Protokoll der Sitzung vom 20.02.2004

(Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Das müssen Sie mal dem Minister sagen!)

Wir als Landesparlament befinden innerhalb der Möglichkeiten unserer Einflussnahme. Der Wirtschaftsminister hat frühzeitig auf die Konsequenzen, die sich aus der Pannenserie und dem letztendlichen Scheitern der Maut ergeben, hingewiesen. Er hat Forderungen aus der Sicht Schleswig-Holsteins formuliert, die - das dachte ich ursprünglich - in unser aller Sinn liegen.

Ich bedanke mich ausdrücklich für die klaren und kritischen Worte, die der Wirtschaftminister heute, aber auch in den vergangenen Wochen zur MautKrise gefunden hat.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Er hat sehr deutlich gemacht, dass es für SchleswigHolstein untragbar wäre, wenn unsere planerisch gut vorbereiteten Verkehrsprojekte in irgendeiner Weise gefährdet würden. Ich bedanke mich, dass frühzeitig auf das Bundesverkehrsministerium, eingewirkt wurde und damit bei aller Vorsicht, was allzu optimistische Bewertungen angeht - das hat die Stellungnahme eben ergeben -, durchaus zu erwarten ist, dass die beschriebenen Projekte keine allzu großen Verzögerungen erfahren.

(Beifall bei der SPD)

Was Ihre Fragen in dem Antrag betreffen: Wir wissen seit Dienstag von der Vertragskündigung. Heute möchten Sie detailliert Auskunft über die Auswirkungen haben. Dass das nicht anders als heute vorgetragen zu leisten war, wissen Sie, Herr Eichelberg, doch ganz genau. Ich denke, wir haben im Wirtschaftsausschuss Gelegenheit, mit den fundierten Informationen, die Sie haben wollen, darüber zu reden.

Ich hoffe, wir sind uns einig, dass die Forderung des Wirtschaftsministeriums durch das Parlament zu unterstützen sind.

Dass die Entscheidung, den Vertrag mit Toll Collect zu kündigen, längst überfällig war, ist unstrittig. Aber aus dem Ablauf dieser ganzen Maut-Arie dem Minister die Verantwortung für das Image des Innovationsstandortes Deutschland zuzuschreiben, ist schon ein bisschen überzogen.

(Beifall bei der SPD)

Die Verantwortung für die Vertragsgestaltung liegt in den Händen des Bundesverkehrsministeriums. Dass die Kontrolle nicht einwandfrei war, ist auch unstrittig. Ich hätte mir aus finanzpolitischen Gründen sicherlich eine konsequentere Entscheidung gewünscht - wie wir wohl alle. Aber aus der Tatsache, dass man renommierten Großunternehmen die Chance gibt, eine technologische Pleite zu heilen, kann doch wohl nicht abgeleitet werden, dass das Vertrauen in die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch das Ministerium zerstört wird. Das konnten die beteiligten Konzerne ganz alleine.

Das Verhalten der Unternehmen in den Verhandlungen der vergangenen Woche ist auch nicht dazu angetan, vertrauensbildend zu wirken. Das geben Kommentare von ADAC, BDI und anderen wieder. Da ist die Rede von untragbaren Entschädigungsangeboten, erkennbaren Zügen einer Industrieaffäre. Olaf Henkel sieht die Schuldigen in jenen Bossen, die ein System angeboten haben und nicht in der Lage waren, Qualität und Termin einzuhalten. Er fordert die Rückbesinnung auf Werte wie Qualität und Zuverlässigkeit ein.

(Beifall bei der SPD - Günter Neugebauer [SPD]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Wir könnten uns, wie es die Opposition - zumindest auf Bundesebene; Sie haben sich da heute ein bisschen zurückgehalten - tut, in Rücktrittsforderungen ergehen. Die FDP im Bund hätte gern einen Untersuchungsausschuss - ganz etwas Neues. Wir können aber auch, wie es der Wirtschaftsminister macht, alles tun, um die zugegeben schwierige Situation für uns in Schleswig-Holstein zu lösen. Ich wünsche mir, dass auch die Opposition ihre Energien darauf richtet.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich der Frau Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Herdejürgen, ich habe bisher eigentlich immer gedacht, dass dieses MautDesaster - Sie haben das eben Maut-Krise genannt - schon vor einiger Zeit absehbar gewesen ist.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Sie sagen heute, der Berichtsantrag der CDU sei ein bisschen früh gekommen, weil man nicht wissen könne, wie sich das auswirken werde. Umgekehrt habe ich immer gedacht, dass in unserem Verkehrsministerium auch vorher schon einmal darüber nachgedacht wird, was passieren könnte, wenn dieses MautDesaster eintritt.

(Beifall bei FDP und CDU)

So kenne ich jedenfalls unser Ministerium, dass man dort rechtzeitig über solche Dinge nachdenkt und heute dazu Bericht erstattet.

Ein weiteres angebliches rot-grünes Vorzeigeprojekt ist gescheitert. Ich glaube, darüber sind sich heute alle einig.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die verkehrspolitische Spekulationsblase - darauf komme ich gleich noch zurück - namens LKW-Maut ist geplatzt und der Ausbau der Infrastruktur in Deutschland bleibt auf der Strecke. Schuld ist

(Zuruf von der SPD: Die Landesregierung!)

- nein, nicht die Landesregierung -, schuld ist die Bundesregierung. Sie hat die Verträge dilettantisch gestaltet,

(Beifall bei der FDP)

sie hat das Projekt dilettantisch gemanagt und sie hat die Finanzierung von Verkehrsprojekten dilettantisch geplant.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zurufe von der SPD)

- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, vielleicht lassen Sie mich erst einmal ausreden.

Auch das Konsortium Toll Collect ist beileibe nicht unschuldig. Es wäre lächerlich, das zu behaupten. Es ist beileibe nicht unschuldig. Dieses Konsortium hat die Bundesregierung über den Tisch gezogen. Aber die Bundesregierung ist der Auftraggeber. Und der Auftraggeber hat dafür zu sorgen, dass die Verträge ordnungsgemäß abgeschlossen werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zurufe von der CDU)

Die Bundesregierung hätte sich gegen das Risiko in den Verträgen absichern und angemessene Vertragsstrafen festschreiben müssen. Die Bundesregierung hätte den Fortschritt des Projektes überwachen müssen, um frühzeitig eingreifen zu können und hätte dann auch früher eingreifen müssen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Ich sage das doch gleich, Herr Kollege! Wenn Sie mich bitte einmal ausreden lassen würden, könnte ich es Ihnen sagen.

(Zurufe)

Vor allen Dingen hätte die Bundesregierung - -

(Rolf Fischer [SPD]: Das ist eine einäugige Sichtweise! - Martin Kayenburg [CDU]: Einäugigkeit ist immer noch besser als Blindheit! - Weitere Zurufe)

- Wie schön, dass ich so viel Zeit habe.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn es Wortmeldungen gibt, kann man die durch Handaufzeigen sichtbar machen. Dann wird Ihnen durch das Präsidium das Wort erteilt. Zurzeit hat Frau Abgeordnete Aschmoneit-Lücke das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vor allen Dingen hätte die Bundesregierung in ihren Finanzierungsplänen für Verkehrsprojekte das Risiko berücksichtigen müssen, dass die Maut-Einnahmen später kommen und/oder niedriger als erhofft.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wenn heute davon gesprochen wird, man könnte die Maut-Ausfälle irgendwie ausgleichen, dann ist ein Denkfehler dabei. Die Maut-Ausfälle sind geschehen, die Zeit ist abgelaufen. Die bekommen wir nie wieder rein.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Warum dieser Dilettantismus? - Ganz einfach: rotgrüne Amateure haben spekuliert. Und es ist gekommen, wie es häufig kommt, wenn Amateure spekulieren: Beim Spekulieren werden Amateure und ihr Geld schnell getrennt.

(Zurufe von der SPD)

Das ging so: Die Bundesregierung wollte beginnen, ein sinnvolles Konzept zu verwirklichen, nämlich die Nutzerfinanzierung öffentlicher Infrastruktur. Das risikoreiche Projekt wurde vergeben und bei Erfolg hätte der Bund seit letztem Herbst jeden Monat knapp 160 Millionen € eingenommen - nur bei Erfolg,

(Christel Aschmoneit-Lücke)

wohlgemerkt. Mit Eurozeichen in den Augen hat die Bundesregierung den möglichen Erfolg als sicher vorausgesetzt.