Protokoll der Sitzung vom 17.04.2024

(Beifall im Hause)

Auch begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Beruflichen Gymnasiums Trier, Fachrichtung Gesundheit und Soziales. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Ebenfalls begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Edith-Stein-Gymnasiums aus Speyer, hier die 12. Jahrgangsstufe. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Abgeordneter Dr. Bollinger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lessons learned aus Corona: Die Antwort auf die Frage, wer welche Lektionen aus der Pandemie gelernt hat, ist ziemlich sicher auch eine Frage der Perspektive. Der den Maßnahmen kritisch

gegenüberstehende Bürger, Wissenschaftler oder Politiker hat wahrscheinlich andere Lehren aus der Pandemie gezogen als deren glühende Befürworter.

Die Kritiker haben sehr zum Ärger der Verantwortlichen in Bund und Ländern, ihrer Unterstützer in den Parlamenten und ihrer Claqueure in den Medien oft genug auch nicht die Lektion lernen wollen, die ihnen eine zunehmend bevormundende, in Wort und Tat oft genug geradezu autoritär auftretende Obrigkeit erteilen wollte, und das ist gut so.

Sie mussten erfahren, mit welcher Leichtigkeit unumstößlich geglaubte Grundrechte und Freiheiten eingeschränkt wurden. Sie mussten erfahren, mit welcher gnadenlosen Vehemenz ein zunehmend autoritär agierender Staat bereit war, diese Einschränkungen durchzusetzen. Sie mussten erleben, mit welchem Eifer viele Medien jeden verunglimpften und mundtot zu machen versuchten, der sich auch nur leise kritisch zu äußern wagte.

(Zuruf des Abg. Gregory Scholz, SPD)

Schnell war man Corona-Leugner, Querdenker oder gar rechtsextrem, und viele Menschen trauten sich nicht mehr, ihre Meinung frei zu äußern.

(Zurufe von der SPD und von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zwischenrufe zeigen, dass diese Einsicht zur Selbstkritik immer noch nicht gegeben ist, leider.

Viele waren aber zu dem Zeitpunkt noch nicht bereit, sich trotz aller Repressionen dem Druck zu beugen. Insbesondere für alle diese Menschen, die den Maßnahmen kritisch gegenüberstanden, ergreife ich heute im Namen meiner Fraktion das Wort, so wie wir es auch während der Pandemie stets gemacht haben, als viele andere sie nicht hören, geschweige denn sich ihrer Anliegen annehmen wollten.

Man mag diese Perspektive nicht teilen, aber sie hat ihre Berechtigung, und zu oft hat sie sich als richtig herausgestellt. Wer das verneint, der hat an einer ehrlichen Aufarbeitung kein wirkliches Interesse.

(Beifall der AfD – Abg. Peter Stuhlfauth, AfD: Nichts gelernt!)

Selbstverständlich gibt es auch andere Sichtweisen, etwa die der politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern und ihrer Unterstützer, die zwar mittlerweile zum Teil Fehler einräumen, die sie dann aber wieder umgehend mit einfältigen Binsenweisheiten zu relativieren suchen, frei nach dem Motto „Fehler sind nun einmal passiert, nichts für ungut, Schwamm drüber“. Das war lange Zeit das Maximum an Fehlerkultur, das den Kritikern der Maßnahmen vonseiten der Befürworter zugestanden wurde.

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Diese kaltherzige, anmaßende und überhebliche Sichtweise, Herr Haller, die

sich insbesondere auch moralisch auf der richtigen Seite wähnte und ihrer Verachtung gegenüber den Kritikern freien Lauf ließ, ist nun ein Grund für die tiefen Risse, von denen die Ministerpräsidentin sagte, es bedürfe einer Aufarbeitung, um sie zu kitten. Diese, wie wir gerade merkten, auch häufig noch heute zutage getragene arrogante Sichtweise bestätigt, dass viele der Verantwortlichen und ihrer Unterstützer leider wenig aus der Pandemie gelernt haben und nicht bereit sind, ihre eigenen Fehler ofen und ehrlich einzugestehen und sich die Tragweite ihres Verhaltens deutlich zu machen. Das macht deutlich, wie wichtig eine ofene und ehrliche Aufarbeitung vorliegend wäre, damit man wirklich etwas aus dieser Krise lernt.

FDP und Grüne und auch der Kollege von der CDU sagten soeben, dass eine umfassende Aufarbeitung im Rahmen einer Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag besser aufgehoben wäre. Diese Meinung kann man so vertreten. Wieso stimmte man dann aber am 27. Mai 2020 für die Einrichtung einer Enquete-Kommission auf Landesebene? Eine Enquete-Kommission übrigens, die bereits selbst auf die ungewöhnlich kurze Tagungsdauer verwies, während der man sich lediglich mit Schlaglichtern der verschiedenen Aspekte befassen konnte, und die darauf verwies, dass es selbstredend nicht möglich gewesen sei, sich dem Geschehenen in der eigentlich notwendigen Intensität zu widmen, sodass bestimmte Aspekte sicher einer vertiefenden Betrachtung und fundierten Auseinandersetzung bedürften. Eine abschließende Beurteilung sei zum damaligen Zeitpunkt schlichtweg nicht möglich gewesen, so die damalige Enquete.

Jetzt wird eine Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss gefordert, und die FREIEN WÄHLER verwiesen auf eine entsprechende Anhörung im saarländischen Landtag. Dort wurden in einer zweitägigen Sitzung des Gesundheitsausschusses verschiedene Experten gehört, quasi im Schweinsgalopp durch die Pandemie. Nachdem man also in einer Enquete-Kommission im Landtag in immerhin sieben Sitzungen lediglich in der Lage war, Schlaglichter zu beleuchten und sich den Erfahrungen aus knapp einem Jahr Pandemie nicht in der notwendigen Intensität widmen konnte, sollen nun drei Jahre Pandemie samt Folgen in wenigen Sitzungen abgefrühstückt werden.

Meine Damen und Herren, für mich hört sich das nicht nach dem aufrichtigen Wunsch und dem Willen zur ofenen und ehrlichen Aufarbeitung an. Mehr dazu in der zweiten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Abgeordneter Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute blicken wir gemeinsam zurück auf eine Zeit, in der wir vor vielen Herausforderungen standen. Corona prüfte unsere Resilienz, schränkte unser Leben ein und Begrife wie Familie, Arbeit, Freundschaft, Freiheit und soziale Absicherung erhielten eine gänzlich neue Bedeutung.

Natürlich müssen auch wir uns als Politik ebenso wie die Partner, die beteiligt waren, und ebenso wie die Medien die Frage stellen, ob und welche Maßnahmen gerechtfertigt waren bzw. wie wir uns aufstellen, um künftig solchen Pandemien entgegenzuwirken. Deshalb hatte Rheinland-Pfalz die Corona-Enquete-Kommission, welche in die Zukunft geschaut und die Pandemie betrachtet hat. Rheinland-Pfalz hat das damals gemacht – so war mein Empfinden –, weil wir mitten in der Pandemie waren, wir mit der Bundesebene zusammengearbeitet und Möglichkeiten gesehen haben, noch auf Bundesebene einzuwirken für künftige Maßnahmen.

Wir haben damals über entscheidende Maßnahmen gesprochen. Wir haben sie ergrifen, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, aber gleichzeitig auch Aspekte wie die Wirtschaft, wenngleich wir dort viele Einschränkungen hatten, in den Blick zu nehmen.

Es wurde ins Gesundheitssystem investiert, in die Krankenhäuser, in die Gesundheitswirtschaft, die einen Aufschwung erlebt hat. Auch die digitalen Technologien wurden gefördert, und die Pandemie zog damals einen Digitalisierungsschub für Wirtschaft, Freizeit, aber auch für Schulen mit sich. Für die Wirtschaft gab es damals finanzielle Hilfen zur Überbrückung.

Die Enquete-Kommission hat aber auch Schwachstellen identifiziert. Wir hatten die Themen „Schutzausstattung“, „Testkapazitäten“, „medizinische Geräte“. „EU-weite Beschafungen“ oder „EU-weite Steuerung“ war ein Thema, „die Lieferketten“ waren ein Thema. Globale Abhängigkeiten haben wir damals besprochen und identifiziert, aber auch soziale Auswirkungen gerade auf Senioren und Jugend und auch Maßnahmen zur Dämpfung.

Kurzum haben wir damals aber auch über die Solidarität und die Gemeinschaft gesprochen. Die Mehrheit der Menschen passte auf sich selbst und auch auf andere Menschen auf. Diese Solidarität ist auch künftig wichtig, und ich danke allen, die diese Solidarität gestützt und geschützt haben in dieser Zeit.

Deshalb fände ich es dennoch richtig, wenn gerade der Bund alle Auswirkungen von Entscheidungen auswertet und den Flickenteppich im Infektionsschutzgesetz beseitigt, damit künftig strukturierte Abläufe planbar umgesetzt werden können.

Wir sehen daher in Rheinland-Pfalz keinen Bedarf für eine erneute EnqueteKommission und tiefergehende Bewertung. Wir sehen das als Freie Demokraten genauso. Einzelne Maßnahmen können wir gerne in einer Expertenan

hörung im Gesundheitsausschuss als denkbare Option verfolgen. Natürlich ist es wichtig, dass wir Auswirkungen beurteilen, sie bewerten, Maßnahmen bewerten, einstufen, aber auch Folgedämpfungen bedenken, gerade weil unklar ist, was uns in der Zukunft erwartet – Herr Dr. Kusch und Herr Dr. Gensch haben es bereits ausgeführt –, gerade um zu sehen: Was war nötig, was hatte welche Auswirkungen, was ist verzichtbar – alles Maßnahmen in Landesverantwortung –, was können wir dafür im Land tun?

Zur kritischen Betrachtung gehört aber auch, Herr Dr. Bollinger, die Sichtweise, die Sie vertreten, und auch aus Ihrer Sichtweise zu sagen, welche Aspekte oder welche Argumente Ihrerseits vielleicht falsch waren. Das würde zu einer ehrlichen Diskussion führen, genauso wie wir das auch tun müssen.

Ich sage aber nochmals, eine Enquete-Kommission auf Landesebene lehnen wir ab, allein weil das Infektionsschutzgesetz Bundesrecht ist, der Bund alle umfangreichen Daten der 16 Bundesländer vorliegen hat und der Bund den Flickenteppich des Infektionsschutzgesetzes abbauen muss. Deshalb Enquete nach Berlin, Expertenanhörung gerne in Rheinland-Pfalz.

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Hartenfels.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die Debatte Revue passieren lasse, dann habe ich zunächst einmal den Eindruck, es wird ein wichtiges Zeitdokument werden, dass nach wie vor weite Teile der Politik nicht bereit sind und kein Interesse zeigen an einer ernsthaften und intensiven Aufarbeitung der Corona-Zeit.

(Abg. Stephan Wefelscheid, FREIE WÄHLER: Stimmt doch gar nicht! – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Ich werde Ihnen erläutern, woran ich festmache, dass das wieder ein Zeitdokument wird, dass wir hier in einem Glaspalast sitzen und Hunderttausende von Menschen in Rheinland-Pfalz, aber auch vermutlich Millionen Menschen bundesweit wieder den Kopf schütteln werden. Warum ist es nicht möglich, einfach einmal ofen und ehrlich darüber zu sprechen, was in dieser Zeit passiert ist in Deutschland,

(Beifall bei der AfD – Abg. Stephan Wefelscheid, FREIE WÄHLER: Klatschen von der AfD!)

dass wir eine Erschütterung erlebt haben, die die Bundesrepublik seit Jahrzehnten in der Form nicht erlebt hat?

Dazu drei Punkte, drei kurze Punkte, warum ich für eine Enquete-Kommission plädiere. Erstens. Die Bandbreite der Themen übersteigt bei Weitem einen Gesundheitsausschuss. Das müssen wir einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Viele Themen sind angesprochen worden, ob das der Gesundheitsbereich ist, aber natürlich auch die Kinder und Jugendlichen, der Seniorenbereich, der Bereich der Justiz, der Bürgerrechte, der Freiheitsrechte, der Einschränkungen, die wir dort erlebt haben, der Medienlandschaft – wie wurde dort agiert – und, und, und. Die Liste lässt sich endlos weiter fortführen. Das in einer zwei- oder dreitägigen Anhörung auch nur andeutungsweise abarbeiten zu wollen, zeigt schon, dass es nicht ernst gemeint ist mit einer wirklich soliden Aufarbeitung dieses Themas, das so viele Menschen über drei Jahre und danach so intensiv bewegt hat.

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen will – da ist das Saarland ein schlechtes Beispiel –, wir brauchen Zeit, mindestens über ein Jahr, um auch einmal die Experten an den Tisch zu holen, die in der Debatte nicht gehört worden sind. Darum geht es doch. Es geht doch nicht darum, dass es jetzt wieder dieselben Experten sind mit demselben Schulterklopfen, die sagen: Na ja, an der einen oder anderen Stellschraube müssten wir vielleicht noch einmal drehen, aber im Großen und Ganzen ist das doch super gelaufen. – Das führt uns nicht weiter. Die Menschen wollen wirklich, dass die, die in der Diskussion nicht gehört worden sind, jetzt endlich gehört werden.

(Beifall der Abg. Michael Frisch, Matthias Joa und Martin Louis Schmidt, fraktionslos)

Ein dritter Punkt ist mir wichtig. Es geht auch darum, den Betrofenen, den ganz einfachen Betrofenen, mehr Raum zu geben, also nicht irgendwelchen Verbänden und Experten. Da möchte ich ein Beispiel bringen. Das ist nach wie vor ein Tabuthema in unserer Gesellschaft.

Vor drei Wochen war in Kaiserslautern ein Vortrag von Frau Dr. Ina Berninger, die Mitglied in einer Selbsthilfegruppe im Großraum Köln mit über 100 Impfgeschädigten ist, eine Frau, die an das Impfen geglaubt hat, die jetzt ihr Leben lang geschädigt ist. Es war beklemmend, eineinhalb bis zwei Stunden zu hören, wie die Gesellschaft, der gesundheitliche Bereich und der politische Bereich einfach so tun, als gäbe es diese Menschen mit ihren Folgeerkrankungen nicht. Sie tingeln seit anderthalb Jahren – über 100 Menschen, und das ist nur eine Selbsthilfegruppe – in Deutschland herum und haben keine Anlaufpunkte. Sie werden nach wie vor nicht ernst genommen. Es sind sehr viele junge Menschen dabei.