Protocol of the Session on November 10, 2004

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(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kolb.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg schließe ich mich dem Dank, der namentlich durch den Kollegen Lehnert schon ausgesprochen wurde, auch im Namen meiner Fraktion an. Ich möchte auch vorwegnehmen, dass wir diesem Gesetz zustimmen werden. Erlauben Sie mir aber trotzdem einige Anmerkungen.

Der jetzt in der zweiten Lesung zu beschließende Gesetzentwurf ist in einem entscheidenden Punkt nachgebessert worden, und das ist auch gut so. Ich freue mich, dass der Landtag mehrheitlich den von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände gemachten Änderungsvorschlag hinsichtlich der Kostenerstattung der kreisangehörigen Gemeinden aufgegriffen hat, denn eines wurde in den Beratungen deutlich: Die Umsetzung von Hartz IV leidet von Anfang an an dem großen Problem, dass einerseits die Entlastung der Kommunen immer wieder verkündet worden ist, andererseits diese genau dann, wenn es um konkrete Entlastungen geht, alleine gelassen werden. Hier zeigt sich das Problem der fehlenden Konnexität. Der Bund schafft an und die Kommunen leben in der Unsicherheit, ob die versprochenen Entlastungen überhaupt bei ihnen ankommen.

Das jetzige Verfahren ist das beste Beispiel. Demnach verlieren die Kreise die bisherige Gemeindebeteili

gung an den Sozialhilfekosten und damit entstehen bei den kreisangehörigen Gemeinden je nach Sozialstruktur vor Ort unterschiedliche Entlastungen. In welcher Größenordnung tatsächlich die jeweiligen Ent- und Belastungen auftreten werden, wenn zum Jahresende das Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz wegfällt, ist aber noch außerordentlich vage.

Die derzeit erwartete Zahl von zu aktivierenden Personen, lieber Kollege Puls, unterliegt nur einer sehr ungenauen Schätzung. Einerseits werden durch die Definition der Bedarfsgemeinschaft neue Personenkreise hinzutreten, die bisher in den amtlichen Statistiken noch gar nicht auftauchen, andererseits werden derzeit registrierte Personen als bei Sozialleistungen nicht mehr bezugsberechtigt eingestuft werden, wenn sie über die Bedarfsgemeinschaft abgesichert sind. Wenn wir dann den Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung glauben dürfen, wird im Saldo die Zahl der zukünftig Anspruchsberechtigten höher ausfallen, als bisher geschätzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ursprünglich vorgesehene Fassung des Gesetzentwurfes sah hier außer der Regelung über eine Kreisumlage keine Entlastungsmöglichkeiten für Kreise und kreisfreie Städte vor. Diese wären durch die Unterkunftskosten und deren Verwaltungskosten sowie mit den Aufwendungen für die Betreuungsleistungen belastet worden. Die Anhebung der Kreisumlage stellt im Gegensatz zur öffentlichen Darstellung des Finanzministers in seinem offenen Brief vom 23. September dieses Jahres aber keine qualitative Verbesserung vor. Vielmehr hätte dieses rot-grüne Schwarzer-PeterSpiel nach der Rasenmähermethode dazu geführt, dass die Sozialstrukturen vor Ort zu wenig berücksichtigt worden wären, ohne dass eine Ausgleichsregelung für die Kreise bestanden hätte. Die jetzt gefundene Regelung ist deshalb geeignet, einen fairen Ausgleich entsprechend den Leistungen einer jeden Kommune zu schaffen. Zwar ist die Delegation der Aufgaben aufgrund des fehlenden Ausführungsgesetzes zum SGB II immer noch nicht pünktlich geregelt, aber die gefundene finanzielle Ausgleichsregelung bringt ein Stück Rechtssicherheit.

Weitere Unsicherheiten sind aber leider immer noch nicht vollständig ausgeräumt, wie die tatsächliche Entlastung der Kommunen nämlich ausfällt. Gerade vor dem Hintergrund, dass für die angenommenen Entlastungen der Kommunen durch Hartz IV gleich durch die Bundesregierung eine Verpflichtung nachgeschoben worden ist, für Kinder unter drei Jahren nach Bedarf Plätze in Tageseinrichtungen und in der Kinderpflege vorzuhalten, ist die Entlastung doch

(Veronika Kolb)

außerordentlich vage. Wie hoch deshalb die weitere Belastung der Kommunen ausfallen wird und ob diese durch die versprochenen Entlastungen tatsächlich kompensiert werden kann, ist noch nicht geklärt.

Umso wichtiger ist deshalb, dass das Land seine Versprechung wahr macht und seine Nettoentlastung an die Kommunen weiterleitet. Zwar regelt der vorliegende Gesetzentwurf, dass Ausgleichsleistungen des Bundes weitergeleitet werden - eine explizite Regelung, die das Land verpflichtet, seine aus der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe entstandenen Entlastungen an die Kreise und kreisfreien Städte weiterzuleiten, fehlt aber.

Wir werden hier genau überprüfen, ob die Versprechungen dieser Landesregierung eingehalten werden. Nach dem 20. Februar 2005 werden wir sie entlasten - um mit Ihren Worten zu sprechen -, dann machen wir es, Herr Astrup.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hartz IV hat in den letzen Monaten viele Menschen verunsichert. Es hat aber auch zur Verunsicherung innerhalb der Kommunen geführt, da Verantwortung umverteilt wird, neue Aufgaben entstehen und Finanzstrukturen grundlegend verändert werden.

Im Rahmen der neuen Gesetzgebung musste geprüft werden, wie die Entlastung aus Hartz IV gerecht verteilt werden kann. Dabei ist es natürlich erneut zu der Frage gekommen, in welcher Höhe sich die jeweilige Wohnortgemeinde an den Kosten „ihrer" Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger beteiligen soll. Hintergrund einer Beteiligung war und ist, dass die Sozialämter vor Ort auch die Höhe der entstehenden Kosten mit im Blick haben wollen.

Die bisherige Regelung - das müssen wir zur Kenntnis nehmen - hat aber auch dazu geführt, dass einige Gemeinden keine Sozialwohnungen gebaut haben, weil sie vor den Folgekosten Angst hatten, weil dann ja Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger hinzuziehen. Es hat auch dazu geführt - so wird mir immer wieder berichtet -, dass es Sozialämter gegeben haben soll, die durch eine sehr rigide Beratung Menschen „motiviert“ haben, die Gemeinde zu wechseln, um dann ordentlich zu ihrem Recht zu kommen.

Die bisherige Finanzstruktur hat in jedem Fall dazu geführt, dass innerhalb der Kreise einige Kommunen erheblich belastet wurden, andere hatten sehr viel weniger zu schultern. Deshalb gab es immer wieder Vorschläge, dies zu verändern, beispielsweise von der Gemeinde Trappenkamp.

Mit dem Landesausführungsgesetz zum SGB II ist nun eine Lösung gefunden worden, die die Finanzströme neu ordnet. Auch ich möchte mich dem Dank an die drei kommunalen Landesverbände anschließen, dass sie eine gemeinsame Lösung gefunden haben. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir diesen Vorschlag in den Ausschuss eingebracht haben und dass wir dem Vorschlag zustimmen.

Durch das neue Ausführungsgesetz wird die Wohnortgemeinde zwar auch weiterhin an den Wohnkosten beteiligt, insgesamt aber entlastet. Nach unserer Meinung ist das wichtig. Es wird so sein - ein Gruß an die FDP -, dass natürlich über die Kreisumlage nachgesteuert werden muss, wenn die jetzt vereinbarte Entlastung für den Kreis nicht reicht. Wir teilen nicht die Auffassung der FDP, im Kreis Segeberg bekundet, es müsse alles getan werden, um „das alte Verhältnis von armen und reichen Gemeinden wieder herzustellen“. Das ist nicht unsere Position. Wir stehen dazu, dass es Sinn macht, auch zu Umverteilungen innerhalb der Gemeinden zu kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unzufrieden sind wir mit der neuen Regelung zur Sozialstaffel für die Kindertagesstätten. Das Ziel meiner Fraktion ist es, dass alle Kinder vor der Schule die Kindertagesstätte besuchen und dass dieses Angebot insbesondere für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen gebührenfrei ist, wie es bisher war. Wir bedauern, dass sich die Kommunen gegen eine generelle Gebührenfreiheit für Geringverdienende ausgesprochen haben. Wir haben jetzt eine andere Regelung im Gesetz mit der Absenkung auf 85 %. Wir fordern die Kreise auf, durch die Gestaltung ihrer Sozialstaffeln sicherzustellen, dass es nun nicht aus Kostengründen zur Abmeldung aus der Kindertagesstätte kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Land und Kommunen tragen gemeinsam Verantwortung dafür, dass möglichst alle Kinder in der Kindertagesstätte soziale, motorische und kognitive Grundlagen erwerben, um in der Schule chancengleich mitlernen zu können.

Mit der von SPD und Grünen eingebrachten Revisionsklausel wird sichergestellt, dass diese Auswir

(Monika Heinold)

kung der neuen Gesetzeslage zum 30. Juni 2005 überprüft wird. Gegebenenfalls müssen wir dann nachsteuern.

Die Landesregierung hat zugesagt, dass sie die NettoEinsparung aus Hartz IV an die kreisfreien Städte und Kreise weiterreicht. Konkrete Zahlen - insofern wundert es mich, wenn behauptet wird, es gebe keine Zahlen - stehen in der Antwort der Landesregierung auf die ausgesprochen hilfreiche Kleine Anfrage des Kollegen Peter Lehnert.

(Beifall des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

Außerdem ist vereinbart, dass sich Land und Kommunen im Frühjahr zusammensetzen, um auf die veränderte Gesetzgebung zu reagieren, und nach ersten Erfahrungswerten insbesondere die Veränderungen innerhalb des quotalen Systems miteinander regeln.

Ich begründe jetzt nicht noch einmal, warum wir den CDU-Antrag ablehnen, der Anfang der Woche nachgeschoben worden ist. Das hat Herr Puls ausreichend und qualifiziert gemacht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch das Gesetzgebungsverfahren für die Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für SchleswigHolstein bestätigt die vielfältigen Probleme bei der Umsetzung von Hartz IV vor Ort. Das vorliegende Landesausführungsgesetz soll die Umsetzung von Hartz IV in Schleswig-Holstein sichern, und zwar so, dass die Kommunen und Kreise auch wirklich ihren Anteil der vom Bund versprochenen Entlastung von bundesweit 2,5 Milliarden € bekommen.

Das Problem im ersten Entwurf war, dass die Landesregierung vorgeschlagen hatte, die Streichung von § 27 des Finanzausgleichesgesetzes durch eine Erhöhung der Kreisumlage zu finanzieren. Auf den ersten Blick sicherlich ein reizvoller Ansatz - meine Kolleginnen haben schon vorher erklärt, wie das geht -, da dadurch auch die Kommunen mit wenigen Sozialhilfeempfängern an der Finanzierung der Kosten in diesem Bereich beteiligt werden sollten. Allerdings hat dieser Vorschlag zu einem Sturm der Entrüstung bei den Kommunen geführt, die durch die Erhöhung

der Kreisumlage künftig hätten mehr bezahlen müssen. Es haben sich ja nicht diejenigen gemeldet, die die Bewohner bisher gern aufgenommen und sie entsprechend gut vor Ort behandelt haben.

(Unruhe)

Die kommunalen Landesverbände haben sich dann auf eine gemeinsame Position geeinigt, die sie in der Anhörung am 4. November 2004 den beteiligten Ausschüssen im Landtag präsentiert haben. Die Mehrheit des Landtages hat diesen Kompromissvorschlag, der unter anderem die Kreise dazu ermächtigt, durch Satzung die kreisangehörigen Gemeinden bis zu 23 % der von ihnen zu erbringenden Leistung für Unterkunft und Heizung zu erstatten, übernommen. Nach Ansicht der kommunalen Landesverbände sichert dieser Kompromiss einen fairen Interessenausgleich für alle Städte und Gemeinden. Da auch dem SSW viel an der kommunalen Einigkeit liegt, können wir diesen Kompromiss unterstützen.

Allerdings haben wir große Probleme mit einer anderen Folge dieses Gesetzes - die Kollegin Heinold hat es schon genannt -, nämlich der Kürzung der Sozialstaffel im Kita-Gesetz auf 85 %. Auch hier war der von der Landesregierung vorgeschlagene Weg auf den ersten Blick akzeptabel, weil der Regelsatz für Sozialhilfeempfänger sich zum 1. Januar 2005 von 296 € auf 345 € erhöht. Die Kürzung auf 85 % würde bedeuten, dass die Sozialstaffel ab der Einkommensgrenze von 293,25 € gilt, also in etwa auf gleichem Niveau wie bisher.

Das Problem liegt aber darin, dass die Regelsätze angehoben worden sind, weil man nicht damit rechnen kann, dass es in Zukunft noch eine Hilfe zum Lebensunterhalt als individuell zu beantragende Einzelhilfe für definierte Leistungssituationen geben wird. Man soll selber ansparen, damit man sich den großen Kühlschrank, die Waschmaschine oder andere Dinge leisten kann.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Einen Moment bitte, Frau Abgeordnete. - Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Der Geräuschpegel ist sehr hoch. - Sie haben weiter das Wort, Frau Abgeordnete.

Also werden die Sozialhilfeempfänger durch Hartz IV am Ende nicht besser gestellt und deshalb könnte die Reduzierung der Einkommensgrenze auf 85 % der Sozialstaffel negative Folgen haben.

(Silke Hinrichsen)

Das befürchten sowohl die Landeselternvertretung für Kindertagesstätteneinrichtungen als auch der Paritätische Wohlfahrtsverband in ihren Stellungnahmen zu diesem Gesetz. So glaubt der DPWV, dass sozial schwache Familien künftig möglicherweise vor die Entscheidung gestellt werden könnten, ob sie die Winterstiefel oder andere größere Anschaffungen tätigen sollten oder den Kindergartenplatz ihrer Kinder finanzieren können. Aus Sicht des SSW müssen wir sicher sein, dass das nicht die Folge dieses Ausführungsgesetzes sein wird. In der jetzt vorliegenden Fassung wird deshalb vorgeschlagen, im Juni 2005 eine Überprüfung der Folgen dieses Gesetzes vorzunehmen.

Das ist uns aber zu wenig. Was für die Kommunen gilt, muss auch für die sozial schwachen Familien gelten. Wir müssen von vornherein ausschließen, dass sich durch die Kürzung der Sozialstaffel negative Folgen für diese Familien und insbesondere deren Kinder ergeben, wie von uns befürchtet und von der Kollegin Heinold auch schon beschrieben. Weil das nicht sicher ist, wird sich der SSW bei diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

Zum Abschluss möchte ich sagen, dass sich zum Beispiel die Ratsversammlung in Flensburg schon mit diesem Ausführungsgesetz beschäftigt hat und dass man sich dort über alle Fraktionen hinweg zumindest dann einig war, dass nicht diese 85 % die Freigrenze wären.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gab Unterschiede zwischen der CDU und den anderen drei Fraktionen. Diese haben sich auch durchgesetzt, sodass es zumindest in Flensburg eine andere Sozialstaffel gibt, als sie hier eigentlich schon vorausgedacht ist.