Protokoll der Sitzung vom 02.03.2023

Wer mir jetzt sagt, es gäbe einen unendlichen Investitionsstau und man müsse nur auf den Eigenanteil verzichten, dann würde das Geld quasi automatisch abfließen, dem sage ich, ja, es ärgert mich wahnsinnig, dass Geld nicht abfließt. In diesem Bereich sind bis jetzt noch nicht einmal 10 % der Summen ausgegeben und abgeflossen, aber wir stehen vor der großen Herausforderung, dass bis zum Jahresende droht, dass Bundesgeld verfällt, wenn die Träger Geld, das sie nichts kostet, nicht ausgeben. Auch dazu befinden wir uns im Gespräch.

Unseren Krankenhäusern geht es wirtschaftlich nicht besonders gut. Das liegt vor allem an der Betriebskostenfinanzierung. Wir setzen uns dafür ein, dass es mehr Vorhaltekosten und höhere Erlöse für die aufgelaufenen Kosten und Leistungen, die angeboten werden, gibt. Insgesamt bin ich aber sehr froh, dass unsere Krankenhauslandschaft in Rheinland-Pfalz so gut aufgestellt ist wie sie aufgestellt ist.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit wären wir am Ende von Tagesordnungspunkt 9. Dazu liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Mit der Aussprache hat sich der Tagesordnungspunkt erledigt.

Wir kommen jetzt zu Punkt 10 der Tagesordnung:

Altershöchstgrenzen bei Schöfen abschafen Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER – Drucksache 18/5550 –

Es wurde eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Es spricht Abgeordneter Stephan Wefelscheid für die antragstellende Fraktion der FREIEN WÄHLER.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“, wer von uns hat diesen Satz nicht schon einmal gehört oder gelesen? Was bedeutet dies aber? – Dies wird uns dieser Tage wieder vor Augen geführt, wenn händeringend nach Laien gesucht wird, die sich für die nächste Amtsperiode ab dem Jahr 2024 als ehrenamtliche Richter bereit erklären, zusammen mit Berufsrichtern Recht zu sprechen. Ja, zugleich erklären sie sich damit bereit, dieses Ehrenamt gleich für fünf Jahre auszuüben und damit ihrer Bürgerpflicht nachzukommen. Zwölf Sitzungen im Jahr sind vorgesehen, aber es können auch schnell mehr werden, die den ehrenamtlichen Richtern ein hohes Maß an Flexibilität zeitlich und persönlich abverlangen.

Etwa 60.000 Schöfen werden bundesweit benötigt. Aktuell sind in RheinlandPfalz 1.620 Hauptschöfen tätig; mit Ersatzschöfen sind es 2.800 Personen, Tendenz steigend.

Allein bei mir in Koblenz am dortigen Landgericht werden derzeit 288 ehrenamtliche Richter gebraucht. Hier reden wir nur von den gewählten ehrenamtlichen Richtern. Die Kommunen müssen aber auf ihren Vorschlagslisten das doppelte Kontingent vorschlagen. Mithin reden wir von der Mammutaufgabe, bundesweit 120.000 geeignete Personen auf die Vorschlagslisten zu setzen.

Die Kommunen sind sich einig, dass eine Zwangsverpflichtung, ein Ehrenamt für fünf Jahre auszuüben, hier nichts bringt, sondern man auf Freiwilligkeit setzen muss. Mit einer Zwangsverpflichtung von Schöfen, um dem benötigten Bedarf gerecht zu werden, tun wir weder den Personen, den Amtsgerichten noch uns, der Gesellschaft, einen Gefallen.

Dabei ist die Lösung relativ einfach: Nutzen wir die Ressourcen, die wir haben, und geben wir älteren Menschen, die Zeit und Lust haben, die Gelegenheit, sich ehrenamtlich in den Dienst der Gesellschaft zu stellen; denn wo haben wir besser die für das Schöfenamt so wichtigen Voraussetzungen von Lebenserfahrung und Menschenkenntnis abgebildet als hier?

Wer zum Richten über Menschen berufen ist, braucht Verantwortungsbewusstsein für den Eingrif durch das Urteil in das Leben anderer Menschen. Dies sollte uns allen klar sein.

Die Diskussion um die Abschafung oder Anhebung der Altersgrenze für Schöfen ist nicht neu, das ist uns bewusst. Herr Minister Mertin,

(Der Redner dreht sich zur Regierungsbank)

der nicht anwesend ist, ich weiß nicht, wer – – –

(Staatssekretär Dr. Matthias Frey gibt ein Handzeichen)

Sie vertreten das Ministerium. Dann richten Sie ihm bitte aus, diese Frage ist drängender denn je; denn den Kommunen fehlen hier und jetzt Tausende Schöfen für ihre aufzustellenden Listen.

Lokale und überregionale Medien berichten mittlerweile mindestens wöchentlich über das Thema der Suche nach ehrenamtlichen Richtern. Exemplarisch verweise ich auf den Bericht in der Landesschau Rheinland-Pfalz vom 25. Januar 2023 oder den Artikel in der Rhein-Zeitung vom 6. Februar 2023. Bundesweit läuft eine große Kampagne zur Schöfenwahl 2023 mit dem schönen Titel „Wir schöfen das!“.

Ja, meine Damen und Herren, wir können es schafen, dass dieses Ehrenamt mit geeigneten Personen aus unserer Gesellschaft besetzt wird, aber dafür müssen wir unsere Kommunen bei der Listenaufstellung auch bestmöglich unterstützen.

Zu den Anforderungen an dieses so wichtige Amt und auch die wiederholten Diskussionen zu der Frage, ob die Altershöchstgrenze für die Zulassung zum Schöfenamt noch zeitgemäß ist oder auf sie verzichtet werden sollte, hat sich Herr Mertin im Rahmen der Sitzungen des Rechtsausschusses vom 24. Januar 2019 und 3. Juni 2022 und zuletzt in der Rhein-Zeitung am 6. Februar 2023 leider ablehnend geäußert.

(Abg. Carl-Bernhard von Heusinger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig!)

Richtigerweise führte er an, dass sich die allgemeine Lebenserwartung wie die körperliche und geistige Fitness von Senioren in den vergangenen Jahren grundsätzlich erhöht hat. Er bemühte dann aber leider wieder die seit Ewigkeit kursierende Annahme, dass ein krankheitsbedingter Ausfall mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher werden dürfte.

Diesen Stillstand in der Argumentation können wir Freie Wähler nicht nachvollziehen, besteht doch in allen Fällen das Risiko, dass ein Strafverfahren platzen kann, weil ein Schöfe krankheitsbedingt für längere Zeit ausfällt. Auch stellt Herr Minister Mertin generell infrage, ob sich eine Anhebung der Altersgrenze im Ergebnis tatsächlich positiv auf die Gewinnung von Schöfen auswirken würde. Worauf er diese Behauptung allerdings gründet, müsste er hier einmal erklären, zeichnet mein Austausch mit dem Seniorenbeirat der Stadt Koblenz oder der Landesseniorenvertretung Rheinland-Pfalz doch ein anderes Bild.

Nicht ohne Grund richtete die Europäische Union bereits im Jahr 2012 im Rahmen der Nicosia Conference im Europäischen Jahr des aktiven Alterns an die Mitgliedregierungen den Auftrag, die Teilhabe älterer Menschen auf allen Entscheidungsebenen sicherzustellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen wir diesen und den explizit in § 36 Abs. 2 GVG vorgegebenen Auftrag ernst, sorgen wir für eine Ausgestaltung des Schöfenamts, die unsere heutige pluralistische Gesellschaft sachgerecht auf der Richterbank widerspiegelt, und treten wir für die Abschafung oder zumindest Anhebung der Altershöchstgrenzen auf Bundesebene ein.

Das Ehrenamt sollte immer auf Freiwilligkeit setzen und nicht auf Zwang. Erkennen wir auch hier die Zeitenwende, und geben wir älteren Menschen wieder eine Stimme und die Chance, sich zum Wohl unserer Gesellschaft einzubringen.

Vielen Dank.

(Beifall der FREIEN WÄHLER)

Für die SPD-Fraktion spricht Abgeordneter Christoph Spies.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Kollege Wefelscheid, dass Sie den Antrag heute gestellt haben. Er ist sehr aktuell im Hinblick auf die Schöfenwahl. Auch ist das Thema aufgrund des Amts sehr wichtig.

Es stand bereits mehrfach auf der Tagesordnung des Rechtsausschusses – auch das haben Sie schon gesagt –, im Jahr 2019, wir hatten es im Mai 2022 auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich teile auch Ihre Aussage, dass Schöfnnen und Schöfen ein verantwortungsvolles Ehrenamt wahrnehmen. Das Amt erfordert Entscheidungsfreude, Menschenkenntnis und Lebenserfahrung. Uns sollte jedoch allen klar sein, dass die Tätigkeit als Schöfn und Schöfe gerade bei umfangreichen Straf

verfahren vielfältige Belastungen und Einschränkungen in beruflicher und privater Hinsicht mit sich bringen kann.

Wir als SPD-Fraktion bedanken uns in diesem Zusammenhang bei allen Schöffinnen und Schöfen für den Einsatz für unseren Rechtsstaat.

(Beifall bei der SPD, bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass die Altersgrenze mit europäischem und deutschem Recht unvereinbar wäre. In diesem Punkt muss ich Ihnen deutlich widersprechen. Das ist aus meiner Sicht fachlich falsch. Warum? – Die Beeinträchtigung von subjektiven Rechten, hier zum Beispiel Ausübung des Schöfenamts, kann durch gesetzliche Höchstaltersgrenzen aufgrund legitimer Zwecke gerechtfertigt werden.

Im Hinblick auf Grundrechtsbeeinträchtigungen hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Fällen Höchstaltersgrenzen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit sowie zur Wahrung einer bestimmten ausgewogenen Altersstruktur als gerechtfertigt angesehen. Dabei gesteht das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber ausdrücklich eine Typisierungsbefugnis zu, die es zulässt, an bestimmte Altersgrenzen pauschal anzuknüpfen.

Auch die EU-Diskriminierungsrichtlinie sieht Rechtfertigungsmöglichkeiten für Ungleichbehandlungen vor, insbesondere Artikel 4 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG. Sie führen aber im Ergebnis nicht zu strengeren Maßstäben, sondern entsprechen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Rechtfertigung von Altersgrenzen.

Diese finden wir in der Begründung zu § 33 GVG: „Die Einführung einer Altersgrenze ist geboten, weil die Mitwirkung in der Strafrechtspflege eine große körperliche Spannkraft und geistige Beweglichkeit erfordert.“ Auch wenn der demografische Wandel und die zunehmende Vitalität vieler älterer Menschen unbestritten ist, muss berücksichtigt werden, dass die Mitwirkung vor allem in langen Strafrechtsverfahren in körperlicher und geistiger Hinsicht besonders hohe Anforderungen stellt, weswegen es gerade einer entsprechenden Typisierung bedarf.

Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls flexible Ausgestaltungen von Höchstaltersgrenzen angeraten. Diese kann man zum Beispiel dadurch erreichen, dass die Norm auf Rechtsfolgeseite als Ermessensvorschrift – „kann“ oder „soll“ – gefasst wird. Folge davon wäre, dass nicht allein die mit der Höchstaltersgrenze verbundene Typisierung die Rechtsfolge auslöst, sondern vielmehr eine Einzelfallprüfung stattfinden kann.

Die Literatur sieht die flexible Höchstaltersgrenze nach § 33 Abs. 2 GVG genau als ein solches Beispiel an. Danach „sollen“ Personen nicht zum Amt des Schöfen berufen werden, „die das siebzigste Lebensjahr vollendet haben oder es zu Beginn der Amtsperiode vollenden würden“. Durch die SollVorschrift wird die Rechtsfolge der Nichtberufung insoweit aufgeweicht, als

sie nur in der Regel eintreten soll, Abweichungen von der Rechtsfolge der Nichtberufung im Einzelfall aber zulässt.

Gerade die einschlägige Kommentierung zu § 33 GVG verdeutlicht dies: „Während § 32 die absolute Unfähigkeit zum Schöfenamt regelt, enthalten die §§ 33 und 34 Tatbestände, bei deren Vorliegen eine Person nicht zum Schöffen berufen werden ‚soll‘ (...). Wird die Vorschrift nicht beachtet, ist die Wahl zum Schöfen voll wirksam und es ergeben sich im Gegensatz zu § 32 keine Besetzungsprobleme“, so der Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung.

Es können also bereits heute Personen, welche das 70. Lebensjahr vollendet haben, im Einzelfall Schöfnnen und Schöfen werden. Ebenfalls ist zu bedenken, dass es für Schöfnnen und Schöfen keine bindende Altersgrenze wie im Richterwahlgesetz gibt, die zum Ausscheiden aus dem Amt führen.

(Glocke des Präsidenten)

Besagte Personen können nach geltendem Recht am Ende der Amtsperiode bis zu 74 Jahre alt sein, ohne dass von der Soll-Vorschrift Gebrauch gemacht wurde.

Aus den dargelegten Gründen kann man Ihrem Antrag leider nicht zustimmen. Wir sollten auch die Folgen zum Beispiel eines gesundheitlichen Ausfalls einer Schöfn oder eines Schöfen genau bedenken, der zum Neuaufrollen der Hauptverhandlung führen würde.

(Glocke des Präsidenten)

Deswegen bin ich beim Minister. Wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, wie wir zum Beispiel über Informationskampagnen mehr Menschen für dieses Amt begeistern können.