Protocol of the Session on December 16, 2004

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Dies ist vielleicht eine ganz gute Gelegenheit, für meine Fraktion noch einmal zu erklären: Wir begrüßen es außerordentlich, dass alle drei Richtlinien des Europäischen Rates zur Antidiskriminierung und auch zu einem ausdrücklichen Benachteiligungsverbot für die Merkmale der sexuellen Identität und Orientierung endlich in bundesdeutsches Recht umgesetzt werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber ich möchte auch nicht diskriminiert werden!)

- Ich denke, auch für Sie können wir etwas tun. Das bekommen wir mit hinein.

(Heiterkeit)

Deutschland ist in Europa - das wissen wir - in keiner Weise Vorreiter in Sachen gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. In Dänemark gibt es das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft schon seit 1989. In Schweden, Island, Norwegen, Holland und Frankreich gibt es ähnliche Gesetze.

Im Juni 2001, bei der Beratung des Ausführungsgesetzes zum Lebenspartnerschaftsgesetz, konnte sich die CDU hier im Landtag mit wenigen Ausnahmen nicht dazu entschließen zuzustimmen. Vielleicht - die Beratung im Ausschuss gibt Anlass zur Hoffnung - ist es diesmal - heute - anders. Zeit wäre es, auch für Sie von der CDU.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Eichstädt war sehr interessant. Nur hat sie zum Regelungsgegenstand, über den wir gleich abzustimmen haben, relativ wenig beigetragen. Aber wir haben einmal gehört, was Peter Eichstädt zu diesen Fragen denkt. Das war vielleicht für alle informativ. Ich will versuchen, die Debatte ein wenig auf das zu lenken, was eigentlich in der Sache abzustimmen ist.

Mit der Schaffung des familienrechtlichen Instituts „eingetragene Lebenspartnerschaft“ durch das am 1. August 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz des Bundes wurde gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit eingeräumt, ihrer auf Dauer angelegten Partnerschaft einen rechtlichen Rahmen zu geben.

Mit dem heute zu beschließenden Lebenspartnerschaftsanpassungsgesetz werden die entsprechenden Änderungen im schleswig-holsteinischen Landesrecht vorgenommen. Dabei wird die Rechtsstellung von eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern in vielen Bereichen der von Eheleuten angeglichen.

Für die CDU sind Ehe und Familie die Keimzelle jeder staatlichen Gemeinschaft. Die Ehe ist mit keiner anderen Lebensgemeinschaft gleichzusetzen. Unsere

(Dr. Johann Wadephul)

Verfassung trägt diesem Wert für unsere Gesellschaft dadurch Rechnung, dass sie durch Artikel 6 Ehe und Familie unter den „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ stellt. Diese Grundentscheidung unserer Verfassung steht nicht zur Disposition.

Homosexuelle Menschen und Lebensgemeinschaften haben in unserer Gesellschaft Anspruch auf Nichtdiskriminierung, Achtung und Nichtausgrenzung. Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die einen gleichgeschlechtlichen partnerschaftlichen Lebensentwurf zu verwirklichen suchen. Auch in solchen Beziehungen können selbstverständlich Werte gelebt werden, die für unsere Gesellschaft grundlegend sind. Es macht keinen Sinn und ist nicht in unserem Interesse und auch nicht im Interesse der Gesellschaft, demjenigen, für den Ehe und Familie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung als Lebensform nicht infrage kommen, die Chance einer bürgerlichen Existenz und eines würdigen und erfüllten Lebens zu erschweren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dem hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Juli 2002 Rechnung getragen und festgestellt, dass Ehe und Lebenspartnerschaften unverbunden nebeneinander stehen. Es hat die Lebenspartnerschaft ausdrücklich als ein Aliud, also als etwas anderes als die Ehe, dargestellt. Der Gesetzgeber ist selbstverständlich frei, für gleichgeschlechtliche Partnerschaften Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleichzusetzen sind oder nahe kommen. Die Union respektiert diese mehrheitlich getroffene Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts. Deshalb wird die CDU-Fraktion im SchleswigHolsteinischen Landtag dem heutigen Anpassungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz ihre Zustimmung geben.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings erlaube ich mir, auf zwei oder drei Problempunkte hinzuweisen, die wir zur Kenntnis nehmen sollten. Wir müssen hier einmal mehr feststellen, dass wir in der Regelungswut in Deutschland sehr weit gekommen sind. Allein 26 materielle Änderungsartikel sind hier heute zu beschließen. Das zeigt, welche Bereiche wir mittlerweile alle regeln.

Ich weise weiter darauf hin, dass wir bei der Sonderurlaubsverordnung festschreiben, dass Sonderurlaub eine Beamtin bekommen soll, deren Frau niederkommt, also ein Kind bekommt. Zu einer solchen Situation kann es natürlich kommen, obwohl es eigentlich nicht zu der Lebenspartnerschaft passt.

(Zurufe von der SPD)

- Ich denke nicht, dass es dazu passt.

Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen - das ist auch in der Adoptionsdebatte des Deutschen Bundestages deutlich geworden -, dass die Union an dieser Stelle starke Zweifel hat und es ablehnt, dass in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften Kinder adoptiert werden können.

Weil es um Sonderurlaub und einen Randbereich geht, werden wir dieser Regelung zustimmen. Wir haben allerdings grundsätzliche Bedenken. Die möchte ich hier ausdrücklich zu Protokoll geben.

Außerdem macht es deutlich, dass wir eine übergeordnete Bürokratie haben. Wir haben Gesetze und Verordnungen zu ändern, die wohl kaum jemand kennt und bei denen man sich wirklich fragt, ob sie erforderlich sind. Ich möchte auf die Verordnung über die gemeinsame Fischerei in der Flensburger Innenförde hinweisen, die wir ändern müssen. Nunmehr sollen auch eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner die Nutzung eines bestimmten Fischplatzes in der Flensburger Innenförde erben können. Solche Regelungen beziehungsweise ihre Änderungen sorgen zwar für Arbeitsaufwand in den Ministerien, sorgen aber nicht dafür, dass die Bürokratie, die auch in der vorangegangenen Debatte beklagt worden ist, geringer wird. Deswegen halte ich an dieser Stelle fest: Weniger wäre manchmal auch mehr.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Eichstädt, ich bin Ihnen für dieses Zitat dankbar. Auch für diesen Menschen gilt natürlich die Meinungsfreiheit. Jeder, der so etwas liest, kann selber entscheiden, wer eigentlich krank, neurotisch oder verwirrt ist - der Autor oder die, über die er schreibt. Ich habe meine eigene Meinung und die meisten Kolleginnen und Kollegen wohl auch.

Am 29. Oktober diesen Jahres wurde der überarbeitete Entwurf des Lebenspartnerschaftsrechts im Bundestag mit den Stimmen der FDP verabschiedet. Die FDP hat auch dafür gesorgt, dass die Gesetzesnovelle ohne jede weitere Verzögerung den Bundesrat passiert hat und zum 1. Januar 2005 in Kraft treten kann. Die von der FDP mitregierten Bundesländer BadenWürttemberg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt

(Dr. Heiner Garg)

haben dafür gesorgt, dass es keinen Einspruch gegen dieses Gesetz geben wird.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP])

Zwar wurde in der Novellierung nicht die weitergehende Regelung berücksichtigt - Herr Kollege Wadephul, da sind wir anderer Auffassung als Sie -, ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner aufzunehmen, sodass die jetzt verabschiedete Regelung mit einer so genannten „Stiefkindadoption“ hinter den Ansprüchen zurückbleibt. Das, was verabschiedet wurde, ist aus unserer Sicht aber zumindest der berühmte Schritt in die richtige Richtung. Ich halte das aber für nichts anderes als die Anpassung an gesellschaftlich längst gelebte Realität.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wer die Rechte und Pflichten von Lebenspartnerschaften besser miteinander in Einklang bringen will, darf deswegen auf halbem Wege nicht stehen bleiben. Die nach wie vor offenen Rechtsfragen in diesem Bereich sind aus unserer Sicht schnellstmöglich zu klären.

Das Bundesverfassungsgericht - Herr Kollege Wadephul, das haben Sie auch angesprochen - hat mit seinem Urteil vom 17. Februar 2002 zum Lebenspartnerschaftsgesetz folgende Kernaussage getroffen. Ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin:

„Aus der Zulässigkeit,... die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein... Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen.“

Das ist nicht nur eine Aussage, die unterstützenswert ist, sondern die Kernaussage jeder modernen Familienpolitik schlechthin.

Der immer wieder in der Vergangenheit geführten Diskussion darüber, dass das grundgesetzlich geregelte Institut „Ehe“ durch ein Lebenspartnerschaftsgesetz entprivilegiert würde, wurde durch diese Entscheidung hoffentlich endgültig jede Grundlage entzogen. Damit wurde durch das Urteil Rechtssicherheit für alle bereits eingetragenen Lebenspartner und für die Zukunft geschaffen.

Umso wichtiger ist deshalb, die bisherigen Fortschritte ernst zu nehmen, um den Abbau von Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare zu verbessern. In einer eingetragenen Lebensgemeinschaft gibt es heute im Wesentlichen dieselben Pflichten wie in der Ehe, dieselben Rechte bleiben ihr allerdings in vielen

wichtigen Bereichen nach wie vor verwehrt. Ich will nur ein Beispiel nennen. Wenn man den Lebenspartnern die Rechte nicht konsequent zubilligen will, darf man ihnen aber auch nicht die Pflichten auferlegen. Die Unterhaltsverpflichtungen wurden beispielsweise mit denen der Ehe gleichgestellt. Im Steuerrecht, bei der Rente und im Erbrecht werden Lebenspartnerschaften allerdings immer noch benachteiligt. Folgerichtig sind die jetzigen Regelungen, die wir als Landesgesetzgeber schaffen, ein weiterer Schritt in Richtung Normalisierung.

Ich freue mich ausdrücklich darüber, dass das Land Schleswig-Holstein von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht und neben den gesetzlichen Änderungen auch die Anpassung in den jeweiligen Verordnungen vorgenommen hat.

Herr Kollege Wadephul, ich gebe Ihnen absolut Recht: Die Fördefischerei in Flensburg wird mit geregelt werden müssen. Aber ob überhaupt eine Regelung dazu notwendig ist, ist eine Frage, die in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden sollte. Es geht nicht darum, ob man das speziell für Lesben und Schwule regelt, sondern darum, ob man das überhaupt regeln muss.

Ich habe mir die Frage gestellt, Frau Familienministerin, warum wir diese Regelung, über die wir heute debattieren und die wir heute mit den Stimmen aller Fraktionen verabschieden wollen, erst jetzt treffen und ob wir das Lebenspartnerschaftsausführungsgesetz nicht gleich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2002 hätten beschließen können.

Natürlich kann an dieser Stelle nicht beurteilen, ob die Angleichung verwaltungsrechtlicher Regelungen dazu beiträgt, dass das Zusammenleben von gleichgeschlechtlichen Partnern in der Bevölkerung tatsächlich auf mehr Akzeptanz stößt. Wir alle wissen, dass eine gesellschaftliche Diskriminierung über die Art des Zusammenlebens nicht durch Gesetz einfach beendet werden kann. Es ist aber - das habe ich vorhin schon einmal gesagt - die längst fällige Anpassung an gesellschaftliche Realität, an gesellschaftlich gelebte Normalität.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Die vorgesehene Angleichung von Lebenspartnerschaften ist keine Herabsetzung der Ehe, ganz im Gegenteil: Eine Angleichung von Lebenspartnerschaften an die Ehe bereichert unsere Gesellschaft. Ich bin der Auffassung - da bin ich ganz mit meinem Fraktionsvorsitzenden verbunden, auch wenn ich

(Dr. Heiner Garg)

jedem Gerücht entgegentreten will, wir würden nach dieser Sitzung eine Lebenspartnerschaft eingehen -:

(Zurufe - Heiterkeit)