Protokoll der Sitzung vom 22.09.2004

(Beifall bei der SPD)

Nun könnte man Ihnen wenigstens eine geschickte politische Strategie zubilligen. Schließlich ist die Finanzlage des Landes angespannt und somit für eine Opposition immer einen verbalen Tiefschlag wert. Aber nach der famosen Pressekonferenz von Herrn Wiegard und Herrn Austermann zu den finanzpolitischen Vorstellungen der Union wissen wir, wie Sie die Haushaltslage ändern wollen. Ganz einfach: Erstens. HSH-Nordbank-Anteile verkaufen, was bis 2013 gar nicht möglich ist; das macht aber nichts. Als Käufer käme nur Hamburg infrage und dann wären die Arbeitsplätze in Kiel weg. Lassen Sie sich das einmal von Herrn Peiner erklären. Er wird Ihnen das genauso sagen. Er hält nämlich überhaupt nichts von Ihren Plänen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Sozialhilfe kürzen, aber dafür reichlich mehr Staatssekretärsstellen schaffen.

Drittens. Einnahmesichernde Gebühren streichen, dafür aber deutlich mehr Ausgaben im Bildungsbereich versprechen.

Viertens. 2.000 Beschäftigte kurz-, mittel- oder langfristig oder auch gar nicht abbauen, aber immerhin mehr Flexibilität beim Abschuss der Kormorane. Das ist eine klasse Strategie! Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Unsere Vorstellungen zur Haushaltskonsolidierung sind wirklich andere. Wir organisieren unsere Verwaltung um, damit wir unsere Beschäftigten so einsetzen können, dass mehr für Bürgerinnen und Bürger herauskommt. Ich nenne beispielhaft die Polizeireform III, die Reform der Finanzämter und unsere Bemühungen zur KFZ-Steuer.

Übrigens wäre es nett, wenn Sie mir einmal sagten, was eigentlich gilt: Austermann oder Wiegard? - Damit wir Bescheid wissen, worüber wir mit Ihnen

(Minister Dr. Ralf Stegner)

reden. Immer wenn es konkret wird, sagen Sie Nein und schlagen sich in die Büsche.

(Widerspruch bei der CDU)

Wir wollen mit den Beschäftigten und mit den Betroffenen vor Ort unter den Bedingungen Wirtschaftlichkeit, Professionalität und Bürgernähe darüber reden, welche Veränderungen unvermeidbar sind.

Im Gegensatz zu Ihnen hält es übrigens die Landesregierung für durchaus zumutbar, dass in bestimmten Fällen der Arbeitsweg um 30 km verlängert wird. Wir hatten im Finanzministerium gerade zwei Volontäre von HDW und Provinzial. Die können nur lachen, wenn sie hören, was Sie, sehr verehrter Herr Abgeordneter Wiegard, zu solchen Dingen sagen.

Wir kürzen die Sonderzuwendungen unserer Beschäftigten sozial ausgewogen und haben auch für die Kliniken einen entsprechenden Beschäftigungspakt ausgehandelt. Sie wollen die Leute lieber hinauswerfen oder damit drohen. Alternativ können Sie ja dann - wie Ihre Parteifreunde in Niedersachsen - auch die Zuwendungen für den einfachen mittleren Dienst streichen und die Lernmittelfreiheit beseitigen. Das sind Ihre Vorstellungen davon, wie man mit Haushaltsfragen umgeht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kürzen in den Förderprogrammen mit Augenmaß. Auch hierbei lohnt ein Blick nach Niedersachsen, um zu sehen, was die Schleswig-Holsteiner zu befürchten hätten, wenn Sie doch erfolgreich wären. Sie wollen den sozialen Kahlschlag, um Ihre ideologischen Spielwiesen wie die Atomkraft zu pflegen, die Kraftwerksbetreiber zu entlasten oder einen Frachtflughafen zu bauen, den kein Mensch braucht, will oder für nötig hält. Das ist richtiger Unfug und das wissen Sie selbst.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Nun könnte man in Ruhe darüber diskutieren, wie Sie aus Ihrer Verantwortung für Schleswig-Holstein handeln würden. Doch - das offenbaren Sie jetzt wieder - schon in Ihrer Verfassungsklage geht es Ihnen nur um Parteitaktik. Nicht nur dass, wenn Sie gewinnen sollten, ein ausgeglichener Haushalt 2006 gar nicht möglich wäre, Sie verabschieden sich auch konsequent aus der Wirklichkeit.

In Ihrer Antragschrift - nun hören Sie gut zu - vom 7. April bezweifeln Sie seitenlang die Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts. Herr Präsident, ich zitiere den Herrn Oppositionsführer aus der Plenarsitzung vom 28. April, genau drei Wochen später: „Wir

stellen fest: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Schleswig-Holstein ist gestört.“ - Das ist ein rasanter Erkenntnisfortschritt in drei Wochen, sehr verehrter Herr Oppositionsführer. Da reibt man sich doch die Augen und fragt: Was gilt nun eigentlich bei Ihnen? - Das, was in Ihrer Klageschrift steht, oder das, was Sie hier sagen? Vermutlich beides nicht.

(Caroline Schwarz [CDU]: Sie sind so aufge- regt!)

Haben wir es wirklich, wie Sie in Ihrer Klage formulieren, mit einem „nicht ganz optimalen Beschäftigungsstand“ zu tun? Erklären Sie das einmal den Arbeitslosen in Deutschland, sehr verehrter Herr Oppositionsführer. Da ist doch geradezu Verhöhnung der Betroffenen. Bei 4,5 Millionen Arbeitslosen kann man doch nicht sagen, das wirtschaftliche Gleichgewicht sei nicht gestört.

Die Daten der Ländervergleiche zeigen, dass Ihre Vorwürfe in der Sache wirklich daneben sind. Niemand außer Ihnen leugnet, dass wir uns in einer schwierigen Lage befinden. Wir haben eine hohe Zinslast, wir haben eine hohe Verschuldung, die Steuereinnahmen sind immer noch nicht so, wie wir uns das wünschen.

(Frauke Tengler [CDU]: Das leugnen wir auch nicht!)

Außer Ihnen und Ihrem Möchtegern-Juniorpartner versuchen jedoch andere, ernsthafte Lösungen zu entwickeln. Mein Kollege Peiner aus Hamburg - Doppelhaushalt im Übrigen! - hat zum Beispiel gefordert, die Steuerquote zu erhöhen. Sie dagegen hängen der Merz’schen Bierdeckelpolitik nach und wollen den Staat um weitere 25 Milliarden € ärmer machen und - ganz nebenbei bemerkt - auch noch das Solidaritätsprinzip in der Krankenversicherung durch Kopfpauschalen liquidieren. Das sind Ihre Vorstellungen, wie man mit solchen Dingen umgeht.

Die Landesregierung will eine Steuerreform, die die Einnahmen der Kommunen und des Landes stabilisiert und die Beschäftigungssituation verbessert. Wir arbeiten in Schleswig-Holstein an einer zukunftsfähigen und flexiblen Verwaltung und einem modernen Schulsystem, Sie wollen nach den Worten Ihres Spitzenkandidaten zurück in die 50er-Jahre. Damit kommen Sie nicht weit und glücklicherweise schon gar nicht dorthin, wohin Sie eigentlich wollen, nämlich in die Regierungsverantwortung - trotz der Heldenträume des Herrn Abgeordneten Garg.

Von Alec Guinness können wir lernen: Schlechte Argumente bekämpft man am besten, indem man deren Darlegung nicht stört. In dem Sinne tun Sie uns

(Minister Dr. Ralf Stegner)

bitte einen Gefallen: Lassen Sie Ihr so genanntes Kompetenzteam mit dem famosen Konzept möglichst häufig öffentlich auftreten. Darum würde ich Sie herzlich bitten. Verstecken Sie den Herrn Schlie nicht, treten Sie öffentlich auf. Das kann uns nur nützen.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Fraktionen haben die Redezeiten weitestgehend ausgeschöpft. Die Restredezeit der Fraktion der FDP beträgt noch zwei Minuten. Ich sehe, die wird zurzeit nicht in Anspruch genommen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das, was wir zu sagen haben, haben wir gesagt!)

- Ich frage nur deshalb, weil wir dann, wenn Sie das nicht in Anspruch nehmen, jetzt nämlich zu den Dreiminutenbeiträgen kommen. - Es liegt eine Wortmeldung nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Herrn Abgeordneten Wiegard vor.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist interessant, dass der Herr Finanzminister kein einziges Wort zu der Kernfrage verliert - der ich meinen Beitrag hier auch gewidmet habe -, wie die Landesregierung eigentlich dieser von ihr erklärten Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und der schweren Beschäftigungskrise in Schleswig-Holstein begegnen will, mit welchen Mitteln. Es gibt dazu auch in Ihrem wortgewaltigen Beitrag kein Wort, kein einziges Wort.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Neiddebatte!)

Das ist übrigens höchst interessant: Das einzige Programm, über das in Schleswig-Holstein diskutiert wird, ist das der CDU.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Ihrem Programm steht nicht einmal ein einziger Satz, nicht einmal ein einziges Wort zur Finanzpolitik und zu dem, was Sie hier nach 17 Jahren hinterlassen haben, kein einziges Wort. Das ist auch klug von Ihnen - entschuldigen Sie, Herr Dr. Klug, dass ich Ihren Namen verwende oder missbrauche -, denn das kann man niemandem ernsthaft vermitteln, was Sie hier hinterlassen haben.

Ich möchte zum Jahr 2005, zum Haushalt für das Jahr 2005, Folgendes sagen. Wenn Sie nicht diesen

Trick versucht hätten, einen Zweijahreshaushalt zu machen, und Sie heute in der Pflicht wären, einen Haushalt aufzustellen, dann müssten Sie als Grundlage für die Einnahmen die Steuerschätzung von Mai 2004 verwenden. Das ist die Grundlage. Deshalb sagen wir: Setzen Sie wenigstens in Ihrer noch verbleibenden Amtszeit das an verfügbaren Zahlen ein, was Sie von jedem anderen Unternehmen - ich habe Ihnen die Grundlagen genannt - auch an Klarheit und Wahrheit verlangen würden.

Zum Subventionsabbau wird immer Unfug erzählt, das ist wahrlich nicht mehr zu fassen. Sind Sie nicht dabei gewesen? Ich denke, Herr Finanzminister, Sie waren bei den Vermittlungsgesprächen dabei!

(Zurufe)

- Vielleicht ist er in der Zeit ja Einkaufen gegangen. Also, der Herr Bundesfinanzminister hat ein Paket zur Kürzung in der Größenordnung von 24,5 Milliarden € vorgeschlagen und akzeptiert und gemeinsam getragen wurden 22,7 Milliarden €. Hier immer das Märchen zu erzählen, dass da nichts mitgetragen worden sei, ist völliger Blödsinn.

(Beifall bei der CDU)

Aber in dem Koch-Steinbrück-Papier - da haben Sie keine Vorschläge gemacht - war zum Beispiel auch die Frage der Kohle enthalten. Bei der Kohle haben Sie dann draufgesattelt, 16 Milliarden € eben so draufgepackt und uns halten Sie das jetzt vor, wir machten da nicht mit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Nun ein Wort zur Normenkontrollklage gegen Ihren Haushalt. Sie haben von Anfang an allergrößte Bedenken gehabt. Das Bundesverfassungsgericht hat uns schon mitgeteilt - genau das, was wir eigentlich erreichen wollten -, dass dieses Problem zu einem bundesweiten Thema wird. Deshalb ist unsere Klageschrift an alle Landtage, alle Landesregierungen, an das Bundeskanzleramt und den Bundestag zur Stellungnahme gegangen. Sie werden erleben, dass endlich dieses Thema Verschuldung über die Verfassungsgrenze hinaus zu einer bundesweiten Aktivität führt,

(Beifall bei CDU - Zurufe von der SPD)

weil es unanständig ist, künftigen Generationen einen solchen Schuldenberg zu hinterlassen, bei dem sie keine eigene Gestaltungskraft mehr entwickeln können. Deshalb sehen wir diesem weiteren Verfahren ganz gelassen entgegen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)