Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

(Beifall bei der CDU)

bestimmt nicht durch ständig neue Auflagen, Abgaben und Verschlechterung der Produktionsbedingungen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Herr Kollege Neugebauer, die neuen fossilen Kraftwerke brauchen nach Trittin Emissionszertifikate. Herr Müller, das müssen Sie auch noch einmal beantworten. Es ist eine weitere Verteuerung des Strompreises durch die Neuordnung der Kraftwerkslandschaft gewollt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Da zeichnet Ihr Bericht schon jetzt ein Horrorgemälde. Inzwischen sind rund 35 % Steuer- und Abgabenanteil, die die Vorteile der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes aufgefressen haben, Herr Minister. Auch für Stromverbraucher, auch für Sondervertragskunden alles schon wieder zunichte gemacht. Auf diesem Weg dürfen Sie nicht weitergehen, Herr Minister.

(Beifall des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Dabei bestünde jetzt wirklich Anlass, die Grundlagen Ihrer Energiepolitik ordnungspolitisch noch einmal gründlich zu überdenken.

Vorab noch einmal eine Bemerkung dazu: Wir stehen grundsätzlich sehr wohl zum marktwirtschaftlichen Instrument des Emissionshandels für effektiven Klimaschutz. Aber der sich daraus ergebende Wettbewerb darf nicht mit volkswirtschaftlich schädlichen Wettbewerbsverzerrungen einhergehen und genau das wird in Berlin im Moment angelegt. Dazu hätten wir gern ein Wort von Ihnen gehört.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe es schon angedeutet: Sie werden nicht umhinkommen, sich mit dem Gutachten Carl Christian von Weizsäckers auseinander zu setzen, immerhin ein Genosse von Ihnen, an dessen Sachverstand nicht

einmal Sie zweifeln werden und über dessen Gutachten des wissenschaftlichen Beirates des Bundeswirtschaftsministeriums „Spiegel“ und „FAZ“ in diesen Tagen berichtet haben. Danach können Sie die KWKFörderung und das gerade in der Novellierung befindliche EEG mit In-Kraft-Treten des Emissionshandels zum 1. Januars 2005 ersatzlos aufheben. Das sagt das Gutachten auf 17 Seiten, der Beirat des Wirtschaftsministeriums dieser Bundesregierung!

Dass durch von Ausländern bei deutschen Unternehmen erworbene Verschmutzungszertifikate europäische Anlagen weiter fröhlich ihren Dreck in die europäische Luft pusten dürfen und der Stromverbraucher und Arbeitnehmer in Deutschland das bezahlen darf - das kann doch wohl nicht Ihre Zielsetzung sein!

Bei von Weizsäcker findet sich folgendes Beispiel - wohlgemerkt, es ist nicht mein Beispiel, ich möchte es nur der Vollständigkeit halber zitieren, weil es ein bisschen die Absurdität deutlich macht. Er sagt, dass man natürlich die Pferdezüchtung fördern würde, wenn man den Taxifahrern vorschreiben würde, künftig ihre Droschken von Pferden ziehen zu lassen. So hat er die Förderpolitik der Bundes- und Landesregierung für die Windenergie und KWK-Förderung dargestellt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wohlgemerkt, es ist nicht mein Beispiel.

Überspitzt könnte man sagen: Die Umweltpolitik der Regierungen in Berlin und Kiel führt ins Postkutschenzeitalter. Die deutsche Überförderung ist jedenfalls systemwidrig und kontraproduktiv.

Herr Minister, da sie von Volkswirtschaft ja anerkanntermaßen etwas verstehen und auch mehr verstehen als ich, meine ich, dass Sie sich diesem Argument, das von Weizsäcker gebracht hat, nicht entziehen können. Hierzu hätten wir zu unserer Frage 6 gern etwas gehört - leider vergeblich! Herr Minister, Sie müssen endlich die ererbte Energiepolitik Ihres Vorgängers nicht nur neu justieren, sondern über den Haufen werfen und ändern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Wilhelm Malerius.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Graf Kerssenbrock, nach Ihrem Wortbeitrag kann ich eigentlich nur sagen: Sie könnten die Haupt

(Wilhelm-Karl Malerius)

rolle in der Story „Zurück in die Vergangenheit“ spielen. Das wäre genau die richtige Position für Sie.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Jede Umwandlung, jede Nutzung von Energie hat Rückwirkungen auf die Natur und das menschliche Lebensfeld. Die Politik muss daher eine Güterabwägung treffen zwischen einer möglichst effizienten und zugleich sicheren Energieversorgung sowie dem Ziel, die Umwelt möglichst intakt zu halten. Eine qualitativ hochwertige und umweltverträgliche Energieversorgung ist ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, auch für die künftige wirtschaftliche und technologische Leistungskraft.

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Mit effizienten Kraftwerken, modernen Technologien, mit hoher Energieproduktivität und der Nutzung der erneuerbaren Energien können wir eine Pionierrolle einnehmen und wichtige Zukunftsmärkte für Produkte und Dienstleistungen erschließen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in Deutschland werden in den nächsten Jahren die Weichen für die mittel- und langfristigen Strukturen der Energieversorgung neu gestellt. Ab 2010 baut sich durch den Atomausstieg und altersbedingte Stilllegungen von konventionellen Kraftwerken ein rechnerischer Ersatzbedarf von bis zu einem Drittel der heutigen Kraftwerkskapazität auf. Ein vollständiger Ersatz allein durch fossile Kraftwerke ist technisch nicht notwendig, ökonomisch fragwürdig sowie umwelt- und klimapolitisch nicht zu vertreten. Die Chance einer grundlegenden Modernisierung müssen wir durch Neugestaltung und technologische Innovationen anstelle bloßer Strukturfortschreibung nutzen. Der Schwerpunkt der auf diesem Weg identifizierten Maßnahmen liegt in folgenden Bereichen: Verbesserung der Energieeffizienz, intensive Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung, Einführung eines EU-weiten Emissionshandels, Energieverbrauchsmanagement, verstärkter Einsatz erneuerbarer Energien.

Meine Damen und Herren, Energieeffizienz ist der Schlüssel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Aktivierung von Innovationspotenzialen. Es geht um den technisch optimierten Einsatz fossiler Energieträger. Es geht um die generelle Erhöhung der Effizienz neuer fossiler Kraftwerke. Es geht um die Entwicklung neuartiger Verbrennungstechniken, um das dabei anfallende klimarelevante CO2 besser in

den Griff zu bekommen. Es geht um den Einsatz hoch effizienter Gas- und Dampfkraftwerke mit 55 bis 60 % Wirkungsgrad der Stromerzeugung. Und es geht um Energiesparinitiativen, unter anderem durch verbesserte Beratung und Information, Contracting und Einführung eines Energieeffizienzfonds. Es geht um das technisch nachgewiesene Einsparpotenzial des heutigen Energieeinsatzes. Das Impulsprogramm der Landesregierung zur wärmetechnischen Gebäudeerneuerung ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Ausbau der KraftWärme-Kopplung verbindet notwendige Ersatzinvestitionen in den Stromsektor mit dem Ausbau und der Modernisierung von Fern-, Nah- und Konzeptwärme. Schleswig-Holstein hat hier eine Vorreiterrolle mit bereits 20 % KWK-Anteil am Stromverbrauch. Viele Pilotprojekte in Schleswig-Holstein haben die Effizienz dezentraler Anlagen unter Beweis gestellt.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr gut!)

Sei es die Versorgung einzelner Häuser oder einer ganzen Siedlung, die Energieagentur hat dokumentiert, dass für alle Anwendungsgebiete ausgereifte technische Lösungen angeboten werden. Der Anteil der Energieversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung wird und muss sich bis zum Jahr 2020 mehr als verdoppeln.

Meine Damen und Herren, mit der einstimmigen Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch Bundestag und Bundesrat hat sich Deutschland dazu verpflichtet, die Emission der sechs wichtigsten Treibhausgase gegenüber dem Basisjahr 1990 im Durchschnitt der Periode 1998 bis 2012 um 21 % zu reduzieren. Aufgrund der wirtschaftlichen Umbrüche, der Wiedervereinigung, der Effizienzfortschritte der deutschen Volkswirtschaft und der klimapolitischen Maßnahmen seit 1998 konnte bis Ende 2003 bereits eine Reduktion um 19 % gegenüber dem Jahr 1990 erzielt werden.

(Beifall bei der SPD)

Mit der EU-Richtlinie zum Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten führt die Europäische Union in ihrem Geltungsbereich eine der drei flexiblen Instrumente des Kyoto-Protokolls ein. Der europäische Emissionshandel wird bis zum 1. Januar 2005 beginnen und ist bis 2012 nicht an das In-Kraft-Treten des Kyoto-Protokolls gebunden. Mit dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz wird derzeit das Rahmengesetz zur Einführung des Emissionshandels in Deutschland beraten. Dies wird vom nationalen Allo

(Wilhelm-Karl Malerius)

kationsplan, der bis zum 31. März 2004 in Brüssel vorgelegt werden muss, ausgefüllt.

Meine Damen und Herren, betrachtet man die Möglichkeiten, die der Kommissionsvorschlag bei der Ausgestaltung des nationalen Allokationsplanes vorsieht, so zeigt sich, dass alle aus deutscher Sicht bestehenden Probleme berücksichtigt werden können. Die Mär von der Wachstumsbremse erweist sich schon deshalb als falsch, weil bei der geplanten kostenlosen Zuteilung der Emissionsrechte nicht nur das technische Potenzial der jeweiligen Anlage berücksichtigt werden kann, sondern auch der Bedarf. Was vor dem Hintergrund der von Deutschland und nicht zuletzt auch von der deutschen Wirtschaft geleisteten frühzeitigen Minderung von Treibhausgasemissionen eminent wichtig ist, sind frühzeitig erbrachte Klimaschutzleistungen.

Auch das Drohen mit Arbeitsplatzverlusten kann nicht überzeugen, weil die Studien, mit denen dies bewiesen werden soll, den ungünstigsten Fall unterstellen, den niemand anstrebt. Zudem wird bewusst verkannt, dass Deutschland und die deutsche Wirtschaft aller Voraussicht nach als Verkäufer von Emissionsrechten auftreten werden und nicht die Nachfrage nach Emissionszertifikaten anheizen dürften.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr richtig!)

Auch das Argument, dass mit dem Emissionshandel Stilllegungsprämien geschaffen würden und die deutsche Wirtschaft aus dem Lande getrieben würde, trifft nicht zu. Keinem vernunftbegabten Ökonomen, aber auch keinem konsequenten Ökologen würde es im Traum einfallen, eine solche Stilllegungsprämie im Rahmen eines Emissionshandels zu konstruieren.

(Beifall bei der SPD)

Der nüchterne Betrachter kann sich letztlich nicht des Eindrucks erwehren, dass es hier gar nicht um das Instrument Emissionshandel geht, sondern dass die Attacken den gesetzten klimapolitischen Zielen nach dem Motto gelten: Man schlägt den Sack, meint aber den Esel.

Meine Damen und Herren, erneuerbare Energien haben nachhaltige Vorzüge, denn sie sind unerschöpflich, schonen die Ressourcen unserer Erde, sind umweltfreundlich und risikoarm. Da ein großer Teil der abgängigen Kraftwerksleistung ersetzt werden muss, ist ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien unerlässlich.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Hier leistet die Landesregierung ihren Beitrag mit bereits heute beachtlichen Ergebnissen für SchleswigHolstein. Mit der Initiative Biomasse und Energie soll eine verstärkte Nutzung der in SchleswigHolstein vorhandenen wirtschaftlichen Biomassepotenziale für die Energiebereitstellung erreicht werden.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem schleswig-holsteinischen Biomassepotenzial kann ein Versorgungsbeitrag von 10 % des Primärenergieverbrauchs erreicht werden.