Protocol of the Session on May 28, 2004

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Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie eine solche Reform der Tarifverträge im öffentlichen Dienst auszusehen hat. Ich will hier ganz deutlich sagen: Eine solche Reform liegt ausdrücklich im Interesse der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

So ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass die Tarifparteien im Hinblick auf die Flexibilisierung des Tarifvertrags, bei der Bezahlung von Führungsaufgaben sowie bei der Neugestaltung der Eingruppierung mit mehr als 17.000 Tätigkeitsmerkmalen gar nicht so weit auseinander sind.

Umso unverständlicher ist es, jetzt durch das Handeln des Finanzminister zu dokumentieren, dass die Verträge, die man sehenden Auges im Dezember letzten Jahres geschlossen hatte, von Anfang an nicht tragfähig waren. Wenn Schleswig-Holstein tatsächlich am Erhalt des Flächentarifvertrags gelegen ist und wenn es befürchtet, dass reichere Bundesländer durch Bezahlungsanreize die besten Kräfte abzuwerben versuchen, dann müssen Sie, Herr Dr. Stegner, dafür sorgen, dass motivierte, leistungsbereite und leistungswillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in diesem Bereich nicht durch taktische Spielereien verunsichert werden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlass der Diskussion um die Reform des BAT resultiert aus drei Problemkreisen: Erstens. Der Bund hat bei Tarifverhandlungen völlig andere Interessen als die Länder, denn die Masse der Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst ist bei den Ländern und den Kommunen, nicht beim Bund angestellt. Der Bund gewinnt durch die höheren Sozialabgaben und die höheren Steuern sogar durch Tariferhöhungen. Von daher ist es logisch, dass wir diesen Schnitt machen. Es kann nicht sein, dass Tariferhö

(Karl-Martin Hentschel)

hungen vom Bund befürwortet werden und dieser auch noch die Tarifgemeinschaft führt. Es ist daher logisch, dass es hier zu einer Trennung gekommen ist.

Zweitens. Der BAT ist zu unflexibel. Insbesondere die Eingruppierung und die Alterszulagen erschweren eine Bezahlung, die die individuellen Fähigkeiten und das Engagement der Beschäftigten angemessen berücksichtigen und belohnen. Auch ich ärgere mich als Vorsitzender einer Landtagsfraktion, dass ich gezwungen werde, meine Angestellten nach BAT zu tarifieren und dass ich sie nicht so tarifieren und mit ihnen Verträge machen kann, dass ich ihre jeweilige Leistung entsprechend würdigen kann.

(Beifall bei der FDP)

Drittens. Wir haben im öffentlichen Dienst zwei Bezahlungssysteme, die zunehmend auseinander laufen, nämlich das der Beamten und das der Angestellten. Wir führen hier eine Debatte über die Einheitlichkeit des BAT. In Wirklichkeit wird die größte Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst schon längst völlig anders tarifiert. Sie unterliegt auch völlig anderen Bedingungen. Das sind die Beamten. Für die Beamten gibt es keine Tarifautonomie. Hier werden die Tarife vom Staat einfach festgelegt. Wenn wir also über Tarifautonomie und einheitliche Systeme reden, dann können wir das nur, wenn wir Beamte und Angestellte zusammen sehen. Sonst gibt das Ganze überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist mein schlichtes Plädoyer: Wir brauchen eine Modernisierung. Die jetzigen Schritte, die unternommen worden sind, erhöhen die Handlungsfreiheit der Länder, um endlich mehr Druck in Richtung Modernisierung auszuüben. Wir brauchen ein einheitliches Dienstrecht. Ich bin für Tarifautonomie. Das heißt, ich möchte die zukünftige Gestaltung der Tarife natürlich mit den Gewerkschaften in Tarifverhandlungen aushandeln. Flächentarife sind übrigens auch Tarife, die landesweit gelten. Auch das sind Flächentarife. Wenn möglich ist es sinnvoll, Bundestarife zu machen. Man muss gucken, ob man das hinkriegt. Ich hoffe, dass es durch die Veränderung gelingt, etwas in Bewegung zu bringen. Ich hoffe, dass die Politik nicht wieder am Widerstand - insbesondere der Beamtenlobby - scheitert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich seiner Sprecherin, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SSW setzt sich seit jeher für den Erhalt der Tarifautonomie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein. Das gilt natürlich auch für den öffentlichen Dienst, wobei wir grundsätzlich keinen Unterschied zwischen Beamten und Angestellten machen, obwohl dieser rechtlich gesehen natürlich erheblich ist.

Wir treten aber dafür ein, dass ein moderner Staat - von wenigen Ausnahmen abgesehen - keine Beamten braucht. Was wir aber brauchen, ist endlich eine Reform des öffentlichen Dienstrechts. Es ist zum Beispiel nicht einzusehen, dass Beamte nicht streiken dürfen und einfach zu Mehrarbeit verdonnert werden können. Allerdings leuchtet es im Gegenzug auch nicht ein, warum Beamte nicht in die öffentlichen Renten- und Krankenkassen einzahlen sollen.

Ich möchte auf diese Position des SSW hinweisen, weil wir nicht über die Situation der Angestellten im öffentlichen Dienst diskutieren können, ohne auch die Bedingungen der Beamten im Auge zu haben. Durch die Kündigung des BAT-Arbeitszeittarifvertrages von der Mehrheit der unionsgeführten Länder wollen einige Ministerpräsidenten - genau wie die Beamten - jetzt auch die Angestellten im öffentlichen Dienst mit der Brechstange zu längeren Arbeitszeiten zwingen.

Der SSW ist der Auffassung, dass diese einseitige Kündigung ein großer Fehler ist. Vernünftigerweise haben sich weder der Bund noch die Kommunen, die ja auch Beschäftigte nach dem Bundesangestelltentarifvertrag angestellt haben, diesem angeschlossen. Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung ist für den Erhalt der Tarifautonomie und des Flächentarifvertrags im öffentlichen Dienst.

Aus meiner Sicht kann man mit der Modernisierung und der flexibleren Ausgestaltung des Bundesangestelltentarifes nur durch Verhandlungen mit den Gewerkschaften weiterkommen. Die Gewerkschaften sind auch bereit, diese Fragen zu diskutieren. Das haben sie mitgeteilt. Ich glaube, es hat sich bis hin zu den Gewerkschaftsvertretern herumgesprochen, dass viele Bestimmungen des jetzigen BAT-Tarifvertrags einfach veraltet sind. Es ist zum Beispiel nicht einsehbar, dass die Bezahlung für Angestellte nach BAT im Alter ohne Leistungsnachweis automatisch immer höher wird. Wir brauchen auch im öffentlichen Dienst mehr finanzielle Leistungsanreize für qualifizierte Arbeitskräfte unabhängig vom Alter. Der Bundesangestelltentarifvertrag muss also modernisiert werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Anke Spoorendonk)

Leider werden diese wichtigen BAT-Reformbemühungen durch die einseitige Kündigung des Arbeitszeittarifvertrags blockiert. Es kann keinen verwundern, dass die Gewerkschaften die notwendigen Reformen des BAT erst wieder diskutieren wollen, wenn die Arbeitszeitverlängerung vom Tisch ist. Dazu möchte ich auch aus gesellschaftspolitischer Sicht auf die negativen Folgen einer Arbeitszeitverlängerung hinweisen. Natürlich sparen die Länder unmittelbar gesehen Personalkosten, aber solche Maßnahmen führen auch immer zu mehr Arbeitslosen insgesamt. Von daher ist auch die Verlängerung der Arbeitszeit von Beamten - in Bayern sogar auf 42 Stunden in der Woche - nicht unproblematisch.

Im Interesse des Landes und im Interesse seiner Beschäftigten hoffe ich, dass sich die Tarifgemeinschaft der Länder besinnt und mit den Gewerkschaften zu einem vernünftigen Verhandlungsergebnis kommt. Ansonsten droht eine völlige Aushebelung des Flächentarifvertrags im öffentlichen Dienst. Ich denke, das ist ganz gewiss nicht im Interesse Schleswig-Holsteins.

Nun hat die CDU-Fraktion einen weiteren Antrag eingebracht, der mit der Kommissionsarbeit zur Neuordnung der bundesstaatlichen Ordnung zusammenhängt. So ist es uns vom Oppositionsführer mitgeteilt worden, der in einer Arbeitsgruppe dieser Kommission mitarbeitet. Anscheinend kommt es jetzt zu einer Initiative vonseiten der Länder. Ich denke, es ist richtig, dass wir uns im Ausschuss noch einmal intensiv mit dieser neuen Situation auseinandersetzen. Im Ausschuss soll weiterhin noch ein schriftlicher Bericht gegeben werden. Das ist also eine erste Runde zu diesem wichtigen Thema.

(Beifall beim SSW)

Ich erteile Herrn Finanzminister Dr. Stegner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte zwingt mich dazu, noch drei Anmerkungen zu machen. Frau Schwalm und Herr Dr. Garg, ich wollte Ihnen den ersten Punkt eigentlich ersparen. Die Kündigung des Arbeitszeittarifvertrags - auch mit der Stimme Schleswig-Holsteins - ist erfolgt, weil mehrere Unionsministerpräsidenten gesagt haben: Wenn der Vertrag nicht gekündigt wird, dann treten sie sofort aus der TdL aus. Dann ist der Flächentarifvertrag sofort am Ende. Ich will Ihnen sagen, wie so etwas im Strafgesetzbuch heißt. Im

politischen Zusammenhang kann man das ja nicht so werten, aber im Strafgesetzbuch heißt so etwas Erpressung, um das einmal ganz deutlich zu sagen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung ist in der Tat der Meinung, dass es das nicht wert war, sondern dass wir darüber verhandeln müssen. Das ist der Grund. Lieber Herr Klug, insofern ist Ihr Zwischenruf mit der Heuchelei - gemessen am Sachverhalt - schon sehr eigenartig.

Ich will Ihnen gern die Protokollerklärung, die das Land Schleswig-Holstein gemeinsam mit RheinlandPfalz abgegeben hat, zur Verfügung stellen. Frau Schwalm, dann wüssten Sie, dass Ihre Information falsch war, denn Rheinland-Pfalz hat die Arbeitszeit noch nicht erhöht. Dort hat man gesagt, man wolle eine gewisse Frist setzen, um zu solchen Verhandlungsergebnissen zu kommen.

Zum zweiten Punkt, der den Antrag der CDU angeht: Es ist ein grundlegender Unterschied, ob man zum Beamtenrecht über Gesetze, die in Parlamenten diskutiert werden, den Spielraum für föderale Vielfalt diskutiert, oder ob man Tarifverhandlungen führt. Tarifverhandlung und Gesetzgebung sind zwei unterschiedliche Dinge. Deswegen kann man das nicht in einen Topf werfen.

Ein Drittes. Mein Staatsverständnis ist nicht so, dass der Staat für Arbeitsplätze sorgen sollte. Aber ich finde nicht - diesbezüglich hat Frau Spoorendonk Recht -, dass der Staat bei 4,5 Millionen Arbeitslosen die Arbeitsmarktkrise dadurch verschärfen sollte, dass er pauschale Arbeitszeiterhöhungen ohne Sinn und Vernunft vornimmt. Das muss mit Flexibilität und bezogen auf die Branchen geschehen, und zwar in einer Art und Weise, die fair ist, so wie ich dies für den Klinikbereich dargestellt habe.

(Beifall bei SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Da über die Anträge selbst bereits entschieden ist, werden wir bezüglich der Ausschussüberweisung über Abs. 1 der Drucksache 15/3433 und über die Ziffer 2 der Drucksache 15/3480 abstimmen. Wer diese beiden Punkte der Anträge dem Innen- und Rechtsausschuss zur Beratung überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Zukunft der Provinzial Nord Versicherungsgruppe mit Sitz in Kiel

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3409

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3460

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3466

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Für den Bericht der Landesregierung erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Professor Bernd Rohwer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Provinzial-Versicherungsgruppe ist ein für Schleswig-Holstein außerordentlich bedeutendes Dienstleistungsunternehmen. Deswegen freue ich mich über die Gelegenheit, einige Bemerkungen hierzu machen zu können und diesen Bericht abgeben zu dürfen. Es ist richtig, dass wir auch im Landtag hierüber sprechen. Auf den Ergänzungsantrag der FDP komme ich noch zurück.

Ich begrüße es, dass die gemeinsame Lebensversicherung im Zuge der Neuordnung der Provinzial ihren Sitz in Kiel haben soll. Dies ist sicherlich ein positives Ergebnis der bisherigen Gespräche. Den Zusammenschluss mit einem starken Partner halte ich auch grundsätzlich für richtig und erforderlich, weil damit die Marktposition in Kiel gestärkt wird. In diesem Geschäft sind größere Mengen erforderlich. Das wissen alle Insider. Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, welches die richtigen Partner sind; aber nicht jeder Partner steht für eine sinnvolle Zusammenarbeit zur Verfügung. Insofern ist das jetzt gewählte Modell sicherlich das von verschiedenen Modellen am ehesten gangbare.

Ebenso wie die Frau Ministerpräsidentin selbst werde auch ich künftig genauso wie bisher Gespräche mit dem Sparkassen- und Giroverband und der Provinzial-Versicherungsgruppe führen, damit wir sicherstellen, dass die Arbeitsplätze in Kiel weitestgehend erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang spielt der öffentlich-rechtliche Vertrag von 1995 eine entscheidende Rolle. In diesem Vertrag steht bekanntlich - wir haben darüber immer wieder gesprochen -, dass Arbeitsplätze in Kiel gesichert werden, dass die Sparkassenorganisation 75,1 % der Anteile hält und dass ein möglicher Übererlös an das Land geht.

Damit sind wir beim Thema Gutachten, das in diesem hohen Hause auch immer wieder diskutiert worden ist. Gern gebe ich hierzu noch einmal den aktuellen Stand wieder.

Wir stimmen mit dem Landtag völlig überein, dass ein Rechtsgutachten und ein Wertgutachten grundsätzlich erforderlich sind, aber erst das eine, dann das andere. Ein Gutachten ist mit dem Sparkassen- und Giroverband vereinbart worden. Wir haben im Finanzausschuss darüber gesprochen. Dieses Gutachten befindet sich zurzeit in Bearbeitung. Denn vor einem Wertgutachten müssen natürlich die Rechtsfragen geklärt sein. Diese Rechtsfragen sind durch die neuen Fusionsmodelle nicht leichter geworden, sondern es sind zusätzliche Fragen hinzugekommen. Frau Schmitz-Hübsch, das sollten Sie auch wissen:

(Zuruf der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Wenn es neue Fusionsüberlegungen gibt, ändern sich auch die Überlegungen, die der Gutachter anstellen muss. Das ist doch selbstverständlich. Wenn man ein bisschen vom Wirtschaftsleben versteht, sollte man das eigentlich wissen. Dieses Gutachten wird zurzeit von Herrn Professor Lutter erarbeitet und im Juni vorgelegt werden.