Protocol of the Session on December 15, 2004

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(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Ich erteile Frau Abgeordneter Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe ist ein ganz entscheidender Baustein, wenn es darum geht, unseren Schülerinnen und Schülern einen guten oder optimalen Start ins Leben zu geben. Das heißt, dass es gerade in der Kooperation viele Entwicklungsmöglichkeiten gibt, es gibt ein großes Entwicklungspotential, das wir auch in Schleswig-Holstein verstärkt nutzen sollten. Ich möchte es mir ersparen, darauf hinzuweisen, dass wir parteiübergreifend gerade diese verbesserte Kooperation von Schule und Jugendhilfe wollten, dass wir auch parteiübergreifend diesen Bericht angefordert haben, damit wir sehen können, wie die Entwicklung gelaufen ist. Durch die Kooperation von Schule und Jugendhilfe - das steht auch dahinter - wird deutlich, dass Schule heute viel mehr als Unterricht ist. Das kann man bedauern, man könnte sagen, die Eltern sollten eigentlich ihren Teil der Erziehungsarbeit leisten, aber wir

(Anke Spoorendonk)

können vor der Wirklichkeit nicht die Augen verschließen. Deshalb ist es wichtig, dass diese Kooperation vorangebracht wird.

Das heißt, dass jetzt eine große Einigkeit darüber besteht, dass die Schulen verstärkt auch außerhalb des Unterrichts für die Kinder da sein müssen, dass die Jugendhilfe auch in den Schulen stattfinden soll. Es muss darum gehen, dass die Menschen aus beiden Bereichen mit ihren unterschiedlichen Zielsetzungen gemeinsam daran arbeiten, den Familien eine verlässliche Betreuung zu bieten, um individuellen und sozialen Problemen vorzubeugen.

Nicht nur auf Bundesebene hat dieser Themenkomplex beachtlich an Dynamik gewonnen, sondern auch in Schleswig-Holstein geht es darum, jetzt diese Kooperation weiter zu verbessern. Sie hat eine besondere Priorität für uns. Das geht auch klar und deutlich aus dem Bericht der Landesregierung hervor, der aus unserer Sicht einen guten Überblick über die Erfahrungen in diesem Bereich seit dem letzten Bericht aus dem Jahre 2001 gibt.

Ein besonders wichtiger Aspekt erscheint mir zu sein, dass es jetzt auf fast allen Ebenen - regional und landesweit - gemeinsame Arbeitsgruppen und Projektteams von Schulverantwortlichen und den Trägern der freien und der öffentlichen Jugendhilfe gibt. In diesen Arbeitsgruppen kann man konkrete Projekte in Gang setzen oder aufgetretene Probleme der laufenden Zusammenarbeit besprechen. Diese tragen entscheidend dazu bei, auch die Kommunikationsprobleme zu minimieren, die es ja unbestritten zwischen den Schulen und insbesondere den vielen ehrenamtlichen Helfern der freien Jugendhilfe gegeben hat und auch immer noch gibt. Dabei ist es natürlich wichtig, dass gerade die Schule für die sehr engagierte freie Jugendhilfe offen ist.

(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Sozusagen das Minimum ist die Möglichkeit der Betreuung für alle Kinder außerhalb des Schulunterrichts. Die Eltern müssen sich zumindest darauf verlassen können, dass ihre Kinder nicht auf der Straße stehen, sondern sinnvoll beschäftigt werden. Dieses ist bisher nicht flächendeckend gewährleistet, aber die Landesregierung hat mit ihrer Förderung von Ganztagsbetreuungsangeboten einen großen Schritt in diese Richtung getan. Das unterstützen wir und dafür gibt es in dem Bericht auch eine ganze Reihe von guten Beispielen.

Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe kann also viel leisten, wenn es darum geht, ein besseres Miteinander in einem Konzept für die Kinder und

Jugendlichen hinzubekommen. Allerdings ist es auch blauäugig, nicht zu glauben, dass der Bereich der Jugendhilfe allein schon aufgrund der in diesem Bereich niedrigeren Gehälter und aufgrund der dort üblichen Praktiken - sage ich einmal - wie Ehrenamt, geringfügige Beschäftigung und Honorarkräfte ein Vorwand für Kosteneinsparungen sein könnte. Betreute Grundschule und Ganztagsschule soll aber keine reine Aufbewahrung zum Billigtarif ohne ausreichend gesicherte pädagogische Qualität sein.

(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Das heißt, die optimale Lösung liegt irgendwo dazwischen und ist ein pädagogisch wertvolles Angebot, das den Kindern eine optimale Freizeitgestaltung gestattet und den Eltern die Berufstätigkeit ermöglicht. Das gilt umso mehr, wenn die Angebote auch noch mit der Hoffnung verbunden sind, bestimmten Gruppen bessere Lebenschancen zu vermitteln, zum Beispiel bei besonderen Bemühungen um die Integration von Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien. Dazu gehören auch die anderen Beispiele, die auch schon genannt worden sind. Gerade hier kann eine bessere Verzahnung von Schule und Jugendhilfe etwas bringen.

Langfristig wird es darauf ankommen, dass die Landesregierung ein konkretes Konzept erstellt, wie zum Beispiel die offene Ganztagsschule in die bereits bestehende Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule integriert werden soll. Dazu gehört, dass dieses Thema auch bereits in die Lehrerausbildung aufgenommen wird.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. Die Landesregierung spricht dieses Problem in ihrem Bericht selbst an. Ich denke, dass wird eine Aufgabe sein, mit der wir uns im Laufe der nächsten Jahre verstärkt auseinander setzen müssen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldung liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Sozialausschuss und dem Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 50 auf:

Konsequenzen der Landesregierung aus dem Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3008

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses Drucksache 15/3792 (neu)

Ich erteile dem Berichterstatter des Bildungsausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dem ihm durch Plenarbeschluss vom 14. November 2003 überwiesenen Antrag Drucksache 15/3008 hat der Bildungsausschuss zahlreiche schriftliche Stellungnahmen eingeholt und sich in mehreren Sitzungen, zuletzt am 18. November 2004, mit der Thematik befasst. - Schönen Dank, dass jetzt das Mikrofon eingeschaltet worden ist; spät, aber immerhin!

In dieser Sitzung hat der Antragsteller den Antrag wie folgt modifiziert:

„Der Landtag spricht sich dafür aus, Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes … vom 24. September 2003 zu ziehen und das Tragen eines Kopftuches für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen zu untersagen.“

Mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der FDP empfiehlt der Ausschuss dem Landtag, diesen modifizierten Antrag abzulehnen.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Eisenberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 14. November 2003 hat die CDU im Landtag beantragt, das Tragen des Kopftuches für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen gesetzlich zu untersagen. Anlass war das Verfassungsgerichtsurteil vom September 2003, das den Bundesländern empfahl, gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen. In der Zwischenzeit sind sechs Bundesländer unterschiedlicher Couleur diesem Auftrag gefolgt. In vielen anderen Bundesländern wird intensiv darüber nachgedacht.

Die Bildungsministerin dieses Landes hat sich öffentlich gegen das Tragen eines Kopftuches im Unterricht ausgesprochen und der Bundeskanzler - Klammer auf, SPD, Klammer zu - geht sogar noch weiter und ließ in der Fernsehsendung „Beckmann“ am 22. November 2004 verlauten, dass er das Tragen des Kopftuches im gesamten öffentlichen Dienst nicht zuzulassen gedenke.

Aber, meine Damen und Herren, was ist eigentlich seither geschehen? - Nichts. Und worin liegt die Ursache für dieses Nichtstun? - Rot-Grün kann sich nicht einigen.

(Holger Astrup [SPD]: Wusste ich es doch!)

Es fehlt eine gemeinsame Linie. Sie von der linken Seite des Hauses machen sich ständig für Emanzipation und Gleichberechtigung stark, aber vor der Unterdrückung muslimischer Frauen durch Kopftuch und Sharia verschließen Sie ständig die Augen.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Und das Wort Integration war für Sie bis vor kurzem noch ein ausgesprochen schwarzes Tuch, dass Sie weit, weit, weit von sich gewiesen haben.

Nehmen Sie von der linken Seite doch einfach einmal zu Kenntnis, dass Ihre Art der Integrationspolitik und Ihre Vorstellung von einer multikulturellen Gesellschaft gescheitert sind. „Multikulti“ hat zum Nebeneinander und nicht zum Miteinander geführt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Sie haben die Entwicklung der letzten zehn Jahre, gerade was die Entstehung von Parallelgesellschaften und die Konzentration - und damit die Abgrenzung - von Ausländern in bestimmten Wohngebieten betrifft, nicht gesehen oder sehen wollen und sie mit dem Mantel der angeblichen Toleranz überdeckt. Dabei haben Sie denjenigen geschadet, die sich wirklich integrieren wollen. Davon gibt es eine Menge, meine Damen und Herren!

(Sylvia Eisenberg)

Voraussetzung für eine echte Integration ist sicherlich das Erlernen der deutschen Sprache für Kinder - das ist heute angesprochen worden -, aber auch für Jugendliche, die zu uns kommen. Ohne Sprache keine Bildung, ohne Bildung keine Ausbildung und ohne Ausbildung gleich zukünftige Sozialhilfeempfänger. Das kann es nicht sein. Das hat uns unter anderem auch PISA ins Stammbuch geschrieben. Vor allen Dingen in Schleswig-Holstein besteht da ein ausgesprochener Nachholbedarf.

(Beifall des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Voraussetzung ist aber auch, dass diejenigen, die dauerhaft hier leben wollen, die Spielregeln annehmen, die es in Deutschland gibt. Das sind die Rechte, aber auch die Pflichten, die unsere Verfassung vorgibt. Wer in Deutschland lebt, lebt in einem historisch gewachsenen, vornehmlich durch das christlichjüdische Erbe und die Aufklärung geprägten Land. Aus diesem geistigen Fundament speisen sich ganz wesentlich unsere freiheitliche demokratische Grundordnung und die Werte, die sie beinhaltet, nämlich die Achtung der Menschenwürde eines jeden, die Freiheit und Unverletzlichkeit der Person, die Gleichheit vor dem Gesetz und die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Wer dauerhaft hier leben will, muss nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile im Auge haben, sondern auch die Pflichten, die jeder Staatsbürger zu tragen hat. Dazu gehört auch die Beachtung der weltanschaulichen Neutralität in der Schule auf der Basis der Grundgesetzes und unseres Schulgesetzes.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Die umfangreiche Anhörung im Bildungsausschuss hat ergeben, dass das Tragen des Kopftuches unterschiedlich bewertet wird. Das war vorauszusehen. Die Bandbreite reichte vom rein religiösen Symbol des Islam bis zum politischen Instrument zur Durchsetzung islamistischer Ziele, vom Symbol der Selbstständigkeit islamischer Frauen bis hin zum Symbol der Unterdrückung der Frauen, variierend je nach Absender der Stellungnahme.

Für uns als CDU stellen wir fest, dass das Tragen des Kopftuches in der Türkei verboten ist. Es steht auch in der innerislamischen Diskussion als Zeichen kultureller Abgrenzung und für den politischen Islamismus. Abgrenzung dient nicht der Integration und Symbole für politischen Islamismus haben gerade auch in unseren Schulen nichts zu suchen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.