Wir haben bereits vor drei Jahren einen entsprechenden Entschließungsantrag in den Landtag eingebracht, der allerdings von CDU und SPD abgelehnt wurde. Auch die Grünen konnten diesem Antrag aus Koalitionsräson nicht zustimmen. Es ist dann zu dieser anderen Lösung gekommen, die aber sicherlich nicht optimal ist. Das war enttäuschend, aber auch nicht anders zu erwarten. Nun nach Tönisvörst hat sich die Sachlage geändert. Nun sollten auch CDU und SPD ihre Positionen überdenken. Deshalb schlagen wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf die Einführung des Zählsystems Hare/Niemeyer bei der Besetzung kommunaler Ausschüsse vor.
Aber auch bei Hare/Niemeyer könnten sich Koalitionen bilden, die über die Hauptsatzung die Anzahl der Ausschussmitglieder auf eine so geringe Zahl begrenzen, dass die kleinen Fraktionen wieder ohne Ausschusssitz wären. Um dies zu verhindern und die großen Fraktionen nicht erst auf unvernünftige Ideen zu bringen, schlagen wir Ihnen zusätzlich die Einführung eines echten Grundmandates vor, das die Beteiligung kleiner Parteien in den Ausschüssen sicherstellt und durch entsprechende Sitze natürlich ausgeglichen werden muss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichs hat der Kollege Hildebrand hingewiesen. Mit diesem Urteil ist in der Tat die Bildung so genannter Zählgemeinschaften bei der Besetzung kommunaler Ausschüsse für unzulässig erklärt worden. Gemeinderatsausschüsse und Kreistagsausschüsse müssen also die Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln, so das Gericht. Bei der Besetzung der Ausschüsse sind deshalb zur Erlangung zusätzlicher Sitze gebildete gemeinsame Vorschläge mehrerer Fraktionen unzulässig.
Den Erlass des Innenministers hat Herr Hildebrand auch benannt. Der Innenminister hat erklärt, dass Ausschüsse, die in der Vergangenheit abweichend von den Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts
gewählt wurden, rechtswidrig besetzt sind. Der Innenminister geht ausdrücklich davon aus, dass in den betreffenden Gemeinden umgehend eine Korrektur der fehlerhaften Ausschussbesetzungen erfolgen wird.
Tatsächlich haben nach den schleswig-holsteinischen Kommunalwahlen im März 2003 Kreistage und Gemeindevertretungen in zahlreichen Fällen ihre Ausschüsse mit Hilfe von Zählgemeinschaften besetzt. In vielen Kommunalparlamenten müssten die Ausschüsse neu besetzt werden, und in vielen Fällen würden dann kleinere Fraktionen von der Ausschussmitgliedschaft völlig ausgeschlossen werden, weil bei Anwendung des in Schleswig-Holstein üblichen d’hondtschen Berechnungsverfahrens auf sie kein Ausschusssitz entfiele. Genau diese Konsequenz hat offenbar den neuerlichen Gesetzentwurf der FDP entscheidend befördert. Die FDP will für jede Fraktion in jedem Ausschuss unabhängig von den Kräfteverhältnissen im Plenum ein Grundmandat. Sie will darüber hinaus das in Schleswig-Holstein bewährte Sitzverteilungsverfahren nach d’Hondt ersetzen durch das ausschließlich kleine Fraktionen bevorzugende Verfahren nach Hare/Niemeyer.
Unsere grünen Freunde wollen Ähnliches. Das ist so legitim wie durchsichtig. Mit der SPD-Landtagsfraktion ist beides nicht zu machen, weil damit einseitig und zulasten der größeren Fraktionen demokratische Kommunalwahlergebnisse uminterpretiert werden sollen.
Wir teilen die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Ausschüsse in Gemeindevertretungen und Kreistagen die Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln müssen. Das muss aber selbstverständlich für alle gelten. Es dürfen also weder große noch kleine Fraktionen bei der Besetzung kommunaler Ausschüsse bevorzugt oder benachteiligt werden. Die kleinen wollen die Kommunalverfassung ändern, weil sie für kleinere Fraktionen und damit für sich selbst unangemessene Vorteile anstreben. Die SPD-Landtagsfraktion wird allenfalls einer Gesetzesänderung zustimmen und dabei auch den Minderheitenschutz mit erörtern, der ausreichend und erforderlich ist, die gewährleistet, dass weder große noch kleine Fraktionen in den Ratsausschüssen über- oder unterrepräsentiert sind. Lassen Sie uns in diesem Sinne über die möglichen, vielleicht notwendigen landesgesetzlichen Konsequen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Sie vom neuen Wahlsystem gesprochen haben, Herr Kollege Hildebrand, dachte ich, Sie wollten die Mehrheitswahl zur Diskussion stellen. Man wäre ja bei Ihrem Vorschlag fast geneigt zu sagen: Alle Jahre wieder wird der Versuch unternommen, über Anträge oder Gesetzentwürfe das bisher geltende mathematische d’hondtsche Verfahren durch das Verfahren nach Hare/Niemeyer als Auszählverfahren nach dem bei uns geltenden Verhältniswahlrecht zu ersetzen. Antragsteller sind - und dies ist auch überhaupt nicht verwunderlich - stets die Fraktionen und die Parteien, die bei Wahlen nur relativ wenige Stimmenanteile erhalten. Bei dem Auszählverfahren nach Hare/Niemeyer werden die Vorteile der kleineren Parteien dadurch erreicht, dass sie günstiger abschneiden, wenn bei dem Divisionsverfahren eine so genannte Reststimmenverwertung erfolgt. Bei einer solchen Reststimmenverwertung schlägt der Rest quotiert zu Buche, wenn er noch relativ hoch ist.
Das ist aus Sicht von kleinen politischen Gruppierungen ein verständlicher und im Eigeninteresse dieser auch nachvollziehbarer Vorteil. Dass allerdings die Erwartungshaltung abgeleitet wird, dass auch die Parteien, die daraus bei der Mandatsvergabe Nachteile haben würden, dem zustimmen müssten, weil sie so relativ viele Stimmen von den Bürgerinnen und Bürgern bekommen haben, ist zumindest aus deren Interessenlage heraus eher zweifelhaft.
Wenn nun argumentiert wird, das Verfahren nach Hare/Niemeyer setze sich seit Jahren in den meisten Bundesländern durch, so ist dies sicher richtig. Grund für die Anwendung dieses Auszählverfahrens ist aber nicht ein grundlegend neues Verständnis von Demokratie, sondern der Druck von kleineren Parteien auf größere in Koalitionsverhandlungen, um dort die eigenen Vorteile, die sich durch das Auszählverfahren nach Hare/Niemeyer ergeben, abzusichern.
Dass nun die Diskussion über dieses Thema erneut angefacht wurde, kommt durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Bildung und Zulässigkeit von Zählgemeinschaften in kommunalen Vertretungskörperschaften. Das Bundesverwal
tungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2003 unter anderem den Leitsatz aufgestellt - ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin -:
„Gemeinderatsausschüsse müssen die Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln. Bei der Besetzung der Ausschüsse sind deshalb - zur Erlangung eines zusätzlichen Sitzes gebildete - gemeinsame Vorschläge mehrerer Fraktionen unzulässig.“
Die Zulässigkeit von Zählgemeinschaften wird aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern nur dann, wenn durch den auf einer Zählgemeinschaft basierenden gemeinsamen Wahlvorschlag eine andere Fraktion, die an dem Wahlvorschlag nicht beteiligt ist, einen Nachteil erleidet. Es ist allerdings völlig klar und eindeutig - und dies hat der Innenminister in seinem Erlass vom 12. März 2004 auch so formuliert -, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Einrichtung gemeinsamer Wahlvorschläge generell nicht entgegensteht.
So gebildete Zählgemeinschaften verfolgen eben nicht das Ziel, zusätzliche Ausschusssitze zu erlangen, sondern sind vor allem natürlich gerade auch im kommunalen Bereich dann zulässig, wenn dadurch eine beabsichtigte inhaltliche Zusammenarbeit zum Ausdruck kommen soll.
Es bleibt also eindeutig festzustellen, dass nach der letzten Kommunalwahl in Schleswig-Holstein diesen im Dezember 2003 aufgestellten Leitsätzen des Bundesverwaltungsgerichts nicht in allen kommunalen Vertretungskörperschaften entsprochen wurde. Das ist völlig klar. Diese fehlerhaften Entscheidungen zur Ausschussbesetzung müssen revidiert werden.
Daraus nun allerdings gleich wieder zum Auszählverfahren nach Hare/Niemeyer und dann zusätzlich noch zu einem Grundmandat für kleinere politische Gruppierungen zu kommen, halten wir für sachlich nicht gerechtfertigt. Herr Kollege Hildebrand, die FDP hat selbst erkannt, dass auch das Auszählverfahren nach Hare/Niemeyer nicht immer dazu führen würde, dass kleine politische Gruppierungen in den Ausschüssen vertreten sind. Dazu soll dann das so genannte Grundmandat dienen. Und bei allem Respekt, es ist doch an dieser Stelle etwas heftig zu sagen: Hare/Niemeyer brauchen wir, um das demokratische Willensbildungsspektrum der Wahlen abzubilden, stellen dann aber fest, dieses Verfahren reicht nicht
ganz, also gibt es dann noch ein Grundmandat, das gerade diese Abbildung des Wählerwillens dann so ein bisschen zugunsten der kleinen Parteien verfälscht. Ich finde, an dieser Stelle müssen wir dann auch ehrlich argumentieren.
Dies halten wir überhaupt nicht für ein geeignetes Instrument, um die Wählerabsicht in kommunalen Vertretungskörperschaften und ihren Gremien widerzuspiegeln.
Sinnvoller erscheint uns in diesem Zusammenhang schon der Anspruch der kleinen Parteien zu sein, bei der Wahl von Bürgerinnen und Bürgern so viele Stimmen zu erhalten, dass dadurch eine breite Mitarbeit in den kommunalen Selbstverwaltungsgremien möglich ist. Wenn eine Partei zwischen 10 und 20 % - wie ich gelesen habe - bei Wahlen erringen kann - das scheint zurzeit jetzt gerade bei einer kleineren Partei der Fall zu sein, bei den Grünen am letzten Sonntag, auch bei Kommunalwahlen - oder die FDP ihren Anspruch zwischen 10 und 18 % der Wählerstimmen definiert, sind derartige Verrenkungen bei der Änderung von Auszählverfahren oder der Einführung eines Grundmandats überhaupt nicht nötig. Sie sollten darüber nachdenken. Wenn Sie tatsächlich nämlich nachher einmal so viele Stimmen bekommen, wie Sie sich erwarten, dann haben Sie auf einmal einen Nachteil. Ich wäre an dieser Stelle vorsichtig.
In diesen Fällen würde sich tatsächlich der Wille der Wähler auch bei der Besetzung der Ausschüsse dadurch widerspiegeln, dass man so viele Stimmen erhalten hat.
Wir müssen an einigen Stellen nachbessern. Die Grundsätze hat der Kollege Puls dargestellt. Die können wir teilen. Wir freuen uns auf eine wirklich angeregte Ausschussdiskussion. Hare/Niemeyer und Grundmandat wird es mit uns nicht geben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem ist, es geht doch darum, dass wir eine Widerspiegelung der Kräfteverhältnisse,
wie wir sie unter den Wählern haben, auch im jeweiligen Kommunalparlament und im jeweiligen Ausschuss haben wollen.
Genau das ist durch das jetzige System, insbesondere nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nicht mehr gewährleistet. Wenn ich erst d`Hondt bei der Wahl anwende, habe ich schon einmal eine Bevorzugung der Großen. Dazu kommt noch die 5 %Klausel, die noch einmal Leute heraushält, also Wählerinnen und Wähler missachtet, sie sind nicht repräsentiert. Dann kommt aber bei der Bildung der Ausschüsse noch einmal d’Hondt. Wenn ich entsprechend kleine Ausschüsse habe, kann es passieren, dass eine Partei bis zu 20 % Wähler hat und trotzdem nicht in den Ausschüssen vertreten ist. Das muss man sich einmal überlegen.
Wenn es dann dazu kommt, dass ich mehrere kleine Gruppierungen habe, ist es möglich - das kommt auch vor -, dass über 30 % der Stimmen der Wählerinnen und Wähler sich in den Ausschussbesetzungen nicht mehr widerspiegeln. Das hat doch mit demokratischer Repräsentanz nichts mehr zu tun.
Es gibt ein Verfahren, das die Repräsentanz gewährleistet, das ist Hare/Niemeyer. Das ist auch in fast allen Bundesländern und im Bundestag eingeführt, nur in Schleswig-Holstein nicht. Ist SchleswigHolstein etwa so furchtbar rückständig oder handelt es sich hier nur um eine sture Blockade von großen Parteien, die einfach nicht bereit sind, sich zu bewegen?
Da bin ich auch enttäuscht von meinem Koalitionspartner - das muss ich ganz deutlich sagen -, dass es dort so wenig Bereitschaft gibt, auf logische demokratische Prinzipien einzugehen.
(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] - Lothar Hay [SPD]: Mit der Enttäu- schung können wir gut leben!)