Eine Anmerkung möchte ich zum aktuellen Streit zwischen den verschiedenen Beteiligten bezüglich der Finanzierung der Bahnprojekte machen: Es ist zwar richtig, dass der Deutschen Bahn in diesem Jahr - 2004 - Mittel aus dem Bundeshaushalt fehlen, es ist aber genauso richtig, dass die Deutsche Bahn AG in erheblichem Umfang eigene Finanzierungs- und Investitionsmittel hat, nämlich zum Beispiel aus Trasseneinnahmen der DB, dem Kernhaushalt und den nicht vollständig gekürzten Bundeszuweisungen. Das heißt, die DB AG ist sehr wohl in der Lage, den Kerninvestitionshaushalt zu fahren. Wir sollten sie dabei auffordern, das Bestandsnetz in Deutschland und besonders in Schleswig-Holstein nicht zu vernachlässigen, sondern die Projekte, die ich vorhin genannt habe, mit Vorrang durchzuführen.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])
Die Forderung ist klar: Es darf bei den prioritären Verkehrsprojekten keine weitere Verzögerung geben. Die gesperrten Mittel im Verkehrshaushalt müssen sofort freigegeben werden und es muss ein Finanzierungsmodell gefunden werden, sodass die Schadensersatzzahlungen von Toll Collect, die gegebenenfalls eingehenden Mittel aufgrund des Fortbestands der Eurovignette und eine vorübergehende Kreditaufnahme eine Zwischenfinanzierung ermöglichen.
Wir werden in der nächsten Woche auf einer Sonderkonferenz der Verkehrsminister einen entsprechenden Beschluss fassen. Ich gehe davon aus, dass der Bund an der Umsetzung bereits arbeitet - jedenfalls habe ich entsprechende Signale bekommen -, sodass wir jetzt darauf setzen sollten, dass diese Lösung kommen wird.
In diesem Sinne: Kämpfen wir gemeinsam dafür, dass wir in den nächsten Monaten mit den Projekten, die ich genannt habe, beginnen können!
Bevor ich die Aussprache eröffne, muss ich gemäß § 56 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung den Hinweis machen, dass die Redezeit pro Fraktion aufgrund der Überschreitung der festgesetzten Redezeit des Herrn Ministers um drei Minuten verlängert wird.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Uwe Eichelberg.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Maut-Chaos erleben wir in den Medien nun schon seit einem Dreivierteljahr. Wirtschaftsminister Bernd Rohwer sagt, er habe die Hängepartie satt. - Herr Dr. Rohwer, in diesem Punkt schließt sich Ihnen die CDU an.
Das Maut-Desaster ist symbolisch für die rot-grüne Verkehrspolitik in Berlin und schadet nicht nur dem Wirtschaftsstandort Deutschland.
Herr Minister, Sie suchen - genauso wird es auch in Berlin getan - die Schuld nur bei den Partnern, mit denen man sich auf den Vertrag eingelassen hat. Wer hat den dusseligen Vertrag denn angenommen?
Welche Leute wurden denn beschäftigt? Es wurden dicke Gutachten in Auftrag gegeben, aber bei den essenziellen juristischen Dingen hat man keinen Beirat zurate gezogen.
Sie haben es hier doch genauso praktiziert. Denken Sie nur an die ausgeschriebene Strecke SegebergNeumünster. Das reinste Chaos. Der Vertrag wurde erst abgeschlossen, als das Kind schon im Brunnen lag.
Wie kann man bei einem solchen Großprojekt die Vignette schon wegnehmen, wenn man noch nie einen Probelauf gemacht hat? Warum kann man nicht erst einmal einen kleinen, regionalen Probelauf machen?
Jeder normale Handwerker macht das. Aber wenn es um Steuergelder geht, spielt das keine Rolle. Das ist ein Desaster.
Lassen Sie uns eine andere Facette betrachten. Nun hat sich der „Ankündigungsminister“ in seinem Netz von steten Ankündigungen der einzelnen Bundesmaßnahmen sowohl bei der Bahn als auch bei der Straße, bei denen er sich immer wieder herausgehängt hat, selbst gefangen. „Glaube, Liebe, Hoffnung“ ist zwar ein prima Spruch etwa in einer guten Kneipe in Wyk auf Föhr. Daran können wir uns aber nicht ausrichten. Fakten müssen auf den Tisch. Das, was Sie, Herr Minister, heute vorgetragen haben, sind wieder keine Fakten. Sie haben wieder gesagt: Ich mache mich stark. Das wird etwas werden. Das passt zu dem Thema, das wir vorher hatten, zur A 20. Wir haben nämlich keinen Einfluss darauf. Das ist eine Bundesangelegenheit. Wir können unsere Prioritätenliste vorlegen und dann wird ausgewählt. Selbst das legt also die Bundesregierung fest.
Die Situation ist zu traurig, als dass man Schadenfreude entwickeln könnte. Seit Jahren haben Sie, Herr Minister Rohwer, sich nur noch auf das Ankündigen von Bundesprojekten konzentriert. Im Land selbst haben wir außer ein paar Radwegen und einem kleinen Stück hier und einem kleinen Stück da, etwa einer Ortsumgehung, doch gar nichts mehr gemacht.
Die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur haben wir im eigenen Land laufend reduziert. Jetzt leiden wir darunter.
Lassen Sie mich darauf hinweisen, dass wir als CDU gesagt haben: Es kann doch nicht angehen, dass die Projekte des Bundesverkehrswegeplans nicht über das Bundesverkehrswegefinanzierungsgesetz finanziert werden. Das ist der normale Weg. Die rot-grüne Regierung in Berlin hat doch immer wieder neue Programme entwickelt. Sie haben gesagt: Das ist etwas ganz Tolles. Wir in Schleswig-Holstein haben mit dem Anti-Stau-Programm viel mehr herausgeholt als die anderen. Was haben wir nun? - Wir sind voll vor die Wand gelaufen. Dieses Programm ist nämlich gar nicht abgedeckt. Hätten wir ein normales Verkehrsprojekt, wären wir weitergekommen.
War es nicht gerade die rot-grüne Regierung, die durch dauernde Störmanöver der Grünen nicht einmal das kleine Stück A 20 von der A 1 bis nach Mecklenburg in 15 Jahren beendet hat? Heute machen wir dicke Backen und sagen: Die restlichen 100 km schaffen wir ruckzuck, plangemäß.
- Das haben Sie heute doch gehört. Herr Hentschel hat gesagt, das sei unrealistisch; er hat von 2015 gesprochen. Die Regierung ist sich nicht einmal sicher, was sie will und wann sie es will. Das ist das Problem, unter dem wir hier leiden.
Herr Minister Dr. Rohwer, der Vorschlag der Zwischenfinanzierung bringt nicht mehr Geld in das System.
Sagen Sie einmal, welche Projekte Sie bis 2015 streichen wollen, welche überhaupt nicht mehr infrage kommen. Wissen Sie, was übrig bleibt? - Die A 20 können wir nicht mehr finanzieren. Das ist das Problem, wenn Sie an die Minimumdinge denken, die Sie überhaupt schon angepackt haben. Wir müssen den Dingen realistisch ins Auge schauen. Das tun wir leider nicht.
Ich kann überhaupt nicht verstehen, wenn der Bund einen Verkehrshaushalt von 11 Milliarden € hat, von dem im Moment 2 Milliarden € nicht zur Verfügung stehen, wieso alle Projekte in Schleswig-Holstein, die von Bedeutung sind, nicht fortgeführt werden können.
Was für ein Ansehen haben wir in Berlin? Wir machen immer dicke Backen, aber nichts passiert. Wir in Schleswig-Holstein leiden darunter. Das ist das Schlimmste.
Wir sind im Verkehrsbereich eines der wichtigsten Transitländer. Gucken Sie einmal auf die Straßen, was da los ist. Der Verkehr steigt, steigt, steigt, steigt. Wir diskutieren, diskutieren, diskutieren. Wo wird etwas gemacht? Nichts wird gemacht. Die Engpässe werden immer schmaler. Denken Sie einmal daran, wenn die A 20 bis Lübeck angeschlossen ist. Schon heute haben Sie in einer Spur nur noch LKWs, sogar inklusive Sonnabend und Sonntag. Ich weiß gar nicht, wie das gesteuert werden soll. Und was passiert dann? Wir kriegen das totale Chaos. Das können wir doch nicht ignorieren.
Wir freuen uns, dass Container umgeladen werden. Die Container können heute nicht mehr auf die Schiene kommen, weil die Schiene die Containerverkehre gar nicht aufnehmen kann. Das ist die Problematik. Sind wir nicht in der Lage, diese Probleme in Berlin deutlich darzustellen? Genossen, ihr habt doch Zeit. Ihr kennt doch das Problem. Packt die Verantwortlichen einmal unter den Arm und zeigt ihnen, was da los ist.
Schleswig-Holstein hat bisher nur zwei planfestgestellte Projekte. Nur da könnte mit dem Bau angefangen werden. Gehen Sie einmal in die anderen Bundesländer. Da ist die Schublade voll. Nahezu alle wichtigen Verkehrsprojekte sind planfestgestellt. Da kann man anfangen. Wir können nicht einmal anfangen.
Wer sagt denn überhaupt - Herr Minister, Sie haben angesprochen, dass bis 2006 wichtige Projekte im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft durchzuführen sind -, dass gerade unsere Projekte, die, die wir für wichtig halten, bis 2006 überhaupt angefasst werden? - Völlig offen. Es ist ein Vabanquespiel erster Güte. Ich habe gedacht, dass wir heute etwas Klareres bekommen. Ich bin entsetzt. Schleswig-Holstein kann mit dieser Regierung nicht in die Zukunft schauen. Ich bedauere das.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Eichelberg, nach Ihrem Redebeitrag frage ich mich tatsächlich, warum wir diesen Tagesordnungspunkt heute noch aufrufen mussten. Das Fazit, das ich daraus ziehe, ist: Thema verfehlt!