Protocol of the Session on January 26, 2005

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Wichtig für mich ist auch, dass wir heute als Parlament handeln und nicht alles der Exekutive überlassen. Denn die Versuchung von Regierungen ist groß, mit der unbestreitbar gut gemeinten Hilfe auch Selbstdarstellung zu verbinden. Deswegen sollten wir uns als Landtag auch unmittelbar in das künftige Hilfegeschehen mit einbinden.

Das schwere Erdbeben im Indischen Ozean hat am 26. Dezember zu Verlusten, Leiden und Tragödien geführt, die wir in ihrer ganzen Tragweite auch heute noch kaum erfassen können. Wir fühlen mit den Menschen, die von dieser furchtbaren Naturkatastrophe heimgesucht wurden und von ihren Folgen unmittelbar betroffen sind. Wir trauern um die Opfer, unter denen auch deutsche Landsleute sind, und ha

(Martin Kayenburg)

ben die Zukunft all derer im Blick, die so schmerzliche Verluste hinnehmen mussten.

Die Menschen rund um den Globus haben die Herausforderung dieser großen Not der Betroffenen angenommen. Die Spendenbereitschaft ist weltweit einzigartig. Auch die Deutschen haben sich großzügig und angemessen beteiligt. Insgesamt spendeten unsere Mitbürger über 400 Millionen €. Dabei darf es überhaupt nicht wichtig sein - auch nicht für Regierungen -, oben auf der Hitliste der Spender zu stehen. Wichtig ist allein der Geist, die Gesinnung, aus der heraus geholfen wird.

(Beifall)

Feststellen dürfen wir auch, dass die eigene wirtschaftliche Situation bei der Spendenbereitschaft der Menschen in unserem Lande offenbar keine entscheidende Rolle gespielt hat. Mitgefühl und Spendenbereitschaft gerade derjenigen, die nur kleine Beträge abzweigen konnten, sind bewunderungswürdig.

(Beifall)

Allen Spendern gebührt unser aufrichtiger Dank. Neben den zahlreichen Spendern gilt unser Dank besonders den freiwilligen, oft ehrenamtlichen Helfern auch vieler privater Organisationen sowie den Mitarbeitern der staatlichen Stellen - zum Beispiel der Bundeswehr und des BKA -, die den Menschen vor Ort zum Teil immer noch helfen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Flutkatastrophe in Asien ist zugleich eine Chance - nicht nur für uns Politiker, sondern für die Menschheit insgesamt -, unsere beziehungsweise ihre Verantwortung für die „eine Welt“ wieder zu erkennen und ihr auch nachzukommen. Sie zwingt uns Politiker geradezu, für die entwicklungspolitischen Zielsetzungen in einer globalisierten Welt neue Verpflichtungen zu definieren, uns den Problemen der Dritten Welt wieder neu zu stellen und uns damit intensiv auseinander zu setzen.

(Beifall)

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 hatten uns die grundlegende Veränderung der geopolitischen Situation mit aller Deutlichkeit ins Bewusstsein gebracht. Seitdem dient die Entwicklungspolitik in ganz besonderer Weise der Verfolgung unserer außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Interessen und nicht so sehr einer eher ethischen Verpflichtung, die auf einem christlich geprägten Weltbild gründet.

Entwicklungspolitik muss vielfältig gestaltet werden. Sie ist und muss als ein Instrument zur Bewahrung und zum Transfer von Stabilität, zur langfristi

gen Krisenprävention und Krisenbeilegung, zur Entwicklung der einzigartigen Potenziale junger und alter Kulturen und zur Eindämmung von Extremismus, Kriminalität und Terrorismus genutzt werden. Sie muss aber vor allem ein Instrument zur Gestaltung eines menschenwürdigen, selbst bestimmten Lebens in den Entwicklungsländern und der Dritten Welt sein, dessen faire und uneigennützige Anwendung wir gemeinsam zu verantworten haben.

(Beifall)

Seit der Flutkatastrophe im Indischen Ozean ist uns der humanitäre Grundgedanke der Entwicklungshilfe wieder bewusst geworden. Wir beklagen so oft den Werteverfall in unserer Gesellschaft. Und doch: Die Menschheit hat in dieser schwerwiegenden Krise gezeigt, dass sie sich den Grundwerten von Solidarität und Subsidiarität verpflichtet fühlt. Das gibt Hoffnung.

Ich denke, dass wir als Staat, als Länder und als Kommunen diese Entwicklungshilfe und diese Hilfe für die Zukunft weiterhin pflegen und weiterentwickeln müssen. Deswegen ist es für uns auch wichtig, das Parlament als Ganzes eingebunden zu sehen und wir sollten uns als Parlament neben den privaten Initiativen, neben der offiziellen Politik einbringen, um so den Menschen bewusst zu machen, dass es unsere Aufgabe ist, neben der materiellen Hilfe die Verantwortung für die „eine Welt“ wahrzunehmen.

(Beifall - Glocke des Präsidenten)

Wenn wir dies in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und Entscheidungen stellen, dann sind wir auf einem guten Weg einer Politik, die für die ganze Welt von wesentlicher Entwicklungsbedeutung ist.

(Beifall)

Bevor ich weiter das Wort erteile, begrüße ich auf der Tribüne die ehemaligen Abgeordneten Jona und Wiebe. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile jetzt dem Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von der Flutkatastrophe in Südostasien betroffenen Menschen bedürfen unserer Hilfe und Unterstützung. Die Größenordnung des Seebebens übersteigt jede menschliche Vorstellungskraft. Die Fernsehbilder, die wir alle gesehen haben, lassen allenfalls erahnen, was

(Wolfgang Kubicki)

sich am Tag der Flutwelle ereignet hat. Nach den jüngsten Schätzungen sind in den von der Flutkatastrophe verwüsteten Ländern mehr als 230.000 Todesopfer zu beklagen. Immer noch werden unter den Schutt- und Geröllmassen weitere Tote geborgen. Darüber hinaus werden weiterhin 581 Deutsche vermisst, die an den Stränden Südostasiens ihren Weihnachtsurlaub verbracht haben. 60 tote Bundesbürger wurden mittlerweile zweifelsfrei identifiziert, darunter auch Bürgerinnen und Bürger aus SchleswigHolstein.

Angesichts dieser Katastrophe ist es geradezu überwältigend, wie schnell und spontan gerade auch die Hilfsbereitschaft nicht nur von Organisationen und Einrichtungen, sondern von den vielen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes erfolgt ist. Ich bin froh und ich bin stolz, das will ich sagen, dass sich Mitglieder des Landtages nicht an der unsäglichen Debatte beteiligt haben, wie denn die Hilfe der Bundesregierung finanziert werden soll und ob es gute und schlechte Spender gibt.

(Beifall)

Armutsregionen wie Ahce sind binnen kurzem aus dem Nichts auf die persönliche Weltkarte vieler Deutscher gerückt. Der Indische Ozean ist, gemessen an der Bereitschaft zu Millionenspenden, den Bundesbürgern so nah geworden wie die unmittelbare Nachbarschaft. Die Welt ist wie im Schock nach dem Seebeben in Südostasien noch weiter zusammengerückt. Auch dies ist eine Seite der Globalisierung. Globalisierung bedeutet eben auch, dass bürgerschaftliches Engagement nicht nur in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, sondern eben überall und weltweit gebraucht wird.

Uns allen wird hier drastisch und klar vor Augen geführt, dass globale Bedrohungen nicht an einem fernen Punkt der Erde stattfinden, die uns nichts angehen, sondern immer auch Rückwirkungen auf unser Leben haben. Deshalb dürfen wir bei diesem Ereignis auch nicht vergessen, dass es noch andere Regionen auf unserem Globus gibt, die ebenfalls unserer Hilfe bedürfen.

(Beifall)

Obwohl sich diese Regionen derzeit eher am Rande unseres Interesses und außerhalb des Brennpunktes medialen Interesses befinden, haben sich deren Probleme noch lange nicht erledigt, im Gegenteil, sie nehmen von Tag zu Tag zu. Dieses Ereignis zeigt uns deutlich, dass wir der Gefahr begegnen müssen, nur noch punktuell auf Krisen zu reagieren. Wer spricht angesichts dieser Naturkatastrophe heute noch von Gegenden wie dem Kongo oder der Provinz Darfur

im Sudan, wo jedes Jahr mindestens genauso viel Menschen am Hungertod sterben wie bei der Flutkatastrophe in Südostasien? Was können wir beitragen, um Staaten wie Angola, Guinea, Ghana, Mali, Mozambique, Sambia, um nur einige zu nennen, nachhaltig zu unterstützen, damit sie sich weiter stabilisieren? Wie kann im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit und Wiederaufbau auch diesen benachteiligten Regionen geholfen werden? Wir wollen deshalb den Vorschlag des Bundeskanzlers, Patenschaften mit auszuwählenden Flutopferregionen in Südostasien anzustreben, aufgreifen, aber auch erweitern.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hierzu kann nicht nur ein kleines Bundesland wie Schleswig-Holstein beitragen. Deshalb ist es aus unserer Sicht wichtig, nachhaltige Hilfe durch partnerschaftliche Kontakte nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf kommunaler Ebene zu leisten. Nach Auskunft der schon bestehenden Servicestelle „Kommunen in der einen Welt“ haben wir vor der Asienflut von den rund 6.500 Patenschaften deutscher Kommunen weltweit nur 635 mit Entwicklungsländern gehabt. Jetzt besteht die Riesenchance, eine uralte Idee der Entwicklungszusammenarbeit neu zu beleben und Partnerschaften weiter auszubauen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die schnelle und professionelle Hilfe der Bürgerinnen und Bürger und der gesamten Staatengemeinschaft hat gezeigt, dass wir bei solchen Ereignissen zusammenrücken müssen und zusammenrücken. Jetzt müssen wir noch beweisen, dass wir durch mittel- und langfristige Planungen in der Lage sind, die Probleme auch gemeinsam und partnerschaftlich zu bewältigen.

(Beifall)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! 1883, schon lange vergessen, explodierte die Vulkaninsel Krakatau nördlich von Australien, und eine 30 m hohe Flutwelle verwüstete die Küsten der umliegenden Länder. Es wurde soviel Asche in die Atmosphäre geschleudert, dass sich mehrere Tage später der Himmel in Europa verdunkelte und tagelang grüne und violette Sonnenuntergänge beobachtet wurden. Die Wissenschaftler konnten sich das nicht

(Karl-Martin Hentschel)

erklären. Es dauerte Monate, bis der Zusammenhang mit dem Vulkanausbruch am anderen Ende der Welt begriffen wurde.

Ich glaube, der Vergleich mit der Wahrnehmung des schrecklichen Tsunami über Weihnachten vor Indonesien macht deutlich, wie sehr sich die Welt verändert hat. Innerhalb von Stunden waren die Nachrichten und die ersten Bilder bei uns im Fernsehen. Hilfsaktionen in der ganzen Welt wurden gestartet. Die Welt ist zusammengewachsen. Wir fühlen uns verantwortlich für das, was anderswo geschieht, und wir sind auch verantwortlich, und dies nicht nur, weil Tausende von Landesleuten von uns dort Urlaub machten und vermutlich Hunderte dort auch gestorben sind. Ich bedanke mich auch im Namen meiner Fraktion für die unzähligen Aktionen, das große Engagement und die Spendenbereitschaft von Zigtausenden und Hunderttausenden von Menschen in diesem Land, von Menschen, die einfach helfen wollten und die sicher in vielfacher Hinsicht auch geholfen haben.

(Beifall)

Natürlich handelte es sich diesmal um eine Naturkatastrophe, die nicht von Menschen hervorgerufen wurde. Aber macht es einen Unterschied, ob die Menschen durch einen Tsunami betroffen sind, oder ob es ein Taifun war, der möglicherweise durch Klimaerwärmung induziert wird? Natürlich macht es keinen Unterschied. Die Welt ist zu einer Welt geworden, und zwar schneller, als wir es realisiert haben. Wir bekommen mit, was am anderen Ende der Welt geschieht. Wir können helfen, und wir müssen helfen. Hilfe bedeutet nicht nur Hilfe bei Unglücken und Naturkatastrophen, Hilfe bedeutet Hilfe beim Wiederaufbau, Hilfe muss aber auch bedeuten, dass wir in Zukunft stärker als bisher Verantwortung übernehmen, damit die Spaltung der Welt in reiche und arme Länder überwunden wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es hat mich sehr gefreut, dass es möglich war, dass trotz des Wahlkampfes ein gemeinsamer Antrag in diesem Landtag zur Entwicklungspolitik von Schleswig-Holstein formuliert werden konnte.

(Beifall)

In diesem Antrag wird erstmalig formuliert, dass Schleswig-Holstein nicht nur Mitverantwortung für die betroffenen Regionen übernimmt, sondern sich auch für nachhaltige Hilfen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit anderen besonders betroffenen Regionen einsetzen soll. Damit wird für die