Protocol of the Session on November 11, 2004

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auf unser Land haben.

Wer sagt, da die NATO-Doktrin aufgegeben worden sei - Gott sei Dank sind wir nicht mehr Erstschlagsland, wir werden nicht als Erstes aufgegeben -, sei das Ergebnis, dass die Bundesrepublik durch die Bundeswehr am Hindukusch verteidigt werde, trifft eine Wahnsinnsaussage.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer das erzählt, der macht einen Übermachtanspruch für die Bundesrepublik Deutschland direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst geltend, den man so nicht im Raum stehen lassen kann.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir verteidigen am Hindukusch zufällig die Demokratie und die Freiheit von Menschen, die dazu nicht in der Lage sind. Und dies tun wir mit UNO-Auftrag und nicht als Bundesrepublik Deutschland allein. Das darf man hier auch nicht als Flapsigkeit sagen. Denn es könnte Leute geben, die das ernst nehmen.

Ihren Beiträgen habe ich entnommen - und ich danke den Abgeordneten der rot-grünen Koalition ausdrücklich, dass sie dies nicht gemacht haben -, dass alles so bleiben müsse, wie es sei.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt über- haupt nicht! Das hat niemand gesagt!)

Was hätten Sie erzählt, wenn der Marinestandort Kiel dichtgemacht worden wäre? Wollen Sie, dass die Marinestandorte in Olpenitz und in Kiel im Umfang der alten Verteidigungsdoktrin bleiben? - Sie müssen sagen, wie Sie das bezahlen wollen. Das wäre schon interessant.

Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass Sie allen alles versprechen und das können Sie militärstrategisch nicht halten und das können Sie natürlich auch finanzpolitisch nicht halten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen unterfüttert die Bundeswehr ihren Auftrag regional. Wir können uns gegenüber anderen Bundesländern nicht einmal beschweren, weil wir immer noch einen stärkeren Besatz haben: 9,1 Dienstposten pro 1.000 Einwohner im Vergleich zum Durchschnitt von 3,1 Dienstposten pro 1.000 Einwohner. Sie müssen schon sagen - alternativ statt additiv; das kommt auch in diesem Punkt gut an -, welchem Land Sie wie viel wegnehmen wollen, wenn Sie die Standorte im bisherigen Umfang hier erhalten wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann müssen Sie das beispielsweise mit dem Ministerpräsidenten in Niedersachen ausmachen oder Sie müssen das mit dem Ministerpräsidenten - das fällt Ihnen vielleicht etwas leichter - in MecklenburgVorpommern ausmachen oder Sie müssen es in Brandenburg ausmachen, wo überhaupt zum ersten Mal Bundeswehrstandorte angesiedelt worden sind. Wir haben Einheiten abgegeben und diese sind in den Osten gegangen. Diese haben genauso gut ein Recht darauf wie wir, Bundeswehrstandorte zu bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Witzigerweise sehen dies die Bürgermeister eher ein als Sie.

(Holger Astrup [SPD]: Die sind auch viel weiter!)

Sie sind enttäuscht und wissen, dass jetzt harte Arbeit auf sie zukommt. Aber ich bei keinem der Treffen gehört, dass einer gesagt hat: Frau Simonis, ich erwarte von Ihnen, dass sie das alles rückgängig machen und dass alles so bleibt, wie es ist. - Die Bürgermeister haben in der Zwischenzeit begriffen, dass man angesichts der geänderten Militärdoktrin nicht mit den alten Antworten kommen kann.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben auf das, auf was wir Einfluss nehmen konnten, nämlich auf die regionalen Notwendigkeiten und auf die regionalen Verantwortung, die der Bund innehat, Einfluss genommen. Auf militärischstrategische - -

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Sehr geehrter Herr Oppositionsführer, ich werde einen Teufel tun und mich als Vertreter eines Landes,

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

das weder die Unterlagen noch das Wissen oder das verfassungsmäßige Recht hat, mit dem Bundestag über militärstrategische Angelegenheiten unterhalten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das habe ich doch gar nicht gefordert!)

- Das haben Sie vorhin von mir gefordert.

(Martin Kayenburg [CDU]: Quatsch!)

Das Einzige, was man machen kann, ist, nach der regionalen Ausgewogenheit und den betriebswirtschaftlichen Kosten zu fragen. Weil es bei den betriebswirtschaftlichen Kosten Fragezeichen gibt, werden wir die Parlamentarischen Staatssekretäre aus dem Finanzministerium und dem Verteidigungsministerium hier einladen, damit uns diese den Bürgermeistern, den Landräten und den Vertretern aus den Regionen - und uns natürlich auch - Rede und Antwort stehen sollen und damit wir dieses in ein Bild hineinbekommen.

Ich jedenfalls, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe das Gefühl: Wenn die Menschen vor Ort diese Aufgeregtheiten - übrigens sind diese Zwischenrufe von der rechten Seite manchmal wirklich unterirdisch - mitbekämen - -

Frau Ministerpräsidentin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Ich bin bei meinem letzten Satz. Er kann sich ja später noch zu einem Dreiminutenbeitrag melden.

Ich glaube, dass den Menschen vor Ort überhaupt nicht mit dem geholfen ist, was hier veranstaltet wird. Sie plustern sich hier auf, obwohl Sie genau wissen, dass Sie im Wesentlichen nicht ein Stück rückgängig machen können; Sie können lediglich Feinjustierungen vornehmen und hier oder da nachfragen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es geht doch gar nicht darum, etwas rückgängig zu machen!)

Sie können doch hier nicht den Eindruck erwecken, Sie hätten - wenn Sie an unserer Stelle stünden - alles - jeden einzelnen Dienstposten - für SchleswigHolstein gerettet. Wer das erzählt, ist auf der Skala des Populismus schon weit abgesunken.

(Anhaltender Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach § 56 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung verlängert sich die Redezeit der Fraktionen um die Dauer der Redezeitüberschreitung der Regierung.

Nun erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der CDUFraktion, Herrn Oppositionsführer Kayenburg, das Wort. Ihm steht nach der Rede der Ministerpräsidentin als Erstem das Wort zu.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Niemand spricht der Regierung den guten Willen ab, aber die Erfolglosigkeit ist mit Händen zu greifen. Das müssen wir hier wirklich nicht unterstreichen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Frau Simonis, niemand hat hier gefordert, alles solle so bleiben, wie es gewesen ist.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Herr Astrup, unterbrechen Sie mich doch nicht immer!

Es hat auch niemand gesagt, wir wollten alles rückgängig machen. Im Gegenteil: Es geht um Konversion und es geht um Maßnahmen, wie man das, was entschieden ist - insofern habe ich auch nicht gefordert, dass Sie militärpolitisch hätten eingreifen sollen -, abmildern beziehungsweise abfedern kann.

Ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass man mit der Bundeswehr nicht Strukturpolitik betreiben dürfe. Aber wir haben einen Ist-Zustand und derjenige, der entscheidet, greift in die Strukturpolitik ein, und die Folgen dieser strukturpolitischen Maßnahme, nämlich des Wegnehmens, sind zu beachten und damit haben wir uns auseinander zu setzen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das heißt im Klartext Konversion.

Drittens.

Das haben wir nicht verstanden! Das müssen Sie uns noch einmal erklären!)

- Das ist bei Ihrem Horizont auch kein Wunder!

(Heiterkeit bei CDU und FDP - Ursula Käh- ler [SPD]: Sie hat wenigstens noch einen im Gegensatz zu Ihnen! - Heiterkeit bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)