Protokoll der Sitzung vom 27.05.2004

(Beifall bei der CDU)

Es ist schwierig darzustellen, wie wir die Zukunft hier gestalten wollen. Wir haben immer geglaubt, die Brücke nach Skandinavien sei die Zukunft, sei die Chance für uns, in den Ostsee-Anrainerstaaten und im Norden Fuß zu fassen und dort etwas zu erreichen. Aber die Schlusslaterne am rot-grünen Zug ins Nirwana zeigt eindeutig auch in Estland: Wir kommen überall zu spät, der Zug ist abgefahren.

Herr Dr. Rohwer, allein mit Optimismus schaffen wir es in der Wirtschaftspolitik nicht. Gestern haben Sie zur A 20 wieder angekündigt, im Herbst werde mit dem Weiterbau der A 20 von Lübeck nach Geschendorf begonnen. Aber Phantasterei ist doch kein Optimismus. Man muss differenzieren. Man kann den Leuten nicht immer einreden, dass es positiv läuft. Es läuft nicht positiv. Das ist nicht Ihre Schuld allein. Das gebe ich ehrlich zu. Nur, dadurch, dass man jedes Mal vorgaukelt, es werde besser, schafft man keinen Optimismus.

Man muss eine vernünftige Basis haben. Nur wenn man von einer vernünftigen Basis ausgeht, kann man die Zukunft gestalten.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich exemplarisch Ihre Clusterbildung nennen. Sie haben uns in einer Lehrstunde erklärt, was Cluster sind. Aber auch bei dieser Definition kann ich Ihnen überhaupt nicht folgen. Wenn man ganz Schleswig-Holstein als ein Tourismus-Cluster sieht, dann hat man nicht verstanden, was Cluster sind. Wenn ich 50 % der Gäste an der Westküste allein auf Sylt habe, dann brauche ich dort ein ganz anderes Profil und dann muss das Cluster für Sylt anders aussehen als das für die Hüttener Berge, für Eckernförde oder für Büsum.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie das nicht richtig können, dann können Sie auch die Ziele nicht richtig definieren und dann können Sie keine vernünftigen Ergebnisse bekommen, dann läuft Ihnen Mecklenburg-Vorpommern davon. Und wenn die A 20 fertig ist und das „Hamburger Abendblatt“ titelt: „Endlich freie Fahrt zu den Stränden Mecklenburgs!“, dann wissen Sie ganz genau, wohin es geht: an Schleswig-Holstein vorbei, weil Sie nicht erkannt haben, wie man Cluster vernünftig definiert.

Meine Damen und Herren, auf die Straßenverkehrsprojekte möchte ich gar nicht weiter eingehen. Wiederum werden neue Daten genannt, so beispielsweise in Ihrer gestrigen Presseerklärung. Ich habe die Kleinen Anfragen der letzten Jahre angeschaut. Jedes Jahr wurde weiter verschoben, auch als es noch gar kein Anti-Stau-Programm und Ähnliches gab. Es wird einfach nur weitergegeben und vielleicht kommentarlos darunter gelitten. - Ich gehe davon aus, dass Sie auch darunter leiden. - So kann es nicht weitergehen. Das ist keine Zukunft. Auch hier müssen Bautermine, die wirklich definiert sind, klipp und klar genannt werden. Dann können wir uns daran orientieren. Wenn dann in den nächsten 20 Jahren etwas nicht läuft, dann müssen wir die eine oder andere Ersatzmaßnahme vorziehen. Aber wir können nicht immer Zielen nur hinterherlaufen. Das ist nicht die Zukunft, die die Wirtschaft braucht.

Ansonsten empfehle ich Ihnen dringend einmal die im April dieses Jahres erschienene Studie über die Standortbeurteilung im Land Schleswig-Holstein, die von der hiesigen Universität erstellt wurde. Darin erkennen Sie nämlich ganz eindeutig, was die Firmen bemängeln. Das ist die Ferne zu den Absatzmärkten und zu den Kunden heute und zu den zukünftigen Absatzmärkten. Wir liegen weit weg. Die schlechte Straßenanbindung wird eindeutig an dritter Stelle gesehen. Die Bahn vermisst sowieso keiner, weil sie Cargo hier gar nicht anbietet. Genannt wird auch die geringe Verfügbarkeit von Facharbeitskräften. Zu PISA brauchen wir gar nichts mehr zu sagen. Wir sind auf einem völlig falschen Weg. Vielleicht besuchen Sie nur Firmen, die wir fördern und die Ihnen etwas anderes sagen. Ich empfehle Ihnen: Sehen Sie sich an, was draußen los ist, schauen Sie sich die Standortstudie an. Sie zeigt auch, dass ein besonders gutes Verhältnis zum Ministerium gar nicht gesehen wird.

Meine Damen und Herren, es gibt viel zu tun für Schleswig-Holstein. Packen wir es an, aber im kommenden Jahr!

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Professor Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Uwe Eichelberg, ich finde es schon sehr bemerkenswert, wenn die Opposition hier zur Regierung sagt: Ich kann eigentlich nicht nachvollziehen, dass Sie diesen Standort hier optimistisch darstellen. Mit schlechtreden ist noch kein Standort besser geworden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich finde, dass die Oppositionsparteien mit dem Schlechtreden des Standortes schon genug Schaden angerichtet haben. Vielleicht sollte sich die Opposition ein wenig auch auf die positiven Dinge konzentrieren.

Wir haben natürlich mit einer ganzen Reihe auch von strukturpolitischen Problemen zu tun gehabt. Ich will nur die Reduzierung bei der Bundeswehr nennen, die den Hamburger Rand natürlich nicht so stark wie andere Teile des Landes getroffen hat, oder die Strukturveränderungen in der Werftindustrie, die aufgrund des ruinösen Wettbewerbes mit der Konkurrenz aus Fernost keiner beeinflussen konnte. Dennoch haben wir dieses Land zu einem modernen Dienstleistungsland ausbauen können.

Ich will in Anbetracht der uns zur Verfügung stehenden geringen Redezeit einen Satz zu den Clusterbildungen sagen. Natürlich ist es richtig, sich gerade in Zeiten knapper Ressourcen auf das zu konzentrieren, wo man etwas vorzuweisen hat. Uwe, du sprichst den Tourismus an. Wir haben im Tourismus eine ganze Menge vorangebracht. Dies war nicht die Regierung allein, es hat durchaus Unterstützung aus der Opposition gegeben. Ich denke daran, dass wir das gesamte Tourismusmarketing im Lande, das sich totgelaufen hatte, auf neue Beine gestellt haben. Auch da haben wir rechtzeitig reagiert. Ich glaube, dass die Cluster, insbesondere Medizintechnik, Biotechnologie und auch maritime Wirtschaft, für unser Land richtig definiert wurden und sie vorangetrieben werden müssen. Insofern ist die Politik richtig.

Ich finde es gut, dass, wie im Bericht ausgewiesen, unsere Exportquote erheblich steigt. Wir haben hier in der Tat Defizite, das wissen wir. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir keine Zulieferindustrie und keine internationalen Kontakte unserer kleinen und mittelständischen Betriebe haben, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist. Auch wenn ich, wie der Minister gesagt hat, keine Anregungen geben soll,

denke ich, wir müssen uns bei der Außenwirtschaftspolitik konzentrieren. Die Länder auf dem Baltikum werden so gern angesprochen. Mein Gott, alle Menschen dort zusammengenommen sind vielleicht so viele, wie man in Berlin und Umgebung an Menschen hat. Auch da muss man sich konzentrieren. Polen ist ein großes Anrainerland mit 40 Millionen Menschen. Wir müssen die Konzentration noch konsequenter durchführen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen darf ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass Großbritannien immer noch der größte Handelspartner Schleswig-Holsteins ist. Auch dies müssen wir im Auge behalten.

Auch ich möchte - der Minister hat es gesagt - die Stärkung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft hervorheben. Die ttz, die jetzt Teil der Wirtschaftsförderung der WSH geworden ist, stellt eine wichtige Technologiekompetenz dar, die wir der Wirtschaftsförderung zugeschlagen haben. Es ist eine wichtige Korrektur dieser Wirtschaftsförderungseinrichtung. Wir haben - auch dies muss gesagt werden - ein wirklich vorbildliches Instrumentarium mit der Investitionsbank, der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft und der Bürgschaftsbank. Die Neuausrichtung der Investitionsbank ist eine ganz wichtige Maßnahme, die wir hier durchgesetzt haben. Was fehlt den kleinen und mittleren Unternehmen? Es fehlen die Finanzmittel auf dem Markt. Dafür kann diese Landesregierung nichts. Das ist ein Problem der Finanzwirtschaft in Deutschland. Die neue Investitionsbank wird hier wichtige Kompensation leisten. Auch hier ist die Politik richtig und vorbildlich gewesen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sieht man im Übrigen auch daran, dass unsere Gründerquote seit Jahren ganz oben angesiedelt ist und die Insolvenzquote relativ gering ist. Das liegt daran, dass die Bürgschaftsbank und die MBG mit ihren Investitionen immer verbinden, dass Coaching erfolgt, dass die Betriebe sich beraten lassen müssen. Auch hier hat unser Förderinstrumentarium wirklich gegriffen.

Ich komme auf einen anderen Gesichtspunkt zu sprechen. Gerade für ein Bundesland wie SchleswigHolstein wie für alle Länder, die geographische Nachteile haben - in Bezug auf den europäischen Markt haben wir sie natürlich -, ist eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur unerlässlich. Das ist für ein solches Land lebensnotwendig. Ich danke dem Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Rohwer ausdrücklich für seinen enormen Einsatz. Ich glaube,

(Klaus-Dieter Müller)

dass ich es besser als andere in diesem Zusammenhang beurteilen kann. Er hat gegen große Widerstände aus anderen Bundesländern - ich will nicht verhehlen, auch aus der eigenen, etwas entfernteren politischen Umgebung - die für uns alle wichtig erscheinenden Verkehrsprojekte in den Bundesverkehrswegeplan hinein bekommen. Das war nicht ganz einfach, wenn man weiß, was hinter den Kulissen gelaufen ist. Ich möchte ihm ausdrücklich dafür danken, dass er diese Leistung vollbracht hat.

(Beifall bei SPD und SSW)

Als letzten Punkt möchte ich sagen, die Quoten, die wir im Bereich Ausbildung vorweisen können, sind ausgesprochen erfreulich. Auch das ist ein nicht unwesentlicher Verdienst dieses Ministers. In diesem Land brauchen wir keine staatlichen Vorgaben. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik schafft es in diesem Land. Das ist diesem Minister nicht unwesentlich zuzurechnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Rainer Wiegard [CDU]: Tritt der heute Abend zurück oder warum kriegt er diese Hymne?)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Frau Christel Aschmoneit-Lücke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eben erfahren, dass unsere Redezeit wesentlich verkürzt worden ist. Das ist dann vielleicht der Bedeutung der Wirtschaftspolitik dieses Landes auch angemessen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich jedenfalls erinnere mich an Zeiten, in denen wir den Jahreswirtschaftsbericht, Herr Kollege Benker, morgens, vormittags ausführlich debattiert haben

(Beifall bei FDP und CDU)

und nicht am Ende des zweiten Tages der Sitzung, und dann noch mit verkürzten - -

(Lars Harms [SSW]: Im Ältestenrat bean- tragt!)

- Nein, Kollege Harms. Das ist eben beschlossen worden. Ich mache niemandem einen Vorwurf.

Frau Kollegin, nur damit kein Missverständnis besteht: Die Redezeit ist im Ältestenrat festgelegt worden. Es gibt keine veränderte Beschlusslage des Ältestenrates. Insofern haben Sie Anspruch auf zehn Minuten, aber keiner ist gezwungen, die zehn Minuten auszunutzen.

Ich bedanke mich dafür, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das noch einmal betont worden ist. Aber ich habe unter anderem darauf hingewiesen, dass wir jetzt am Ende der zweiten Tagung dieser Sitzung sind, und entsprechend ist offensichtlich auch die Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, ich werde meine Redezeit von zehn Minuten, die mir offensichtlich nach wie vor zusteht, nicht ausnutzen. Aber ich möchte auf einige Dinge dann doch hinweisen.

Herr Minister, Sie sprechen immer von dem Erfolg Ihrer Politik, auch Herr Kollege Müller hat das nicht überraschenderweise getan. Wenn man Ihren Jahreswirtschaftsbericht 2003 liest - Sie selbst haben es eben mündlich nochmals betont -, stellt man fest, dass die Ergebnisse, gemessen an den allgemein gültigen Indikatoren, allerdings völlig andere sind. Das hat mit Erfolg überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich will in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen, dass die Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein so hoch ist wie nie zuvor seit 1952.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Minister, wenn Sie immer wieder darauf hinweisen, dass Ihre Wirtschaftsförderungsprogramme so besonders gut sind und dass die ttz und alles gegriffen habe und so besonders toll sei, dann kann ich nur sagen: Die Erfolge werden an diesen Indikatoren gemessen und an nichts anderem.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sie haben eben auch gesagt, Herr Minister, wir alle könnten - da stimme ich Ihnen zu - mit dem Jahr 2003 nicht zufrieden sein. Es wäre sehr erfreulich, wenn man diese Aussage dann auch in dem schriftlichen Bericht finden könnte. Ich sehe insbesondere in dem Vorwort des Berichts nur eine Lobhudelei, die man eigentlich nicht mehr ertragen kann.

(Beifall bei FDP und CDU)

(Christel Aschmoneit-Lücke)