Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie wurde ein bundesweiter Beschluss getroffen, einen Schlussstrich unter diese unsägliche Energieform zu setzen. Für Schleswig-Holstein bedeutet diese Entscheidung, dass die Uhr für die schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke spätestens 2018 abgelaufen ist. Diese Zukunftsaussicht begrüßen wir ausdrücklich. Das soll es dann auch zu diesem Thema gewesen sein.
(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Darüber reden wir wirklich!)
Wir wissen aber alle, dass dieser Ausstieg auch erhebliche Konsequenzen für die künftige Energiepolitik in unserem Land hat und große Herausforderungen an die Energiepolitik stellt. Daher müssen wir alles daran setzen, dass der Energiebedarf auch künftig weiterhin gedeckt werden kann, vor allem durch regenerative Energieformen. Hierbei den Teufel an die Wand zu malen und stattdessen die Atomenergie als Retter in der Not zurückzurufen, ist rückwärtsgewandte Energiepolitik. Denn diese Energiepolitiker versäumen es dann immer wieder, darauf hinzuweisen, welches Gefahrenpotenzial die Atomenergie beinhaltet. Das ist der eigentliche Kern der Sache. Hier wäre ein bisschen mehr Ehrlichkeit durchaus angebracht. Bei Atomenergie reden wir nicht über CO2-Ausstoß oder Klimaschutz, sondern über den Schutz der Menschen vor Katastrophen. Diese Katastrophen müssen wir von den Menschen fernhalten.
Natürlich sind wir uns bewusst, dass wir derzeit noch nicht in der Lage sind, einen sofortigen Ausfall der Atomenergie durch regenerative Energieformen zu kompensieren. Daher begrüßen wir den Punkt des Antrages, der noch einmal deutlich macht, das ein zukunftsgerichtetes Energiekonzept auf mehreren Säulen stehen muss: Mobilisierung vorhandener E
nergieeinsparpotenziale, Erhöhung der Effizienz auch normaler Kraftwerke, auch Kohlekraftwerke, kontinuierliche Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien - der Kernbereich - und Weiterentwicklung neuer Energietechnologien.
Der Energiebericht 2004 der Landesregierung stellt hierzu bereits umfassend dar, wie dieses Energiekonzept hier in Schleswig-Holstein umgesetzt werden soll. Hier muss uns bewusst sein, dass die Landesregierung diese Entwicklungen nur begrenzt steuern kann. Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen werden überwiegend von der EU und vor allem vom Bund vorgegeben. Das soll uns aber nicht davon abhalten, das Unsrige zu leisten, damit die Energiewende vollzogen werden kann. Das Land SchleswigHolstein hat hierbei bereits gute Vorarbeit geleistet und die Stärken insbesondere der regenerativen Energien gefördert. Hieran muss stetig weiter gearbeitet werden, damit wir weiterhin eine Führungsposition am Markt behalten. Genau diese besetzen wir nämlich derzeit.
Insbesondere die Windenergie hat sich für Schleswig-Holstein zu einem Verkaufsschlager entwickelt. Die künftigen Potenziale in diesem Bereich liegen im Repowering und im Offshore-Bereich.
Hierbei kommt dann insbesondere dem Ausbau des Clusters Windenergie an der Westküste eine große Bedeutung zu. Um diese Stärken unseres Landes - diese Stärken haben wir wirklich - weiterhin zu fördern, muss natürlich auch die Aus- und Weiterbildung im Bereich der Windkrafttechnik schwerpunktmäßig nach meiner Auffassung, nach unserer aller Auffassung in Husum angesiedelt werden.
Die universitäre Ausbildung - auch ein wichtiger Eckfeiler unserer Windenergieclusterpolitik - in dieser Technik sollte, auch um die räumliche Nähe zu gewährleisten, in Flensburg angesiedelt werden. Dort gibt es dazu schon etwas. Das ist die logische Weiterführung der bisherigen Politik, die sich bewährt hat.
Genau in diesen Bereichen Ausbildung, Weiterbildung, universitäre Bildung können wir wichtige Vorleistungen erbringen, die unser Land für die Zukunft fit machen und die für die Zukunft auch Arbeitsplätze in diesem Bereich schaffen und die Arbeitsplätze ersetzen, die möglicherweise in anderen Bereichen wegfallen. Dort schaffen wir den Ausgleich. Das schaffen andere Länder nicht.
Neben der Energiegewinnung aus Biomasse - diesen Punkt haben wir heute schon ausführlich debattiert - kommt auch auf die Kraft-Wärme-Kopplung eine maßgebliche Aufgabe zu. Ich verweise auf den Kollegen Matthiessen, der gerade eben das Beispiel Dänemark gebracht hat. Dort ist es schon so, dass KraftWärme-Kopplung intensiv dezentral genutzt wird und vor Ort auch Arbeitsplätze schafft. Diese Form der Energiegewinnung hat gerade in den letzten Jahren auch bei uns erheblich zugelegt. Die Tendenz ist steigend. Der Anteil der KWK in Schleswig-Holstein liegt weit über dem Bundesdurchschnitt. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Auch dort haben wir Kompetenzen, die andere nicht haben.
Auch wenn wir in vielen Bereichen der regenerativen Technik noch am Anfang stehen, wissen wir, dass sich Schleswig-Holstein auf einem guten Weg befindet, um zumindest unseren Part beim Atomausstieg zu erfüllen und gleichzeitig mit den erneuerbaren Energien die regionale Wirtschaft zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen. Genau daran sollten wir bleiben und unsere Chancen zum Wohle des Landes und zur Schaffung von Arbeitsplätzen nutzen. Das sollte unser aller Ziel sein.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Ritzek.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Müllerwiebus, ich glaube, Sie haben die Zusammenhänge in der Energiepolitik noch nicht so richtig verstanden.
Sie haben ein bisschen internationale Energiepolitik in die Debatte hineingebracht und dann sind Sie zur regionalen Politik übergegangen. Wir haben in Europa 158 Kernkraftwerke. Mit den zehn neuen Mitgliedsländern der Europäischen Union ab 1. Mai 2004 sind fünf neue Länder dazugekommen, die noch einmal 19 Kernkraftwerke in die Europäischen Union eingebracht haben. In Schweden ist der Ausstieg gestoppt worden, Finnland baut ein neues Kernkraftwerk, Frankreich baut ein neues Kernkraftwerk und in China sind 29 weitere Kernkraftwerke geplant bezie
hungsweise im Bau. Warum? - Weil der Energiebedarf weltweit in den nächsten 20 Jahren um etwa 60 % steigen wird. Deshalb ist jede regenerative Energie, die dazukommt, zu begrüßen, aber sie wird niemals einen bedeutenden Anteil am Gesamtenergiebedarf decken.
Deshalb ist es unwahr, ich würde sogar sagen, ganz bewusst unwahr, wenn Sie sagen, die Kernenergie wird durch die regenerative Energie ersetzt. Das ist undenkbar, das können Sie nicht schaffen. Das wird vielleicht dann möglich sein, wenn in 30, 40 oder 50 Jahren die Wasserstofftechnologie entwickelt ist.
Sie dürfen eines nicht vergessen: Wir haben in Deutschland 21.000 MW Kernkraftstrom verfügbar und in den nächsten Jahren, bis zum Jahr 2010, werden etwa 35.000 MW klassischer Stromerzeugungskapazität aussortiert werden müssen, weil die Kraftwerke 35 Jahre und älter sind. Wie wollen Sie denn die 20.000 MW Kernkraftstrom decken und dazu die 35.000 MW zusätzlich? - Doch nicht mit regenerativer Energie! Das schaffen Sie doch nie! Tun Sie doch bitte nicht so, als wenn die regenerative Energie den Ausstieg aus der Kernenergie auffangen kann. Das ist Heuchelei und unwahr.
Mir liegen noch zwei weitere Wortmeldungen nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung vor. Zunächst hat Frau Abgeordnete Müllerwiebus das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eben wurde von CDU und FDP gesagt, wir müssten das Thema Klimaschutz diskutieren. - Richtig, genau deshalb haben wir diesen Antrag gestellt.
Denn wir müssen dieses Thema diskutieren. Die Schlussfolgerung, die von Ihnen immer kommt, dass das nämlich nur mit der Kernenergie gehe, ist einfach nicht richtig. Das ist nicht richtig.
Die regenerativen Energien - an dem Punkt haben sie auch Recht - sind heute noch nicht in der Lage, die Kernenergie und die fossilen Energien zu ersetzen. Aber wir müssen Schritt für Schritt in diese Richtung gehen, damit sie in Zukunft dazu in der Lage sind.
Die Enquetekommission hat ermittelt, dass das bis 2050 möglich ist. Wenn wir gar nicht erst Schritte in diese Richtung machen, kommen wir natürlich nie dahin. Aber genau das wollen wir.
Wenn Sie sagen, ich hätte das noch nicht richtig verstanden, kann ich dieses „Lob“ eigentlich nur zurückgeben. Die natürlichen Energieformen, die Natur liefert uns das fünfzehnhundertfache aller Energien, die wir brauchen. Strom, Wärme, Kraftstoffe - das Potential ist da. Wir nutzen es bisher jedoch nur zu einem ganz geringen Teil.
Ich habe eben gesagt - das habe ich in der Kürze der Zeit aber natürlich nicht aufschlüsseln können -, dass wir das als Bündel von ganz vielen Einzelmaßnahmen sehen müssen. Darin liegt die Intelligenz, darin liegt auch der Vorteil für unser Land. Es sind dezentrale Strukturen, die wir stärken müssen, in einem Bündel von Maßnahmen: Effizienzeinsparung, erneuerbare Energien - das ganze Spektrum. Das ist unsere Wirtschaftskraft und das müssen wir machen, um auch Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen, um für Klimaschutz, für Nachhaltigkeit einzutreten. Aufgabe von Politik ist es auch, für Nachhaltigkeit zu sorgen, damit auch die Menschen morgen in unserem Land noch leben können.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Hentschel das Wort.
Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über 50 % des Stromverbrauchs in SchleswigHolstein erfolgt durch Heizen. Das ist das Geheimnis. Wenn Sie Kraft-Wärme-Kopplung anwenden, fällt genügend Strom ab, um die gesamte Stromversorgung Schleswig-Holsteins zu gewährleisten. Sie brauchen kein einziges zusätzliches Stromkraftwerk. Das heißt, alle Atomkraftwerke sind völlig überflüssig, wenn sie Kraft-Wärme-Kopplung anwenden. Das ist das ganze Geheimnis. Das war der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist: Wenn wir weitermachen wollen, müssen wir den Heizverbrauch reduzieren. Wir müssen also Null-Energie-Häuser bauen, die zurzeit im
Drittens: Wenn wir zusätzlich weiter den Energieverbrauch reduzieren wollen, müssen wir die Stromproduktion durch regenerative Energien leisten. Das sind die drei Punkte, um die es geht. Das alles hat mit Kernkraft überhaupt nichts zu tun. Herr Matthiessen hat völlig Recht: Kernkraftwerke sind völlig überflüssig, wenn wir auf Kraft-Wärme-Kopplung umstellen, weil in Schleswig-Holstein genug Strom anfällt, wenn wir alle Heizenergie mit Kraft-WärmeKopplung erzeugen.
Bis Ende des Jahrhunderts wollen wir komplett auf regenerative Energien umstellen. Bis Mitte des Jahrhunderts werden wir die Stromerzeugung, die Produktion durch konventionelle Kraftwerke zunächst nur auf ein Viertel reduzieren können, weil bis dahin noch der Verbrauch in den Entwicklungsländern - in China, Indien und so weiter - erheblich steigen wird. Das heißt, wir werden Energieprobleme nur lösen können, wenn wir in den nächsten 100 Jahren die komplette, in den nächsten 50 Jahren die wesentliche Umstellung schaffen. Das ist die Aufgabe, die vor uns liegt.