Protocol of the Session on August 26, 2004

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor. Ich will kurz darauf eingehen. Der Bericht betrifft Punkte der Innenministerkonferenz, der IMK, die im Juli in Kiel stattgefunden hat. Dabei ist zu beachten, dass die Beratungen der Fachministerkonferenz noch nicht abgeschlossen und Einzelthemen der IMK nicht für die Öffentlichkeit freigegeben worden sind.

Im Februar hatte ich als IMK-Vorsitzender den Auftrag erteilt zu prüfen, ob und wie die kriminalistischen Erkenntnismöglichkeiten der DNA-Analytik besser als bisher auszuschöpfen sind. Im Ergebnis empfiehlt die IMK die rechtliche Gleichstellung der Vorschrift zur Speicherung der DNA-Identifizierungsmuster für die künftige Straftatenaufklärung mit den sonstigen erkennungsdienstlichen Maßnahmen wie Fingerabdruck oder Lichtbildmaterial.

Diese Empfehlung reichte mir vor allem nach der Diskussion, die wir im Innen- und Rechtsausschuss hatten, nicht aus. Ich habe daher zusammen mit meinem Kollegen aus Rheinland-Pfalz eine Protokollnotiz abgegeben, die wie folgt lautet: Weitere Prüfungen sollten sich darauf richten, a) ob die Anordnung der molekulargenetischen Untersuchung durch die Strafverfolgungsbehörden bei Wegfall der geltenden Richtervorbehalte einer nachträglichen richterlichen Bestätigung bedarf, b) ob eine Schaffung von in der Strafprozessordnung bundesgesetzlich normierten Prüf- und Löschfristen auch bei Lichtbild und Fingerabdruckmaterial sowie eine Überarbeitung der Löschfristen bei DNA-Material vorgesehen werden soll und c) ob eine Strafbewehrung gegen Missbrauch notwendig ist.

Ich habe den Beschluss der IMK und die Protokollerklärung erneut dem Arbeitskreis II zur Prüfung zugeleitet, und zwar zusammen mit dem inzwischen ergangenen Beschluss der Justizministerkonferenz zur DNA-Problematik, der auch aus meiner Sicht weiterführend ist. Ich bin sicher, dass wir, wenn die Beratungen in den Fachministerkonferenzen abgeschlossen sind, zu einem guten Ergebnis kommen werden.

In den Zusammenhang gehört auch die Diskussion über die Aussonderungsprüffristen und Fristen für die Speicherung von Fingerabdruckmaterial und DNA-Identifizierungsmustern. Die Innenministerkonferenz unterstreicht die überragende Bedeutung, die die Aufbewahrung insbesondere von Fingerabdruckmaterial und DNA-Identifizierungsmustern für die polizeiliche Aufgabenerfüllung hat. Darüber hinaus halten im Wesentlichen die B-Länder eine generelle

(Minister Klaus Buß)

Verlängerung der Fristen für Fingerabdruckmaterial und DNA-Identifizierungsmuster für erforderlich.

Ich sehe das nicht so. Nach geltendem Recht können Fristen einzelfallbezogen verlängert werden. Eine generelle Anhebung der Fristen ist aus meiner Sicht unnötig. Als Kompromiss wäre denkbar - darüber ist zu diskutieren -, die zur Löschung anstehenden erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Aufklärung herausragender Straftaten in einem besonders geschützten Recherchenpool zu speichern, der nur begrenzt zugänglich gemacht wird. Allerdings sind mir überzeugende Rechtstatsachen, die eine sofortige Umsetzung des Vorhabens gebieten, nicht bekannt. Die IMK hat weitere Prüfungen veranlasst, deren Ergebnisse zusammen mit der Justizministerkonferenz zu gewichten sein werden.

Den begründeten polizeilichen Bedarf an gerichtlichen Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz zum Schutze der Opfer häuslicher Gewalt habe ich dem Vorsitzenden der Justizministerkonferenz geschildert und um Überprüfung der Mitteilungsvorschriften gebeten.

Die Gefahren des Internets für Kinder und Jugendliche beunruhigen die Innenminister und -senatoren parteiübergreifend. Verstärkte öffentliche Aufklärung ist ein Muss. Was in Bund und Ländern bereits veranlasst ist, muss verstärkt werden. Die IMK hat daher Prüfaufträge an die Gremien beschlossen. Ich habe das Anliegen auch an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und den Vorsitzenden der Jugendministerkonferenz herangetragen.

Der Stand der Beratungen in der IMK, wie ich ihn im schriftlichen Bericht im Einzelnen dargelegt habe, entspricht in vollem Umfang dem Meinungsstand der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Innenminister für die Berichterstattung. Bevor ich die Aussprache eröffne, will ich Gäste begrüßen: Auf der Tribüne haben Mitglieder des AWO-Ortsvereins Wedel Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Antragsteller das Wort. Herr Abgeordneter Lehnert, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vielfältigen Herausforderungen im Bereich der Sicherheit haben bei der letzten Innenministerkonferenz erfreulicherweise eine wichtige Rolle gespielt. Die Menschen in Schleswig-Holstein erwarten dabei von der Politik endlich Antworten zu konkreten Fragen, die insbesondere aus dem Bereich der Polizei immer wieder an uns herangetragen werden. Damit verbunden ist die Aufforderung der Praktiker aus dem Sicherheitsbereich, endlich Lösungen zu finden und entsprechend zu handeln.

Wenn uns dies nicht gelingt, besteht durchaus die Gefahr, dass es uns die Menschen nicht mehr zutrauen, diese Probleme wirklich zu lösen.

Vor diesem Hintergrund begrüßt die CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich den Beschluss der Innenministerkonferenz zur Verbreiterung der Anwendungsmöglichkeiten der DNA-Analyse. Dabei ist es wichtig, dass die Justizministerkonferenz jetzt zügig die dringend erforderlichen Gesetzesinitiativen ergreift.

Leider ist die Landesregierung derzeit noch nicht bereit, die notwendigen Initiativen auf den Weg zu bringen. Gleiches gilt für die Aussonderungsprüffristen und Fristen für Speicherung von Fingerabdruckmaterial und DNA-Identifizierungsmustern. Die durch die IMK angestrebte Beweismitteldatei, die der Identifizierung von Spurenverursachern dienen soll, sollte unserer Auffassung nach schnellstmöglich eingerichtet werden.

Die Möglichkeiten, Straftaten aufzuklären sowie unschuldig Verdächtige nachweislich zu entlasten, sind durch eine rechtsstaatlich abgesicherte Nutzung der DNA-Analyse entscheidend verbessert worden - Sie haben das bereits mehrfach ausgeführt, Herr Innenminister - und müssen auch unter dem Aspekt des besseren Schutzes der Bevölkerung, insbesondere im Bereich der Prävention bei Gewaltverbrechen, besser und konsequenter genutzt werden als bisher.

Im Bereich der bisherigen Regelung des Gewaltschutzgesetzes bereitet uns die teilweise Ablehnung der Übermittlung von entsprechenden Entscheidungen an die Polizei durch schleswig-holsteinische Gerichte Sorge.

Da dies mit Hinweis darauf erfolgt, dass bisher keine Mitteilungsverpflichtung vorgesehen sei, begrüßen wir ausdrücklich die Initiative der Innenministerkonferenz - diesmal erfreulicherweise mit konsequenter Unterstützung aus Schleswig-Holstein -, in Zukunft eine entsprechende Mitteilungspflicht der Gerichte an die Polizei zu schaffen. Damit würde nicht nur den

(Peter Lehnert)

fachlichen Bedürfnissen der Polizei Rechnung getragen, sondern vor allen Dingen auch ein verbesserter Opferschutz sichergestellt.

Über die Gefahren des Internet für Kinder und Jugendliche, insbesondere die Gefahr des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit dem Internet, soll verstärkt öffentlich informiert und aufgeklärt werden. Die Innenministerkonferenz hält es darüber hinaus für erforderlich, konkret zu prüfen, ob das vorhandene rechtliche Instrumentarium zur Bewältigung dieser neuen Herausforderungen an die Kriminalitätsbekämpfung ausreichen oder ob es zusätzlicher oder veränderter Regelungen bedarf, ob und in welcher Form es einer besseren europäischen internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung dieses Deliktsbereiches bedarf, inwieweit Anbieter von Internetleistungen verstärkt eingebunden werden können und welche zusätzlichen Maßnahmen geeignet sind, Straftaten in diesem Bereich vorzubeugen und ein vermutetes erhebliches Dunkelfeld aufzuhellen.

In diesem Zusammenhang bin ich sehr froh über die bisher eingegangenen schriftlichen Stellungnahmen zu unserem Antrag bezüglich einer besseren Bekämpfung der Internetkriminalität. Dabei begrüßt nicht nur der Verband der deutschen Internetwirtschaft grundsätzlich den Antrag der CDU-Landtagsfraktion als richtungsweisenden Schritt in einer Diskussion über sachgerechte Lösungswege, sondern auch der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte, Herr Dr. Bäumler, führt dazu aus, dass der von uns gemachte Vorschlag eine sinnvolle Ergänzung zu den bereits bestehenden gesetzlichen Lösungsregelungen sein kann.

In diesem Sinne hoffe ich, dass es uns in der nahen Zukunft gelingt, bei den von uns aufgezeigten Problembereichen weitere Verbesserungen im Interesse der Menschen und ihrer Sicherheit zu erreichen. Herr Innenminister, ich danke Ihnen für den uns vorgelegten Bericht und beantrage, ihn in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, um über den weiteren Fortgang dieser Punkte dort miteinander zu beraten.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDULandtagsfraktion hat einen Bericht der Landesregierung zu den von Herrn Lehnert eben angesprochenen vier Tagesordnungspunkten der Innenministerkonfe

renz erbeten, die am 8. Juli in Kiel getagt hat. Der Berichtsantrag ist mit der Überschrift „Sicherheit in Schleswig-Holstein“ versehen worden. Gestatten Sie mir deshalb für die SPD-Landtagsfraktion eine allgemeine sicherheitspolitische Vorbemerkung.

Wir sind uns mit den Antragstellern einig darin, dass unseren Strafverfolgungsbehörden in jeder Beziehung alle auch technisch verfügbaren Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, die eine wirksame und erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung gewährleisten, müssen allerdings bei jeder dieser neuen ins Auge gefassten Möglichkeiten immer wieder die verfassungsrechtlichen Grenzen, Bedenken und Missbrauchsvorsorge nach Möglichkeit auch rechtlich treffen. Das gilt insbesondere für den Bereich der DNA-Analyse, auf die sich der erste Punkt bezieht.

Wir teilen die Auffassung der Landesregierung, dass der Einsatz der DNA-Analyse für die Identitätsfeststellung im Strafverfahren ein hervorragend geeignetes Mittel ist. Wir wissen aber auch, dass die DNAAnalyse mit ihrer Aussagekraft über Erbanlagen und Krankheitsdispositionen eine der sensibelsten und problematischsten Informationsquellen überhaupt ist. Deshalb halten wir es mit der Landesregierung für erforderlich und begrüßen die zusätzliche Protokollnotiz in der Innenministerkonferenz, dass weitere Prüfungen in der Innenministerkonferenz und in der Justizministerkonferenz

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

insbesondere darauf gerichtet werden sollten, ob bei rechtlicher Gleichstellung der DNA-Analyse mit den herkömmlichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen besondere gesetzliche Vorkehrungen gegen Missbrauch notwendig sind,

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Franzen [SPD])

zum Beispiel in Form einer Strafbewehrung.

Zur zweiten Frage: Sollen die Fristen für die Speicherung von Fingerabdruckmaterial und DNA-Identifizierungsmustern verlängert werden? - Auch hier kann man sagen, die Bedeutung, die eine Speicherung und Aufbewahrung polizeilicher Erkenntnisse und Unterlagen, insbesondere von Fingerabdruckmaterial und DNA-Identifizierungsmustern, für die polizeiliche Aufgabenerfüllung hat - so der Bericht -, ist unstreitig. Wenn insbesondere die B-Länder, die CDUregierten Bundesländer, weitergehen wollen und diese Fristen pauschal verlängern wollen, so sagen wir: Das ist nicht erforderlich. Wir teilen insoweit die Auffassung unseres Innenministers und der Innenminister

(Klaus-Peter Puls)

konferenz. Es bedarf einer generellen Anhebung der Fristen überhaupt nicht, weil in den Polizeigesetzen schon jetzt Einzelfall begründet solche Verlängerungen möglich sind.

Die dritte Frage: Soll an die Polizei über gerichtliche Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz informiert werden? - Wir haben seit dem 1. Januar 2002 die Möglichkeit, dass sich Opfer von Gewalt in engen sozialen Beziehungen auch an die Gerichte wenden, um Schutzanordnungen zu erhalten. Auch hier teilen wir die Auffassung der Landesregierung, dass getroffene gerichtliche Entscheidungen der Polizei auch mitgeteilt werden sollten. Wenn Gerichte, teilweise auch in Schleswig-Holstein, die Übermittlungen von Entscheidungen an die Polizei mit dem Hinweis ablehnen, dass die Anordnung über Mitteilungen, die es auf Bundesebene gibt, die Anordnung über Mitteilung in Zivilsachen, keine solche Mitteilungsverpflichtung vorsehe, dann muss diese Mitteilungsanordnung auf Bundesebene geändert werden. Darauf will die Landesregierung hinwirken. Das begrüßen wir.

Zur letzten Frage: Wie beurteilen IMK und Landesregierung die Gefahren des Internet für Kinder und Jugendliche, die Gefahren, die unverkennbar vielfältig vorhanden sind und die auch für Straftäter eine immer größere Bedeutung erlangen? - Nicht umsonst hat der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder den Jugendschutz auf das Internet ausgedehnt. Wir teilen auch hier die Auffassung der Regierung, dass darüber hinausgehend weitere geeignete Maßnahmen und Mittel zu entwickeln sind, zu untersuchen sind, die der Bekämpfung, der gezielten Hilfe, der Intervention und der Prävention dieses Deliktsfeldes dienen, und sollten insgesamt, Herr Kollege Lehnert, das Ergebnis der Prüfungen abwarten, ehe wir von der Landesebene neue gesetzgeberische Initiativen auf den Weg bringen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns die Prüfungsergebnisse in Ruhe abwarten. Dann beraten wir sie im Ausschuss. Dann können wir über weitere gesetzgeberische Maßnahmen sprechen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DNA wird mittlerweile zum Kürzel für: „Das nervt allmählich“. Das gilt für die immer wiederkehrenden Debatten um die Anwendung der DNA-Analyse, ausgelöst von der Union in diesem Hause. Wir haben erst im März dieses Jahres mit großer Mehrheit den Wunsch der CDU auf Ausweitung der Speicherungsmöglichkeiten der durch DNA-Analyse erhobenen Daten auf Bagatelldelikte abgelehnt. Wir taten dies aus gutem Grund.

Die CDU wollte seinerzeit die Speicherung von DNA-Material bei einfachen Vergehen möglich machen. Das genügte und genügt nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgericht bei einem so erheblichen Eingriff. Deshalb durften wir diesem Ansinnen nicht zustimmen. Den Kollegen Lehnert ficht das nicht an. Er verfolgt sein Leib-und-MagenThema weiterhin hier im Parlament. Das ist, Herr Kollege Lehnert, auch Ihr gutes Recht.

Man kann dem Kollegen Lehnert für diesen Berichtsantrag aber aus einem Grund dankbar sein. Nicht etwa, weil wir seine Auffassung zur weiteren Nutzung der DNA-Analyse teilen. Auch nicht, damit sich das Parlament über die Beschlüsse der Innenministerkonferenz informieren kann. Denn diese Beschlüsse, Herr Kollege Lehnert, sind im Internet abrufbar. Für diese Information bedarf es keiner Parlamentsdebatte. Der Antrag gibt uns aber die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, wie die IMK bei ihren Beschlüssen zur DNA-Thematik mit Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgeht, wie die Innenministerkonferenz diese Vorgaben schlicht ignoriert.

Der Vorsitzende dieser Konferenz ist der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein. Er ist also auch der zurzeit ranghöchste Verfassungsminister aller Bundesländer. Diesen Titel verdient man aber gerade nicht, Herr Minister Buß, wenn man sich um die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes nicht schert. Dass die schleswig-holsteinische CDU-Fraktion dies für die Anwendung der DNA-Analyse nicht tut, ist bekannt. Der Innenminister und die IMK haben es auf ihrer Tagung am 8. Juli in Kiel aber geschafft, die Wünsche der schleswig-holsteinischen CDU-Fraktion noch bei weitem zu übertreffen.

Die Innenminister haben unter Vorsitz und mit der Stimme Schleswig-Holsteins - Kollege Buß! - eine Gleichstellung der DNA-Analyse mit den sonstigen erkennungsdienstlichen Maßnahmen im Rahmen des § 81 b Abs. 2 StPO empfohlen.