Protokoll der Sitzung vom 24.01.2024

(Glocke des Präsidenten)

freien, wahrhaft demokratischen Dialog zurückkehren, in dem kritische Stimmen nicht ausgegrenzt oder gar verboten werden.

(Zurufe aus dem Hause – Abg. Martin Haller, SPD: Die drei Fragezeichen oder was?)

Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Matthias Joa und Martin Louis Schmidt, frakti- onslos)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Binz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Bilder des vergangenen Wochenendes machen Mut; denn diese Bilder zeigen, wir haben in Deutschland eine wache, eine aktive Zivilgesellschaft. Mehrere Hunderttausend Menschen sind allein am letzten Wochenende in ganz Deutschland auf der Straße gewesen, auch Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer haben ihre Stimme erhoben. In Mainz, in Koblenz, aber auch in vielen kleineren Städten, in Alzey, in Kasel, in Kusel, in Pirmasens sind sie auf die Straße gegangen und haben dort ein ganz klares Zeichen gesetzt gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus und gegen Demokratiefeindlichkeit.

Es hört nicht auf nach diesem Wochenende. Für das kommende Wochenende sind schon wieder ganz viele Demonstrationen angekündigt, auch in Rheinland-Pfalz.

Die durch CORREKTIV veröfentlichte Recherche hat die Öfentlichkeit zu Recht erschüttert und auch erzürnt; denn diese Recherche von CORREKTIV hat für eine breite Öfentlichkeit sichtbar gemacht, dass es eine ganz gefährliche Mischung gibt aus extrem rechten Ideologinnen und Ideologen, zu denen auch Mitglieder der AfD gehören, die nicht weniger vorhaben als demokratische Grundprinzipien abzuschafen und all jene, die sie als nicht Deutsch genug ansehen, außer Landes zu schafen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist völkisches Denken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Demonstrationen am Wochenende zeigen aber auch, sehr viele Menschen in unserem Land stehen dagegen auf und widersprechen dem ganz entschlossen. Sie stehen stattdessen für unser Grundgesetz, für Ofenheit, für eine vielfältige Gesellschaft, und sie stehen vor allen Dingen an der Seite der Menschen in unserem Land, die durch diese Veröfentlichung Angst bekommen haben, die am Tisch in der Familie zusammensitzen und sich die Frage stellen, wo gehen wir denn hin, wenn das alles kommt? Wir stehen an der Seite der Menschen, die sich Fragen stellen wie: Was passiert, wenn die Pläne der Vertreibung nicht nur diskutiert werden, sondern wenn die, die sie diskutieren, auch in die Position kommen, sie umzusetzen? Pläne, wie sie laut CORREKTIV der AfD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Siegmund aus Sachsen-Anhalt dort vorgetragen hat.

Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: Das Straßenbild müsse sich ändern, ausländische Restaurants unter Druck gesetzt werden. Es solle in SachsenAnhalt für dieses Klientel möglichst unattraktiv sein zu leben. –

Diese Vorstellungen, die dort diskutiert werden, zeigen eben, es geht Ihnen um weit mehr als das, was Sie ofen zugeben. Der Begrif Remigration bezeichnet eben nicht das, was Sie in der Öfentlichkeit bezeichnen, sondern er bezeichnet das, was in dieser Diskussion, in dieser Debatte völlig zu Recht

sehr breit von allen demokratischen Fraktionen dargestellt worden ist: die millionenfache Deportation und Vertreibung von Menschen aus unserem Land.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU, bei der FDP und bei den FREIEN WÄHLERN)

Auch die Landesregierung steht an der Seite von Menschen, die sich für unsere Demokratie, für das Grundgesetz einsetzen. Wir brauchen für eine ofene Gesellschaft eine starke Zivilgesellschaft, und das ist etwas, was die rheinland-pfälzische Landesregierung und insbesondere auch mein Haus, aber auch ganz viele andere Ressorts, seit vielen Jahren aktiv unterstützen. Beispielsweise mit dem Landesaktionsplan gegen Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit haben wir die Arbeit gegen Diskriminierung, gegen Gewalt massiv ausgebaut.

Wir haben ein Förderprogramm „Gemeinsam für Gleichwertigkeit“, das zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützt. Wir haben die Beratungsstelle SoliNet, aber auch eine Kampagne „Scroll nicht weg“, die sich insbesondere an Betrofene von digitaler Gewalt wendet.

Besonders erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang aber die Stärkung der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, die wir im letzten Jahr neu aufgestellt haben. Die mobile Beratung gegen Rechtsextremismus ist genau die Beratung, die Menschen in Anspruch nehmen können, wenn sich bei ihnen vor Ort rechte Kräfte festzusetzen versuchen, und wenn sie sich fragen, wie können wir dem entgegenwirken? Wie können wir ein Bündnis auf die Beine stellen?

Diese mobile Beratung haben wir jetzt neu strukturiert. Wir haben sie personell gestärkt. Aus vier Stellen wurden im letzten Jahr 10,5 Stellen, die im Land dafür arbeiten. Vor allen Dingen haben wir die Landesmittel im letzten Jahr verzehnfacht und geben allein für die mobile Beratung jährlich über 500.000 Euro aus.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP – Abg. Gordon Schnieder, CDU: Zu Recht, zu Recht!)

Das und viele andere Dinge tun wir aus einer sehr großen Überzeugung heraus: Rund 1,1 Millionen Menschen in Rheinland-Pfalz haben eine eigene Migrationsgeschichte oder mindestens ein Elternteil mit einer solchen Migrationsgeschichte. Diese Menschen – ich habe es eben schon gesagt – haben angesichts der veröfentlichten Vertreibungspläne berechtigte Sorgen und Ängste, und ihre Unterstützung ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung.

Deshalb freue ich mich auch, dass es uns im letzten Jahr gelungen ist, mithilfe des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ auch die Beratungsstelle m*power für Betrofene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt

gestärkt zu haben. Wir konnten mithilfe des Bundesprogramms im letzten Jahr eine zweite Beratungsstelle in Ludwigshafen eröfnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, viele in unserem Land, ob es die Organisatorinnen und Organisatoren der Demonstrationen der letzten Woche sind, ob es andere Menschen sind, die vor Ort, in den Dörfern, in den Städten, in vielen Initiativen seit Jahren dafür kämpfen, unsere demokratischen Strukturen, unsere Zivilgesellschaft zu stärken, möchten wir auch weiterhin stärken. Ich möchte mich abschließend bei all denjenigen, die in der letzten Woche Demonstrationen angemeldet haben, aber auch bei denjenigen, die dem Ruf dieser Demonstrationen gefolgt sind, ganz herzlich für das große Engagement, für den Mut, für den Einsatz für unsere Demokratie bedanken. Seien Sie versichert, Sie sind nicht allein, wir stehen an Ihrer Seite.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU, der FDP und der FREIEN WÄHLER)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Abgeordnete Schellhammer.

Ich möchte noch einmal darauf eingehen, was wir in dieser Debatte von der AfD gehört haben. Wir haben gehört, dass unabhängiger Journalismus difamiert wurde.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Unabhängig! Also wirklich, ha, ha, ha!)

Es wurde eine Verschwörungserzählung veröfentlicht, die lesen wir im Netz hoch und runter,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

es sei eine gezielte Kampagne und kein unabhängiger Journalismus, der dahinter steckt, und das solle das alles relativieren, was dort aufgedeckt wurde. Sehr durchschaubar, sehr, sehr durchschaubar.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Damian Lohr, AfD)

Zum anderen haben wir auch gehört, dass darauf abgehoben wird, die Beschlüsse und Parteiprogramme der AfD seien doch schließlich verfassungskonform. Das ist nichts anderes als eine Doppelstrategie, die Sie fahren, die Doppelstrategie, sich harmlos zu geben, rechtlich genau abzuprüfen, was wir beschließen können, um noch an der Grenze dessen zu sein, dass man uns möglicherweise etwas nicht nachweisen kann, nämlich die Verfassungswid

rigkeit.

Das ist die klare Strategie, sich damit in der Öfentlichkeit anschlussfähig zu geben, und gleichzeitig immer mehr die Grenze dessen, was sagbar ist, auch die Grenze dessen, was denkbar ist, zu verschieben in Richtung Menschenhass. Das ist Ihre Doppelstrategie, und die ist auch in dieser Debatte ofensichtlich geworden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zurufe der Abg. Joachim Paul und Dr. Jan Bollinger, AfD)

Sie haben sich entlarvt. Sie haben sich auch in der Debatte entlarvt; denn es gibt keine Konsequenzen für die Teilnehmenden an diesen Trefen. Es gibt keine Konsequenzen für die Mitglieder, die im Netz applaudiert haben für die dort ofengelegten Pläne, keine Konsequenzen für die Menschen aus Ihrer Partei, die sich hinter diese Deportationspläne gestellt haben.

Das zeigt nichts anderes, als dass Sie zutiefst demokratiefeindlich sind, und das hat auch diese Debatte gezeigt. Zutiefst demokratiefeindlich.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Schauen Sie doch einmal auf Ihre Parteige- schichte! Sie haben Angst vor der Demokratie! – Abg. Michael Frisch, fraktionslos: Sie sind die Demokratiefein- din!)

Ich möchte nachdrücklich sagen, wir können uns jetzt nicht darauf ausruhen, dass wir einen breiten Protest auf den Straßen haben. Das, was wir inzwischen haben, sind zutiefst rechte Strukturen, die bis hin in das gewaltbereite, extreme rechte Milieu hineingehen. Diese Strukturen zu zerschlagen, dieses Gedankengut zurückzudrängen, die digitalen rechten Echokammern zurückzudrängen, wird kein Sprint sein, sondern muss ein gemeinsamer Marathon sein. Das ist die Auforderung, die aus dieser Debatte hervorgeht.

Der Protest und die heutige Plenarsitzung sind ein gutes Zeichen, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Es wird aber ein gemeinsamer langer Kampf, damit wir unsere Demokratie so vielfältig, so wehrhaft und so demokratisch, wie sie ist, erhalten können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht Abgeordnete Bätzing-Lichtenthäler.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lohr, Herr Frisch, Sie haben sich eben hier hingestellt und demokratische Politiker und Politike

rinnen beschimpft und Verschwörungstheorien herausgeplappert.

(Zurufe von der AfD sowie des Abg. Michael Frisch, fraktionslos)

Sie haben aber erneut verschwiegen, dass zahllose Belege vorliegen, dass Ausländerfeindlichkeit Teil der Identität der AfD ist, dass Ausländerfeindlichkeit zu dieser Partei gehört wie der Führerkult zur NS-Zeit.

(Zurufe von der AfD und des Abg. Michael Frisch, fraktionslos: Oh!)

Das kann man eindeutig belegen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD, bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und bei der CDU)