Protokoll der Sitzung vom 02.03.2023

Der angekündigte Wumms entlarvt sich immer mehr als eine Enttäuschung für die Unternehmer. Es kommt zu wenig und zu spät.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Punkt, der die Trägheit der Landesregierung verdeutlicht, ist das langsame Handeln beim Thema „Fachkräftemangel“. Wir sprechen schon seit Jahren von diesem Problem, aber efektive und wirksame Maßnahmen wurden bisher leider nicht umgesetzt. Dazu nur das Stichwort „Unbesetzte Ausbildungsplätze“. Unsere jahrelangen stetigen Forderungen nach mehr Jobfüxen, mehr Berufswahlkoordinatoren, bezahlte Schülerpraktika in den Ferien, Incentivierung, mehr Berufsschullehrer, mehr Praktika wurden, wie in den jüngsten Haushaltsberatungen, leider abgelehnt.

Im Vorwort zu dem Bericht heißt es von Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt: „Die langjährige Tradition unserer familiengeführten Unternehmen sorgt dafür, dass das unternehmerische Know-how auch künftigen Generationen weitergegeben wird.“ Die Statistik im Mittelstandsbericht und die Stimmen der Unternehmer im Land stellen jedoch ein anderes Bild dar.

(Abg. Stephan Wefelscheid, FREIE WÄHLER: Genau!)

Die nachfolgenden Generationen sind von der überbordenden Bürokratie abgeschreckt und wollen ihre Familienunternehmen nicht weiterführen. Die Landesregierung muss dringend entbürokratisieren und sich daran messen lassen, wie viele landesspezifische Regelungen abgeschaft

(Glocke der Präsidentin)

bzw. entschärft wurden.

(Beifall bei der CDU)

Ausreichend Grund und Boden für Gewerbe- und Industrieareale sind das A und O für die Ansiedlung und Erweiterung von mittelständischen Unternehmen. In Rheinland-Pfalz haben sich diese Flächen schon seit Jahren überproportional verknappt. Dadurch stehen die mittelständischen Unternehmen vor großen, fast unlösbaren Herausforderungen für ihre künftigen Entwicklungen und warten schon seit Jahren auf eine entsprechende Unterstützung durch die Landesregierung.

(Glocke der Präsidentin)

In dieser Erkenntnis hat die Landesregierung im Jahr 2020 eine Konzeptstudie gestartet.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.

Leider ist bis heute keine konkrete Lösung umgesetzt worden.

(Beifall der CDU und bei den FREIEN WÄHLERN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Abgeordneter Dr. Braun.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hätte Ihnen gern noch eine Viertelstunde zugehört, aber das können Sie dann nachher noch vortragen.

Meine Damen und Herren, der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz. Natürlich nicht nur in Rheinland-Pfalz, aber Rheinland-Pfalz ist auch dabei ein besonderes Land. Wir haben viel Mittelstand. Wir haben einen erfolgreichen Mittelstand. Wir haben viele, viele Hidden Champions im Mittelstand, und darauf sind wir stolz in Rheinland-Pfalz. Das wollen wir erhalten, als Landesregierung, als Bundesregierung, und ich glaube als jeder einzelne Abgeordnete und jede einzelne Abgeordnete in diesem Parlament.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei der FDP)

Wir haben 99 % der Betriebe, die im Mittelstand sind. Nun ist das kein Wunder, weil wir nicht so viele Großbetriebe haben, und bei Tausenden Betrieben kommen 99 % beim Mittelstand zustande. Wir haben aber auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mittelstand. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Mittelstand beschäftigt. Deswegen ist der Mittelstand in Rheinland-Pfalz für das Wachstum, den Wohlstand und die Aufstellung der Wirtschaft so wichtig.

Wir haben im Mittelstand die Betriebe, die an die Großindustrie zuliefern. Wir haben im Mittelstand vor allem die Innovation, und ganz wichtig ist für uns alle, wir haben im Mittelstand vor allem auch die Ausbildung. Wenn die großen Betriebe bei der Ausbildung versagen, wissen wir, wir können uns auf das Handwerk verlassen, wir können uns auf die mittelständischen Betriebe verlassen. Zwar ist auch dort die Ausbildung zurückgegangen, aber nicht so stark wie in den anderen Bereichen.

Deswegen freuen wir uns, dass dieser Mittelstand in Rheinland-Pfalz innovativ ist, der Mittelstand in Rheinland-Pfalz ausbildungswillig ist und der Mittelstand diese beiden Möglichkeiten in den Vordergrund stellt. So kann der Mittelstand in Rheinland-Pfalz unterstützt und erhalten werden, und das ist unser aller Interesse, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD sowie der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Wir hatten im Ausbildungsjahr 2021 23.400 Ausbildungsverträge, die neu abgeschlossen wurden. Das ist eine ganze Menge, meine Damen und Herren. Wenn ich als jemand, der aus Ludwigshafen kommt, sehe, wie stark bei der BASF die Ausbildungsverhältnisse in den letzten Jahren zurückgegangen sind – gut, es ist natürlich nicht mehr leicht, Auszubildende zu finden –, dann muss ich sagen, deswegen ist es so toll, dass wir diferenziert und divers die Möglichkeit in den einzelnen Bereichen haben, Menschen in Rheinland-Pfalz auszubilden.

Wir haben einen Mittelstandslotsen – das heißt, nicht nur der Mittelstand muss gelotst werden, sondern es müssen auch Leute zum Mittelstand gelotst werden, also in beide Richtungen –, und wir haben viele Beratungsangebote in der Regierung, wir haben viele Beratungs- und Förderangebote im Bereich nicht nur des Wirtschaftsministeriums, aber vor allem dort. Wir haben vorhin schon gehört, wir können in Rheinland-Pfalz besonders stolz sein, weil wir auch eine Frauenförderung im Mittelstand haben und dort Gründerinnen und Gründer genauso unterstützen wie in anderen Bereichen.

Das ist das Pfund für die Zukunft. Es ist für die Wirtschaft wichtig, dass man eine Perspektive für die Zukunft hat und schauen kann, wo es hingehen kann. Mit unserem Mittelstand in Rheinland-Pfalz können wir stolz darauf sein, dass wir uns darauf verlassen können, wir haben eine Zukunft, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei der FDP)

Ich will noch einmal besonders auf die Handwerksunternehmen eingehen. Die Handwerksunternehmen sind – das wissen wir – in Rheinland-Pfalz gut aufgestellt. Auch ich kenne diese Klage der Vorsitzenden der Metzger-Innung. Natürlich gibt es Betriebe, die Schwierigkeiten haben, gerade auch im Handwerk. Die Energiepreise sind stark gestiegen. Gerade energieintensive Betriebe wie Bäckereien und Metzgereien brauchen Strom beispielsweise für die Kühlung, die Heizung und das Backen.

Deswegen haben wir Unterstützung angeboten. Es ist so – Sie haben das zu Recht gesagt –, die Unterstützung kommt nicht so schnell, wie man sich die Unterstützung wünscht. Die Unterstützung läuft jetzt aber. Ich kenne hauptsächlich die Klagen, dass es keinen Nachwuchs gibt. Wenn wir sehen, dass Bäckereien und Metzgereien einen Tag die Woche zumachen, liegt es meistens nicht an den Energiekosten, sondern daran, dass sie keine Arbeitskräfte

finden. Das ist unser Hauptproblem. Das hatten Sie auch angesprochen.

Nun aber für die Arbeitskräfte die Landesregierung verantwortlich zu machen, wenn man eine Bundesregierung hatte, die über viele, viele Jahre – genau 16 –, über 16 Jahre verhindert hat, dass wir Arbeitskräfte aus dem Ausland vernünftig anwerben und andere Maßnahmen umsetzen können, dann ist es doch ein bisschen dünn von der Opposition zu sagen, Arbeitskräftemangel, Energiekrise, an all dem ist die Regierung schuld, damit haben wir nichts zu tun, und eigentlich würden wir uns gern nur beschweren. Meine Damen und Herren, das ist zu wenig von der Opposition.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP – Glocke der Präsidentin)

Mehr in der zweiten Runde.

Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP – Abg. Gordon Schnieder, CDU: Es gibt keine zweite, es gibt auch nicht mehr! – Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, freue ich mich, dass wir weitere Gäste bei uns im Landtag begrüßen dürfen: Auszubildende der Firma Wolfgang Loch und Gemeinderatsmitglieder der Ortsgemeinde Berschweiler sowie Auszubildende des Finanzamts IdarOberstein. Seien Sie uns alle ganz herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die AfD-Fraktion spricht Abgeordnete Nieland.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kollegen! Vor uns liegt der Mittelstandsbericht 2022, der die Zahlen des Jahres 2021 darstellt. Es ist ein umfangreiches Konvolut und noch einmal deutlich gewachsen gegenüber den letzten Berichten, von 170 auf nunmehr über 200 Seiten. Darin viele Zahlen, dazu viele schöne Formulierungen und Ausdeutungen, und alles in Hochglanz verpackt.

Ich will Ihnen dies an einem Beispiel aufzeigen. Ich zitiere dazu, mit Erlaubnis der Präsidentin, aus Ihrem Bericht Ihre Wahrnehmung, Rheinland-Pfalz sei bewusst und resilient, und es sei das einzige Bundesland, das diese Wirtschaftsleistung bereits wieder erreicht habe und über dem Niveau des

Jahres 2019 liege.

Ja, das ist wirklich eine gute Leistung, aber gleichwohl, wir müssen bedenken – das sollte der Deutlichkeit, Vollständigkeit und Ehrlichkeit halber vonseiten der Landesregierung auch so formuliert werden –, dass dieser Anstieg des BIP in Rheinland-Pfalz bekanntermaßen fast ausschließlich ein BioNTechEfekt ist. Es ist keine generalisierbare Lagebeschreibung der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz.

(Abg. Carl-Bernhard von Heusigner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch!)

Die Ausgangslage zu kennen, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, künftigen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können. So habe ich mich mit Interesse Ihrem Projekt, Ihrem großen Kapitel „Handlungsprogramm Mittelstand“ im Mittelstandsbericht zugewandt und gesucht, was an Konkretem in den Kapiteln steht, die sich mit der Zukunft befassen.

Ich will ein paar Beispiele geben. Ihre Rheinland-Pfalz-Agenda für die KMU. Sie verweisen auf ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung. Ihre Agenda für die Wirtschaft: in sogenannten Inputpapieren die Transformation analysieren. Interessant ist auch Ihre Demografiestrategie. Es handelt sich um „Gut leben im Alter“. Immerhin stellen Sie in einem Halbsatz fest, dass für die Ansiedlung von Unternehmen eine verkehrsgünstige Lage ein Entscheidungskriterium sein kann.

Ansonsten kein Wort über den notwendigen Erhalt und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur, keine Aussage über eine belastbare und kostengünstige Energieversorgung, praktisch keine konkrete wirtschaftsfördernde Agenda für den ländlichen Raum und einige wenige Absichtserklärungen, immerhin, ganz am Ende des Berichts zu Möglichkeiten des Bürokratieabbaus.

Sie versprechen aber Großes, und ich zitiere: Wir sichern den Wohlstand unseres Landes. – Wenn man Ihren Bericht weiterliest, dann müssten die Investoren hier Schlange stehen.

Ich will Ihnen einmal die Realität dagegensetzen; denn was lesen wir in diesen Tagen in den Medien? – In Winnweiler wird geschlossen, wird abgeschaltet. Warnende Stimmen kommen auch aus den Handwerkskammern. Zitat: „Wenn nicht schnell etwas passiert, werden wir bis zum Ende des Jahres eine Pleitewelle erleben, wie wir sie in der Nachkriegszeit noch nicht hatten.“

Auch der Bundesverband der mittelständischen Industrie warnt vor einer Insolvenzwelle unter kleinen und mittleren Unternehmen, und ich zitiere: „Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand und wissen schon jetzt nicht mehr, wie sie die höheren Kosten bewältigen sollen.“

Sehr geehrte Kollegen, die kleinen Unternehmen stehen aber nicht so oft und so prominent in den Medien. Sehr geehrte Kollegen, die kleinen Unternehmen fallen leise.

Wir fordern Sie auf, endlich wieder eine vernünftige und zukunftsorientierte Politik anzufassen mit bezahlbarer Energie, einer belastbaren Infrastruktur und Konkurrenzfähigkeit durch Bürokratieabbau. Weg mit der EU-Gängelung. Den Rest schaft eine gesunde Marktwirtschaft. Das hier, sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Landesregierung, Ihr Mittelstandsbericht, ist aber eine große Märchenerzählung.