Protocol of the Session on November 11, 2004

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(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Was ist mit dem Tierschutz?)

Der Tierschutz ist inzwischen in der Bundesverfassung verankert; das war unser vorrangiges Ziel. Für mich war es immer eine Ausweichlösung zu sagen: Wenn man es nicht in der Bundesverfassung geregelt bekommt, mache man es wenigstens in der Landesverfassung.

(Zurufe des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Herr Garg, ich habe jetzt das Wort und rede und Sie hören mir bitte einen Augenblick lang zu. Wenn Sie reden, höre ich zu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Der Tierschutz ist in der Bundesverfassung verankert. Deswegen hat es meine Fraktion nicht für notwendig

(Irene Fröhlich)

gehalten, ihn auch in der Landesverfassung zu verankern.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das gilt für Min- derheiten, gilt für Behinderte!)

Der heute wichtigste Punkt ist für mich jedoch, dass in Schleswig-Holstein endlich ein Landesverfassungsgericht eingesetzt wird. Bürger unseres Landes weisen darauf hin, dass es Benachteiligungen beispielsweise im Unternehmensbereich oder im kommunalen Bereich mit sich bringt, dass SchleswigHolstein - als einziges Bundesland - immer noch kein eigenes Verfassungsgericht hat.

(Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Es ist der Demokratie nicht förderlich, wenn beispielsweise die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Volksinitiative erst Jahre nach der Abstimmung im Landtag fällt und lange, nachdem die öffentliche Auseinandersetzung gelaufen ist. Sie, meine Damen und Herren, haben es in der Hand, dass wir es noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Über die Art des Verfahrens wird man sich sicherlich verständigen können, wenn man an dieser Stelle zu einem einstimmigen oder mehrheitlichen Willen kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, dass Sie jetzt jede Menge Winkelzüge machen, um da wieder herauszukommen, Herr Kubicki; ich verstehe das auch, halte es aber für unwürdig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Win- kelzüge? Was Sie machen, ist Folgendes: Sie sind erst vor 14 Tagen auf die Idee gekom- men! Es ist mit niemandem von uns geredet worden!)

Das Wort erhält die Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Antrag zur Änderung der schleswig-holsteinischen Landesverfassung unter „ferner liefen“ eingebracht haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dies ist auch deshalb schade, weil ich noch im Ohr habe, was der Kollege Puls in der Verfassungsdebatte im Februar 2003 - damals ginge es um die Diätenreform und die Verkleinerung des Landtages - sinngemäß sagte, nämlich, eine weiterführende Verfassungsänderung oder -reform verdiene eine angemessene Vorbereitung und auch eine angemessene Debatte.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

Ich stelle die Frage, ob das, was jetzt vorliegt, angemessen ist. Dabei rufe ich in Erinnerung, dass der SSW Anfang 2003 gemeinsam mit FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Paket mit wichtigen Änderungen der Landesverfassung geschnürt hat. Wir waren damals der Meinung, es gebe Wichtigeres, als die Verkleinerung des Landtags in der Verfassung festzuschreiben. Dazu steht der SSW heute noch. Am bedauerlichsten ist jedoch, dass der vorliegende Antrag keine Chance hat, eine Mehrheit zu finden. Damals war es uns zumindest gelungen, die FDP mit ins Boot zu bekommen.

Schon bei der Verfassungsreform 1998 sprach ich die Problematik der Staatszielbestimmungen an; wer will, kann es nachlesen. Unsere Auffassung war damals und ist weiterhin grundsätzlich, dass die Aufnahme von Staatszielbestimmungen nicht zu einem Katalog guter Wünsche verkommen darf. Für uns gilt, dass Staatsziele niemals den politischen Willen zur Gestaltung ersetzen können. Uns ist aber auch bewusst, dass die Wirklichkeit manchmal ganz anders aussieht. Verfassungsänderungen - besagt die Erfahrung - sind nur möglich, wenn alle bereit sind, sich aufeinander zu zu bewegen und Kompromisse zu schließen. Für den SSW liegt die Grenze der Kompromissfähigkeit bei der Aufnahme der Sinti und Roma in die Minderheitenartikel der Landesverfassung, soll heißen: Wir können dem vorliegenden Antrag natürlich zustimmen.

Zum Punkt Landesverfassungsgericht hat sich der SSW schon mehrfach positiv geäußert. 1998 waren wir auch bereit, dem Staatsziel der Antidiskriminierung zuzustimmen.

Die Aufnahme der Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen in die Landesverfassung wäre für uns Ausdruck unserer Kompromissfähigkeit. Wir wollen konkrete Politik für Kinder und Jugendliche. Das ist für uns allemal wichtiger als eine weitere Staatszielbestimmung.

(Anke Spoorendonk)

Ich wiederhole: Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass die Minderheit der Sinti und Roma nicht in der Landesverfassung erwähnt wird. Die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe in unserem Bundesland erkennen die Sinti und Roma als Minderheit an. Ihre Verbände verbindet eine sehr gute Zusammenarbeit. Es gibt seit 1998 weitere neue Netzwerke. Unlängst ist das Minderheitenforum in Berlin hinzugekommen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Minderheiteninteressen gegenüber Bundesregierung und Bundestag zu vertreten. Das heißt, weder für die dänische Minderheit noch für die Friesen ist einsehbar, warum für Sinti und Roma nicht der Schutz und die Förderung verankert werden sollen, die ihnen zustehen. Für die Ungleichbehandlung gibt es keine sachliche Erklärung.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will als letzte Bemerkung ganz friedlich hinzufügen: Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, trotz des knappen Zeitfensters eine gute Verfassungsdebatte in Gang zu bringen. Das wäre im Interesse der Sinti und Roma das einzig Richtige; denn sonst würden sie zu Recht annehmen, dass wir sie instrumentalisieren, und das wollen wir auf keinen Fall.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SPD)

Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht nicht um Belehren, sondern ganz einfach darum, dass man, wenn man die Verfassung in einem Parlament wie diesem ändern will, dafür die Mehrheit des Hauses braucht. Mir ist kein Vorgang bekannt - auf Bundesebene wird das auch nicht so praktiziert -, bei dem man nicht vorher Gespräche führt und prüft, ob man gemeinsame Punkte finden kann.

Frau Fröhlich, ich nehme das ernst. Wir haben das schon so gehandhabt, haben uns zusammengesetzt, sind bei gemeinsamen Gesprächen über unseren Schatten gesprungen und haben gesagt: Weil wir etwas Konstruktives bewirken wollen, schauen wir einmal, worauf wir uns verständigen können - damit wir uns keine Debatte liefern, in der einer den anderen vorführt, in der einer mehr für Minderheiten eintritt und der andere weniger. Die Verfassung ist das,

was das Gemeinwesen zusammenhalten und nicht auseinander dividieren soll.

Dieser Weg ist nicht eingehalten worden. Niemand hat vorher mit uns geredet. Ist mit dem SSW vorher darüber geredet worden? - Man kann es nachholen, mit uns darüber zu reden. Das aber, nachdem man sich hier hingestellt hat und gesagt hat: Hier ist ein Antrag, schluckt oder entlarvt euch als diejenigen, die gegen Minderheiten, Behinderte oder was auch immer sind. Diese Geschichte war niemals der ernsthafte Versuch einer Verfassungsänderung. Sie ist vielmehr der Versuch, genau das Gegenteil von dem zu erwirken, was Frau Fröhlich eingefordert hat, nämlich zu spalten statt zusammenzufügen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sonst wären mit Anke Spoorendonk, mit mir oder auch mit Vertretern der Union im Vorfeld Gespräche geführt worden, um zu sehen, wie man das ordentlich handhaben kann. Wir haben noch zwei Landtagstagungen. Jetzt von uns in einer Art moralischem Appell zu erwarten, wir hätten das alles schnell zu verabschieden und niemanden ordentlich anzuhören, weil wir uns innerlich und emotional in der gleichen Weise verhalten müssten, ist nicht nur naiv, sondern politisch auch unklug.

Ich sage: Mit diesem Vorstoß schaden Rot und Grün ihren Zielen eher, als dass sie ihnen dienen. Sie schaden damit auch den Interessen der Sinti und Roma, weil genau das passiert, was Anke Spoorendonk artikuliert hat: Entweder gibt es eine Wahlkampfargumentation darüber, gegen die nichts spricht, weil dann deutlich wird, was der Sache dient, oder die Sache wird sang- und klanglos verschwinden. Ich glaube, das wird geschehen, denn ich sage für meine Fraktion: Wir werden sicher jetzt keinen Beratungsdurchlauf machen, der der Verfassungsänderung nicht würdig ist. Wir werden - ähnlich wie die Union - eine ordentliche Beratung gewährleisten. Diese ist in zwei Monaten nicht hinzubekommen. Deshalb kann ich jetzt schon sagen, dass die Verfassungsänderung nicht ins Werk gesetzt werden wird. Das finde ich in der Sache selbst schade.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ebenfalls nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Puls das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich will wissen, warum der Tierschutz nicht aufgenommen werden soll!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die systematische Ergänzung unserer Landesverfassung um weitere Staatsziele bezogen auf besondere gesellschaftliche Gruppen sprechen wir seit - ich meine - 1997, als wir 1998 eine Verfassungsänderung auf den Weg gebracht haben. Gleiches gilt für das Thema Landesverfassungsgericht. Seit dem 5. Juni 2002 liegt mit Umdruck 15/2257 der SPD-Landtagsfraktion ein dreifacher Vorschlag zur Änderung der Landesverfassung vor. Dieser ist mit der Bitte an alle Fraktionen verbunden, sich damit auseinander zu setzen. Ich betone: Seit dem 5. Juni 2002!

Herr Kollege Kubicki, wir haben vor einigen Monaten im federführenden Innen- und Rechtsausschuss, dem Sie auch angehören, diesen Umdruck wieder aufgerufen. Wir haben mit den Fraktionen gesprochen und gefragt, wie sie dazu stehen. Alle Fraktionen haben sich unterschiedlich geäußert. Wir haben am 7. Mai 2003 den Antrag der kleineren Fraktionen zur Erweiterung der Verfassung um bestimmte Staatsziele, die heute wieder Antragsgegenstand sind, ebenso wie den Gegenstand Landesverfassungsgericht behandelt. Die Debatte ist in allen Fraktionen gemeinschaftlich und ausführlich geführt worden, und zwar seit Jahren. Sie wollen heute nicht zustimmen. Das ist nicht im Interesse der Bevölkerungsgruppen, die wir hier angesprochen haben. Herr Kubicki, Sie bringen dafür nur formale Ausflüchte.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Warum greifen Sie nicht auf, was im Ausschuss lief?)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich nicht in die formale und politische Diskussion einmischen, sondern nur materiell Stellung nehmen. Der Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein will - wir haben es gehört - eine Reihe weiterer Staatsziele einführen. Darüber hinaus will die Änderung ein eigenes schleswig-holsteinisches Landesverfassungsgericht einrichten. Die Landesregierung begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf. Er hat aus unserer Sicht die Unterstützung des gesamten Parlaments verdient.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Aufnahme von Staatszielbestimmungen werden gesellschaftliche oder politische Erfahrungen aus

der Vergangenheit mit ihrer Wirkung für die Gegenwart und für die Zukunft beschrieben. Deutlich gemacht werden soll, dass wichtige Belange der Bevölkerung erkannt und ernst genommen werden. Die Landesregierung ist überzeugt, dass die Auswahl der im Gesetzentwurf normierten zusätzlichen Staatsziele diesen Anforderungen genügt, andererseits aber auch keine unrealistischen Erwartungen geweckt werden. So ist die Aufnahme der deutschen Sinti und Roma in Artikel 5 Abs. 2 konsequent und bietet die Gelegenheit, die ungerechtfertigte Ausgrenzung dieser Minderheit endlich zu korrigieren.

(Beifall bei SPD und SSW)