Protokoll der Sitzung vom 20.02.2004

(Ministerin Anne Lütkes)

stellt die Kenntnisse der Studierenden in einem von Ihnen selber ausgewählten Schwerpunktbereich durch schriftliche und mündliche Leistungen fest. Aus unserer Sicht ermöglicht dies der Universität mehr Einfluss auf das Examen und den Studierenden eine frühere Schwerpunktsetzung.

Zweitens. Die staatliche Pflichtfachprüfung, die aus Klausuren und mündlicher Prüfung besteht, nicht mehr aus einer engeren Arbeit, und weiterhin vom Justizprüfungsamt übernommen wird, überprüft die Kenntnisse der jungen Juristinnen und Juristen in den Kernbereichen des bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich - das ist mir besonders wichtig - der europarechtlichen Bezüge und der Kenntnisse der rechtswissenschaftlichen Methoden, der philosophischen, geschichtlichen, aber auch der gesellschaftlichen Grundlagen.

Drittens. Der Vorbereitungsdienst und die zweite juristische Prüfung werden stärker am Berufsbild des Anwalts orientiert. Die bisherige viermonatige Anwaltsstation wird auf neun Monate verlängert.

Viertens. Selbstverständlich ist die Rechtsanwaltskammer für die theoretische und praktische Ausbildung der jungen Juristinnen und Juristen verantwortlich. An diesem Punkt möchte ich ganz ausdrücklich meinen Dank an die schleswig-holsteinische Anwaltschaft dafür aussprechen, dass sie zur intensiven Ausbildung bereit ist und Verantwortung für die Justizgewährung, die auch die anwaltliche Versorgung beinhaltet, übernommen hat und in der breiten Anwaltschaft auch zügig und immer mehr auf diese Verantwortung hinweist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Landesregierung legt aus meiner Sicht einen Gesetzentwurf vor, der alle unterschiedlichen Bereiche und auch die verschiedenen Interessen sinnvoll und in der notwendigen Art vermittelt und berücksichtigt. Wir sind uns natürlich bewusst, dass diese Reform auch für die Rechtswissenschaftliche Fakultät der CAU eine Herausforderung mit sich bringt, die ihr viel abverlangt. Aber ich bin auch sicher, dass die Universität intern in der Lage ist, diese Herausforderung gemeinsam anzunehmen. Die letzten Gespräche weisen darauf hin.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist eine Herausforderung. Ich war als junge Juristin bereits 1968 mit einer Reform der Juristenausbildung befasst. Eine solche Reform, wie wir sie jetzt umsetzen, hat es sehr lange nicht gegeben. Insofern müssen

wir alle unsere Kraft zusammennehmen, und auch die Universität muss sich ihrer Verantwortung stellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Aber festzuhalten ist, dass es einen Grundkonsens gibt. Die Grundpfeiler der Reform - Stärkung der Fakultät durch die eigene Prüfung, Flexibilisierung und Möglichkeiten zur Spezialisierung in einem sehr frühen Stadium, grundsätzlich aber die Beibehaltung des Grundprinzips des Einheitsjuristen - sind notwendig, richtig und, wie ich glaube, auch allgemeiner Konsens. Insofern bin ich überzeugt davon, dass die jetzt vorgelegten Ermächtigungsgrundlagen für die Ausgestaltung einer modernen Juristinnen- und Juristenausbildung in Schleswig-Holstein richtig sind. Wir werden das Gesetz zügig umsetzen. Die entsprechende Verordnung wird zügig in Kraft gesetzt, sodass die Praxis loslegen kann.

Ich danke Ihnen für Ihre breite Unterstützung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Ich lasse über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung insgesamt abstimmen. Wer in diesem Sinne zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Wir haben das Gesetz mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW bei Enthaltung der Fraktion der CDU so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Weiterentwicklung des Beihilferechts

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3211 (neu)

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3240

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Der Herr Finanzminister wird dem hohen Hause Bericht erstatten. Ich werde ihm gleich das Wort erteilen, will zuvor aber geschäftsleitend darauf hinweisen, dass er für sich eine etwas verlängerte Redezeit in Anspruch nehmen möchte. Ich denke, angesichts der Komplexität der Materie ist dies angemessen. Ich werde das bei der Redezeit der Fraktionen entsprechend berücksichtigen.

Herr Finanzminister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst einmal möchte ich den Fraktion von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN danken, dass sie mit ihrem Änderungsantrag eine aktuelle Diskussion um die Weiterentwicklung des Beihilferechts noch in dieser Landtagstagung ermöglicht haben. Denn es besteht in der Tat aktueller Bedarf.

In Deutschland gibt es die gesetzliche und die private Krankenversicherung. Für den Bereich des öffentlichen Dienstes kommt die beamtenrechtliche Krankenfürsorge hinzu. Über die Auswirkungen des von der Bundesgesundheitsministerin und Herrn Seehofer verhandelten und von einer breiten Bundestagsmehrheit getragenen Kompromisses hat der Landtag bereits diskutiert. Klar war bei diesem Kompromiss, dass die Veränderungen, die das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz vorsieht - der Name ist schrecklich, die Abkürzung GMG ist leichter zu merken - wirkungsgleich auf das System der Beihilfe übertragen werden sollten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist durch den Bund und durch die 27. Verordnung zur Änderung des Beihilferechts nach unserer Auffassung bereits geschehen, wenn nicht sogar überkompensiert worden. Denn man hat zum Beispiel bei der Praxisgebühr im Schnitt 17 € für den gesetzlich Krankenversicherten ausgerechnet, und man hat in der Beihilfe pauschal 20 € vorgesehen. In Schleswig-Holstein haben wir diese Verordnung durch die im Landesbeamtengesetz verankerte Koppelung an das Bundesrecht übernommen.

Durch die 28. Verordnung zur Änderung der Beihilfevorschriften modifiziert der Bund seine erst ab 1. Januar 2004 geltenden Vorschriften erneut, und zwar ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Einen Moment bitte, Herr Minister. - Ich darf das hohe Haus um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten.

Dieses Vorgehen widerspricht nach Auffassung der Landesregierung den Intentionen des GMG. Denn mit dieser Änderung wird eindeutig überzogen, werden Empfängerinnen und Empfänger von Beihilfe des Landes schlechter gestellt. Eine wirkungsgleiche Umsetzung, wie wir sie wollen, findet damit nicht mehr statt, sondern hier stellt man sich eine 1:1

Umsetzung von Dingen vor, die nicht vergleichbar sind.

Das wollen wir nicht. Deshalb schlagen wir vor, in Kooperation mit den norddeutschen Bundesländern ein eigenständiges Beihilferecht zu erarbeiten und die 28. Verordnung nicht umzusetzen.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Monika Schwalm [CDU] und Moni- ka Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Um es deutlich zu machen: Hierbei geht es weder um Besser- noch um Schlechterstellungen, es geht einfach darum, den Sinn und den Zweck des GMG umzusetzen.

Wir wollen berücksichtigen, dass eine Übertragung der Leistungseinschränkungen innerhalb unterschiedlicher Erstattungssysteme nicht kompatibel ist und andere Lösungen, aber mit gleicher Wirkung, vorschlagen. Denn die Be- und Entlastungen im Krankenkassenbereich können eben bei ungleichen Vorzeichen nicht einfach übertragen werden. Die Entlastungen, die zum Beispiel gesetzlich Krankenversicherte durch Beitragsminderungen bekommen, gibt es im Beihilferecht nicht. Ein Beihilfeempfänger kann systembedingt nicht einem Hausarztmodell folgen. Dieses Modell sieht die private Krankenversicherung nicht vor. Eine Chronikerregelung, wie sie endlich für die gesetzlich Versicherten getroffen worden ist, sieht das Beihilfesystem nicht vor. Die Facharztgebühr, wenn ich die Praxisgebühr einmal so nennen darf, kommt dem privat Versicherten nicht durch Beitragssenkung zugute. Im Gegenteil. Die privaten Krankenversicherungen haben ihre Tarife in den letzten Jahren zum Teil sehr deutlich erhöht.

Die von mancher Seite bewusst oder unbewusst gestreute Mär, dass eine Absicherung über eine private Krankenversicherung plus Beihilfe für die Betroffenen im Ergebnis günstiger sei, kann ich nicht nachvollziehen. Das gilt übrigens auch für das, was über Abgeordnete geschrieben worden ist. Sie wissen: Abgeordnete können sich für das eine oder das andere entscheiden. Sie werden eben nicht besser gestellt, wie gelegentlich öffentlich behauptet worden ist.

Wenn Sie sich das einmal in den Fallbeispielen, die wir Ihnen zur Verfügung gestellt haben, ansehen, dann erkennen Sie bei den typischen Fällen, insbesondere bei den Geringverdienern im mittleren und gehobenen Dienst und gerade wenn es sich um Familien handelt, dass es eben mehr Geld kostet, sich mit privater Krankenversicherung plus Beihilfe abzusichern. Das deutet doch darauf hin, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir auf Sicht wirklich darüber nachdenken müssen, zu anderen Systemen zu

(Minister Dr. Ralf Stegner)

kommen, etwa dann, wenn wir einmal ein vernünftiges Konzept für eine Bürgerversicherung haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das haben wir im Augenblick nicht. Die Fallbeispiele für Besserverdienende spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Ich komme darauf noch zurück.

Über die 28. Änderung der Beihilfevorschriften hätten wir eine wesentliche Verschärfung der Regelung zur Praxisgebühr, nämlich einen Abzug eines Betrages in Höhe von 10 € von der errechneten Beihilfe je Kalendervierteljahr je Beihilfeberechtigtem beziehungsweise berücksichtigungsfähigem Angehörigen und zwar für jede erste Inanspruchnahme von ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Leistungen. Die Ausnahmetatbestände für Versorgungsempfänger mit geringen Bezügen und stationär gepflegte Personen entfallen.

Wenn Sie das alles einmal zusammenrechnen, sehen Sie, wo wir landen würden, wenn wir dies täten. Vom Verwaltungsaufwand will ich gar nicht reden. Dies zeigt, dass man das so nicht umsetzen kann. Es wäre ein immenser Verwaltungsaufwand damit verbunden, den wir gar nicht erst entstehen lassen wollen. Wir müssten die Beihilfebescheide, die schon seit dem 1. Januar 2004 ergangen sind, nachträglich einzeln erfassen und rückgängig machen. Die Beschäftigten müssten Monate lang warten, bis sie entsprechende Sicherheit hätten.

Im Übrigen, muss ich Ihnen ehrlich sagen, hat die Landesregierung auch Zweifel, dass die vollinhaltliche Übernahme solcher Änderungen aus dem gesetzlichen Krankenkassenbereich in das Beihilferecht mit der geltenden Verfassungsrechtsordnung in Übereinstimmung zu bringen wäre. Denn der Dienstherr ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, das medizinisch Notwendige an Aufwendungen zur Behandlung einer Krankheit als Beihilfe zu gewähren. Soweit also medizinisch notwendige Leistungen durch das GMG aus dem Leistungskatalog herausgenommen wurden - zum Beispiel Sehhilfen, Zahnersatz oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel -, kann man das nicht so ohne weiteres in das Beihilferecht übernehmen. Gleichzeitig erkennt der Bund für seine Bediensteten aber immer noch medizinisch nicht notwendige Leistungen an. - Es gibt also auch das andere Extrem. -

Da wir diese im Jahre 1998 schon aus der Beihilfe herausgenommen haben, was dazu geführt hat, dass sich Beamte privat und kostensteigernd absichern mussten, haben wir sozusagen ein Gleichgewicht zwischen den Belastungen der Beamtinnen und Be

amten in Schleswig-Holstein gegenüber den Bediensteten des Bundes in der Form auch nicht mehr. Auch das spricht dafür, dass wir nicht nur gute Gründe haben, die geplante Verschärfung abzulehnen, sondern eben auch etwas tun müssen, was in eine andere Richtung geht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir können kassenspezifische Elemente nicht einfach auf das Beihilferecht anwenden. Wenn Sie an den enger werdenden Einkommensspielraum denken, mit dem Beamte, Versorgungsempfänger und deren Familien konfrontiert sein werden - ich weise auf das hin, was wir im letzten Jahr hier haben beschließen müssen -, dann glaube ich, dass wir auf Dauer nicht mehr gegen unseren Willen von Bundesmaßnahmen in dem Bereich abhängig bleiben sollten. Das bedingt ein eigenes verwaltungsfreundliches Beihilferecht, welches transparent ist, welches auf der Grundlage des Gesetzes vom letzten Jahr kostenneutral ist. Wir müssen, da das schon bekannt gegeben worden ist, schnell handeln, deswegen bin ich dankbar, dass wir das heute hier besprechen können, denn sonst müsste man das Bundesrecht automatisch umsetzen respektive man könnte klagen, wenn wir es nicht täten, denn wir sind an Recht und Gesetz gebunden.

In dem Ihnen vorliegenden schriftlichen Bericht - wir haben uns Mühe gegeben, das sehr schnell zu machen - hat die Landesregierung Eckpunkte für ein eigenständiges Landesrecht formuliert.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich bin fast am Ende, Herr Präsident.

Wir wollen medizinische Leistungen, die dem Fürsorgeprinzip unterliegen, weiterhin beihilfefähig halten, wir wollen die beihilfefähigen Aufwendungen pauschalieren, wo immer das geht, und wir wollen künftig über einen pauschalierten Selbstbehalt aus Gründen der Verwaltungsökonomie nachdenken, der aber sozial gestaffelt sein müsste und sich insofern bei Spitzenverdienern anders ausgestalten muss als bei Geringverdienern. Wir müssen mit den Leistungserbringern der Ärzteschaft reden, damit wir nicht eine Gebührenordnung haben, wo jemand für die gleiche Krankheit, für die gleiche Diagnose, nur weil er in einem anderen System ist, teurer behandelt wird. Auch das steht auf der Tagesordnung. Wir bewegen uns im Kontext anderer Länder. Wir wollen, wenn Sie dem so folgen, mit den norddeutschen Ländern in Verhandlungen eintreten, dass wir möglichst rasch zu

(Minister Dr. Ralf Stegner)