wollen ganz konkret sozusagen bei der großen Demokratie, dass junge Menschen früher ihre fundamentalen demokratischen Rechte bekommen und Jugendliche bei uns in Rheinland-Pfalz ab 16 Jahre endlich wählen dürfen. Dafür werden wir uns weiter einsetzen, und wird werden dafür kämpfen, Mehrheiten in diesem Hause zu bekommen.
Lassen Sie mich ganz kurz etwas zum Thema „Schüleraustausch“ sagen. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Punkt, um den europäischen Gedanken und die Freundschaft mit unseren Freunden im Ausland zu fördern. Herr Baldauf, Sie haben gesagt, dass der Titel im Haushalt nicht erhöht worden ist. Jetzt sind Sie in der Detaildiskussion nicht so drin. Es ist nicht nur der eine Titel im Haushalt, aus dem Schüleraustausche gefördert werden,